Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 2. [Spaltenumbruch]
Wer ein Heiliger wird in CHristo, der wirddamit auch ein gläubiger Bruder in ihm. Jst einer aber kein heiliger, so ist er auch kein gläubi- ger Bruder, sondern, wenn er sich zur Gemein- schaft der Heiligen äusserlich hält, ein unächtes Glied. Die wahre Bruder-Liebe hat die wah- re Heiligung zum Grunde, und mit dieser nimmt sie zu. 9. Das Wort pistos, gläubig, gehet sei- nem Nachdrucke nach dergestalt auf den Glau- ben, daß es zugleich die Treue und die Behar- rung in demselben und im gantzen Christenthum anzeiget: wie es denn auch der selige Lutherus anderwärtig oft durch Treue übersetzet hat, z. E. Offenb. 2, 10. ginou pistos, sey getreu bis in den Tod, so will ich dir die Crone des Le- bens geben. Denn das gehöret auch zum wah- ren Glauben, daß man sich darinnen beständig erweise. 10. Es weiset uns dieses Wort pistos gläubig und getreu, seinem Nachdrucke nach, ferner darauf, daß wir über die uns anvertraue- te geistliche Güter getreue Haushalter seyn sol- len. Davon man sehe Matth. 24, 45. 25, 21. daß es dermaleins heissen könne: Ey du from- mer (heiliger) und getreuer Knecht, du bist über wenigem (an sich zwar vielem, aber in An- sehung dessen, das dir noch soll anvertrauet wer- den, nur wenigem) getreu gewesen, ich will dich über viel setzen: gehe ein zu deines HErrn Freude! Und Luc. 12, 42. Wie ein groß Ding ist es um einen getreuen und klu- gen Haushalter! Es nennet auch Paulus un- ten in diesem Briefe den Onesimum piston adel- phon, einen getreuen Bruder. Und wer sol- cher gestalt seinen seligmachenden Glauben in al- ler Treue beweiset, der läßt denn auch in allem seinem Thun sehen pistin pasan, alle Treue und Aufrichtigkeit; wie Paulus insonderheit von dem Christlichen Gesinde erfordert. Tit. 2, 10. 11. Nichts mehr aber kan unsern Glauben unterstützen, und unsere Treue im Laufe unsers Christenthums befördern, als wenn wir erwe- gen, wie daß uns GOTT so oft nach der we- sentlichen Eigenschaft seiner Wahrheit und sei- ner Treue in seinen Verheissungen als pistos, getreu, beschrieben wird: wie denn dieses in den Paulinischen Briefen wohl zu mercken ist, daß er uns darinnen die Treue GOttes so oft anprei- set. Z. E. pistos o Theos, getreu ist GOtt. Siehe 1 Cor. 1, 9. GOTT ist getreu (nemlich euch bis ans Ende vest zu behalten und zu bewah- reu v. 8.) durch welchen ihr berufen seyd zur Gemeinschaft seines Sohnes JESU CHristi. Ferner 1 Thess. 5, 24. 2 Thess. 3, 3. 2 Tim. 2, 13. Hebr. 10, 23. Dazu gehören die Oerter pistos o logos, es ist ein theuer wer- thes Wort. 1 Tim. 1, 15. c. 3, 1. 4, 9. 2 Tim. 2, 11. Tit. 1, 9. c. 3, 7. 12. Ob nun gleich unsere Treue unser ei- genes Werck ist, so ist es doch ein Werck der göttlichen Gnaden-Kräfte in uns, und müssen wir daher, wenn wir in der Treue bleiben wollen, ja an der rechten Quelle, und in dem rechten [Spaltenumbruch] Grunde unsers Glaubens bleiben, welcher ist CHristus: darum der Apostel die Colosser nen- net Gläubige und Getreue in CHristo. 