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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 1.
[Spaltenumbruch] finden. Wer nicht schon auf Erden ein Heili-
ger wird, der wird im Himmel keiner werden.
Muste doch der Schächer noch am Creutze durch
wahre Bekehrung erst ein Heiliger werden, ehe
er konte mit CHristo in das Paradies einge-
hen.
6. Wir haben aber die wahre Heiligung
nicht allein von CHristo, sondern auch in ihm,
das ist, in der wahren Gemeinschaft mit ihm.
Und vermöge dieser sind die Gläubigen also in
CHristo, daß sie vor GOTT, wie CHristus
selbst, ihr Haupt, angesehen werden. Was
nun ihrer eignen aus der Gnade angefangenen
Heiligkeit fehlet, das haben sie in der vollkom-
menen Heiligkeit CHristi. Siehe auch 1 Cor.
1, 1. 2.
7. Da eine Gemeine aus Stärckern und
Schwächern, aus Wohlgeübten und Anfän-
gern bestehet, so sind sie alle ohne Unterscheid
in CHristo, wenn sie nur sonst rechtschaffen
sind. Es hat demnach niemand, der in der Selbst-
Prüfung sich seines Ernstes versichert hält, ob-
gleich in vieler Schwachheit, sich selbst von der
seligen Gemeinschaft mit CHristo auszuschlies-
sen. Denn Paulus schreibet allen Heiligen.
8. Da der Apostel durch die Heiligen
die gantze Gemeine
verstehet, so setzet er diese
voran, und gedencket der Lehrer erst hernach;
damit anzuzeigen, daß nicht die Gemeine sey
um der Lehrer willen, sondern die Lehrer um
der Gemeine willen; und daß sie über die
Gemeine nicht herrschen sollen. Es ist auch
wohl zu mercken, daß Paulus daher in der Zu-
schrift der übrigen Briefe nicht zugleich der Leh-
rer, sondern nur allein der Gemeinen geden-
cket. Welche Zuschriften aber alle nach dieser
zu verstehen sind.
9. Bischöfe haben, wie bekant, im Grie-
chischen ihren Namen von der Aufsicht, und
werden heute zu Tage daher Inspectores, oder
Superintendenten, genennet: Doch war jener
Name in der Apostolischen Kirche noch eines
weitern Verstandes als diese sind; sintemal er
nichts anzeiget, als was die Namen Aelte-
ster, Lehrer, Hirte
u. s. w. bedeuten: und
also waren alle öffentliche Lehrer und Vorsteher
der Kirchen solche Bischöfe. Man siehet die-
ses gantz klärlich aus Ap. Gesch. 20, 27. 28. da
Paulus die Aeltesten insgesamt von Ephesus
nach Miletus kommen ließ und zu ihnen sagte:
So habet nun Acht auf euch selbst, und
auf die gantze Heerde, über welche euch der
Heilige Geist hat gesetzet zu Bischöfen, zu
weiden die Gemeine GOttes, welche er
mit seinem eigenen Blute erworben hat.

Und wenn Paulus den öffentlichen Lehrern ihre
Pflichten und Eigenschaften vorhält, so nennet
er sie mit dem gemeinen Namen der Bischöfe
1 Tim. 3, 1. u. f. Und nachdem er in dem Brie-
fe an den Titum c. 1, 5. der Aeltesten gedacht
hatte, wie er mit ihnen hin und her die Gemei-
nen in Creta besetzen solte; so verwechselt er sol-
ches Wort mit dem Worte Bischof, und
spricht v. 7. Denn ein Bischof soll untade-
lich seyn
u. s. w.
