Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, 9-12. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
hervor thun soll in einem würdigen Wan-del dem HERRN zu allem Gefallen. Da denn a. Der HERR ist unser Heiland, der uns zur Nachfolge mit seinem allervollkommen- sten Exempel vorgegangen ist, und uns durch seinen Geist selbst in alle Wahrheit leitet: auf den wir auch in unserm Wan- del sehen sollen, als vor dessen Augen er ge- führet wird. ro. Der Wandel selbst ist zuvorderst der innerliche der Seelen nach vor GOTT, und bestehet in allem dem, was in der Seele mit Gedancken, Rathschlüssen, Be- gierden und Afsecten vorgehet: und denn auch der daher entstehende äusserliche vor GOtt und Menschen. Wozu denn auch allerdinge alle diejenige Zeit und Be- schäftigung gehöret, da man keinen Men- schen um sich hat, sondern gantz allein ist; da der Wandel auch auf GOTT gerichtet bleiben muß. g. Die Würdigkeit dieses Wandels beste- het darinn, daß er dem heiligen Willen GOttes gemäß sey, aus seiner Gnade ge- führet werde, und bey andern, sonderlich denen, die draussen sind, oder noch erst sollen zu GOtt bekehret werden, zur Ehre GOttes gereiche. d. Die Wohlgefälligkeit des Wandels wird damit befordert, wenn er im Glau- ben, im Namen JEsu Christi und in der Furcht GOttes geführet wird. Da es denn eine grosse Leutseligkeit GOttes ist, daß er einen noch so sehr unvollkommenen Wandel sich dennoch so wohl gefallen läs- set. Welches einen billig zum Dienste GOttes aufmuntert. Und diese Wohl- gefälligkeit kan so gar auch ein ieder Dienstbote durch die Treue seiner Ver- richtungen und durch sein übriges Wohl- verhalten dem lieben GOtt machen, so gar, daß auch das Evangelium dadurch geschmü- cket wird. Tit. 2, 10. d. Die Thätigkeit solches GOtt wohlgefälli- gen Wandels, die da bestehet in der Frucht- barkeit an allen guten Wercken. Zuvor- derst den innerlichen, die GOtt allein kund werden, und denn auch den äusserlichen; wie denn der Mensch aus Leib und Seele bestehet, und daher die innerlichen Wercke mit den äusserlichen verbunden sind. Und wenn es heißt en panti, in allem guten Wercke, so wird damit gesehen auf diejenige Vollkom- menheit der Gläubigen, welche schon in ihrer Unvollkommenheit statt findet, und darinn bestehet, daß alle Stücke des Christenthums bey einander sind, und alle Pflichten in der wohlgeordneten Liebe gegen GOtt, uns selbst und den Nechsten zusammen ausgeübet wer- den, ob man gleich zu dem einen stärcker ist, als zu dem andern. e. Die besondere Anwendung der empfan- genen Stärcke in den besondern Wercken der Geduld und Langmüthigkeit. Da die Geduld ist eine beständige Ausharrung im [Spaltenumbruch] Leiden, also, daß man das damit aufgelegte Joch CHristi nicht abwirft, sondern es als eine leichte Last träget, auch in der Ausübung des Guten so vieler Hinderniß wegen nicht müde wird, sondern darinn verharret. Zu welcher Ubung der Geduld einem die Lang- muth sehr wohl zu statten kömmt: als die da eine solche geistliche Großmüthigkeit ist, vermöge welcher man eine Sache dazu viel zu zu gering und zu unwerth achtet, daß man sich dadurch solte beunruhigen und gleichsam aus seiner Vestung bringen lassen. Der Grad aber der Geduld und Langmuth soll durch GOttes Gnade so weit kommen, daß man das Ubel nicht allein mit Gelassenheit, sondern auch mit Freuden ertrage. 