13. Gleichwie die Gläubigen in Ansehung GOttes keinen Namen haben, der würdiger und erfreulicher ist, als daß sie Kinder GOttes sind und genennet werden: also haben sie unter einander keinen erquicklichern Namen, als den Namen der Brüder, in der wahren Bruder- Liebe, ob sie sich auch gleich nicht eben also nennen, doch in der That, nach dem Grunde der gemeinschaftlichen Kindschaft bey GOTT, also nennen können. Wie sehr aber der Name der Brüder gemißbrauchet werde zu allerley ei- teler und liederlicher Gemeinschaft, mit grosser Verunehrung des Namens CHristi und des Tauf-Bundes, lieget von vielen am Tage. 14. Hat ein getreuer Lehrer seines Orts we- nige, ja auch gar keine, rechtschaffene Amts- Brüder, die nach dem Grunde der Kindschaft aus GOtt das Werck des HErrn in einem Gei- ste mit ihm getreulich treiben; so ist es ihm doch Trosts genug, wenn er nur hier und da an diesem und jenem seiner Zuhörer solche Frucht seiner Ar- beit siehet, daß er sie für Kinder GOttes, und also für seine Brüder und Schwestern in CHri- sto halten kan. 15. Wem man die Gnade und den Frie- den GOttes will also zur würcklichen Zueig- nung anwünschen, wie alhier Paulus den Colos- sern thut, von dem muß man erst eine solche Versicherung haben, wie Paulus von diesen hat- te, daß sie Heilige und Gläubige in CHristo sind. Zwar sind diese Haupt-Güter auch den Ungläubigen anzupreisen, aber in der dabey an- gezeigten Ordnung wahrer Bekehrung. 16. Das Christenthum bestehet zuvorderst im Nehmen, daß man von GOTT, nach dem Evangelio, durch den Glauben viele Gnaden- Gaben und Heils-Güter, und mit ihnen viele Gnaden-Kräfte empfange. Je mehr man denn solcher gestalt nimmt, ie mehr kan man auch GOTT nach dem Gesetze in den Liebes-Pflich- ten geben. Jst es doch auch in häuslichen Din- gen also, daß, ie mehr man einnimmt, ie mehr man ausgeben kan. Darauf siehet Paulus, wenn er in seinen Briefen den Gläubigen, was sie von der Gnade und von dem Frieden schon hatten, in immer mehrern Masse anwünschet. 17. Bey solchem Nehmen aber kömmt es auf Gnade und Friede an: auf Gnade zu im- mer mehrer Bevestigung im Glauben und zum Wachsthum in der Heiligung; auf den Frieden zum Besitz und seligen Genuß aller Heils-Güter, welche der Friede GOttes in sich hält und mit sich bringet. 18. Ach wie manchen Menschen ist es mehr um die Gunst bey Menschen und um die Gna- de bey grossen Herren zu thun, als um die Gna- de bey GOTT! da doch solche Gnade ent- weder keinen beständigen, oder doch keinen rech- ten und ewigen, Wohlstand, oder Frieden mit sich führet. Wohl dem, der zuvorderst das Be- ste sucht, und denn das andere durch Anweisung des Besten, der Gnade bey GOTT, recht an- wen-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 2. [Spaltenumbruch]
