Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 11. [Spaltenumbruch]
sind Früchte der Gerechtigkeit, die durchJESUM CHristum in uns geschehen zur Ehre und Lobe GOttes. 2. Es sind nach dieser Beschreibung vier Haupt-Stücke an den guten Wercken zu mer- cken: erstlich ihr Grund und ihre Quelle: zum andern, wie sie aus solcher Quelle fliessen: drit- tens, wie solcher Ausfluß durch JESUM CHristum befördert werde: und denn viertens, wie sie ihrer Lauterkeit wegen zur Ehre GOt- tes gereichen. 3. Jhr Grund ist die Gerechtigkeit. Welches Wort wir alhier billig in dem evange- lischen Haupt-Verstande nehmen, daß es sey die Glaubens-Gerechtigkeit, welche wir nach dem Evangelio im Glauben von CHristo haben: davon Paulus in allen seinen Briefen zeuget; davon wir auch hernach im dritten Capitel dieses Briefes vernehmen werden. Diese Gerechtig- keit muß zuvörderst zum Grunde liegen, wo wah- re gute Wercke erfolgen sollen. Dieser Grund aber wird geleget in der Wiedergeburt und Rechtfertigung. Und also siehet man, daß keiner wahre gute Wercke thun könne, er sey denn ein wiedergebohrner und gerechtfertigter Christ. 4. Jst nun dieser Grund da, so ist er gleich- sam die Quelle, aus welcher die guten Wercke hervorquillen: er ist der fruchtbare Baum an den Wasser-Bächen gepflantzet, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit Ps. 1, 3. Denn in der Wie- dergeburt hat der Mensch den Glauben, als ein geistliches Leben, und nicht allein durch denselben die erworbene Gerechtigkeit CHristi, sondern auch mit demselben allerley göttliche Lebens- Kraft, welche zu guten Wercken nöthig ist, em- pfangen. Und also sind diese die Früchte, wel- che ein solcher wohlgepflantzter und fruchtbarer Baum bringet. 5. Nun bringet zwar der Mensch, als ein geistlicher Baum, selbst solche Früchte: nichts desto weniger aber geschehen sie doch auch durch JEsum CHristum. Denn dieser hat nicht allein in der Wiedergeburt durch seinen Geist den Grund dazu geleget, und seine Gerechtig- keit mit den übrigen Heils-Schätzen dazu ge- schencket, welche mit jener ihren beständigen Ein- fluß in alle wahre gute Wercke geben; sondern er unterhält auch selbst das in dem Menschen an- gefangene Haupt-Werck des Glaubens und des Gnaden-Standes, und dadurch befördert er unter beständigen und immer mehrern Zufluß seiner Gnade alles Gute in Ausübung der wohl- geordneten Liebe gegen GOtt, uns selbst und den Nächsten. 6. Gleichwie nun die guten Wercke sind an sich selbst Früchte, Früchte des Geistes und der Gerechtigkeit: also bringen sie auch die Früch- te des Lobes und der Ehre GOttes. Denn die Gläubigen ehren damit nicht allein selbst GOtt, daß sie seinem heiligen Willen gemäß leben, sondern sie erwecken auch andere dadurch zur Nachfolge, und verursachen, daß ihrentwegen von andern GOTT gelobet werde. Wie un- ser Heiland spricht Matth. 5, 16. Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eu- [Spaltenumbruch] re gute Wercke sehen, und euren Vater im Himmel (darüber) preisen. 7. Es haben demnach die Wercke der Gläu- bigen zwar eines Theils ihre wahre Güte; aber deßwegen doch keine Verdienstlichkeit. Jhre wahre, obgleich noch unvollkommene Güte, ha- ben sie, weil sie Früchte der Gerechtigkeit sind, und durch JEsum CHristum selbst geschehen: aber dabey bleiben sie doch unverdienstlich; und zwar deßwegen, weil sie nicht so wol unser eigen, als GOttes in uns sind; und sonderlich deßwe- gen, weil der Mensch, der sie thut, an und mit der Gerechtigkeit CHristi, davon sie Früchte sind, schon alles Heil und alle Seligkeit frey und um- sonst geschencket bekommen hat, und daher so we- nig verdienen darf, als er bey seinem lautern ev- angelischen Sinne verdienen will. 8. Noch ist der Nachdruck des Worts er- füllet wohl zu mercken. Ein wahrer Christ muß erfüllet seyn mit Früchten der Gerechtigkeit, als ein Geväß der Gnaden. Und demnach ist es nicht genug, daß er eines und