9. Da es nun also um den Wachsthum und um die geistliche Stärcke wahrer Christen stehet, so ist leichtlich zu erachten, was es für ei- ne grosse Unwissenheit sey, wenn man sich immer auf seine menschliche Schwachheit berufet. Denn diß ist nichts anders, als eine wirckliche Verleugnung Christi und des gantzen Christen- thums: als welches eben darinn hauptsächlich bestehet, daß wir mit göttlicher Kraft zu allem Guten sollen ausgerüstet und gestärcket werden. Und was zeiget der Christen-Name anders an, als eben dieses, sintemal ein Christ ist und heist ein Gesalbter des HErrn, der eben deswe- gen, weil er von Natur zu allem Guten unver- mögend ist, dazu durch die Salbung gestärcket wird. 10. Da in dem bisher erläuterten herrli- chen Orte der Wachsthum des neuen Menschen also beschrieben und gefodert wird, daß er am Verstande und Willen zugleich geschehen solle; so ist daraus leichtlich zu schliessen, wie ir- rig es sey, wenn man eine wahre Erleuchtung des Verstandes statuiret, ohne die Heiligung des Willens. Denn gleichwie mit dieser gleich in der ersten Bekehrung bey den Colossern sich die Erleuchtung angehoben hatte: also kan auch die- se nur allein in der Ordnung, da jene zunimmt, zu ihrem rechten Wachsthum gelangen. Dar- um der Apostel das Wachsen in der Erkäntniß GOttes v. 10. nicht allein mit dem würdigen und dem HErrn wohlgefälligen Wandel und mit der Fruchtbringung in allem guten Wercke verbindet, sondern es demselben auch nachsetzet, und damit deutlich genug anzeiget, wie daß je- nes dazu nothwendig erfodert werde. Dabey man sonderlich die beyden parallel-Oerter Rom. 12, 2. 3. und Phil. 1, 9-11. zu erwegen hat. V. 12. Und dancksaget dem Vater, der uns Anmerckungen. 1. Es kan zwar dieser Vers nebst den bey- den folgenden füglich mit den vorhergehenden also verbunden werden, daß man die Danck- sagung auf die Colosser, auch Paulum und Ti- motheum zugleich ziehe: doch läßt sich die Ver- bindung fast noch füglicher also machen, daß man es
Cap. 1, 9-12. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
hervor thun ſoll in einem wuͤrdigen Wan-del dem HERRN zu allem Gefallen. Da denn α. Der HERR iſt unſer Heiland, der uns zur Nachfolge mit ſeinem allervollkommen- ſten Exempel vorgegangen iſt, und uns durch ſeinen Geiſt ſelbſt in alle Wahrheit leitet: auf den wir auch in unſerm Wan- del ſehen ſollen, als vor deſſen Augen er ge- fuͤhret wird. ρο. Der Wandel ſelbſt iſt zuvorderſt der innerliche der Seelen nach vor GOTT, und beſtehet in allem dem, was in der Seele mit Gedancken, Rathſchluͤſſen, Be- gierden und Afſecten vorgehet: und denn auch der daher entſtehende aͤuſſerliche vor GOtt und Menſchen. Wozu denn auch allerdinge alle diejenige Zeit und Be- ſchaͤftigung gehoͤret, da man keinen Men- ſchen um ſich hat, ſondern gantz allein iſt; da der Wandel auch auf GOTT gerichtet bleiben muß. γ. Die Wuͤrdigkeit dieſes Wandels beſte- het darinn, daß er dem heiligen Willen GOttes gemaͤß ſey, aus ſeiner Gnade ge- fuͤhret werde, und bey andern, ſonderlich denen, die drauſſen ſind, oder noch erſt ſollen zu GOtt bekehret werden, zur Ehre GOttes gereiche. δ. Die Wohlgefaͤlligkeit des Wandels wird damit befordert, wenn er im Glau- ben, im Namen JEſu Chriſti und in der Furcht GOttes gefuͤhret wird. Da es denn eine groſſe Leutſeligkeit GOttes iſt, daß er einen noch ſo ſehr unvollkommenen Wandel ſich dennoch ſo wohl gefallen laͤſ- ſet. Welches einen billig zum Dienſte GOttes aufmuntert. Und dieſe Wohl- gefaͤlligkeit kan ſo gar auch ein ieder Dienſtbote durch die Treue ſeiner Ver- richtungen und durch ſein uͤbriges Wohl- verhalten dem lieben GOtt machen, ſo gar, daß auch das Evangelium dadurch geſchmuͤ- cket wird. Tit. 2, 10. d. Die Thaͤtigkeit ſolches GOtt wohlgefaͤlli- gen Wandels, die da beſtehet in der Frucht- barkeit an allen guten Wercken. Zuvor- derſt