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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 4, v. 1-3. an die Philipper.
[Spaltenumbruch] auch im HErrn, also daß er mit ihm vereini-
get sey, daß er sich in ihm finde, wie ein Rebe
am Weinstocke, und wie aus ihm, also auch
in ihm beharre und Frucht bringe.
4. Da man aus allen Apostolischen Brie-
fen siehet, daß ihr Haupt-Zweck dahin gegan-
gen, daß die gläubige Chr[i]sten im Laufe zum e-
wigen Leben ohne Rückfall beharren möchten,
und man ihnen das grösseste Unrecht thun wür-
de, wenn man von ihnen, zum wenigsten den al-
lermeisten, sich dessen nicht versichert halten wol-
te: so ist es gewiß ein Zeichen eines recht epicu-
rischen Sinnes, sagen, es sey unmöglich in seinem
gantzen Leben sich vor vorsetzlichen Sünden und
vor dem Rückfall aus dem Stande der Gnaden
zu hüten, man habe auch kein Exempel von sol-
chen Beharrenden.
5. Einem eine Krone seyn, heisset einem
zur besondern Ehre und Zierde gereichen. Jn
welchem Verstande Salomo Sprichw. 12, 4.
von einem fleißigen Weibe saget, daß sie eine
Krone ihres Mannes sey,
auch c. 17, 6. daß
gottselige Kinder eine Krone ihrer Eltern
seyn. So waren denn nun die glaubigen Phi-
lipper Paulo eine rechte Krone; und hielte er
sich versichert, daß auch diese seine Arbeit, wel-
che er zu ihrer Gewinnung angewandt hatte,
würde an seiner künftigen Ehren-Krone aus
Gnaden gleichsam zum grossen Edelgesteine wer-
den. Fast auf gleiche Art schrieb er an die Thes-
salonicher Ep. 1. c. 2, 19. Wer ist unsere Hoff-
nung, oder Freude, oder Krone des
Ruhms? Seyd nicht auch ihr es vor un-
serm HErrn JEsu CHristo, in seiner Zu-
kunft? Jhr seyd ja unsere Ehre und Freu-
de!
Siehe auch 1 Cor. 1, 14. 18.
V 2.

Die Evodian ermahne ich, und die
Syntychen ermahne ich, daß sie eines Sin-
nes seyn in dem HErrn.

Anmerckungen.

1. Diese beyde Matronen sind, wie man
aus dem folgenden Verse ersiehet, in der Phi-
lippensischen Gemeine von grossem Ansehen ge-
wesen, und scheinen viele andere auf ihr Exem-
pel sonderlich gesehen zu haben. Daß sie aber
müssen zu allerhand Mißhelligkeit, sonderlich in
Religions-Sachen, versuchet worden seyn, das
siehet man aus der Ermahnung zur Einigkeit;
welche Paulus nach der obigen Gemeinen Er-
innerung cap. 2, 2-5. alhier wiederholet, und
diesen beyden Personen insonderheit eingeschär-
fet wissen will.

2. Die Redens-Art im HErrn, als ein
besonder Character des Paulinischen stili, kömmt
alhier abermal vor. Paulus führet sie damit,
daß sie in dem HErrn eines Sinnes seyn sol-
len, zuvorderst auf den Sinn CHristi: wie
er oben c. 2, 5. bey der Ermahnung zur Einigkeit
ansdrücklich gethan hatte: da er saget: Ein
ieglicher sey gesinnet, wie JEsus Christus
auch war.

[Spaltenumbruch]
V. 3.

Ja ich bitte auch dich, mein treuer
Gesell, stehe ihnen bey, die samt mir über
dem Evangelio gekämpfet haben, mit Cle-
mens und den andern meinen Gehülfen,
welcher Namen sind in dem Buche des Le-
bens.

