[Spaltenumbruch]
17. Matth. 23, 1. seqq.Du predigest, man soll nicht stehlen (thust auch in so weit recht daran) und du stielest (selbst, ob gleich auf eine ver- borgenere Art, aber doch wircklich, nach dem geistlichen Sinn des siebenden Gebots, als welches auch alle Gattungen der Ungerechtigkeit und des Geitzes samt dem Müßiggange verbie- thet, und hingegen ein solches Hertz fodert, das vergnüglich sey in allem, und mit zeitlichen Gü- tern, ohne Anklebung der Begierden und des Vertrauens, in gehöriger dispensation zur Eh- re GOttes, zu unserer eignen Nothdurft, und zum Dienst des dürftigen Nechsten wohl umzu- gehen wisse.)
Anmerckung.
Wer andere lehret, der muß sich zuvor selbst lehren; und zwar also, daß er es auch selbst thut, gleichwie er das thun von andern, die er lehret, erfodert. Wer sich nicht also selbst lehret, der ist auch nicht im Stande, andere auf eine lau- tere und nachdrückliche Art im Segen zu leh- ren. Denn er ist bey solchem seinem unbekehr- ten Zustand, den er durch den Mangel der U- bung seiner Lehre an den Tag leget, auch noch unerleuchtet, und bey seiner bloß buchstäblichen Wissenschaft voller Unwissenheit, Jrrthümer und Vorurtheile; und er weiß das Wort GOt- tes nach dem unterschiedenen Zustande der Zu- hörer nicht recht zu theilen und zu appliciren. Dazu reisset er mit dem Leben gemeiniglich mehr wieder nieder, als er mit seiner Lehre gebau- et hat.
V. 22.
Du sprichst: man solle nicht ehebre- chen, und du brichst die Ehe (auf eine subti- lere Art, da du den bösen ehebrecherischen Lü- sten nicht widerstehest, sondern sie in dir zur Herrschaft kommen lässest, auch wol übetest, wenn dir die Gelegenheit nicht fehlete, oder die Furcht vor der Strafe und äusserlichen Schan- de, so es offenbar werden solte, dich nicht zu- rück hielte: imgleichen da du, wider das im Paradiese gegebene Ehe-Gebot, aus Mißbrau- che einiger Exempel der Alten, sonderlich der Patriarchen, welche doch nach ihrer wahren Beschaffenheit gantz anders anzusehen sind, den leichtsinnigen Ehe-Scheidungen, auch der Viel- weiberey, die nebst jener auf mancherley Art mit auf einen Ehebruch hinaus lauft, das Wort redest.) Dir grauet vor den (groben) Gö- tzen, und raubest GOtt, was sein ist, (trei- best allerley Krämerey in dem Tempel. Und wie in demselben, also auch ausser ihm, versa- gest du GOtt deine Seele zum Tempel, oder zur Wohnung; verfällst dabey auf eigne Ge- rechtigkeit und Verdienste, wodurch du GOtt so vielmehr seine Ehre, die du ihm anthun sol- test, abschneidest, so vielmehr du dich dadurch aufblehest und erhebest, und gegen das Evan- gelium Christi gleichsam verriegelst.)
V. 23.
Du rühmest dich des Gesetzes (nicht allein also, daß GOtt die Nation, wozu du ge- [Spaltenumbruch]
hörest, vor allen andern der Beylage seines Ge- setzes gewürdiget habe; 5 B. Mos. 4, 6-8. Röm. 9, 14. sondern du meynest auch, wenn du den Geboten des Gesetzes äusserlich nachkömmst, daß du damit dem Gesetze und GOtt selbst ein Genügen gethan, deine guten Verdienste vor dir habest, und damit die Seligkeit erlangen könnest) und schändest GOtt durch die (in- nere und herrschende) Ubertretung des Ge- setzes: (welche denn auch nicht ohne alle äusserli- che Außbrüche bleibet.)