das andere gute Werck thue, sondern er muß immer im Thun seyn, und damit nimmer aufhören: wie der sel. Lutherus mit mehrern vom Glauben bezeuget in der herrlichen Vorrede des Briefes an die Rö- mer. Thut doch ein Gottloser immer Böses, wo nicht äusserlich, doch innerlich, mit seinen Gedancken, Begierden, Afsecten und Anschlä- gen. Warum solte sich denn nicht bey den gott- seligen das Gegentheil finden? Und da die mei- sten guten Wercke innerlich geschehen in der be- ständigen Ergebung und Aufopferung an GOtt, an der Creutzigung des Fleisches samt den Lüsten und Begierden, an der Verleugnung des eignen Willens u. s. w. so ist leichtlich zu erachten, daß ein wahrer Christ immer voller guter Wercke sey, auch wenn er äusserlich stille ist und nicht Gelegenheit hat dieses und jenes Gute zu wir- cken. Hieher gehöret, was unser Heiland Matth. 7, 18. spricht: Ein guter Baum kan nicht arge Früchte bringen, und ein fauler Baum kan nicht gute Früchte bringen. Deßgleichen c. 12, 33. Setzet entweder einen guten Baum, so wird die Frucht gut; oder setzet einen faulen Baum, so wird die Frucht faul. Denn an der Frucht erkennet man den Baum. Und weß das Hertz voll ist, deß gehet der Mund über v. 34. Paulus nennet das erfüllet seyn mit guten Wercken, sich im Stande guter Wercke erfinden lassen, und fleißig seyn in guten Wercken, reich seyn an gu- ten Wercken 1 Tim. 5, 10. 6, 18. Tit. 2, 14. 3, 14. u. s. w. 9. Vor allen andern aber dienet zur Er- läuterung dieses Orts, der aus dem Johanne am funfzehenden von CHristo dem himmlischen Wein-Stock und seinen Reben: da gezei- get wird, wie diese nicht allein alles geistliche Leben und alle Frucht von ihm haben, sondern auch von ihm zu immer mehrern Früchten gerei- niget werden. Jch bin der Wein-Stock, spricht er unter andern, ihr seyd die Reben. Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viel Frucht. Denn ohne mich kön- net ihr nichts thun. V. 12.
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 11. [Spaltenumbruch]
ſind Fruͤchte der Gerechtigkeit, die durchJESUM CHriſtum in uns geſchehen zur Ehre und Lobe GOttes. 2. Es ſind nach dieſer Beſchreibung vier Haupt-Stuͤcke an den guten Wercken zu mer- cken: erſtlich ihr Grund und ihre Quelle: zum andern, wie ſie aus ſolcher Quelle flieſſen: drit- tens, wie ſolcher Ausfluß durch JESUM CHriſtum befoͤrdert werde: und denn viertens, wie ſie ihrer Lauterkeit wegen zur Ehre GOt- tes gereichen. 3. Jhr Grund iſt die Gerechtigkeit. Welches Wort wir alhier billig in dem evange- liſchen Haupt-Verſtande nehmen, daß es ſey die Glaubens-Gerechtigkeit, welche wir nach dem Evangelio im Glauben von CHriſto haben: davon Paulus in allen ſeinen Briefen zeuget; davon wir auch hernach im dritten Capitel dieſes Briefes vernehmen werden. Dieſe Gerechtig- keit muß zuvoͤrderſt zum Grunde liegen, wo wah- re gute Wercke erfolgen ſollen. Dieſer Grund aber wird geleget in der Wiedergeburt und Rechtfertigung. Und alſo ſiehet man, daß keiner wahre gute Wercke thun koͤnne, er ſey denn ein wiedergebohrner und gerechtfertigter Chriſt. 4. Jſt nun dieſer Grund da, ſo iſt er gleich- ſam die Quelle, aus welcher die guten Wercke hervorquillen: er iſt der fruchtbare Baum an den Waſſer-Baͤchen gepflantzet, der ſeine Frucht bringet zu ſeiner Zeit Pſ. 1, 3. Denn in der Wie- dergeburt hat der Menſch den Glauben, als ein geiſtliches Leben, und nicht allein durch denſelben die erworbene Gerechtigkeit CHriſti, ſondern auch mit demſelben allerley goͤttliche Lebens- Kraft, welche zu guten Wercken noͤthig iſt, em- pfangen. Und alſo ſind dieſe die Fruͤchte, wel- che ein ſolcher wohlgepflantzter und fruchtbarer Baum bringet. 