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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8.
[Spaltenumbruch] hen wissen, nicht so wol eine Weisheit, als
eine Wissenschaft und Klugheit ist; die aber
auch der wahren Weisheit so viel näher kömmt,
so viel mehr sie unter ihrer Zucht und Leitung
stehet.
c. Es ist demnach die Liebe und Ubung der Weis-
heit allein bey denen, welche GOTT kennen
und fürchten, und in der Erkäntniß, auch
würcklichen Ubung, geistlicher und göttlicher
Wahrheiten zuvorderst ihre geistliche und ewi-
ge wohlfahrt suchen; und daneben, um dieser
nicht verlustig zu werden, zeitliche und natür-
liche Dinge also betrachten und also damit um-
gehen, wie es ihnen die wahre Weisheit an-
weiset. Jn welchem Verstande die Liebe zur
Weisheit allen Menschen, ohne allen Unter-
scheid der Stände, und des Geschlechts unter
dem männlichen und weiblichen anbefohlen
und gemein ist.
d. Auf diese Art sind die Menschen, welche sich
von dem Geiste GOttes haben regiren lassen,
vor der Sündfluth der Weisheit ergeben ge-
wesen: da denn hingegen die Gottlosen die-
selbe nebst GOtt selbst aus den Augen gesetzet
haben: und was sie natürlicher Weise von
göttlichen und natürlichen Dingen erkannt,
das ist ohne Direction der wahren Weisheit,
weder in rechter Ordnung gebrauchet, noch
zum rechten Zweck angewendet worden.
e. Jm gleichen gedoppelten Zustande funden sich
die Menschen nach der Sündfluth bis auf die
Zeiten Mosis. Denn das theils durch die
unmittelbare Offenbarung GOttes, theils
durch die Traditionen fortgepflantzte Licht und
Same der wahren Weisheit blieb bey den
wenigsten. So sehr aber gleich der Verfall
bey den meisten war; so gewiß hat man doch
durch die Weisheit eigentlich die Erkänt-
niß göttlicher Dinge
verstanden, ob diese
gleich bey den meisten Menschen mehr Jrr-
thümer, als Wahrheit in sich hatte.
f. Und da von den Zeiten Mosis an GOtt, zur
Instruction der wahren Weisheit, der bisheri-
gen unmittelbaren Offenbarung und münd-
lichen Tradition, bey dem abgekürtzten Lebens-
Ziel, durch das Mittel der Schriften auch Pre-
digten Mosis und der Propheten, bis auf die
Zeit des andern Tempels zu Hülfe gekommen
war; so war die wahre Weisheit eigentlich
bey der jüdischen Nation. Doch behielten in
solcher langen Zeit die übrigen Völcker, oder
also genannte Heiden, noch manches von dem,
was sie theils durch ihre Vor-Eltern durch
die Tradition, oder mündliche Fortpflantzung
aus der Schule Noe und seiner Kinder, theils
auch von den Juden angenommen hatten, und
ist es in solcher gantzen Zeit wol keinem, der
nicht gleichsam zum halben Unmenschen ge-
worden ist, iemals in den Sinn gekommen,
durch die Weisheit, dem Haupt-Verstande
nach, etwas anders zu verstehen, als das, was
auf die Religion ging, ob sie wol bey ihnen
insgemein voller Jrrthümer auch Abgötterey
und Aberglauben war.
g. Daß von dem Anfange der Persischen Monar-
chi
e und des andern Tempels an unter den
[Spaltenumbruch] Heiden durch die Weisheit zuvorderst die zur
Religion gehörende göttliche Dinge, und die
daher geleitete, oder doch damit verknüpfte
Morale verstanden worden, ist aus der Schule
des um diese Zeit blühenden berühmten Py-
thagorae
bekannt. Es ist aber mercklich, daß
sie durch Pythagoram von dieser Zeit an hat
einen veränderten Namen bekommen. Denn
da sie vorher war genannt worden Sophia, die
Weisheit, und ihre Liebhaber sophoi, sapien-
tes,
weise Leute; so hielte Pythagoras mit
seinen Schülern diese Benennung für zu stoltz,
daß man sich wolte für einen Weisen halten
und sich die Weisheit zueignen; und daher ge-
brauchten sie sich dafür der Compositorum,
oder der Worte der Philosophiae und der Philo-
sophorum
;
welches eine Liebe und solche Lieb-
haber der Weisheit bedeutete, welche sich
der Weisheit beflissen.