Anmerckungen.
1. Wer der getreue Geselle gewesen sey,
fräget sich alhier billig. Weil das Wort suzu-
gos, auch heißt ein Ehegatte, und die Attici der-
gleichen Worte nicht allein im masculino, son-
dern auch in foeminino genere gebrauchen, so
sind viele Ausleger unter den alten und neuen
auf die Meinung gekommen, als habe Paulus
ein Ehe-Weib gehabt, habe sie aber, mit ih-
rer guten Beliebung, zu Philippen gelassen, da
sie sich denn der Gemeine bey dem weiblichen
Geschlechte getreulich mit angenommen habe.
Allein diese Meynung ist ungegründet:
a. Weil man aus 1 Cor. 7, 7. gantz klärlich sie-
het, daß der Apostel unbeweibet gewesen sey:
und daß er ein solcher bleiben wollen, zeiget
der gantze Context daselbst an, sonderlich im
nachfolgenden. Und eben dieses siehet man
auch aus cap. 9, 5. da er sich beziehet auf seine
gehabte, aber nicht gebrauchte Freyheit, eine
Schwester, oder Christliche Weibes-Per-
son, zum Weibe zu haben und mit sich herum
zu führen.
b. Weil sich keine Spure findet, daß der Ehe-
gattin Pauli von Luca in der Apostel-Geschicht,
oder von ihm selbst in den Grüssen, oder sonst
nur ein einziges mal gedacht wäre: welches
doch nicht würde so gar unterblieben seyn, wo-
fern er in der Ehe gelebet hätte. Nun ist
zwar der Brief an die Philipper ohngefehr
sechs Jahr später geschrieben, als der an die
Corinthier, daß man also sagen könte, er ha-
be nachher noch geheyrathet: allein da er sein
Apostel-Amt damals schon bis ins zwey und
zwanzigste Jahr geführet hatte, als er den er-
sten Brief an die Corinthier schrieb, und also
ein Mann gewesen seyn muß von 50 Jahren
und wohl darüber; so ist es gar nicht wahr-
scheinlich, daß, da er so lange im ledigen
Stande geblieben war, er erst hernach, da er
sein baldiges Ende unter so vielem Druck und
Verfolgung vor Augen sahe, sich solte ver-
ehelichet und sein Ehe-Weib bald darauf ver-
lassen, und zu Philippen gelassen haben.
2. Es ist dieser suzugos gnesios, oder ge-
treue Geselle,
der mit ihm an einem sanften
Joche CHristi zoge, entweder derjenige von den
öffentlichen Lehrern zu Philippen, welchem der
Apostel den Brief hat eingehändiget und von
ihm weiter communiciret wissen wollen; oder
es ist der Epaphroditus, dem er den Brief mit-
gab. Denn ob ihm zwar Paulus dieses, was
er schriebe, mündlich hat sagen können, auch
vielleicht gesaget hat; so konte es doch, um der
beyden Matronen willen, auch wol in den Brief
mit eingerücket seyn, damit sie daraus sehen
möch-
Z z z z 2
Cap. 4, v. 1-3. an die Philipper.
[Spaltenumbruch] auch im HErrn, alſo daß er mit ihm vereini-
get ſey, daß er ſich in ihm finde, wie ein Rebe
am Weinſtocke, und wie aus ihm, alſo auch
in ihm beharre und Frucht bringe.
4. Da man aus allen Apoſtoliſchen Brie-
fen ſiehet, daß ihr Haupt-Zweck dahin gegan-
gen, daß die glaͤubige Chr[i]ſten im Laufe zum e-
wigen Leben ohne Ruͤckfall beharren moͤchten,
und man ihnen das groͤſſeſte Unrecht thun wuͤr-
de, wenn man von ihnen, zum wenigſten den al-
lermeiſten, ſich deſſen nicht verſichert halten wol-
te: ſo iſt es gewiß ein Zeichen eines recht epicu-
riſchen Sinnes, ſagen, es ſey unmoͤglich in ſeinem
gantzen Leben ſich vor vorſetzlichen Suͤnden und
vor dem Ruͤckfall aus dem Stande der Gnaden
zu huͤten, man habe auch kein Exempel von ſol-
chen Beharrenden.
5. Einem eine Krone ſeyn, heiſſet einem
zur beſondern Ehre und Zierde gereichen. Jn
welchem Verſtande Salomo Sprichw. 12, 4.
von einem fleißigen Weibe ſaget, daß ſie eine
Krone ihres Mannes ſey,
auch c. 17, 6. daß
gottſelige Kinder eine Krone ihrer Eltern
ſeyn. So waren denn nun die glaubigen Phi-
lipper Paulo eine rechte Krone; und hielte er
ſich verſichert, daß auch dieſe ſeine Arbeit, wel-
che er zu ihrer Gewinnung angewandt hatte,
wuͤrde an ſeiner kuͤnftigen Ehren-Krone aus
Gnaden gleichſam zum groſſen Edelgeſteine wer-
den. Faſt auf gleiche Art ſchrieb er an die Theſ-
ſalonicher Ep. 1. c. 2, 19. Wer iſt unſere Hoff-
nung, oder Freude, oder Krone des
Ruhms? Seyd nicht auch ihr es vor un-
ſerm HErrn JEſu CHriſto, in ſeiner Zu-
kunft? Jhr ſeyd ja unſere Ehre und Freu-
de!
Siehe auch 1 Cor. 1, 14. 18.
V 2.