10. Da nun die Bischöfe, oder Lehrer, ih-
[Spaltenumbruch] ren Namen haben von der Aufsicht, diese aber
eigentlich auf die Augen des Gemüths gehet; so
siehet man wohl, daß mit dem Worte zugleich
so viel gesaget wird, daß die Lehrer wahrhaftig
erleuchtet seyn sollen. Sind sie aber solche,
so richten sie die geöffnete Augen ihres Gemüths
zuvorderst auf sich selbst und nehmen ihrer selbst
wohl wahr. Und eben dieses zeiget Paulus
ausdrücklich an, wenn er in dem zuvor angezo-
genen Orte spricht: Habet Acht auf euch
selbst, und auf die gantze Heerde.
Wer
nun nicht zuvorderst auf sich selbst recht siehet,
sondern bey sich selbst gegen sich selbst noch blind
ist, wie kan der auf die gantze Heerde also sehen,
wie er soll? Jst er nicht alsdenn ein blinder Lei-
ter der Blinden, der mit ihnen endlich in eine
Grube fällt? Matth. 15, 14. 23, 16. 24. Rom.
2, 19. 21. u. f.
11. Man halte nun die Apostolische Be-
deutung des Worts episcopus, Bischof, gegen
denjenigen Stand und Staat der Bischöfe, den
sie sonderlich im Pabstthum haben; so muß man
sich billig verwundern über die so gar grosse
Veränderung und Ungleichheit; da man das
geistliche Reich CHristi in einen politischen Kir-
chen-Staat verwandelt hat.
12. Diaconi, Diener, waren solche öffent-
liche bestellete Personen, welche um die Bischö-
fe waren, und ihnen zu allerley nützlichen Ver-
richtungen an die Hand gingen, und dadurch
von ihnen zum Amte der Aufseher und Lehrer zu-
bereitet wurden. Auch diesen schreibet Paulus
1 Tim. 3, 8. u. f. ihre Eigenschaften und Pflich-
ten vor.
13. Die Gemeine zu Philippen ist bald
anfangs gar zahlreich worden, also daß sie bald
nach ihrer Gründung mit mehrern Bischöfen
und Dienern hat besetzet werden müssen. Und
also giebet dieser Ort dem sechzehenden Capitel
der Apostel-Geschichte ein Licht; daß darinnen,
nemlich ausser den daselbst bemeldeten Familien
der Lydia und des Kerckermeisters, noch sonst
eine grosse Anzahl der Menschen sind zu Christo
bekehret worden. Und dieses zeuget Lucas da-
mit an, wenn er gedencket, daß Paulus bey
seinem Abzuge von Philippen von den Brü-
dern
Abschied genommen habe. c. 16, 30. Es
hat sich demnach in der That ausgewiesen, war-
um Paulus aus Asien durch ein Gesicht gen
Macedonien berufen worden, da ihm nemlich
ein Mann aus Macedonien erschienen ist und zu
ihm gesaget hat: Komm hernieder in Ma-
cedonien und hilf uns!
Apost. Gesch. 16,
9-12.
14. Es ist aber wohl zu mercken, daß die
Bischöfe und Diaconi der Apostolischen Gemei-
nen aus den Gliedern der Gemeinen selbst
genommen sind, weil man noch keine andere
hatte. Daraus man billig eine gedoppelte An-
merckung ziehet: erstlich von dem gesegneten
Zustande
der ersten Christen, wie daß ihrer vie-
le gleich Anfangs zu einem solchen wohlgesetzten
Wesen im Christenthum bey ihrer Treue gekom-
men sind, daß sie bald zu öffentlichen Aufsehern
und Lehrern haben können bestellet werden. Und
denn, wie sehr es den Predigern obliege, daß
sie
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 1.
[Spaltenumbruch] finden. Wer nicht ſchon auf Erden ein Heili-
ger wird, der wird im Himmel keiner werden.
Muſte doch der Schaͤcher noch am Creutze durch
wahre Bekehrung erſt ein Heiliger werden, ehe
er konte mit CHriſto in das Paradies einge-
hen.
6. Wir haben aber die wahre Heiligung
nicht allein von CHriſto, ſondern auch in ihm,
das iſt, in der wahren Gemeinſchaft mit ihm.