5. Nun bringet zwar der Menſch, als ein geiſtlicher Baum, ſelbſt ſolche Fruͤchte: nichts deſto weniger aber geſchehen ſie doch auch durch JEſum CHriſtum. Denn dieſer hat nicht allein in der Wiedergeburt durch ſeinen Geiſt den Grund dazu geleget, und ſeine Gerechtig- keit mit den uͤbrigen Heils-Schaͤtzen dazu ge- ſchencket, welche mit jener ihren beſtaͤndigen Ein- fluß in alle wahre gute Wercke geben; ſondern er unterhaͤlt auch ſelbſt das in dem Menſchen an- gefangene Haupt-Werck des Glaubens und des Gnaden-Standes, und dadurch befoͤrdert er unter beſtaͤndigen und immer mehrern Zufluß ſeiner Gnade alles Gute in Ausuͤbung der wohl- geordneten Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt und den Naͤchſten. 6. Gleichwie nun die guten Wercke ſind an ſich ſelbſt Fruͤchte, Fruͤchte des Geiſtes und der Gerechtigkeit: alſo bringen ſie auch die Fruͤch- te des Lobes und der Ehre GOttes. Denn die Glaͤubigen ehren damit nicht allein ſelbſt GOtt, daß ſie ſeinem heiligen Willen gemaͤß leben, ſondern ſie erwecken auch andere dadurch zur Nachfolge, und verurſachen, daß ihrentwegen von andern GOTT gelobet werde. Wie un- ſer Heiland ſpricht Matth. 5, 16. Laſſet euer Licht leuchten vor den Leuten, daß ſie eu- [Spaltenumbruch] re gute Wercke ſehen, und euren Vater im Himmel (daruͤber) preiſen. 7. Es haben demnach die Wercke der Glaͤu- bigen zwar eines Theils ihre wahre Guͤte; aber deßwegen doch keine Verdienſtlichkeit. Jhre wahre, obgleich noch unvollkommene Guͤte, ha- ben ſie, weil ſie Fruͤchte der Gerechtigkeit ſind, und durch JEſum CHriſtum ſelbſt geſchehen: aber dabey bleiben ſie doch unverdienſtlich; und zwar deßwegen, weil ſie nicht ſo wol unſer eigen, als GOttes in uns ſind; und ſonderlich deßwe- gen, weil der Menſch, der ſie thut, an und mit der Gerechtigkeit CHriſti, davon ſie Fruͤchte ſind, ſchon alles Heil und alle Seligkeit frey und um- ſonſt geſchencket bekommen hat, und daher ſo we- nig verdienen darf, als er bey ſeinem lautern ev- angeliſchen Sinne verdienen will. 8. Noch iſt der Nachdruck des Worts er- fuͤllet wohl zu mercken. Ein wahrer Chriſt muß erfuͤllet ſeyn mit Fruͤchten der Gerechtigkeit, als ein Gevaͤß der Gnaden. Und demnach iſt es nicht genug, daß er eines und das andere gute Werck thue, ſondern er muß immer im Thun ſeyn, und damit nimmer aufhoͤren: wie der ſel. Lutherus mit mehrern vom Glauben bezeuget in der herrlichen Vorrede des Briefes an die Roͤ- mer. Thut doch ein Gottloſer immer Boͤſes, wo nicht aͤuſſerlich, doch innerlich, mit ſeinen Gedancken, Begierden, Afſecten und Anſchlaͤ- gen. Warum ſolte ſich denn nicht bey den gott- ſeligen das Gegentheil finden? Und da die mei- ſten guten Wercke innerlich geſchehen in der be- ſtaͤndigen Ergebung und Aufopferung an GOtt, an der Creutzigung des Fleiſches ſamt den Luͤſten und Begierden, an der Verleugnung des eignen Willens u. ſ. w. ſo iſt leichtlich zu erachten, daß ein wahrer Chriſt immer voller guter Wercke ſey, auch wenn er aͤuſſerlich ſtille iſt und nicht Gelegenheit hat dieſes und jenes Gute zu wir- cken. Hieher gehoͤret, was unſer Heiland Matth. 7, 18. ſpricht: Ein guter Baum kan nicht arge Fruͤchte bringen, und ein fauler Baum kan nicht gute Fruͤchte bringen. Deßgleichen c. 12, 33. Setzet entweder einen guten Baum, ſo wird die Frucht gut; oder ſetzet einen faulen Baum, ſo wird die Frucht faul. Denn an der Frucht erkennet man den Baum. Und weß das Hertz voll iſt, deß gehet der Mund uͤber v. 34. Paulus nennet das erfuͤllet ſeyn mit guten Wercken, ſich im Stande guter Wercke erfinden laſſen, und fleißig ſeyn in guten Wercken, reich ſeyn an gu- ten Wercken 1 Tim. 5, 10. 6, 18. Tit. 2, 14. 3, 14. u. ſ. w. 9. Vor allen andern aber dienet zur Er- laͤuterung dieſes Orts, der aus dem Johanne am funfzehenden von CHriſto dem himmliſchen Wein-Stock und ſeinen Reben: da gezei- get wird, wie dieſe nicht allein alles geiſtliche Leben und alle Frucht von ihm haben, ſondern auch von ihm zu immer mehrern Fruͤchten gerei- niget werden. Jch bin der Wein-Stock, ſpricht er unter andern, ihr ſeyd die Reben. Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viel Frucht. Denn ohne mich koͤn- net ihr nichts thun. V. 12.