Die Evodian ermahne ich, und die
Syntychen ermahne ich, daß ſie eines Sin-
nes ſeyn in dem HErrn.

Anmerckungen.

1. Dieſe beyde Matronen ſind, wie man
aus dem folgenden Verſe erſiehet, in der Phi-
lippenſiſchen Gemeine von groſſem Anſehen ge-
weſen, und ſcheinen viele andere auf ihr Exem-
pel ſonderlich geſehen zu haben. Daß ſie aber
muͤſſen zu allerhand Mißhelligkeit, ſonderlich in
Religions-Sachen, verſuchet worden ſeyn, das
ſiehet man aus der Ermahnung zur Einigkeit;
welche Paulus nach der obigen Gemeinen Er-
innerung cap. 2, 2-5. alhier wiederholet, und
dieſen beyden Perſonen inſonderheit eingeſchaͤr-
fet wiſſen will.

2. Die Redens-Art im HErrn, als ein
beſonder Character des Pauliniſchen ſtili, koͤmmt
alhier abermal vor. Paulus fuͤhret ſie damit,
daß ſie in dem HErrn eines Sinnes ſeyn ſol-
len, zuvorderſt auf den Sinn CHriſti: wie
er oben c. 2, 5. bey der Ermahnung zur Einigkeit
ansdruͤcklich gethan hatte: da er ſaget: Ein
ieglicher ſey geſinnet, wie JEſus Chriſtus
auch war.

[Spaltenumbruch]
V. 3.

Ja ich bitte auch dich, mein treuer
Geſell, ſtehe ihnen bey, die ſamt mir uͤber
dem Evangelio gekaͤmpfet haben, mit Cle-
mens und den andern meinen Gehuͤlfen,
welcher Namen ſind in dem Buche des Le-
bens.