Und vermoͤge dieſer ſind die Glaͤubigen alſo in
CHriſto, daß ſie vor GOTT, wie CHriſtus
ſelbſt, ihr Haupt, angeſehen werden. Was
nun ihrer eignen aus der Gnade angefangenen
Heiligkeit fehlet, das haben ſie in der vollkom-
menen Heiligkeit CHriſti. Siehe auch 1 Cor.
1, 1. 2.
7. Da eine Gemeine aus Staͤrckern und
Schwaͤchern, aus Wohlgeuͤbten und Anfaͤn-
gern beſtehet, ſo ſind ſie alle ohne Unterſcheid
in CHriſto, wenn ſie nur ſonſt rechtſchaffen
ſind. Es hat demnach niemand, der in der Selbſt-
Pruͤfung ſich ſeines Ernſtes verſichert haͤlt, ob-
gleich in vieler Schwachheit, ſich ſelbſt von der
ſeligen Gemeinſchaft mit CHriſto auszuſchlieſ-
ſen. Denn Paulus ſchreibet allen Heiligen.
8. Da der Apoſtel durch die Heiligen
die gantze Gemeine
verſtehet, ſo ſetzet er dieſe
voran, und gedencket der Lehrer erſt hernach;
damit anzuzeigen, daß nicht die Gemeine ſey
um der Lehrer willen, ſondern die Lehrer um
der Gemeine willen; und daß ſie uͤber die
Gemeine nicht herrſchen ſollen. Es iſt auch
wohl zu mercken, daß Paulus daher in der Zu-
ſchrift der uͤbrigen Briefe nicht zugleich der Leh-
rer, ſondern nur allein der Gemeinen geden-
cket. Welche Zuſchriften aber alle nach dieſer
zu verſtehen ſind.
9. Biſchoͤfe haben, wie bekant, im Grie-
chiſchen ihren Namen von der Aufſicht, und
werden heute zu Tage daher Inſpectores, oder
Superintendenten, genennet: Doch war jener
Name in der Apoſtoliſchen Kirche noch eines
weitern Verſtandes als dieſe ſind; ſintemal er
nichts anzeiget, als was die Namen Aelte-
ſter, Lehrer, Hirte
u. ſ. w. bedeuten: und
alſo waren alle oͤffentliche Lehrer und Vorſteher
der Kirchen ſolche Biſchoͤfe. Man ſiehet die-
ſes gantz klaͤrlich aus Ap. Geſch. 20, 27. 28. da
Paulus die Aelteſten insgeſamt von Epheſus
nach Miletus kommen ließ und zu ihnen ſagte:
So habet nun Acht auf euch ſelbſt, und
auf die gantze Heerde, uͤber welche euch der
Heilige Geiſt hat geſetzet zu Biſchoͤfen, zu
weiden die Gemeine GOttes, welche er
mit ſeinem eigenen Blute erworben hat.

Und wenn Paulus den oͤffentlichen Lehrern ihre
Pflichten und Eigenſchaften vorhaͤlt, ſo nennet
er ſie mit dem gemeinen Namen der Biſchoͤfe
1 Tim. 3, 1. u. f. Und nachdem er in dem Brie-
fe an den Titum c. 1, 5. der Aelteſten gedacht
hatte, wie er mit ihnen hin und her die Gemei-
nen in Creta beſetzen ſolte; ſo verwechſelt er ſol-
ches Wort mit dem Worte Biſchof, und
ſpricht v. 7. Denn ein Biſchof ſoll untade-
lich ſeyn
u. ſ. w.