Wer ein Heiliger wird in CHriſto, der wirddamit auch ein glaͤubiger Bruder in ihm. Jſt einer aber kein heiliger, ſo iſt er auch kein glaͤubi- ger Bruder, ſondern, wenn er ſich zur Gemein- ſchaft der Heiligen aͤuſſerlich haͤlt, ein unaͤchtes Glied. Die wahre Bruder-Liebe hat die wah- re Heiligung zum Grunde, und mit dieſer nim̃t ſie zu. 9. Das Wort πιστὸς, glaͤubig, gehet ſei- nem Nachdrucke nach dergeſtalt auf den Glau- ben, daß es zugleich die Treue und die Behar- rung in demſelben und im gantzen Chriſtenthum anzeiget: wie es denn auch der ſelige Lutherus anderwaͤrtig oft durch Treue uͤberſetzet hat, z. E. Offenb. 2, 10. γίνου πιστὸς, ſey getreu bis in den Tod, ſo will ich dir die Crone des Le- bens geben. Denn das gehoͤret auch zum wah- ren Glauben, daß man ſich darinnen beſtaͤndig erweiſe. 10. Es weiſet uns dieſes Wort πιστὸς glaͤubig und getreu, ſeinem Nachdrucke nach, ferner darauf, daß wir uͤber die uns anvertraue- te geiſtliche Guͤter getreue Haushalter ſeyn ſol- len. Davon man ſehe Matth. 24, 45. 25, 21. daß es dermaleins heiſſen koͤnne: Ey du from- mer (heiliger) und getreuer Knecht, du biſt uͤber wenigem (an ſich zwar vielem, aber in An- ſehung deſſen, das dir noch ſoll anvertrauet wer- den, nur wenigem) getreu geweſen, ich will dich uͤber viel ſetzen: gehe ein zu deines HErrn Freude! Und Luc. 12, 42. Wie ein groß Ding iſt es um einen getreuen und klu- gen Haushalter! Es nennet auch Paulus un- ten in dieſem Briefe den Oneſimum πιστὸν ἀδελ- φὸν, einen getreuen Bruder. Und wer ſol- cher geſtalt ſeinen ſeligmachenden Glauben in al- ler Treue beweiſet, der laͤßt denn auch in allem ſeinem Thun ſehen πίστιν πᾶσαν, alle Treue und Aufrichtigkeit; wie Paulus inſonderheit von dem Chriſtlichen Geſinde erfordert. Tit. 2, 10. 11. Nichts mehr aber kan unſern Glauben unterſtuͤtzen, und unſere Treue im Laufe unſers Chriſtenthums befoͤrdern, als wenn wir erwe- gen, wie daß uns GOTT ſo oft nach der we- ſentlichen Eigenſchaft ſeiner Wahrheit und ſei- ner Treue in ſeinen Verheiſſungen als πιστὸς, getreu, beſchrieben wird: wie denn dieſes in den Pauliniſchen Briefen wohl zu mercken iſt, daß er uns darinnen die Treue GOttes ſo oft anprei- ſet. Z. E. πιστὸς ὁ Θεὸς, getreu iſt GOtt. Siehe 1 Cor. 1, 9. GOTT iſt getreu (nemlich euch bis ans Ende veſt zu behalten und zu bewah- reu v. 8.) durch welchen ihr berufen ſeyd zur Gemeinſchaft ſeines Sohnes JESU CHriſti. Ferner 1 Theſſ. 5, 24. 2 Theſſ. 3, 3. 2 Tim. 2, 13. Hebr. 10, 23. Dazu gehoͤren die Oerter πιστὸς ὁ λόγος, es iſt ein theuer wer- thes Wort. 1 Tim. 1, 15. c. 3, 1. 4, 9. 2 Tim. 2, 11. Tit. 1, 9. c. 3, 7. 12. Ob nun gleich unſere Treue unſer ei- genes Werck iſt, ſo iſt es doch ein Werck der goͤttlichen Gnaden-Kraͤfte in uns, und muͤſſen wir daher, wenn wir in der Treue bleiben wollen, ja an der rechten Quelle, und in dem rechten [Spaltenumbruch] Grunde unſers Glaubens bleiben, welcher iſt CHriſtus: darum der Apoſtel die Coloſſer nen- net Glaͤubige und Getreue in CHriſto. 