V. 24.
Denn eurenthalben wird GOTTes Name gelästert unter den Heyden (daß, wenn die Heyden an euch Juden theils so man- che grobe Ubertretung, theils auch die Larve der Heucheley und allerley Unlauterkeit und ungöttli- ches Wesen sehen, und dabey hören, wie daß ihr euch rühmet, daß ihr allein vor allen andern Völckern den wahren GOtt erkennet und anbe- tet, auch ein so heiliges und herrliches Gesetz von ihm empfangen hättet; so urtheilen sie nach euren Sitten von GOtt und eurem Gesetze und eurer Religion dergestalt widrig und arg, als es die ihnen von euch gegebenen Aergernisse und ihre böse Affecten mit sich bringen. Da ihr hin- gegen mit eurem Leben und gantzen Wandel eu- re Religion schmücken, und den Heyden von dem wahren GOtt einen guten Eindruck, und damit die Gelegenheit zu ihrer Bekehrung geben soltet. Denn ihr wisset wohl, was euch dißfals von GOtt durch Mosen Deut. 4, 5. seqq. vorge- schrieben ist, wenn es heißt: Siehe, ich ha- be euch gelehret Gebote und Rechte - - So behaltet es nun und thuts. Denn das wird eure Weisheit und Verstand seyn bey allen Völckern, wenn sie hören werden alle diese Gebot, daß sie müssen sagen: Ey! welche weise und verständi- ge Leute sind das, und ein herrlich Volck! Denn wo ist so ein herrlich Volck, zu dem die Götter sich also nahe thun, als der HERR unser GOTT, so oft wir ihn an- rufen? Und wo ist so ein herrlich Volck, das so gerechte Sitten und Gebote habe, als alle diß Gesetz, das ich euch heutes Ta- ges vorlege?) als geschrieben stehet (in- sonderheit vom David, als er den Ehebruch und noch ein mehrers begangen 2 Sam. 12, 14. Daß er die Feinde des HERRN dadurch habe lästernd gemacht. Und von den Ver- führern des Volcks heißt es also Jes. 52, 5. Mein Name wird immer täglich gelästert. Siehe auch Ezech. 36, 20. seqq. Da GOtt der HErr darüber klaget, daß sein Volck sei- nen heiligen und grossen Namen unter den Heyden entheilige, mit der gerechten Dro- hung, daß er seinen Namen selbst heilig machen wolle, und die Heyden erfahren solten, daß er, der HERR, heilig sey, wenn er sich vor ihnen an seinem Volck er- zeigen werde, daß er heilig sey.)
Anmerckungen.
1. Wie ehemals die Juden unter den Hey- den, also itzo die Christen, sonderlich wenn Ju-
den
F 2
Cap. 2, v. 21-24 an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch]
17. Matth. 23, 1. ſeqq.Du predigeſt, man ſoll nicht ſtehlen (thuſt auch in ſo weit recht daran) und du ſtieleſt (ſelbſt, ob gleich auf eine ver- borgenere Art, aber doch wircklich, nach dem geiſtlichen Sinn des ſiebenden Gebots, als welches auch alle Gattungen der Ungerechtigkeit und des Geitzes ſamt dem Muͤßiggange verbie- thet, und hingegen ein ſolches Hertz fodert, das vergnuͤglich ſey in allem, und mit zeitlichen Guͤ- tern, ohne Anklebung der Begierden und des Vertrauens, in gehoͤriger dispenſation zur Eh- re GOttes, zu unſerer eignen Nothdurft, und zum Dienſt des duͤrftigen Nechſten wohl umzu- gehen wiſſe.)
Anmerckung.
Wer andere lehret, der muß ſich zuvor ſelbſt lehren; und zwar alſo, daß er es auch ſelbſt thut, gleichwie er das thun von andern, die er lehret, erfodert. Wer ſich nicht alſo ſelbſt lehret, der iſt auch nicht im Stande, andere auf eine lau- tere und nachdruͤckliche Art im Segen zu leh- ren. Denn er iſt bey ſolchem ſeinem unbekehr- ten Zuſtand, den er durch den Mangel der U- bung ſeiner Lehre an den Tag leget, auch noch unerleuchtet, und bey ſeiner bloß buchſtaͤblichen Wiſſenſchaft voller Unwiſſenheit, Jrrthuͤmer und Vorurtheile; und er weiß das Wort GOt- tes nach dem unterſchiedenen Zuſtande der Zu- hoͤrer nicht recht zu theilen und zu appliciren. Dazu reiſſet er mit dem Leben gemeiniglich mehr wieder nieder, als er mit ſeiner Lehre gebau- et hat.