h. Es ist also zu dieser Zeit noch keinem vernünfti-
gen und vom atheismo entferneten Menschen,
so viel man aus der historia philosophica sie-
het, in den Sinn gekommen, daß er durch
das Wort Philosophie ein von der Theologie
und Religion abgesondertes Studium verstan-
den hätte: sondern die alte Bedeutung des
Worts Weisheit blieb dabey noch immer
veste stehen, auch in den nachfolgenden Zeiten,
sonderlich bey dem Socrate und seinen besten
Schülern und Nachfolgern, dem Platone und
Platonicis.
3. Aus dieser kurtzen Deduction erhellen
nun diese Sätze, als Conclusiones:
a. Daß das Wort Philosophia so wol sensu gram-
matico,
als historico, so wol nach seiner gram-
mati
schen und eigentlichen Bedeutung, als
nach dem uralten Gebrauch, eigentlich auf die-
jenige Weisheit gehe, welche in der geoffen-
barten Religion lieget, und nach derselben An-
weisung erlanget und geübet wird.
b. Daß die wahre Philosophie wie ehemals bey
der jüdischen Nation, also ietzo allein bey den
wahren Christen sey. Wie denn auch daher
unterschiedliche alte Lehrer in der Griechischen
Kirche das Studium Theologiae in diesem Ver-
stande Philosophiam, eine Befleißigung auf
die wahre Weisheit genennet haben.
c. Daß die von den Juden unterschiedene übri-
ge Völcker ehemals nur den Schatten der
wahren Weisheit und Philosophie gehabt
haben.
d. Daß es eine ungereimte Sache sey, wenn
manche Leute bey Geringschätzung der geoffen-
barten Religion mit ihrer von derselben gantz
abgeschiedenen Weisheit u. Philosophie pra-
len; da sie doch solcher gestalt ihres Namens
nicht einmal werth ist.
e. Daß die Teutsche Benennung, da man der
Philosophie bey gedachter Abgeschiedenheit
den Namen der Welt-Weisheit giebet,
dem sensui grammatico und historico, nem-
lich dem uralten, entgegen stehe.
4. Nun haben wir zu erwegen, wie die Phi-
losophi
e nach den Zeiten Pythagorae und Socratis
auch denjenigen Schatten, welchen sie unter den
von den Juden unterschiedenen Völckern von ih-
rem
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8.
[Spaltenumbruch] hen wiſſen, nicht ſo wol eine Weisheit, als
eine Wiſſenſchaft und Klugheit iſt; die aber
auch der wahren Weisheit ſo viel naͤher koͤm̃t,
ſo viel mehr ſie unter ihrer Zucht und Leitung
ſtehet.
c. Es iſt demnach die Liebe und Ubung der Weis-
heit allein bey denen, welche GOTT kennen
und fuͤrchten, und in der Erkaͤntniß, auch
wuͤrcklichen Ubung, geiſtlicher und goͤttlicher
Wahrheiten zuvorderſt ihre geiſtliche und ewi-
ge wohlfahrt ſuchen; und daneben, um dieſer
nicht verluſtig zu werden, zeitliche und natuͤr-
liche Dinge alſo betrachten und alſo damit um-
gehen, wie es ihnen die wahre Weisheit an-
weiſet. Jn welchem Verſtande die Liebe zur
Weisheit allen Menſchen, ohne allen Unter-
ſcheid der Staͤnde, und des Geſchlechts unter
dem maͤnnlichen und weiblichen anbefohlen
und gemein iſt.
d. Auf dieſe Art ſind die Menſchen, welche ſich
von dem Geiſte GOttes haben regiren laſſen,
vor der Suͤndfluth der Weisheit ergeben ge-
weſen: da denn hingegen die Gottloſen die-
ſelbe nebſt GOtt ſelbſt aus den Augen geſetzet
haben: und was ſie natuͤrlicher Weiſe von
goͤttlichen und natuͤrlichen Dingen erkannt,
das iſt ohne Direction der wahren Weisheit,
weder in rechter Ordnung gebrauchet, noch
zum rechten Zweck angewendet worden.