10. Da nun die Biſchoͤfe, oder Lehrer, ih-
[Spaltenumbruch] ren Namen haben von der Aufſicht, dieſe aber
eigentlich auf die Augen des Gemuͤths gehet; ſo
ſiehet man wohl, daß mit dem Worte zugleich
ſo viel geſaget wird, daß die Lehrer wahrhaftig
erleuchtet ſeyn ſollen. Sind ſie aber ſolche,
ſo richten ſie die geoͤffnete Augen ihres Gemuͤths
zuvorderſt auf ſich ſelbſt und nehmen ihrer ſelbſt
wohl wahr. Und eben dieſes zeiget Paulus
ausdruͤcklich an, wenn er in dem zuvor angezo-
genen Orte ſpricht: Habet Acht auf euch
ſelbſt, und auf die gantze Heerde.
Wer
nun nicht zuvorderſt auf ſich ſelbſt recht ſiehet,
ſondern bey ſich ſelbſt gegen ſich ſelbſt noch blind
iſt, wie kan der auf die gantze Heerde alſo ſehen,
wie er ſoll? Jſt er nicht alsdenn ein blinder Lei-
ter der Blinden, der mit ihnen endlich in eine
Grube faͤllt? Matth. 15, 14. 23, 16. 24. Rom.
2, 19. 21. u. f.
11. Man halte nun die Apoſtoliſche Be-
deutung des Worts epiſcopus, Biſchof, gegen
denjenigen Stand und Staat der Biſchoͤfe, den
ſie ſonderlich im Pabſtthum haben; ſo muß man
ſich billig verwundern uͤber die ſo gar groſſe
Veraͤnderung und Ungleichheit; da man das
geiſtliche Reich CHriſti in einen politiſchen Kir-
chen-Staat verwandelt hat.
12. Diaconi, Diener, waren ſolche oͤffent-
liche beſtellete Perſonen, welche um die Biſchoͤ-
fe waren, und ihnen zu allerley nuͤtzlichen Ver-
richtungen an die Hand gingen, und dadurch
von ihnen zum Amte der Aufſeher und Lehrer zu-
bereitet wurden. Auch dieſen ſchreibet Paulus
1 Tim. 3, 8. u. f. ihre Eigenſchaften und Pflich-
ten vor.
13. Die Gemeine zu Philippen iſt bald
anfangs gar zahlreich worden, alſo daß ſie bald
nach ihrer Gruͤndung mit mehrern Biſchoͤfen
und Dienern hat beſetzet werden muͤſſen. Und
alſo giebet dieſer Ort dem ſechzehenden Capitel
der Apoſtel-Geſchichte ein Licht; daß darinnen,
nemlich auſſer den daſelbſt bemeldeten Familien
der Lydia und des Kerckermeiſters, noch ſonſt
eine groſſe Anzahl der Menſchen ſind zu Chriſto
bekehret worden. Und dieſes zeuget Lucas da-
mit an, wenn er gedencket, daß Paulus bey
ſeinem Abzuge von Philippen von den Bruͤ-
dern
Abſchied genommen habe. c. 16, 30. Es
hat ſich demnach in der That ausgewieſen, war-
um Paulus aus Aſien durch ein Geſicht gen
Macedonien berufen worden, da ihm nemlich
ein Mann aus Macedonien erſchienen iſt und zu
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cedonien und hilf uns!
Apoſt. Geſch. 16,
9-12.