V. 22.
Du ſprichſt: man ſolle nicht ehebre- chen, und du brichſt die Ehe (auf eine ſubti- lere Art, da du den boͤſen ehebrecheriſchen Luͤ- ſten nicht widerſteheſt, ſondern ſie in dir zur Herrſchaft kommen laͤſſeſt, auch wol uͤbeteſt, wenn dir die Gelegenheit nicht fehlete, oder die Furcht vor der Strafe und aͤuſſerlichen Schan- de, ſo es offenbar werden ſolte, dich nicht zu- ruͤck hielte: imgleichen da du, wider das im Paradieſe gegebene Ehe-Gebot, aus Mißbrau- che einiger Exempel der Alten, ſonderlich der Patriarchen, welche doch nach ihrer wahren Beſchaffenheit gantz anders anzuſehen ſind, den leichtſinnigen Ehe-Scheidungen, auch der Viel- weiberey, die nebſt jener auf mancherley Art mit auf einen Ehebruch hinaus lauft, das Wort redeſt.) Dir grauet vor den (groben) Goͤ- tzen, und raubeſt GOtt, was ſein iſt, (trei- beſt allerley Kraͤmerey in dem Tempel. Und wie in demſelben, alſo auch auſſer ihm, verſa- geſt du GOtt deine Seele zum Tempel, oder zur Wohnung; verfaͤllſt dabey auf eigne Ge- rechtigkeit und Verdienſte, wodurch du GOtt ſo vielmehr ſeine Ehre, die du ihm anthun ſol- teſt, abſchneideſt, ſo vielmehr du dich dadurch aufbleheſt und erhebeſt, und gegen das Evan- gelium Chriſti gleichſam verriegelſt.)
V. 23.
Du ruͤhmeſt dich des Geſetzes (nicht allein alſo, daß GOtt die Nation, wozu du ge- [Spaltenumbruch]
hoͤreſt, vor allen andern der Beylage ſeines Ge- ſetzes gewuͤrdiget habe; 5 B. Moſ. 4, 6-8. Roͤm. 9, 14. ſondern du meyneſt auch, wenn du den Geboten des Geſetzes aͤuſſerlich nachkoͤmmſt, daß du damit dem Geſetze und GOtt ſelbſt ein Genuͤgen gethan, deine guten Verdienſte vor dir habeſt, und damit die Seligkeit erlangen koͤnneſt) und ſchaͤndeſt GOtt durch die (in- nere und herrſchende) Ubertretung des Ge- ſetzes: (welche denn auch nicht ohne alle aͤuſſerli- che Außbruͤche bleibet.)
V. 24.
Denn eurenthalben wird GOTTes Name gelaͤſtert unter den Heyden (daß, wenn die Heyden an euch Juden theils ſo man- che grobe Ubertretung, theils auch die Larve der Heucheley und allerley Unlauterkeit und ungoͤttli- ches Weſen ſehen, und dabey hoͤren, wie daß ihr euch ruͤhmet, daß ihr allein vor allen andern Voͤlckern den wahren GOtt erkennet und anbe- tet, auch ein ſo heiliges und herrliches Geſetz von ihm empfangen haͤttet; ſo urtheilen ſie nach euren Sitten von GOtt und eurem Geſetze und eurer Religion dergeſtalt widrig und arg, als es die ihnen von euch gegebenen Aergerniſſe und ihre boͤſe Affecten mit ſich bringen. Da ihr hin- gegen mit eurem Leben und gantzen Wandel eu- re Religion ſchmuͤcken, und den Heyden von dem wahren GOtt einen guten Eindruck, und damit die Gelegenheit zu ihrer Bekehrung geben ſoltet. Denn ihr wiſſet wohl, was euch dißfals von GOtt durch Moſen Deut. 4, 5. ſeqq. vorge- ſchrieben iſt, wenn es heißt: Siehe, ich ha- be euch gelehret Gebote und Rechte ‒ ‒ So behaltet es nun und thuts. Denn das wird eure Weisheit und Verſtand ſeyn bey allen Voͤlckern, wenn ſie hoͤren werden alle dieſe Gebot, daß ſie muͤſſen ſagen: Ey! welche weiſe und verſtaͤndi- ge Leute ſind das, und ein herrlich Volck! Denn wo iſt ſo ein herrlich Volck, zu dem die Goͤtter ſich alſo nahe thun, als der HERR unſer GOTT, ſo oft wir ihn an- rufen? Und wo iſt ſo ein herrlich Volck, das ſo gerechte Sitten und Gebote habe, als alle diß Geſetz, das ich euch heutes Ta- ges vorlege?) als geſchrieben ſtehet (in- ſonderheit vom David, als er den Ehebruch und noch ein mehrers begangen 2 Sam. 12, 14. Daß er die Feinde des HERRN dadurch habe laͤſternd gemacht. Und von den Ver- fuͤhrern des Volcks heißt es alſo Jeſ. 52, 5. Mein Name wird immer taͤglich gelaͤſtert. Siehe auch Ezech. 36, 20. ſeqq. Da GOtt der HErr daruͤber klaget, daß ſein Volck ſei- nen heiligen und groſſen Namen unter den Heyden entheilige, mit der gerechten Dro- hung, daß er ſeinen Namen ſelbſt heilig machen wolle, und die Heyden erfahren ſolten, daß er, der HERR, heilig ſey, wenn er ſich vor ihnen an ſeinem Volck er- zeigen werde, daß er heilig ſey.)
