Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 6-8. [Spaltenumbruch]
an biesem Haupt-Wercke fehlet, so taugen auchalle ihre übrige Wercke nichts. 2. Anfangen ist gut und nöthig: aber vollführen noch besser und noch nöthiger. Und gleichwie es dißfalles an GOttes Treue nicht fehlet, so muß es auch der Mensch an seiner Treue nicht fehlen lassen. Welches auch eben der Zweck war bey diesem Briefe, nemlich bey der angepriesenen Treue GOttes auch die Phi- lipper zur Gegen-Treue zu ermuntern. Denn wenn der Mensch auch noch so wohl angefangen hat, und noch so hurtig fortgegangen ist, so ge- brauchet er dennoch solcher Ermunterung. 3. Die Vollführung aber des guten Wercks bestehet eigentlich nicht darinn, daß GOTT einen Menschen, der aus der Gnade gefallen ist, zuletzt wieder in den Gnaden-Stand durch wahre Bekehrung aufnimmt und so end- lich selig sterben läßt: sondern darinn, daß ihn GOTT vor allem gäntzlichen Rückfall gnädig- lich bewahret, und im Gnaden-Stande vom ersten Anfange seiner Bekehrung bis an sein se- liges Ende beständig erhält. Denn ob gleich auch jenes geschehen kan; so wird es doch gar sehr gemißbrauchet, sehr übel verstanden, und noch übler appliciret. Dieses aber, die Be- wahrung auf Seiten GOttes, und die Be- harrung auf Seiten der Gläubigen, ist die rech- te Evangelische Art. Wem dieses fremd vor- kömmt, der hat gewiß noch keine Gemeinschaft am Evangelio, so sehr er es sich auch einbildet. 4. Da es bey dem guten Haupt-Wercke sonderlich auf den Glauben ankömmt, so heisset unser Heiland daher das A und das O, der An- fang und das Ende, der Anfänger und Vollen- der unsers Glaubens. Hebr. 12, 2. Offenb. Joh. 1, 8. 5. Mit den Worten: Bis auf den Tag JEsu CHristi, wird zwar auf den künftigen grossen Gerichts-Tag gesehen, da die Gläubi- gen zur Auferstehung der Gerechten kommen, und die Braut des Lammes werden: Paulus aber hat nicht gemeinet, als wenn die damals lebenden solche Zeit in ihrem Leben erreichen würden; sondern er hat damit nur angezeiget, worauf es bey der Bekehrung ankomme, nem- lich daß man selig sterbe, um dermaleins vor CHristo bey seiner Zukunft mit Freudigkeit be- stehen zu können. Gleichwie auch Johannes Ep. 1. c. 2, 28. schreibet: Und nun, Kind- lein, bleibet bey ihm, auf daß wir Freu- digkeit haben, und nicht zu schanden wer- den vor ihm in seiner Zukunft. Siehe auch 1 Cor. 1, 9. u. s. w. V. 7. Wie es denn mir billig ist, daß ich Anmerckungen. 1. Bande, Verantwortung und Be- kräftigung stehen vom Evangelio zusammen. Denn da die Römer das Lob der Gerechtigkeit haben wolten, so liessen sie Paulum zur Ver- antwortung. Und diese gesegnete denn GOtt dergestalt, daß es zur Bekräftigung des Evan- gelii bey Uberzeugung vieler Menschen gereichete. Nichts ist unbilliger, als einen auf blosse An- klagen unverhöret verdammen. 2. Wer siehet nicht, wie viel ärger das antichristische Rom ist, als das heydnische? Denn wo verstattet man darinnen iemand die rechte Verantwortung? Und wo giebt man ihr Platz, wo sie auch noch zum theil geführet wird? 3. Was der Apostel v. 3. von der koino- nia, der Gemeinschaft am Evangelio gesa- get hat, das erläutert er alhier mit den Wor- ten von Theilhaftigkeit der Gnade. Denn die Gnade ist des Evangelii Anfang, Mittel und Ende. Wohl dem, der einen Geschmack dar- an hat! Es hat ihn aber niemand, als wem die verderbte Natur und Welt bitter ist. V. 8. Denn GOTT ist mein Zeuge, wie mich Anmerckungen. 1. Man hat Paulo diese Worte: GOtt ist mein Zeuge, nicht so leicht nachzusprechen. Es muß eine wichtige Sache und ein gar laute- rer Sinn seyn, wenn sie sollen recht gebrauchet werden. 2. Daß GOTT nicht allein von unsern äusserlichen Wercken, sondern auch von unsern Worten, ja Gedancken und Affecten ein all- wissender Zeuge ist, das soll einen billig im gan- tzen Leben in allen Stücken auf einen heiligen Wandel führen. 3. Mit den Worten en splagkhnois Iesou Khristou, in dem Hertzen, oder der innigsten Er- barmung CHristi, zeiget der Apostel an, wo- her die so hertzliche Liebe gegen die Philipper ent- stehe, nemlich von CHristo, als dessen gegen sie tragende Liebe ihn also dringe, wie er 2 Cor. 5, 14. spricht; und daß er mit solcher Liebe Chri- sti die seinige vereinige. 4. Wenn ein Lehrer wissen will, ob er auch sein Amt in aller Treue vor GOTT führe, oder nicht; so hat er zuvorderst seine Liebe gegen seine Zuhörer wohl zu prüfen, ob sie rechter Art sey, und er von derselben sich dazu angetrie- ben befinde, was er sonst vor Menschen, oder ihrem Urtheile nach, wol unterlassen könte. V. 9.