den innerlichen, die GOtt allein kund werden, und denn auch den aͤuſſerlichen; wie denn der Menſch aus Leib und Seele beſtehet, und daher die innerlichen Wercke mit den aͤuſſerlichen verbunden ſind. Und wenn es heißt ἐν παντὶ, in allem guten Wercke, ſo wird damit geſehen auf diejenige Vollkom- menheit der Glaͤubigen, welche ſchon in ihrer Unvollkommenheit ſtatt findet, und darinn beſtehet, daß alle Stuͤcke des Chriſtenthums bey einander ſind, und alle Pflichten in der wohlgeordneten Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten zuſammen ausgeuͤbet wer- den, ob man gleich zu dem einen ſtaͤrcker iſt, als zu dem andern. e. Die beſondere Anwendung der empfan- genen Staͤrcke in den beſondern Wercken der Geduld und Langmuͤthigkeit. Da die Geduld iſt eine beſtaͤndige Ausharrung im [Spaltenumbruch] Leiden, alſo, daß man das damit aufgelegte Joch CHriſti nicht abwirft, ſondern es als eine leichte Laſt traͤget, auch in der Ausuͤbung des Guten ſo vieler Hinderniß wegen nicht muͤde wird, ſondern darinn verharret. Zu welcher Ubung der Geduld einem die Lang- muth ſehr wohl zu ſtatten koͤmmt: als die da eine ſolche geiſtliche Großmuͤthigkeit iſt, vermoͤge welcher man eine Sache dazu viel zu zu gering und zu unwerth achtet, daß man ſich dadurch ſolte beunruhigen und gleichſam aus ſeiner Veſtung bringen laſſen. Der Grad aber der Geduld und Langmuth ſoll durch GOttes Gnade ſo weit kommen, daß man das Ubel nicht allein mit Gelaſſenheit, ſondern auch mit Freuden ertrage. 9. Da es nun alſo um den Wachsthum und um die geiſtliche Staͤrcke wahrer Chriſten ſtehet, ſo iſt leichtlich zu erachten, was es fuͤr ei- ne groſſe Unwiſſenheit ſey, wenn man ſich immer auf ſeine menſchliche Schwachheit berufet. Denn diß iſt nichts anders, als eine wirckliche Verleugnung Chriſti und des gantzen Chriſten- thums: als welches eben darinn hauptſaͤchlich beſtehet, daß wir mit goͤttlicher Kraft zu allem Guten ſollen ausgeruͤſtet und geſtaͤrcket werden. Und was zeiget der Chriſten-Name anders an, als eben dieſes, ſintemal ein Chriſt iſt und heiſt ein Geſalbter des HErrn, der eben deswe- gen, weil er von Natur zu allem Guten unver- moͤgend iſt, dazu durch die Salbung geſtaͤrcket wird. 10. Da in dem bisher erlaͤuterten herrli- chen Orte der Wachsthum des neuen Menſchen alſo beſchrieben und gefodert wird, daß er am Verſtande und Willen zugleich geſchehen ſolle; ſo iſt daraus leichtlich zu ſchlieſſen, wie ir- rig es ſey, wenn man eine wahre Erleuchtung des Verſtandes ſtatuiret, ohne die Heiligung des Willens. Denn gleichwie mit dieſer gleich in der erſten Bekehrung bey den Coloſſern ſich die Erleuchtung angehoben hatte: alſo kan auch die- ſe nur allein in der Ordnung, da jene zunimmt, zu ihrem rechten Wachsthum gelangen. Dar- um der Apoſtel das Wachſen in der Erkaͤntniß GOttes v. 10. nicht allein mit dem wuͤrdigen und dem HErrn wohlgefaͤlligen Wandel und mit der Fruchtbringung in allem guten Wercke verbindet, ſondern es demſelben auch nachſetzet, und damit deutlich genug anzeiget, wie daß je- nes dazu nothwendig erfodert werde. Dabey man ſonderlich die beyden parallel-Oerter Rom. 12, 2. 3. und Phil. 1, 9-11. zu erwegen hat. V. 12. Und danckſaget dem Vater, der uns Anmerckungen. 1. Es kan zwar dieſer Vers nebſt den bey- den folgenden fuͤglich mit den vorhergehenden alſo verbunden werden, daß man die Danck- ſagung auf die Coloſſer, auch Paulum und Ti- motheum zugleich ziehe: doch laͤßt ſich die Ver- bindung faſt noch fuͤglicher alſo machen, daß man es
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Cap. 1, 9-12. an die Coloſſer.