14. Es iſt aber wohl zu mercken, daß die
Biſchoͤfe und Diaconi der Apoſtoliſchen Gemei-
nen aus den Gliedern der Gemeinen ſelbſt
genommen ſind, weil man noch keine andere
hatte. Daraus man billig eine gedoppelte An-
merckung ziehet: erſtlich von dem geſegneten
Zuſtande
der erſten Chriſten, wie daß ihrer vie-
le gleich Anfangs zu einem ſolchen wohlgeſetzten
Weſen im Chriſtenthum bey ihrer Treue gekom-
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[690/0718] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 1. finden. Wer nicht ſchon auf Erden ein Heili- ger wird, der wird im Himmel keiner werden. Muſte doch der Schaͤcher noch am Creutze durch wahre Bekehrung erſt ein Heiliger werden, ehe er konte mit CHriſto in das Paradies einge- hen. 6. Wir haben aber die wahre Heiligung nicht allein von CHriſto, ſondern auch in ihm, das iſt, in der wahren Gemeinſchaft mit ihm. Und vermoͤge dieſer ſind die Glaͤubigen alſo in CHriſto, daß ſie vor GOTT, wie CHriſtus ſelbſt, ihr Haupt, angeſehen werden. Was nun ihrer eignen aus der Gnade angefangenen Heiligkeit fehlet, das haben ſie in der vollkom- menen Heiligkeit CHriſti. Siehe auch 1 Cor. 1, 1. 2. 7. Da eine Gemeine aus Staͤrckern und Schwaͤchern, aus Wohlgeuͤbten und Anfaͤn- gern beſtehet, ſo ſind ſie alle ohne Unterſcheid in CHriſto, wenn ſie nur ſonſt rechtſchaffen ſind. Es hat demnach niemand, der in der Selbſt- Pruͤfung ſich ſeines Ernſtes verſichert haͤlt, ob- gleich in vieler Schwachheit, ſich ſelbſt von der ſeligen Gemeinſchaft mit CHriſto auszuſchlieſ- ſen. Denn Paulus ſchreibet allen Heiligen. 8. Da der Apoſtel durch die Heiligen die gantze Gemeine verſtehet, ſo ſetzet er dieſe voran, und gedencket der Lehrer erſt hernach; damit anzuzeigen, daß nicht die Gemeine ſey um der Lehrer willen, ſondern die Lehrer um der Gemeine willen; und daß ſie uͤber die Gemeine nicht herrſchen ſollen. Es iſt auch wohl zu mercken, daß Paulus daher in der Zu- ſchrift der uͤbrigen Briefe nicht zugleich der Leh- rer, ſondern nur allein der Gemeinen geden- cket. Welche Zuſchriften aber alle nach dieſer zu verſtehen ſind. 9. Biſchoͤfe haben, wie bekant, im Grie- chiſchen ihren Namen von der Aufſicht, und werden heute zu Tage daher Inſpectores, oder Superintendenten, genennet: Doch war jener Name in der Apoſtoliſchen Kirche noch eines weitern Verſtandes als dieſe ſind; ſintemal er nichts anzeiget, als was die Namen Aelte- ſter, Lehrer, Hirte u. ſ. w. bedeuten: und alſo waren alle oͤffentliche Lehrer und Vorſteher der Kirchen ſolche Biſchoͤfe. Man ſiehet die- ſes gantz klaͤrlich aus Ap. Geſch. 20, 27. 28. da Paulus die Aelteſten insgeſamt von Epheſus nach Miletus kommen ließ und zu ihnen ſagte: So habet nun Acht auf euch ſelbſt, und auf die gantze Heerde, uͤber welche euch der Heilige Geiſt hat geſetzet zu Biſchoͤfen, zu weiden die Gemeine GOttes, welche er mit ſeinem eigenen Blute erworben hat. Und wenn Paulus den oͤffentlichen Lehrern ihre Pflichten und Eigenſchaften vorhaͤlt, ſo nennet er ſie mit dem gemeinen Namen der Biſchoͤfe 1 Tim. 3, 1. u. f. Und nachdem er in dem Brie- fe an den Titum c. 1, 5. der Aelteſten gedacht hatte, wie er mit ihnen hin und her die Gemei- nen in