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 6-8. [Spaltenumbruch]
an bieſem Haupt-Wercke fehlet, ſo taugen auchalle ihre uͤbrige Wercke nichts. 2. Anfangen iſt gut und noͤthig: aber vollfuͤhren noch beſſer und noch noͤthiger. Und gleichwie es dißfalles an GOttes Treue nicht fehlet, ſo muß es auch der Menſch an ſeiner Treue nicht fehlen laſſen. Welches auch eben der Zweck war bey dieſem Briefe, nemlich bey der angeprieſenen Treue GOttes auch die Phi- lipper zur Gegen-Treue zu ermuntern. Denn wenn der Menſch auch noch ſo wohl angefangen hat, und noch ſo hurtig fortgegangen iſt, ſo ge- brauchet er dennoch ſolcher Ermunterung. 3. Die Vollfuͤhrung aber des guten Wercks beſtehet eigentlich nicht darinn, daß GOTT einen Menſchen, der aus der Gnade gefallen iſt, zuletzt wieder in den Gnaden-Stand durch wahre Bekehrung aufnimmt und ſo end- lich ſelig ſterben laͤßt: ſondern darinn, daß ihn GOTT vor allem gaͤntzlichen Ruͤckfall gnaͤdig- lich bewahret, und im Gnaden-Stande vom erſten Anfange ſeiner Bekehrung bis an ſein ſe- liges Ende beſtaͤndig erhaͤlt. Denn ob gleich auch jenes geſchehen kan; ſo wird es doch gar ſehr gemißbrauchet, ſehr uͤbel verſtanden, und noch uͤbler appliciret. Dieſes aber, die Be- wahrung auf Seiten GOttes, und die Be- harrung auf Seiten der Glaͤubigen, iſt die rech- te Evangeliſche Art. Wem dieſes fremd vor- koͤmmt, der hat gewiß noch keine Gemeinſchaft am Evangelio, ſo ſehr er es ſich auch einbildet. 4. Da es bey dem guten Haupt-Wercke ſonderlich auf den Glauben ankoͤmmt, ſo heiſſet unſer Heiland daher das A und das O, der An- fang und das Ende, der Anfaͤnger und Vollen- der unſers Glaubens. Hebr. 12, 2. Offenb. Joh. 1, 8. 5. Mit den Worten: Bis auf den Tag JEſu CHriſti, wird zwar auf den kuͤnftigen groſſen Gerichts-Tag geſehen, da die Glaͤubi- gen zur Auferſtehung der Gerechten kommen, und die Braut des Lammes werden: Paulus aber hat nicht gemeinet, als wenn die damals lebenden ſolche Zeit in ihrem Leben erreichen wuͤrden; ſondern er hat damit nur angezeiget, worauf es bey der Bekehrung ankomme, nem- lich daß man ſelig ſterbe, um dermaleins vor CHriſto bey ſeiner Zukunft mit Freudigkeit be- ſtehen zu koͤnnen. Gleichwie auch Johannes Ep. 1. c. 2, 28. ſchreibet: Und nun, Kind- lein, bleibet bey ihm, auf daß wir Freu- digkeit haben, und nicht zu ſchanden wer- den vor ihm in ſeiner Zukunft. Siehe auch 1 Cor. 1, 9. u. ſ. w. V. 7. Wie es denn mir billig iſt, daß ich Anmerckungen. 1. Bande, Verantwortung und Be- kraͤftigung ſtehen vom Evangelio zuſammen. Denn da die Roͤmer das Lob der Gerechtigkeit haben wolten, ſo lieſſen ſie Paulum zur Ver- antwortung. Und dieſe geſegnete denn GOtt dergeſtalt, daß es zur Bekraͤftigung des Evan- gelii bey Uberzeugung vieler Menſchen gereichete. Nichts iſt unbilliger, als einen auf bloſſe An- klagen unverhoͤret verdammen. 