e. Jm gleichen gedoppelten Zuſtande funden ſich
die Menſchen nach der Suͤndfluth bis auf die
Zeiten Moſis. Denn das theils durch die
unmittelbare Offenbarung GOttes, theils
durch die Traditionen fortgepflantzte Licht und
Same der wahren Weisheit blieb bey den
wenigſten. So ſehr aber gleich der Verfall
bey den meiſten war; ſo gewiß hat man doch
durch die Weisheit eigentlich die Erkaͤnt-
niß goͤttlicher Dinge
verſtanden, ob dieſe
gleich bey den meiſten Menſchen mehr Jrr-
thuͤmer, als Wahrheit in ſich hatte.
f. Und da von den Zeiten Moſis an GOtt, zur
Inſtruction der wahren Weisheit, der bisheri-
gen unmittelbaren Offenbarung und muͤnd-
lichen Tradition, bey dem abgekuͤrtzten Lebens-
Ziel, durch das Mittel der Schriften auch Pre-
digten Moſis und der Propheten, bis auf die
Zeit des andern Tempels zu Huͤlfe gekommen
war; ſo war die wahre Weisheit eigentlich
bey der juͤdiſchen Nation. Doch behielten in
ſolcher langen Zeit die uͤbrigen Voͤlcker, oder
alſo genannte Heiden, noch manches von dem,
was ſie theils durch ihre Vor-Eltern durch
die Tradition, oder muͤndliche Fortpflantzung
aus der Schule Noe und ſeiner Kinder, theils
auch von den Juden angenommen hatten, und
iſt es in ſolcher gantzen Zeit wol keinem, der
nicht gleichſam zum halben Unmenſchen ge-
worden iſt, iemals in den Sinn gekommen,
durch die Weisheit, dem Haupt-Verſtande
nach, etwas anders zu verſtehen, als das, was
auf die Religion ging, ob ſie wol bey ihnen
insgemein voller Jrrthuͤmer auch Abgoͤtterey
und Aberglauben war.
g. Daß von dem Anfange der Perſiſchen Monar-
chi
e und des andern Tempels an unter den
[Spaltenumbruch] Heiden durch die Weisheit zuvorderſt die zur
Religion gehoͤrende goͤttliche Dinge, und die
daher geleitete, oder doch damit verknuͤpfte
Morale verſtanden worden, iſt aus der Schule
des um dieſe Zeit bluͤhenden beruͤhmten Py-
thagoræ
bekannt. Es iſt aber mercklich, daß
ſie durch Pythagoram von dieſer Zeit an hat
einen veraͤnderten Namen bekommen. Denn
da ſie vorher war genannt worden Sophia, die
Weisheit, und ihre Liebhaber σοφοὶ, ſapien-
tes,
weiſe Leute; ſo hielte Pythagoras mit
ſeinen Schuͤlern dieſe Benennung fuͤr zu ſtoltz,
daß man ſich wolte fuͤr einen Weiſen halten
und ſich die Weisheit zueignen; und daher ge-
brauchten ſie ſich dafuͤr der Compoſitorum,
oder der Worte der Philoſophiæ und der Philo-
ſophorum
;
welches eine Liebe und ſolche Lieb-
haber der Weisheit bedeutete, welche ſich
der Weisheit befliſſen.
h. Es iſt alſo zu dieſer Zeit noch keinem vernuͤnfti-
gen und vom atheiſmo entferneten Menſchen,
ſo viel man aus der hiſtoria philoſophica ſie-
het, in den Sinn gekommen, daß er durch
das Wort Philoſophie ein von der Theologie
und Religion abgeſondertes Studium verſtan-
den haͤtte: ſondern die alte Bedeutung des
Worts Weisheit blieb dabey noch immer
veſte ſtehen, auch in den nachfolgenden Zeiten,
ſonderlich bey dem Socrate und ſeinen beſten
Schuͤlern und Nachfolgern, dem Platone und
Platonicis.