Anmerckungen.
1. Wer der getreue Geſelle geweſen ſey,
fraͤget ſich alhier billig. Weil das Wort σύζυ-
γος, auch heißt ein Ehegatte, und die Attici der-
gleichen Worte nicht allein im maſculino, ſon-
dern auch in fœminino genere gebrauchen, ſo
ſind viele Ausleger unter den alten und neuen
auf die Meinung gekommen, als habe Paulus
ein Ehe-Weib gehabt, habe ſie aber, mit ih-
rer guten Beliebung, zu Philippen gelaſſen, da
ſie ſich denn der Gemeine bey dem weiblichen
Geſchlechte getreulich mit angenommen habe.
Allein dieſe Meynung iſt ungegruͤndet:
a. Weil man aus 1 Cor. 7, 7. gantz klaͤrlich ſie-
het, daß der Apoſtel unbeweibet geweſen ſey:
und daß er ein ſolcher bleiben wollen, zeiget
der gantze Context daſelbſt an, ſonderlich im
nachfolgenden. Und eben dieſes ſiehet man
auch aus cap. 9, 5. da er ſich beziehet auf ſeine
gehabte, aber nicht gebrauchte Freyheit, eine
Schweſter, oder Chriſtliche Weibes-Per-
ſon, zum Weibe zu haben und mit ſich herum
zu fuͤhren.
b. Weil ſich keine Spure findet, daß der Ehe-
gattin Pauli von Luca in der Apoſtel-Geſchicht,
oder von ihm ſelbſt in den Gruͤſſen, oder ſonſt
nur ein einziges mal gedacht waͤre: welches
doch nicht wuͤrde ſo gar unterblieben ſeyn, wo-
fern er in der Ehe gelebet haͤtte. Nun iſt
zwar der Brief an die Philipper ohngefehr
ſechs Jahr ſpaͤter geſchrieben, als der an die
Corinthier, daß man alſo ſagen koͤnte, er ha-
be nachher noch geheyrathet: allein da er ſein
Apoſtel-Amt damals ſchon bis ins zwey und
zwanzigſte Jahr gefuͤhret hatte, als er den er-
ſten Brief an die Corinthier ſchrieb, und alſo
ein Mann geweſen ſeyn muß von 50 Jahren
und wohl daruͤber; ſo iſt es gar nicht wahr-
ſcheinlich, daß, da er ſo lange im ledigen
Stande geblieben war, er erſt hernach, da er
ſein baldiges Ende unter ſo vielem Druck und
Verfolgung vor Augen ſahe, ſich ſolte ver-
ehelichet und ſein Ehe-Weib bald darauf ver-
laſſen, und zu Philippen gelaſſen haben.
2. Es iſt dieſer σύζυγος γνήσιος, oder ge-
treue Geſelle,
der mit ihm an einem ſanften
Joche CHriſti zoge, entweder derjenige von den
oͤffentlichen Lehrern zu Philippen, welchem der
Apoſtel den Brief hat eingehaͤndiget und von
ihm weiter communiciret wiſſen wollen; oder
es iſt der Epaphroditus, dem er den Brief mit-
gab. Denn ob ihm zwar Paulus dieſes, was
er ſchriebe, muͤndlich hat ſagen koͤnnen, auch
vielleicht geſaget hat; ſo konte es doch, um der
beyden Matronen willen, auch wol in den Brief
mit eingeruͤcket ſeyn, damit ſie daraus ſehen
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Z z z z 2
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[731/0759] Cap. 4, v. 1-3. an die Philipper. auch im HErrn, alſo daß er mit ihm vereini- get ſey, daß er ſich in ihm finde, wie ein Rebe am Weinſtocke, und wie aus ihm, alſo auch in ihm beharre und Frucht bringe. 4. Da man aus allen Apoſtoliſchen Brie- fen ſiehet, daß ihr Haupt-Zweck dahin gegan- gen, daß die glaͤubige Chriſten im Laufe zum e- wigen Leben ohne Ruͤckfall beharren moͤchten, und man ihnen das groͤſſeſte Unrecht thun wuͤr- de, wenn man von ihnen, zum wenigſten den al- lermeiſten, ſich deſſen nicht verſichert halten wol- te: ſo iſt es gewiß ein Zeichen eines recht epicu- riſchen Sinnes, ſagen, es ſey unmoͤglich in ſeinem gantzen Leben ſich vor vorſetzlichen Suͤnden und vor dem Ruͤckfall aus dem Stande der Gnaden zu huͤten, man habe auch kein Exempel von ſol- chen Beharrenden. 5. Einem eine Krone ſeyn, heiſſet einem zur beſondern Ehre und Zierde gereichen. Jn welchem Verſtande Salomo Sprichw. 12, 4. von einem fleißigen Weibe ſaget, daß ſie eine Krone ihres Mannes ſey, auch c. 17, 6. daß gottſelige Kinder eine Krone ihrer Eltern ſeyn. So waren denn nun die glaubigen Phi- lipper Paulo eine rechte Krone; und hielte er ſich verſichert, daß auch dieſe ſeine Arbeit, wel- che er zu ihrer Gewinnung angewandt hatte, wuͤrde an ſeiner kuͤnftigen Ehren-Krone aus Gnaden gleichſam zum groſſen Edelgeſteine wer- den. Faſt auf gleiche Art ſchrieb er an die Theſ- ſalonicher Ep. 1. c. 2, 19. Wer iſt unſere Hoff- nung, oder Freude, oder Krone des Ruhms? Seyd nicht auch ihr es vor un- ſerm HErrn JEſu CHriſto, in ſeiner Zu- kunft? Jhr ſeyd ja unſere Ehre und Freu- de! Siehe auch 1 Cor. 1, 14. 