13. Gleichwie die Glaͤubigen in Anſehung GOttes keinen Namen haben, der wuͤrdiger und erfreulicher iſt, als daß ſie Kinder GOttes ſind und genennet werden: alſo haben ſie unter einander keinen erquicklichern Namen, als den Namen der Bruͤder, in der wahren Bruder- Liebe, ob ſie ſich auch gleich nicht eben alſo nennen, doch in der That, nach dem Grunde der gemeinſchaftlichen Kindſchaft bey GOTT, alſo nennen koͤnnen. Wie ſehr aber der Name der Bruͤder gemißbrauchet werde zu allerley ei- teler und liederlicher Gemeinſchaft, mit groſſer Verunehrung des Namens CHriſti und des Tauf-Bundes, lieget von vielen am Tage. 14. Hat ein getreuer Lehrer ſeines Orts we- nige, ja auch gar keine, rechtſchaffene Amts- Bruͤder, die nach dem Grunde der Kindſchaft aus GOtt das Werck des HErrn in einem Gei- ſte mit ihm getreulich treiben; ſo iſt es ihm doch Troſts genug, wenn er nur hier und da an dieſem und jenem ſeiner Zuhoͤrer ſolche Frucht ſeiner Ar- beit ſiehet, daß er ſie fuͤr Kinder GOttes, und alſo fuͤr ſeine Bruͤder und Schweſtern in CHri- ſto halten kan. 15. Wem man die Gnade und den Frie- den GOttes will alſo zur wuͤrcklichen Zueig- nung anwuͤnſchen, wie alhier Paulus den Coloſ- ſern thut, von dem muß man erſt eine ſolche Verſicherung haben, wie Paulus von dieſen hat- te, daß ſie Heilige und Glaͤubige in CHriſto ſind. Zwar ſind dieſe Haupt-Guͤter auch den Unglaͤubigen anzupreiſen, aber in der dabey an- gezeigten Ordnung wahrer Bekehrung. 16. Das Chriſtenthum beſtehet zuvorderſt im Nehmen, daß man von GOTT, nach dem Evangelio, durch den Glauben viele Gnaden- Gaben und Heils-Guͤter, und mit ihnen viele Gnaden-Kraͤfte empfange. Je mehr man denn ſolcher geſtalt nimmt, ie mehr kan man auch GOTT nach dem Geſetze in den Liebes-Pflich- ten geben. Jſt es doch auch in haͤuslichen Din- gen alſo, daß, ie mehr man einnimmt, ie mehr man ausgeben kan. Darauf ſiehet Paulus, wenn er in ſeinen Briefen den Glaͤubigen, was ſie von der Gnade und von dem Frieden ſchon hatten, in immer mehrern Maſſe anwuͤnſchet. 17. Bey ſolchem Nehmen aber koͤmmt es auf Gnade und Friede an: auf Gnade zu im- mer mehrer Beveſtigung im Glauben und zum Wachsthum in der Heiligung; auf den Frieden zum Beſitz und ſeligen Genuß aller Heils-Guͤter, welche der Friede GOttes in ſich haͤlt und mit ſich bringet. 18. Ach wie manchen Menſchen iſt es mehr um die Gunſt bey Menſchen und um die Gna- de bey groſſen Herren zu thun, als um die Gna- de bey GOTT! da doch ſolche Gnade ent- weder keinen beſtaͤndigen, oder doch keinen rech- ten und ewigen, Wohlſtand, oder Frieden mit ſich fuͤhret. Wohl dem, der zuvorderſt das Be- ſte ſucht, und denn das andere durch Anweiſung des Beſten, der Gnade bey GOTT, recht an- wen-
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 2.
Wer ein Heiliger wird in CHriſto, der wird
damit auch ein glaͤubiger Bruder in ihm. Jſt
einer aber kein heiliger, ſo iſt er auch kein glaͤubi-
ger Bruder, ſondern, wenn er ſich zur Gemein-
ſchaft der Heiligen aͤuſſerlich haͤlt, ein unaͤchtes
Glied. Die wahre Bruder-Liebe hat die wah-
re Heiligung zum Grunde, und mit dieſer nim̃t
ſie zu.