hervor thun ſoll in einem wuͤrdigen Wan-
del dem HERRN zu allem Gefallen.
Da denn
α. Der HERR iſt unſer Heiland, der uns
zur Nachfolge mit ſeinem allervollkommen-
ſten Exempel vorgegangen iſt, und uns
durch ſeinen Geiſt ſelbſt in alle Wahrheit
leitet: auf den wir auch in unſerm Wan-
del ſehen ſollen, als vor deſſen Augen er ge-
fuͤhret wird.
ρο. Der Wandel ſelbſt iſt zuvorderſt der
innerliche der Seelen nach vor GOTT,
und beſtehet in allem dem, was in der
Seele mit Gedancken, Rathſchluͤſſen, Be-
gierden und Afſecten vorgehet: und denn
auch der daher entſtehende aͤuſſerliche
vor GOtt und Menſchen. Wozu denn
auch allerdinge alle diejenige Zeit und Be-
ſchaͤftigung gehoͤret, da man keinen Men-
ſchen um ſich hat, ſondern gantz allein iſt;
da der Wandel auch auf GOTT gerichtet
bleiben muß.
γ. Die Wuͤrdigkeit dieſes Wandels beſte-
het darinn, daß er dem heiligen Willen
GOttes gemaͤß ſey, aus ſeiner Gnade ge-
fuͤhret werde, und bey andern, ſonderlich
denen, die drauſſen ſind, oder noch erſt
ſollen zu GOtt bekehret werden, zur Ehre
GOttes gereiche.
δ. Die Wohlgefaͤlligkeit des Wandels
wird damit befordert, wenn er im Glau-
ben, im Namen JEſu Chriſti und in der
Furcht GOttes gefuͤhret wird. Da es
denn eine groſſe Leutſeligkeit GOttes iſt,
daß er einen noch ſo ſehr unvollkommenen
Wandel ſich dennoch ſo wohl gefallen laͤſ-
ſet. Welches einen billig zum Dienſte
GOttes aufmuntert. Und dieſe Wohl-
gefaͤlligkeit kan ſo gar auch ein ieder
Dienſtbote durch die Treue ſeiner Ver-
richtungen und durch ſein uͤbriges Wohl-
verhalten dem lieben GOtt machen, ſo gar,
daß auch das Evangelium dadurch geſchmuͤ-
cket wird. Tit. 2, 10.
d. Die Thaͤtigkeit ſolches GOtt wohlgefaͤlli-
gen Wandels, die da beſtehet in der Frucht-
barkeit an allen guten Wercken. Zuvor-
derſt den innerlichen, die GOtt allein kund
werden, und denn auch den aͤuſſerlichen; wie
denn der Menſch aus Leib und Seele beſtehet,
und daher die innerlichen Wercke mit den
aͤuſſerlichen verbunden ſind. Und wenn es
heißt ἐν παντὶ, in allem guten Wercke, ſo
wird damit geſehen auf diejenige Vollkom-
menheit der Glaͤubigen, welche ſchon in ihrer
Unvollkommenheit ſtatt findet, und darinn
beſtehet, daß alle Stuͤcke des Chriſtenthums
bey einander ſind, und alle Pflichten in der
wohlgeordneten Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt
und den Nechſten zuſammen ausgeuͤbet wer-
den, ob man gleich zu dem einen ſtaͤrcker iſt,
als zu dem andern.