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 11.
ſind Fruͤchte der Gerechtigkeit, die durch
JESUM CHriſtum in uns geſchehen zur
Ehre und Lobe GOttes.
2. Es ſind nach dieſer Beſchreibung vier
Haupt-Stuͤcke an den guten Wercken zu mer-
cken: erſtlich ihr Grund und ihre Quelle: zum
andern, wie ſie aus ſolcher Quelle flieſſen: drit-
tens, wie ſolcher Ausfluß durch JESUM
CHriſtum befoͤrdert werde: und denn viertens,
wie ſie ihrer Lauterkeit wegen zur Ehre GOt-
tes gereichen.
3. Jhr Grund iſt die Gerechtigkeit.
Welches Wort wir alhier billig in dem evange-
liſchen Haupt-Verſtande nehmen, daß es ſey die
Glaubens-Gerechtigkeit, welche wir nach
dem Evangelio im Glauben von CHriſto haben:
davon Paulus in allen ſeinen Briefen zeuget;
davon wir auch hernach im dritten Capitel dieſes
Briefes vernehmen werden. Dieſe Gerechtig-
keit muß zuvoͤrderſt zum Grunde liegen, wo wah-
re gute Wercke erfolgen ſollen. Dieſer Grund
aber wird geleget in der Wiedergeburt und
Rechtfertigung. Und alſo ſiehet man, daß
keiner wahre gute Wercke thun koͤnne, er ſey
denn ein wiedergebohrner und gerechtfertigter
Chriſt.
4. Jſt nun dieſer Grund da, ſo iſt er gleich-
ſam die Quelle, aus welcher die guten Wercke
hervorquillen: er iſt der fruchtbare Baum an
den Waſſer-Baͤchen gepflantzet, der ſeine Frucht
bringet zu ſeiner Zeit Pſ. 1, 3. Denn in der Wie-
dergeburt hat der Menſch den Glauben, als ein
geiſtliches Leben, und nicht allein durch denſelben
die erworbene Gerechtigkeit CHriſti, ſondern
auch mit demſelben allerley goͤttliche Lebens-
Kraft, welche zu guten Wercken noͤthig iſt, em-
pfangen. Und alſo ſind dieſe die Fruͤchte, wel-
che ein ſolcher wohlgepflantzter und fruchtbarer
Baum bringet.
5. Nun bringet zwar der Menſch, als ein
geiſtlicher Baum, ſelbſt ſolche Fruͤchte: nichts
deſto weniger aber geſchehen ſie doch auch durch
JEſum CHriſtum. Denn dieſer hat nicht
allein in der Wiedergeburt durch ſeinen Geiſt
den Grund dazu geleget, und ſeine Gerechtig-
keit mit den uͤbrigen Heils-Schaͤtzen dazu ge-
ſchencket, welche mit jener ihren beſtaͤndigen Ein-
fluß in alle wahre gute Wercke geben; ſondern
er unterhaͤlt auch ſelbſt das in dem Menſchen an-
gefangene Haupt-Werck des Glaubens und des
Gnaden-Standes, und dadurch befoͤrdert er
unter beſtaͤndigen und immer mehrern Zufluß
ſeiner Gnade alles Gute in Ausuͤbung der wohl-
geordneten Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt und den
Naͤchſten.
