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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 4, v. 22 23. an die Philipper.
[Spaltenumbruch]
5. Es ist aber leichtlich zu erachten, daß sie
von ihrer Bekehrung an ihr Hof-Leben gantz an-
ders werden geführet haben. Denn das Chri-
stenthum bestehet zwar wol bey allen andern an
sich selbst nicht sündlichen Ständen und Lebens-
Arten: aber es ziehet sie doch so fort unter seine
weise und geheiligte Censur und Direction, thut
davon hinweg alles sündliche und unordentliche
Wesen, und setzet alles in die beste Richtigkeit
und Ordnung. Und eben damit erweiset das
Christenthum an und von sich einen recht gött-
lichen Character seines Ursprungs und seiner Be-
schaffenheit, auch Nutzens.
6. Nicht weniger ist leichtlich zu schliessen,
was sie ihres Christenthums wegen werden über
sich zu nehmen gehabt haben. Es ist auch wol
vermuthlich, daß, da sie ihre Hof-Geschäfte
nach, wie vor, verrichtet, und über das sich
dabey noch viel weiser, ordentlicher, getreuer,
und tugendhafter erwiesen haben, als sonst, daß
weder der Käyser, noch seine übrige Bedienten
so bald werden Gelegenheit gefunden haben, ih-
rer müde zu werden und sie ihrer Dienste zu ent-
setzen. Und dieselbe freywillig zu verlassen, dar-
über werden sie sich auch wol ein Gewissen ge-
machet haben, und zwar um so viel mehr, so viel
weniger Paulus solches von ihnen foderte, und
so viel mehrere Gelegenheit sie bey ihrer Hof-
Bedienung zur Erbauung bey andern vor sich
hatten, sich auch derselben ohne Zweifel werden
bedienet haben: da denn eine Kohle die andere
angezündet hat. Aber daß sie eben lange ohne
Leiden geblieben seyn, ist nicht zu vermuthen.
Es hat auch wol bald Anfangs an mancherley
Nachrede und Verspottung nicht gefehlet: wel-
ches sie aber nicht geachtet haben.
7. Und da, bald nach Pauli Abreise von
Rom, Nero auf die unmenschliche That fiel,
daß er, um sich vorzustellen, wie vor dem die
Stadt Troja in ihrem Brande möchte von der
Höhe anzusehen gewesen seyn, die Stadt Rom
in den Brand stecken ließ, und hernach die
Schuld den Christen beymaß, und eine entsetz-
[Spaltenumbruch] liche Verfolgung wider sie erregte, also daß sie
unter andern auch mit Pech-Kleidern angezo-
gen, an die Pfähle gebunden, und so angeste-
cket wurden, und des Nachts brennen musten,
und solches alles durch die wunder-volle Stär-
ckung GOttes standhaft ertragen haben; wie
man so gar auch von dem heidnischen Scribenten
dem Tacito Annal. L. XV. c. 6. bezeuget findet:
so kan man leichtlich gedencken, daß dieses Un-
gewitter über die Hof-Christen vor andern so viel
eher und mehr ergangen ist, so viel mehr sie wa-
ren bekannt worden. Und mag es von dem blut-
dürstigen Nerone wol auf diese am meisten ange-
sehen gewesen seyn.
8. Jm übrigen ist alhier zur Application
folgendes wohl zu mercken:
a. Daß es nicht unmöglich sey, in eines grossen
Herrn Diensten zu stehen, wenn er schon selbst
GOTT nicht fürchtet, noch es an dessen Ho-
fe wohl zugehet: wie wir an den Christen am
Hofe Neronis sehen. Aber es gehöret Gna-
de und eine getreue Anwendung derselben da-
zu. Denn ist das wahre Hof-Christenthum
gleich schwer, und hat mehrere Hinderung,
als sonsten, so ist es doch nicht unmöglich.
b. Daß man eine Bedienung um deßwillen,
daß es schwer ist, darinnen ein gut Gewissen zu
bewahren, nicht verlassen soll, so lange das-
selbe kan bewahret werden. Fällt aber die-
ses unmöglich, so muß ein freyes Gewissen
aller zeitlichen Wohlfahrt vorgezogen wer-
den.
V. 23.

Die Gnade unsers HErru JESU
CHristi sey mit euch allen,
(und mit allen
Lesern dieses Briefes und der darüber gestelle-
ten Anmerckungen,) Amen. Man conferire
hiebey, was bey dergleichen Beschluß-Wun-
sche anderwärtig erinnert ist, sonderlich Rom.
16, 12. 24. 1 Cor. 16, 21. Col. 4, 18.
2 Thess. 3, 17.



Histo-
A a a a a 3
Cap. 4, v. 22 23. an die Philipper.