Creta beſetzen ſolte; ſo verwechſelt er ſol- ches Wort mit dem Worte Biſchof, und ſpricht v. 7. Denn ein Biſchof ſoll untade- lich ſeyn u. ſ. w. 10. Da nun die Biſchoͤfe, oder Lehrer, ih- ren Namen haben von der Aufſicht, dieſe aber eigentlich auf die Augen des Gemuͤths gehet; ſo ſiehet man wohl, daß mit dem Worte zugleich ſo viel geſaget wird, daß die Lehrer wahrhaftig erleuchtet ſeyn ſollen. Sind ſie aber ſolche, ſo richten ſie die geoͤffnete Augen ihres Gemuͤths zuvorderſt auf ſich ſelbſt und nehmen ihrer ſelbſt wohl wahr. Und eben dieſes zeiget Paulus ausdruͤcklich an, wenn er in dem zuvor angezo- genen Orte ſpricht: Habet Acht auf euch ſelbſt, und auf die gantze Heerde. Wer nun nicht zuvorderſt auf ſich ſelbſt recht ſiehet, ſondern bey ſich ſelbſt gegen ſich ſelbſt noch blind iſt, wie kan der auf die gantze Heerde alſo ſehen, wie er ſoll? Jſt er nicht alsdenn ein blinder Lei- ter der Blinden, der mit ihnen endlich in eine Grube faͤllt? Matth. 15, 14. 23, 16. 24. Rom. 2, 19. 21. u. f. 11. Man halte nun die Apoſtoliſche Be- deutung des Worts epiſcopus, Biſchof, gegen denjenigen Stand und Staat der Biſchoͤfe, den ſie ſonderlich im Pabſtthum haben; ſo muß man ſich billig verwundern uͤber die ſo gar groſſe Veraͤnderung und Ungleichheit; da man das geiſtliche Reich CHriſti in einen politiſchen Kir- chen-Staat verwandelt hat. 12. Diaconi, Diener, waren ſolche oͤffent- liche beſtellete Perſonen, welche um die Biſchoͤ- fe waren, und ihnen zu allerley nuͤtzlichen Ver- richtungen an die Hand gingen, und dadurch von ihnen zum Amte der Aufſeher und Lehrer zu- bereitet wurden. Auch dieſen ſchreibet Paulus 1 Tim. 3, 8. u. f. ihre Eigenſchaften und Pflich- ten vor. 13. Die Gemeine zu Philippen iſt bald anfangs gar zahlreich worden, alſo daß ſie bald nach ihrer Gruͤndung mit mehrern Biſchoͤfen und Dienern hat beſetzet werden muͤſſen. Und alſo giebet dieſer Ort dem ſechzehenden Capitel der Apoſtel-Geſchichte ein Licht; daß darinnen, nemlich auſſer den daſelbſt bemeldeten Familien der Lydia und des Kerckermeiſters, noch ſonſt eine groſſe Anzahl der Menſchen ſind zu Chriſto bekehret worden. Und dieſes zeuget Lucas da- mit an, wenn er gedencket, daß Paulus bey ſeinem Abzuge von Philippen von den Bruͤ- dern Abſchied genommen habe. c. 16, 30. Es hat ſich demnach in der That ausgewieſen, war- um Paulus aus Aſien durch ein Geſicht gen Macedonien berufen worden, da ihm nemlich ein Mann aus Macedonien erſchienen iſt und zu ihm geſaget hat: Komm hernieder in Ma- cedonien und hilf uns! Apoſt. Geſch. 16, 9-12. 14. Es iſt aber wohl zu mercken, daß die Biſchoͤfe und Diaconi der Apoſtoliſchen Gemei- nen aus den Gliedern der Gemeinen ſelbſt genommen ſind, weil man noch keine andere hatte. Daraus man billig eine gedoppelte An- merckung ziehet: erſtlich von dem geſegneten Zuſtande der erſten Chriſten, wie daß ihrer vie- le gleich Anfangs zu einem ſolchen wohlgeſetzten Weſen im Chriſtenthum bey ihrer Treue gekom- men ſind, daß ſie bald zu oͤffentlichen Aufſehern und Lehrern haben koͤnnen beſtellet werden. Und denn, wie ſehr es den Predigern obliege, daß ſie

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/718>, abgerufen am 24.11.2024.