Anmerckungen.
1. Wie ehemals die Juden unter den Hey- den, alſo itzo die Chriſten, ſonderlich wenn Ju-
den
F 2
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[43/0071]
Cap. 2, v. 21-24 an die Roͤmer.
17. Matth. 23, 1. ſeqq. Du predigeſt, man ſoll
nicht ſtehlen (thuſt auch in ſo weit recht daran)
und du ſtieleſt (ſelbſt, ob gleich auf eine ver-
borgenere Art, aber doch wircklich, nach dem
geiſtlichen Sinn des ſiebenden Gebots, als
welches auch alle Gattungen der Ungerechtigkeit
und des Geitzes ſamt dem Muͤßiggange verbie-
thet, und hingegen ein ſolches Hertz fodert, das
vergnuͤglich ſey in allem, und mit zeitlichen Guͤ-
tern, ohne Anklebung der Begierden und des
Vertrauens, in gehoͤriger dispenſation zur Eh-
re GOttes, zu unſerer eignen Nothdurft, und
zum Dienſt des duͤrftigen Nechſten wohl umzu-
gehen wiſſe.)
Anmerckung.
Wer andere lehret, der muß ſich zuvor ſelbſt
lehren; und zwar alſo, daß er es auch ſelbſt thut,
gleichwie er das thun von andern, die er lehret,
erfodert. Wer ſich nicht alſo ſelbſt lehret, der
iſt auch nicht im Stande, andere auf eine lau-
tere und nachdruͤckliche Art im Segen zu leh-
ren. Denn er iſt bey ſolchem ſeinem unbekehr-
ten Zuſtand, den er durch den Mangel der U-
bung ſeiner Lehre an den Tag leget, auch noch
unerleuchtet, und bey ſeiner bloß buchſtaͤblichen
Wiſſenſchaft voller Unwiſſenheit, Jrrthuͤmer
und Vorurtheile; und er weiß das Wort GOt-
tes nach dem unterſchiedenen Zuſtande der Zu-
hoͤrer nicht recht zu theilen und zu appliciren.
Dazu reiſſet er mit dem Leben gemeiniglich mehr
wieder nieder, als er mit ſeiner Lehre gebau-
et hat.
V. 22.
Du ſprichſt: man ſolle nicht ehebre-
chen, und du brichſt die Ehe (auf eine ſubti-
lere Art, da du den boͤſen ehebrecheriſchen Luͤ-
ſten nicht widerſteheſt, ſondern ſie in dir zur
Herrſchaft kommen laͤſſeſt, auch wol uͤbeteſt,
wenn dir die Gelegenheit nicht fehlete, oder die
Furcht vor der Strafe und aͤuſſerlichen Schan-
de, ſo es offenbar werden ſolte, dich nicht zu-
ruͤck hielte: imgleichen da du, wider das im
Paradieſe gegebene Ehe-Gebot, aus Mißbrau-
che einiger Exempel der Alten, ſonderlich der
Patriarchen, welche doch nach ihrer wahren
Beſchaffenheit gantz anders anzuſehen ſind, den
leichtſinnigen Ehe-Scheidungen, auch der Viel-
weiberey, die nebſt jener auf mancherley Art
mit auf einen Ehebruch hinaus lauft, das Wort
redeſt.) Dir grauet vor den (groben) Goͤ-
tzen, und raubeſt GOtt, was ſein iſt, (trei-
beſt allerley Kraͤmerey in dem Tempel. Und
wie in demſelben, alſo auch auſſer ihm, verſa-
geſt du GOtt deine Seele zum Tempel, oder
zur Wohnung; verfaͤllſt dabey auf eigne Ge-
rechtigkeit und Verdienſte, wodurch du GOtt
ſo vielmehr ſeine Ehre, die du ihm anthun ſol-
teſt, abſchneideſt, ſo vielmehr du dich dadurch
aufbleheſt und erhebeſt, und gegen das Evan-
gelium Chriſti gleichſam verriegelſt.)