[Spaltenumbruch]
5. Es iſt aber leichtlich zu erachten, daß ſie
von ihrer Bekehrung an ihr Hof-Leben gantz an-
ders werden gefuͤhret haben. Denn das Chri-
ſtenthum beſtehet zwar wol bey allen andern an
ſich ſelbſt nicht ſuͤndlichen Staͤnden und Lebens-
Arten: aber es ziehet ſie doch ſo fort unter ſeine
weiſe und geheiligte Cenſur und Direction, thut
davon hinweg alles ſuͤndliche und unordentliche
Weſen, und ſetzet alles in die beſte Richtigkeit
und Ordnung. Und eben damit erweiſet das
Chriſtenthum an und von ſich einen recht goͤtt-
lichen Character ſeines Urſprungs und ſeiner Be-
ſchaffenheit, auch Nutzens.
6. Nicht weniger iſt leichtlich zu ſchlieſſen,
was ſie ihres Chriſtenthums wegen werden uͤber
ſich zu nehmen gehabt haben. Es iſt auch wol
vermuthlich, daß, da ſie ihre Hof-Geſchaͤfte
nach, wie vor, verrichtet, und uͤber das ſich
dabey noch viel weiſer, ordentlicher, getreuer,
und tugendhafter erwieſen haben, als ſonſt, daß
weder der Kaͤyſer, noch ſeine uͤbrige Bedienten
ſo bald werden Gelegenheit gefunden haben, ih-
rer muͤde zu werden und ſie ihrer Dienſte zu ent-
ſetzen. Und dieſelbe freywillig zu verlaſſen, dar-
uͤber werden ſie ſich auch wol ein Gewiſſen ge-
machet haben, und zwar um ſo viel mehr, ſo viel
weniger Paulus ſolches von ihnen foderte, und
ſo viel mehrere Gelegenheit ſie bey ihrer Hof-
Bedienung zur Erbauung bey andern vor ſich
hatten, ſich auch derſelben ohne Zweifel werden
bedienet haben: da denn eine Kohle die andere
angezuͤndet hat. Aber daß ſie eben lange ohne
Leiden geblieben ſeyn, iſt nicht zu vermuthen.
Es hat auch wol bald Anfangs an mancherley
Nachrede und Verſpottung nicht gefehlet: wel-
ches ſie aber nicht geachtet haben.
7. Und da, bald nach Pauli Abreiſe von
Rom, Nero auf die unmenſchliche That fiel,
daß er, um ſich vorzuſtellen, wie vor dem die
Stadt Troja in ihrem Brande moͤchte von der
Hoͤhe anzuſehen geweſen ſeyn, die Stadt Rom
in den Brand ſtecken ließ, und hernach die
Schuld den Chriſten beymaß, und eine entſetz-
[Spaltenumbruch] liche Verfolgung wider ſie erregte, alſo daß ſie
unter andern auch mit Pech-Kleidern angezo-
gen, an die Pfaͤhle gebunden, und ſo angeſte-
cket wurden, und des Nachts brennen muſten,
und ſolches alles durch die wunder-volle Staͤr-
ckung GOttes ſtandhaft ertragen haben; wie
man ſo gar auch von dem heidniſchen Scribenten
dem Tacito Annal. L. XV. c. 6. bezeuget findet:
ſo kan man leichtlich gedencken, daß dieſes Un-
gewitter uͤber die Hof-Chriſten vor andern ſo viel
eher und mehr ergangen iſt, ſo viel mehr ſie wa-
ren bekannt worden. Und mag es von dem blut-
duͤrſtigen Nerone wol auf dieſe am meiſten ange-
ſehen geweſen ſeyn.
8. Jm uͤbrigen iſt alhier zur Application
folgendes wohl zu mercken:
a. Daß es nicht unmoͤglich ſey, in eines groſſen
Herrn Dienſten zu ſtehen, wenn er ſchon ſelbſt
GOTT nicht fuͤrchtet, noch es an deſſen Ho-
fe wohl zugehet: wie wir an den Chriſten am
Hofe Neronis ſehen. Aber es gehoͤret Gna-
de und eine getreue Anwendung derſelben da-
zu. Denn iſt das wahre Hof-Chriſtenthum
gleich ſchwer, und hat mehrere Hinderung,
als ſonſten, ſo iſt es doch nicht unmoͤglich.
b. Daß man eine Bedienung um deßwillen,
daß es ſchwer iſt, darinnen ein gut Gewiſſen zu
bewahren, nicht verlaſſen ſoll, ſo lange daſ-
ſelbe kan bewahret werden. Faͤllt aber die-
ſes unmoͤglich, ſo muß ein freyes Gewiſſen
aller zeitlichen Wohlfahrt vorgezogen wer-
den.
V. 23.

Die Gnade unſers HErru JESU
CHriſti ſey mit euch allen,
(und mit allen
Leſern dieſes Briefes und der daruͤber geſtelle-
ten Anmerckungen,) Amen. Man conferire
hiebey, was bey dergleichen Beſchluß-Wun-
ſche anderwaͤrtig erinnert iſt, ſonderlich Rom.
16, 12. 24. 1 Cor. 16, 21. Col. 4, 18.