e. Die beſondere Anwendung der empfan-
genen Staͤrcke in den beſondern Wercken der
Geduld und Langmuͤthigkeit. Da die
Geduld iſt eine beſtaͤndige Ausharrung im
Leiden, alſo, daß man das damit aufgelegte
Joch CHriſti nicht abwirft, ſondern es als
eine leichte Laſt traͤget, auch in der Ausuͤbung
des Guten ſo vieler Hinderniß wegen nicht
muͤde wird, ſondern darinn verharret. Zu
welcher Ubung der Geduld einem die Lang-
muth ſehr wohl zu ſtatten koͤmmt: als die
da eine ſolche geiſtliche Großmuͤthigkeit iſt,
vermoͤge welcher man eine Sache dazu viel zu
zu gering und zu unwerth achtet, daß man ſich
dadurch ſolte beunruhigen und gleichſam aus
ſeiner Veſtung bringen laſſen. Der Grad
aber der Geduld und Langmuth ſoll durch
GOttes Gnade ſo weit kommen, daß man
das Ubel nicht allein mit Gelaſſenheit, ſondern
auch mit Freuden ertrage.
9. Da es nun alſo um den Wachsthum
und um die geiſtliche Staͤrcke wahrer Chriſten
ſtehet, ſo iſt leichtlich zu erachten, was es fuͤr ei-
ne groſſe Unwiſſenheit ſey, wenn man ſich immer
auf ſeine menſchliche Schwachheit berufet.
Denn diß iſt nichts anders, als eine wirckliche
Verleugnung Chriſti und des gantzen Chriſten-
thums: als welches eben darinn hauptſaͤchlich
beſtehet, daß wir mit goͤttlicher Kraft zu allem
Guten ſollen ausgeruͤſtet und geſtaͤrcket werden.
Und was zeiget der Chriſten-Name anders an,
als eben dieſes, ſintemal ein Chriſt iſt und heiſt
ein Geſalbter des HErrn, der eben deswe-
gen, weil er von Natur zu allem Guten unver-
moͤgend iſt, dazu durch die Salbung geſtaͤrcket
wird.
10. Da in dem bisher erlaͤuterten herrli-
chen Orte der Wachsthum des neuen Menſchen
alſo beſchrieben und gefodert wird, daß er am
Verſtande und Willen zugleich geſchehen
ſolle; ſo iſt daraus leichtlich zu ſchlieſſen, wie ir-
rig es ſey, wenn man eine wahre Erleuchtung
des Verſtandes ſtatuiret, ohne die Heiligung des
Willens. Denn gleichwie mit dieſer gleich in
der erſten Bekehrung bey den Coloſſern ſich die
Erleuchtung angehoben hatte: alſo kan auch die-
ſe nur allein in der Ordnung, da jene zunimmt,
zu ihrem rechten Wachsthum gelangen. Dar-
um der Apoſtel das Wachſen in der Erkaͤntniß
GOttes v. 10. nicht allein mit dem wuͤrdigen
und dem HErrn wohlgefaͤlligen Wandel und
mit der Fruchtbringung in allem guten Wercke
verbindet, ſondern es demſelben auch nachſetzet,
und damit deutlich genug anzeiget, wie daß je-
nes dazu nothwendig erfodert werde. Dabey
man ſonderlich die beyden parallel-Oerter Rom.
12, 2. 3. und Phil. 1, 9-11. zu erwegen hat.
V. 12.
Und danckſaget dem Vater, der uns
tuͤchtig gemachet hat zu dem Erbtheil der
Heiligen im Lichte.
Anmerckungen.
1. Es kan zwar dieſer Vers nebſt den bey-
den folgenden fuͤglich mit den vorhergehenden
alſo verbunden werden, daß man die Danck-
ſagung auf die Coloſſer, auch Paulum und Ti-
motheum zugleich ziehe: doch laͤßt ſich die Ver-
bindung faſt noch fuͤglicher alſo machen, daß man
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