3. Aus dieſer kurtzen Deduction erhellen
nun dieſe Saͤtze, als Concluſiones:
a. Daß das Wort Philoſophia ſo wol ſenſu gram-
matico,
als hiſtorico, ſo wol nach ſeiner gram-
mati
ſchen und eigentlichen Bedeutung, als
nach dem uralten Gebrauch, eigentlich auf die-
jenige Weisheit gehe, welche in der geoffen-
barten Religion lieget, und nach derſelben An-
weiſung erlanget und geuͤbet wird.
b. Daß die wahre Philoſophie wie ehemals bey
der juͤdiſchen Nation, alſo ietzo allein bey den
wahren Chriſten ſey. Wie denn auch daher
unterſchiedliche alte Lehrer in der Griechiſchen
Kirche das Studium Theologiæ in dieſem Ver-
ſtande Philoſophiam, eine Befleißigung auf
die wahre Weisheit genennet haben.
c. Daß die von den Juden unterſchiedene uͤbri-
ge Voͤlcker ehemals nur den Schatten der
wahren Weisheit und Philoſophie gehabt
haben.
d. Daß es eine ungereimte Sache ſey, wenn
manche Leute bey Geringſchaͤtzung der geoffen-
barten Religion mit ihrer von derſelben gantz
abgeſchiedenen Weisheit u. Philoſophie pra-
len; da ſie doch ſolcher geſtalt ihres Namens
nicht einmal werth iſt.
e. Daß die Teutſche Benennung, da man der
Philoſophie bey gedachter Abgeſchiedenheit
den Namen der Welt-Weisheit giebet,
dem ſenſui grammatico und hiſtorico, nem-
lich dem uralten, entgegen ſtehe.
4. Nun haben wir zu erwegen, wie die Phi-
loſophi
e nach den Zeiten Pythagoræ und Socratis
auch denjenigen Schatten, welchen ſie unter den
von den Juden unterſchiedenen Voͤlckern von ih-
rem
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[774/0802] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8. hen wiſſen, nicht ſo wol eine Weisheit, als eine Wiſſenſchaft und Klugheit iſt; die aber auch der wahren Weisheit ſo viel naͤher koͤm̃t, ſo viel mehr ſie unter ihrer Zucht und Leitung ſtehet. c. Es iſt demnach die Liebe und Ubung der Weis- heit allein bey denen, welche GOTT kennen und fuͤrchten, und in der Erkaͤntniß, auch wuͤrcklichen Ubung, geiſtlicher und goͤttlicher Wahrheiten zuvorderſt ihre geiſtliche und ewi- ge wohlfahrt ſuchen; und daneben, um dieſer nicht verluſtig zu werden, zeitliche und natuͤr- liche Dinge alſo betrachten und alſo damit um- gehen, wie es ihnen die wahre Weisheit an- weiſet. Jn welchem Verſtande die Liebe zur Weisheit allen Menſchen, ohne allen Unter- ſcheid der Staͤnde, und des Geſchlechts unter dem maͤnnlichen und weiblichen anbefohlen und gemein iſt. d. Auf dieſe Art ſind die Menſchen, welche ſich von dem Geiſte GOttes haben regiren laſſen, vor der Suͤndfluth der Weisheit ergeben ge- weſen: da denn hingegen die Gottloſen die- ſelbe nebſt GOtt ſelbſt aus den Augen geſetzet haben: und was ſie natuͤrlicher Weiſe von goͤttlichen und natuͤrlichen Dingen erkannt, das iſt ohne Direction der wahren Weisheit, weder in rechter Ordnung gebrauchet, noch zum rechten Zweck angewendet worden. e. Jm gleichen gedoppelten Zuſtande funden ſich die Menſchen nach der Suͤndfluth bis auf die Zeiten Moſis. Denn das theils durch die unmittelbare Offenbarung GOttes, theils durch die Traditionen fortgepflantzte Licht und Same der wahren Weisheit blieb bey den wenigſten. So ſehr aber gleich der Verfall bey den meiſten war; ſo gewiß hat man doch durch die Weisheit eigentlich die Erkaͤnt- niß goͤttlicher Dinge verſtanden, ob dieſe gleich bey den meiſten Menſchen mehr Jrr- thuͤmer, als Wahrheit in ſich hatte. f. Und da von den Zeiten Moſis an GOtt, zur Inſtruction der wahren Weisheit, der bisheri- gen unmittelbaren Offenbarung und muͤnd- lichen Tradition, bey dem abgekuͤrtzten Lebens- Ziel, durch das Mittel der Schriften auch Pre- digten Moſis und der Propheten, bis auf die Zeit des andern Tempels zu Huͤlfe gekommen war; ſo war die wahre Weisheit