2 Theſſ. 3, 17.



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A a a a a 3
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[741/0769] Cap. 4, v. 22 23. an die Philipper. 5. Es iſt aber leichtlich zu erachten, daß ſie von ihrer Bekehrung an ihr Hof-Leben gantz an- ders werden gefuͤhret haben. Denn das Chri- ſtenthum beſtehet zwar wol bey allen andern an ſich ſelbſt nicht ſuͤndlichen Staͤnden und Lebens- Arten: aber es ziehet ſie doch ſo fort unter ſeine weiſe und geheiligte Cenſur und Direction, thut davon hinweg alles ſuͤndliche und unordentliche Weſen, und ſetzet alles in die beſte Richtigkeit und Ordnung. Und eben damit erweiſet das Chriſtenthum an und von ſich einen recht goͤtt- lichen Character ſeines Urſprungs und ſeiner Be- ſchaffenheit, auch Nutzens. 6. Nicht weniger iſt leichtlich zu ſchlieſſen, was ſie ihres Chriſtenthums wegen werden uͤber ſich zu nehmen gehabt haben. Es iſt auch wol vermuthlich, daß, da ſie ihre Hof-Geſchaͤfte nach, wie vor, verrichtet, und uͤber das ſich dabey noch viel weiſer, ordentlicher, getreuer, und tugendhafter erwieſen haben, als ſonſt, daß weder der Kaͤyſer, noch ſeine uͤbrige Bedienten ſo bald werden Gelegenheit gefunden haben, ih- rer muͤde zu werden und ſie ihrer Dienſte zu ent- ſetzen. Und dieſelbe freywillig zu verlaſſen, dar- uͤber werden ſie ſich auch wol ein Gewiſſen ge- machet haben, und zwar um ſo viel mehr, ſo viel weniger Paulus ſolches von ihnen foderte, und ſo viel mehrere Gelegenheit ſie bey ihrer Hof- Bedienung zur Erbauung bey andern vor ſich hatten, ſich auch derſelben ohne Zweifel werden bedienet haben: da denn eine Kohle die andere angezuͤndet hat. Aber daß ſie eben lange ohne Leiden geblieben ſeyn, iſt nicht zu vermuthen. Es hat auch wol bald Anfangs an mancherley Nachrede und Verſpottung nicht gefehlet: wel- ches ſie aber nicht geachtet haben. 7. Und da, bald nach Pauli Abreiſe von Rom, Nero auf die unmenſchliche That fiel, daß er, um ſich vorzuſtellen, wie vor dem die Stadt Troja in ihrem Brande moͤchte von der Hoͤhe anzuſehen geweſen ſeyn, die Stadt Rom in den Brand ſtecken ließ, und hernach die Schuld den Chriſten beymaß, und eine entſetz- liche Verfolgung wider ſie erregte, alſo daß ſie unter andern auch mit Pech-Kleidern angezo- gen, an die Pfaͤhle gebunden, und ſo angeſte- cket wurden, und des Nachts brennen muſten, und ſolches alles durch die wunder-volle Staͤr- ckung GOttes ſtandhaft ertragen haben; wie man ſo gar auch von dem heidniſchen Scribenten dem Tacito Annal. L. XV. c. 6. bezeuget findet: ſo kan man leichtlich gedencken, daß dieſes Un- gewitter uͤber die Hof-Chriſten vor andern ſo viel eher und mehr ergangen iſt, ſo viel mehr ſie wa- ren bekannt worden. Und mag es von dem blut- duͤrſtigen Nerone wol auf dieſe am meiſten ange- ſehen geweſen ſeyn. 8. Jm uͤbrigen iſt alhier zur Application folgendes wohl zu mercken: a. Daß es nicht unmoͤglich ſey, in eines groſſen Herrn Dienſten zu ſtehen, wenn er ſchon ſelbſt GOTT nicht fuͤrchtet, noch es an deſſen Ho- fe wohl zugehet: wie wir an den Chriſten am Hofe Neronis ſehen. Aber es gehoͤret Gna- de und eine getreue Anwendung derſelben da- zu. Denn iſt das wahre Hof-Chriſtenthum gleich ſchwer, und hat mehrere Hinderung, als ſonſten, ſo iſt es doch nicht unmoͤglich. b. Daß man eine Bedienung um deßwillen, daß es ſchwer iſt, darinnen ein gut Gewiſſen zu bewahren, nicht verlaſſen ſoll, ſo lange daſ- ſelbe kan bewahret werden. Faͤllt aber die- ſes unmoͤglich, ſo muß ein freyes Gewiſſen aller zeitlichen Wohlfahrt vorgezogen wer- den. V. 23. Die Gnade unſers HErru JESU CHriſti ſey mit euch allen, (und mit allen Leſern dieſes Briefes und der daruͤber geſtelle- ten Anmerckungen,) Amen. Man conferire hiebey, was bey dergleichen Beſchluß-Wun- ſche anderwaͤrtig erinnert iſt, ſonderlich Rom. 16, 12. 24. 1 Cor. 16, 21. Col. 4, 18. 2 Theſſ. 3, 17. Hiſto- A a a a a 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/769>, abgerufen am 24.11.2024.