2. Wer ſiehet nicht, wie viel aͤrger das antichriſtiſche Rom iſt, als das heydniſche? Denn wo verſtattet man darinnen iemand die rechte Verantwortung? Und wo giebt man ihr Platz, wo ſie auch noch zum theil gefuͤhret wird? 3. Was der Apoſtel v. 3. von der κοινω- νίᾳ, der Gemeinſchaft am Evangelio geſa- get hat, das erlaͤutert er alhier mit den Wor- ten von Theilhaftigkeit der Gnade. Denn die Gnade iſt des Evangelii Anfang, Mittel und Ende. Wohl dem, der einen Geſchmack dar- an hat! Es hat ihn aber niemand, als wem die verderbte Natur und Welt bitter iſt. V. 8. Denn GOTT iſt mein Zeuge, wie mich Anmerckungen. 1. Man hat Paulo dieſe Worte: GOtt iſt mein Zeuge, nicht ſo leicht nachzuſprechen. Es muß eine wichtige Sache und ein gar laute- rer Sinn ſeyn, wenn ſie ſollen recht gebrauchet werden. 2. Daß GOTT nicht allein von unſern aͤuſſerlichen Wercken, ſondern auch von unſern Worten, ja Gedancken und Affecten ein all- wiſſender Zeuge iſt, das ſoll einen billig im gan- tzen Leben in allen Stuͤcken auf einen heiligen Wandel fuͤhren. 3. Mit den Worten ἐν σπλάγχνοις Ιησοῦ Χριϛοῦ, in dem Hertzen, oder der innigſten Er- barmung CHriſti, zeiget der Apoſtel an, wo- her die ſo hertzliche Liebe gegen die Philipper ent- ſtehe, nemlich von CHriſto, als deſſen gegen ſie tragende Liebe ihn alſo dringe, wie er 2 Cor. 5, 14. ſpricht; und daß er mit ſolcher Liebe Chri- ſti die ſeinige vereinige. 4. Wenn ein Lehrer wiſſen will, ob er auch ſein Amt in aller Treue vor GOTT fuͤhre, oder nicht; ſo hat er zuvorderſt ſeine Liebe gegen ſeine Zuhoͤrer wohl zu pruͤfen, ob ſie rechter Art ſey, und er von derſelben ſich dazu angetrie- ben befinde, was er ſonſt vor Menſchen, oder ihrem Urtheile nach, wol unterlaſſen koͤnte. V. 9.
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 6-8.
an bieſem Haupt-Wercke fehlet, ſo taugen auch
alle ihre uͤbrige Wercke nichts.
2. Anfangen iſt gut und noͤthig: aber
vollfuͤhren noch beſſer und noch noͤthiger. Und
gleichwie es dißfalles an GOttes Treue nicht
fehlet, ſo muß es auch der Menſch an ſeiner
Treue nicht fehlen laſſen. Welches auch eben
der Zweck war bey dieſem Briefe, nemlich bey
der angeprieſenen Treue GOttes auch die Phi-
lipper zur Gegen-Treue zu ermuntern. Denn
wenn der Menſch auch noch ſo wohl angefangen
hat, und noch ſo hurtig fortgegangen iſt, ſo ge-
brauchet er dennoch ſolcher Ermunterung.
3. Die Vollfuͤhrung aber des guten
Wercks beſtehet eigentlich nicht darinn, daß
GOTT einen Menſchen, der aus der Gnade
gefallen iſt, zuletzt wieder in den Gnaden-Stand
durch wahre Bekehrung aufnimmt und ſo end-
lich ſelig ſterben laͤßt: ſondern darinn, daß ihn
GOTT vor allem gaͤntzlichen Ruͤckfall gnaͤdig-
lich bewahret, und im Gnaden-Stande vom
erſten Anfange ſeiner Bekehrung bis an ſein ſe-
liges Ende beſtaͤndig erhaͤlt. Denn ob gleich
auch jenes geſchehen kan; ſo wird es doch gar
ſehr gemißbrauchet, ſehr uͤbel verſtanden, und
noch uͤbler appliciret. Dieſes aber, die Be-
wahrung auf Seiten GOttes, und die Be-
harrung auf Seiten der Glaͤubigen, iſt die rech-
te Evangeliſche Art. Wem dieſes fremd vor-
koͤmmt, der hat gewiß noch keine Gemeinſchaft
am Evangelio, ſo ſehr er es ſich auch einbildet.
4. Da es bey dem guten Haupt-Wercke
ſonderlich auf den Glauben ankoͤmmt, ſo heiſſet
unſer Heiland daher das A und das O, der An-
fang und das Ende, der Anfaͤnger und Vollen-
der unſers Glaubens. Hebr. 12, 2. Offenb. Joh.
1, 8.