V. 23.
Du ruͤhmeſt dich des Geſetzes (nicht
allein alſo, daß GOtt die Nation, wozu du ge-
hoͤreſt, vor allen andern der Beylage ſeines Ge-
ſetzes gewuͤrdiget habe; 5 B. Moſ. 4, 6-8. Roͤm.
9, 14. ſondern du meyneſt auch, wenn du den
Geboten des Geſetzes aͤuſſerlich nachkoͤmmſt,
daß du damit dem Geſetze und GOtt ſelbſt ein
Genuͤgen gethan, deine guten Verdienſte vor
dir habeſt, und damit die Seligkeit erlangen
koͤnneſt) und ſchaͤndeſt GOtt durch die (in-
nere und herrſchende) Ubertretung des Ge-
ſetzes: (welche denn auch nicht ohne alle aͤuſſerli-
che Außbruͤche bleibet.)
V. 24.
Denn eurenthalben wird GOTTes
Name gelaͤſtert unter den Heyden (daß,
wenn die Heyden an euch Juden theils ſo man-
che grobe Ubertretung, theils auch die Larve der
Heucheley und allerley Unlauterkeit und ungoͤttli-
ches Weſen ſehen, und dabey hoͤren, wie daß
ihr euch ruͤhmet, daß ihr allein vor allen andern
Voͤlckern den wahren GOtt erkennet und anbe-
tet, auch ein ſo heiliges und herrliches Geſetz von
ihm empfangen haͤttet; ſo urtheilen ſie nach
euren Sitten von GOtt und eurem Geſetze und
eurer Religion dergeſtalt widrig und arg, als
es die ihnen von euch gegebenen Aergerniſſe und
ihre boͤſe Affecten mit ſich bringen. Da ihr hin-
gegen mit eurem Leben und gantzen Wandel eu-
re Religion ſchmuͤcken, und den Heyden von dem
wahren GOtt einen guten Eindruck, und damit
die Gelegenheit zu ihrer Bekehrung geben ſoltet.
Denn ihr wiſſet wohl, was euch dißfals von
GOtt durch Moſen Deut. 4, 5. ſeqq. vorge-
ſchrieben iſt, wenn es heißt: Siehe, ich ha-
be euch gelehret Gebote und Rechte ‒ ‒
So behaltet es nun und thuts. Denn
das wird eure Weisheit und Verſtand
ſeyn bey allen Voͤlckern, wenn ſie hoͤren
werden alle dieſe Gebot, daß ſie muͤſſen
ſagen: Ey! welche weiſe und verſtaͤndi-
ge Leute ſind das, und ein herrlich Volck!
Denn wo iſt ſo ein herrlich Volck, zu dem
die Goͤtter ſich alſo nahe thun, als der
HERR unſer GOTT, ſo oft wir ihn an-
rufen? Und wo iſt ſo ein herrlich Volck,
das ſo gerechte Sitten und Gebote habe,
als alle diß Geſetz, das ich euch heutes Ta-
ges vorlege?) als geſchrieben ſtehet (in-
ſonderheit vom David, als er den Ehebruch und
noch ein mehrers begangen 2 Sam. 12, 14.
Daß er die Feinde des HERRN dadurch
habe laͤſternd gemacht. Und von den Ver-
fuͤhrern des Volcks heißt es alſo Jeſ. 52, 5.
Mein Name wird immer taͤglich gelaͤſtert.
Siehe auch Ezech. 36, 20. ſeqq. Da GOtt
der HErr daruͤber klaget, daß ſein Volck ſei-
nen heiligen und groſſen Namen unter den
Heyden entheilige, mit der gerechten Dro-
hung, daß er ſeinen Namen ſelbſt heilig
machen wolle, und die Heyden erfahren
ſolten, daß er, der HERR, heilig ſey,
wenn er ſich vor ihnen an ſeinem Volck er-
zeigen werde, daß er heilig ſey.)
Anmerckungen.
1. Wie ehemals die Juden unter den Hey-
den, alſo itzo die Chriſten, ſonderlich wenn Ju-
den
F 2
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/71>, abgerufen am 16.02.2025.
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