eigentlich bey der juͤdiſchen Nation. Doch behielten in ſolcher langen Zeit die uͤbrigen Voͤlcker, oder alſo genannte Heiden, noch manches von dem, was ſie theils durch ihre Vor-Eltern durch die Tradition, oder muͤndliche Fortpflantzung aus der Schule Noe und ſeiner Kinder, theils auch von den Juden angenommen hatten, und iſt es in ſolcher gantzen Zeit wol keinem, der nicht gleichſam zum halben Unmenſchen ge- worden iſt, iemals in den Sinn gekommen, durch die Weisheit, dem Haupt-Verſtande nach, etwas anders zu verſtehen, als das, was auf die Religion ging, ob ſie wol bey ihnen insgemein voller Jrrthuͤmer auch Abgoͤtterey und Aberglauben war. g. Daß von dem Anfange der Perſiſchen Monar- chie und des andern Tempels an unter den Heiden durch die Weisheit zuvorderſt die zur Religion gehoͤrende goͤttliche Dinge, und die daher geleitete, oder doch damit verknuͤpfte Morale verſtanden worden, iſt aus der Schule des um dieſe Zeit bluͤhenden beruͤhmten Py- thagoræ bekannt. Es iſt aber mercklich, daß ſie durch Pythagoram von dieſer Zeit an hat einen veraͤnderten Namen bekommen. Denn da ſie vorher war genannt worden Sophia, die Weisheit, und ihre Liebhaber σοφοὶ, ſapien- tes, weiſe Leute; ſo hielte Pythagoras mit ſeinen Schuͤlern dieſe Benennung fuͤr zu ſtoltz, daß man ſich wolte fuͤr einen Weiſen halten und ſich die Weisheit zueignen; und daher ge- brauchten ſie ſich dafuͤr der Compoſitorum, oder der Worte der Philoſophiæ und der Philo- ſophorum; welches eine Liebe und ſolche Lieb- haber der Weisheit bedeutete, welche ſich der Weisheit befliſſen. h. Es iſt alſo zu dieſer Zeit noch keinem vernuͤnfti- gen und vom atheiſmo entferneten Menſchen, ſo viel man aus der hiſtoria philoſophica ſie- het, in den Sinn gekommen, daß er durch das Wort Philoſophie ein von der Theologie und Religion abgeſondertes Studium verſtan- den haͤtte: ſondern die alte Bedeutung des Worts Weisheit blieb dabey noch immer veſte ſtehen, auch in den nachfolgenden Zeiten, ſonderlich bey dem Socrate und ſeinen beſten Schuͤlern und Nachfolgern, dem Platone und Platonicis. 3. Aus dieſer kurtzen Deduction erhellen nun dieſe Saͤtze, als Concluſiones: a. Daß das Wort Philoſophia ſo wol ſenſu gram- matico, als hiſtorico, ſo wol nach ſeiner gram- matiſchen und eigentlichen Bedeutung, als nach dem uralten Gebrauch, eigentlich auf die- jenige Weisheit gehe, welche in der geoffen- barten Religion lieget, und nach derſelben An- weiſung erlanget und geuͤbet wird. b. Daß die wahre Philoſophie wie ehemals bey der juͤdiſchen Nation, alſo ietzo allein bey den wahren Chriſten ſey. Wie denn auch daher unterſchiedliche alte Lehrer in der Griechiſchen Kirche das Studium Theologiæ in dieſem Ver- ſtande Philoſophiam, eine Befleißigung auf die wahre Weisheit genennet haben. c. Daß die von den Juden unterſchiedene uͤbri- ge Voͤlcker ehemals nur den Schatten der wahren Weisheit und Philoſophie gehabt haben. d. Daß es eine ungereimte Sache ſey, wenn manche Leute bey Geringſchaͤtzung der geoffen- barten Religion mit ihrer von derſelben gantz abgeſchiedenen Weisheit u. Philoſophie pra- len; da ſie doch ſolcher geſtalt ihres Namens nicht einmal werth iſt. e. Daß die Teutſche Benennung, da man der Philoſophie bey gedachter Abgeſchiedenheit den Namen der Welt-Weisheit giebet, dem ſenſui grammatico und hiſtorico, nem- lich dem uralten, entgegen ſtehe. 4. Nun haben wir zu erwegen, wie die Phi- loſophie nach den Zeiten Pythagoræ und Socratis auch denjenigen Schatten, welchen ſie unter den von den Juden unterſchiedenen Voͤlckern von ih- rem

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 774. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/802>, abgerufen am 24.11.2024.