5. Mit den Worten: Bis auf den Tag
JEſu CHriſti, wird zwar auf den kuͤnftigen
groſſen Gerichts-Tag geſehen, da die Glaͤubi-
gen zur Auferſtehung der Gerechten kommen,
und die Braut des Lammes werden: Paulus
aber hat nicht gemeinet, als wenn die damals
lebenden ſolche Zeit in ihrem Leben erreichen
wuͤrden; ſondern er hat damit nur angezeiget,
worauf es bey der Bekehrung ankomme, nem-
lich daß man ſelig ſterbe, um dermaleins vor
CHriſto bey ſeiner Zukunft mit Freudigkeit be-
ſtehen zu koͤnnen. Gleichwie auch Johannes
Ep. 1. c. 2, 28. ſchreibet: Und nun, Kind-
lein, bleibet bey ihm, auf daß wir Freu-
digkeit haben, und nicht zu ſchanden wer-
den vor ihm in ſeiner Zukunft. Siehe auch
1 Cor. 1, 9. u. ſ. w.
V. 7.
Wie es denn mir billig iſt, daß ich
dermaſſen von euch allen halte, darum
daß ich euch in meinem Hertzen habe, in
dieſem meinem Gefaͤngniß, (oder Banden,
ſintemal Paulus, auſſer den Banden in der an-
gelegten Kette, in kein Gefaͤngniß gekommen,
ſondern gar gelinde iſt gehalten worden Ap.
Geſ. 18, 16. 30. 31.) darinnen ich das Evan-
gelium verantworte und bekraͤftige, als die
die ihr alle mit mir der Gnade theilhaftig
ſeyd.
Anmerckungen.
1. Bande, Verantwortung und Be-
kraͤftigung ſtehen vom Evangelio zuſammen.
Denn da die Roͤmer das Lob der Gerechtigkeit
haben wolten, ſo lieſſen ſie Paulum zur Ver-
antwortung. Und dieſe geſegnete denn GOtt
dergeſtalt, daß es zur Bekraͤftigung des Evan-
gelii bey Uberzeugung vieler Menſchen gereichete.
Nichts iſt unbilliger, als einen auf bloſſe An-
klagen unverhoͤret verdammen.
2. Wer ſiehet nicht, wie viel aͤrger das
antichriſtiſche Rom iſt, als das heydniſche?
Denn wo verſtattet man darinnen iemand die
rechte Verantwortung? Und wo giebt man ihr
Platz, wo ſie auch noch zum theil gefuͤhret
wird?
3. Was der Apoſtel v. 3. von der κοινω-
νίᾳ, der Gemeinſchaft am Evangelio geſa-
get hat, das erlaͤutert er alhier mit den Wor-
ten von Theilhaftigkeit der Gnade. Denn die
Gnade iſt des Evangelii Anfang, Mittel und
Ende. Wohl dem, der einen Geſchmack dar-
an hat! Es hat ihn aber niemand, als wem
die verderbte Natur und Welt bitter iſt.
V. 8.
Denn GOTT iſt mein Zeuge, wie mich
nach euch allen verlanget von Hertzens-
Grunde in CHriſto JEſu, (euch noch ein-
mal wieder zu ſehen, in allem guten zu ſtaͤrcken,
und mich an und mit euch zu erquicken, oder
doch zum wenigſten euren Wachsthum und Be-
harrung zu befordern.)
Anmerckungen.
1. Man hat Paulo dieſe Worte: GOtt
iſt mein Zeuge, nicht ſo leicht nachzuſprechen.
Es muß eine wichtige Sache und ein gar laute-
rer Sinn ſeyn, wenn ſie ſollen recht gebrauchet
werden.
2. Daß GOTT nicht allein von unſern
aͤuſſerlichen Wercken, ſondern auch von unſern
Worten, ja Gedancken und Affecten ein all-
wiſſender Zeuge iſt, das ſoll einen billig im gan-
tzen Leben in allen Stuͤcken auf einen heiligen
Wandel fuͤhren.
3. Mit den Worten ἐν σπλάγχνοις Ιησοῦ
Χριϛοῦ, in dem Hertzen, oder der innigſten Er-
barmung CHriſti, zeiget der Apoſtel an, wo-
her die ſo hertzliche Liebe gegen die Philipper ent-
ſtehe, nemlich von CHriſto, als deſſen gegen ſie
tragende Liebe ihn alſo dringe, wie er 2 Cor.
5, 14. ſpricht; und daß er mit ſolcher Liebe Chri-
ſti die ſeinige vereinige.
4. Wenn ein Lehrer wiſſen will, ob er
auch ſein Amt in aller Treue vor GOTT fuͤhre,
oder nicht; ſo hat er zuvorderſt ſeine Liebe gegen
ſeine Zuhoͤrer wohl zu pruͤfen, ob ſie rechter
Art ſey, und er von derſelben ſich dazu angetrie-
ben befinde, was er ſonſt vor Menſchen, oder
ihrem Urtheile nach, wol unterlaſſen koͤnte.
V. 9.
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