6. Gleichwie nun die guten Wercke ſind
an ſich ſelbſt Fruͤchte, Fruͤchte des Geiſtes und
der Gerechtigkeit: alſo bringen ſie auch die Fruͤch-
te des Lobes und der Ehre GOttes. Denn die
Glaͤubigen ehren damit nicht allein ſelbſt GOtt,
daß ſie ſeinem heiligen Willen gemaͤß leben,
ſondern ſie erwecken auch andere dadurch zur
Nachfolge, und verurſachen, daß ihrentwegen
von andern GOTT gelobet werde. Wie un-
ſer Heiland ſpricht Matth. 5, 16. Laſſet euer
Licht leuchten vor den Leuten, daß ſie eu-
re gute Wercke ſehen, und euren Vater im
Himmel (daruͤber) preiſen.
7. Es haben demnach die Wercke der Glaͤu-
bigen zwar eines Theils ihre wahre Guͤte; aber
deßwegen doch keine Verdienſtlichkeit. Jhre
wahre, obgleich noch unvollkommene Guͤte, ha-
ben ſie, weil ſie Fruͤchte der Gerechtigkeit ſind,
und durch JEſum CHriſtum ſelbſt geſchehen:
aber dabey bleiben ſie doch unverdienſtlich; und
zwar deßwegen, weil ſie nicht ſo wol unſer eigen,
als GOttes in uns ſind; und ſonderlich deßwe-
gen, weil der Menſch, der ſie thut, an und mit
der Gerechtigkeit CHriſti, davon ſie Fruͤchte ſind,
ſchon alles Heil und alle Seligkeit frey und um-
ſonſt geſchencket bekommen hat, und daher ſo we-
nig verdienen darf, als er bey ſeinem lautern ev-
angeliſchen Sinne verdienen will.
8. Noch iſt der Nachdruck des Worts er-
fuͤllet wohl zu mercken. Ein wahrer Chriſt muß
erfuͤllet ſeyn mit Fruͤchten der Gerechtigkeit,
als ein Gevaͤß der Gnaden. Und demnach iſt
es nicht genug, daß er eines und das andere gute
Werck thue, ſondern er muß immer im Thun
ſeyn, und damit nimmer aufhoͤren: wie der ſel.
Lutherus mit mehrern vom Glauben bezeuget in
der herrlichen Vorrede des Briefes an die Roͤ-
mer. Thut doch ein Gottloſer immer Boͤſes,
wo nicht aͤuſſerlich, doch innerlich, mit ſeinen
Gedancken, Begierden, Afſecten und Anſchlaͤ-
gen. Warum ſolte ſich denn nicht bey den gott-
ſeligen das Gegentheil finden? Und da die mei-
ſten guten Wercke innerlich geſchehen in der be-
ſtaͤndigen Ergebung und Aufopferung an GOtt,
an der Creutzigung des Fleiſches ſamt den Luͤſten
und Begierden, an der Verleugnung des eignen
Willens u. ſ. w. ſo iſt leichtlich zu erachten, daß
ein wahrer Chriſt immer voller guter Wercke
ſey, auch wenn er aͤuſſerlich ſtille iſt und nicht
Gelegenheit hat dieſes und jenes Gute zu wir-
cken. Hieher gehoͤret, was unſer Heiland Matth.
7, 18. ſpricht: Ein guter Baum kan nicht
arge Fruͤchte bringen, und ein fauler Baum
kan nicht gute Fruͤchte bringen. Deßgleichen
c. 12, 33. Setzet entweder einen guten Baum,
ſo wird die Frucht gut; oder ſetzet einen
faulen Baum, ſo wird die Frucht faul.
Denn an der Frucht erkennet man den
Baum. Und weß das Hertz voll iſt, deß
gehet der Mund uͤber v. 34. Paulus nennet
das erfuͤllet ſeyn mit guten Wercken, ſich im
Stande guter Wercke erfinden laſſen, und
fleißig ſeyn in guten Wercken, reich ſeyn an gu-
ten Wercken 1 Tim. 5, 10. 6, 18. Tit. 2, 14.
3, 14. u. ſ. w.
9. Vor allen andern aber dienet zur Er-
laͤuterung dieſes Orts, der aus dem Johanne am
funfzehenden von CHriſto dem himmliſchen
Wein-Stock und ſeinen Reben: da gezei-
get wird, wie dieſe nicht allein alles geiſtliche
Leben und alle Frucht von ihm haben, ſondern
auch von ihm zu immer mehrern Fruͤchten gerei-
niget werden. Jch bin der Wein-Stock,
ſpricht er unter andern, ihr ſeyd die Reben.
Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der
bringet viel Frucht. Denn ohne mich koͤn-
net ihr nichts thun.
V. 12.
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