18. V 2. Die Evodian ermahne ich, und die Syntychen ermahne ich, daß ſie eines Sin- nes ſeyn in dem HErrn. Anmerckungen. 1. Dieſe beyde Matronen ſind, wie man aus dem folgenden Verſe erſiehet, in der Phi- lippenſiſchen Gemeine von groſſem Anſehen ge- weſen, und ſcheinen viele andere auf ihr Exem- pel ſonderlich geſehen zu haben. Daß ſie aber muͤſſen zu allerhand Mißhelligkeit, ſonderlich in Religions-Sachen, verſuchet worden ſeyn, das ſiehet man aus der Ermahnung zur Einigkeit; welche Paulus nach der obigen Gemeinen Er- innerung cap. 2, 2-5. alhier wiederholet, und dieſen beyden Perſonen inſonderheit eingeſchaͤr- fet wiſſen will. 2. Die Redens-Art im HErrn, als ein beſonder Character des Pauliniſchen ſtili, koͤmmt alhier abermal vor. Paulus fuͤhret ſie damit, daß ſie in dem HErrn eines Sinnes ſeyn ſol- len, zuvorderſt auf den Sinn CHriſti: wie er oben c. 2, 5. bey der Ermahnung zur Einigkeit ansdruͤcklich gethan hatte: da er ſaget: Ein ieglicher ſey geſinnet, wie JEſus Chriſtus auch war. V. 3. Ja ich bitte auch dich, mein treuer Geſell, ſtehe ihnen bey, die ſamt mir uͤber dem Evangelio gekaͤmpfet haben, mit Cle- mens und den andern meinen Gehuͤlfen, welcher Namen ſind in dem Buche des Le- bens. Anmerckungen. 1. Wer der getreue Geſelle geweſen ſey, fraͤget ſich alhier billig. Weil das Wort σύζυ- γος, auch heißt ein Ehegatte, und die Attici der- gleichen Worte nicht allein im maſculino, ſon- dern auch in fœminino genere gebrauchen, ſo ſind viele Ausleger unter den alten und neuen auf die Meinung gekommen, als habe Paulus ein Ehe-Weib gehabt, habe ſie aber, mit ih- rer guten Beliebung, zu Philippen gelaſſen, da ſie ſich denn der Gemeine bey dem weiblichen Geſchlechte getreulich mit angenommen habe. Allein dieſe Meynung iſt ungegruͤndet: a. Weil man aus 1 Cor. 7, 7. gantz klaͤrlich ſie- het, daß der Apoſtel unbeweibet geweſen ſey: und daß er ein ſolcher bleiben wollen, zeiget der gantze Context daſelbſt an, ſonderlich im nachfolgenden. Und eben dieſes ſiehet man auch aus cap. 9, 5. da er ſich beziehet auf ſeine gehabte, aber nicht gebrauchte Freyheit, eine Schweſter, oder Chriſtliche Weibes-Per- ſon, zum Weibe zu haben und mit ſich herum zu fuͤhren. b. Weil ſich keine Spure findet, daß der Ehe- gattin Pauli von Luca in der Apoſtel-Geſchicht, oder von ihm ſelbſt in den Gruͤſſen, oder ſonſt nur ein einziges mal gedacht waͤre: welches doch nicht wuͤrde ſo gar unterblieben ſeyn, wo- fern er in der Ehe gelebet haͤtte. Nun iſt zwar der Brief an die Philipper ohngefehr ſechs Jahr ſpaͤter geſchrieben, als der an die Corinthier, daß man alſo ſagen koͤnte, er ha- be nachher noch geheyrathet: allein da er ſein Apoſtel-Amt damals ſchon bis ins zwey und zwanzigſte Jahr gefuͤhret hatte, als er den er- ſten Brief an die Corinthier ſchrieb, und alſo ein Mann geweſen ſeyn muß von 50 Jahren und wohl daruͤber; ſo iſt es gar nicht wahr- ſcheinlich, daß, da er ſo lange im ledigen Stande geblieben war, er erſt hernach, da er ſein baldiges Ende unter ſo vielem Druck und Verfolgung vor Augen ſahe, ſich ſolte ver- ehelichet und ſein Ehe-Weib bald darauf ver- laſſen, und zu Philippen gelaſſen haben. 2. Es iſt dieſer σύζυγος γνήσιος, oder ge- treue Geſelle, der mit ihm an einem ſanften Joche CHriſti zoge, entweder derjenige von den oͤffentlichen Lehrern zu Philippen, welchem der Apoſtel den Brief hat eingehaͤndiget und von ihm weiter communiciret wiſſen wollen; oder es iſt der Epaphroditus, dem er den Brief mit- gab. Denn ob ihm zwar Paulus dieſes, was er ſchriebe, muͤndlich hat ſagen koͤnnen, auch vielleicht geſaget hat; ſo konte es doch, um der beyden Matronen willen, auch wol in den Brief mit eingeruͤcket ſeyn, damit ſie daraus ſehen moͤch- Z z z z 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/759>, abgerufen am 27.11.2024.