9. Das Wort πιστὸς, glaͤubig, gehet ſei-
nem Nachdrucke nach dergeſtalt auf den Glau-
ben, daß es zugleich die Treue und die Behar-
rung in demſelben und im gantzen Chriſtenthum
anzeiget: wie es denn auch der ſelige Lutherus
anderwaͤrtig oft durch Treue uͤberſetzet hat, z. E.
Offenb. 2, 10. γίνου πιστὸς, ſey getreu bis in
den Tod, ſo will ich dir die Crone des Le-
bens geben. Denn das gehoͤret auch zum wah-
ren Glauben, daß man ſich darinnen beſtaͤndig
erweiſe.
10. Es weiſet uns dieſes Wort πιστὸς
glaͤubig und getreu, ſeinem Nachdrucke nach,
ferner darauf, daß wir uͤber die uns anvertraue-
te geiſtliche Guͤter getreue Haushalter ſeyn ſol-
len. Davon man ſehe Matth. 24, 45. 25, 21.
daß es dermaleins heiſſen koͤnne: Ey du from-
mer (heiliger) und getreuer Knecht, du biſt
uͤber wenigem (an ſich zwar vielem, aber in An-
ſehung deſſen, das dir noch ſoll anvertrauet wer-
den, nur wenigem) getreu geweſen, ich will
dich uͤber viel ſetzen: gehe ein zu deines
HErrn Freude! Und Luc. 12, 42. Wie ein
groß Ding iſt es um einen getreuen und klu-
gen Haushalter! Es nennet auch Paulus un-
ten in dieſem Briefe den Oneſimum πιστὸν ἀδελ-
φὸν, einen getreuen Bruder. Und wer ſol-
cher geſtalt ſeinen ſeligmachenden Glauben in al-
ler Treue beweiſet, der laͤßt denn auch in allem
ſeinem Thun ſehen πίστιν πᾶσαν, alle Treue
und Aufrichtigkeit; wie Paulus inſonderheit
von dem Chriſtlichen Geſinde erfordert. Tit.
2, 10.
11. Nichts mehr aber kan unſern Glauben
unterſtuͤtzen, und unſere Treue im Laufe unſers
Chriſtenthums befoͤrdern, als wenn wir erwe-
gen, wie daß uns GOTT ſo oft nach der we-
ſentlichen Eigenſchaft ſeiner Wahrheit und ſei-
ner Treue in ſeinen Verheiſſungen als πιστὸς,
getreu, beſchrieben wird: wie denn dieſes in den
Pauliniſchen Briefen wohl zu mercken iſt, daß er
uns darinnen die Treue GOttes ſo oft anprei-
ſet. Z. E. πιστὸς ὁ Θεὸς, getreu iſt GOtt.
Siehe 1 Cor. 1, 9. GOTT iſt getreu (nemlich
euch bis ans Ende veſt zu behalten und zu bewah-
reu v. 8.) durch welchen ihr berufen ſeyd
zur Gemeinſchaft ſeines Sohnes JESU
CHriſti. Ferner 1 Theſſ. 5, 24. 2 Theſſ. 3, 3.
2 Tim. 2, 13. Hebr. 10, 23. Dazu gehoͤren die
Oerter πιστὸς ὁ λόγος, es iſt ein theuer wer-
thes Wort. 1 Tim. 1, 15. c. 3, 1. 4, 9. 2 Tim.
2, 11. Tit. 1, 9. c. 3, 7.
12. Ob nun gleich unſere Treue unſer ei-
genes Werck iſt, ſo iſt es doch ein Werck der
goͤttlichen Gnaden-Kraͤfte in uns, und muͤſſen
wir daher, wenn wir in der Treue bleiben wollen,
ja an der rechten Quelle, und in dem rechten
Grunde unſers Glaubens bleiben, welcher iſt
CHriſtus: darum der Apoſtel die Coloſſer nen-
net Glaͤubige und Getreue in CHriſto.
13. Gleichwie die Glaͤubigen in Anſehung
GOttes keinen Namen haben, der wuͤrdiger und
erfreulicher iſt, als daß ſie Kinder GOttes
ſind und genennet werden: alſo haben ſie unter
einander keinen erquicklichern Namen, als den
Namen der Bruͤder, in der wahren Bruder-
Liebe, ob ſie ſich auch gleich nicht eben alſo
nennen, doch in der That, nach dem Grunde
der gemeinſchaftlichen Kindſchaft bey GOTT,
alſo nennen koͤnnen. Wie ſehr aber der Name
der Bruͤder gemißbrauchet werde zu allerley ei-
teler und liederlicher Gemeinſchaft, mit groſſer
Verunehrung des Namens CHriſti und des
Tauf-Bundes, lieget von vielen am Tage.
14. Hat ein getreuer Lehrer ſeines Orts we-
nige, ja auch gar keine, rechtſchaffene Amts-
Bruͤder, die nach dem Grunde der Kindſchaft
aus GOtt das Werck des HErrn in einem Gei-
ſte mit ihm getreulich treiben; ſo iſt es ihm doch
Troſts genug, wenn er nur hier und da an dieſem
und jenem ſeiner Zuhoͤrer ſolche Frucht ſeiner Ar-
beit ſiehet, daß er ſie fuͤr Kinder GOttes, und
alſo fuͤr ſeine Bruͤder und Schweſtern in CHri-
ſto halten kan.
15. Wem man die Gnade und den Frie-
den GOttes will alſo zur wuͤrcklichen Zueig-
nung anwuͤnſchen, wie alhier Paulus den Coloſ-
ſern thut, von dem muß man erſt eine ſolche
Verſicherung haben, wie Paulus von dieſen hat-
te, daß ſie Heilige und Glaͤubige in CHriſto
ſind. Zwar ſind dieſe Haupt-Guͤter auch den
Unglaͤubigen anzupreiſen, aber in der dabey an-
gezeigten Ordnung wahrer Bekehrung.
16. Das Chriſtenthum beſtehet zuvorderſt
im Nehmen, daß man von GOTT, nach dem
Evangelio, durch den Glauben viele Gnaden-
Gaben und Heils-Guͤter, und mit ihnen viele
Gnaden-Kraͤfte empfange. Je mehr man denn
ſolcher geſtalt nimmt, ie mehr kan man auch
GOTT nach dem Geſetze in den Liebes-Pflich-
ten geben. Jſt es doch auch in haͤuslichen Din-
gen alſo, daß, ie mehr man einnimmt, ie mehr
man ausgeben kan. Darauf ſiehet Paulus,
wenn er in ſeinen Briefen den Glaͤubigen, was
ſie von der Gnade und von dem Frieden ſchon
hatten, in immer mehrern Maſſe anwuͤnſchet.
17. Bey ſolchem Nehmen aber koͤmmt es
auf Gnade und Friede an: auf Gnade zu im-
mer mehrer Beveſtigung im Glauben und zum
Wachsthum in der Heiligung; auf den Frieden
zum Beſitz und ſeligen Genuß aller Heils-Guͤter,
welche der Friede GOttes in ſich haͤlt und mit ſich
bringet.
18. Ach wie manchen Menſchen iſt es mehr
um die Gunſt bey Menſchen und um die Gna-
de bey groſſen Herren zu thun, als um die Gna-
de bey GOTT! da doch ſolche Gnade ent-
weder keinen beſtaͤndigen, oder doch keinen rech-
ten und ewigen, Wohlſtand, oder Frieden mit
ſich fuͤhret. Wohl dem, der zuvorderſt das Be-
ſte ſucht, und denn das andere durch Anweiſung
des Beſten, der Gnade bey GOTT, recht an-
wen-
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