Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 6, 1. an die Galater. [Spaltenumbruch]
Zuweilen ist auch der Satan sonderlich ge-schäftig, einen Menschen zu fällen. 1 Chron. 22, 1. Joh. 13, 2. 1 Petr. 5, 8. 9. Wider welche Gelegenheiten und Anläufe man sich allezeit fein gewaffnet und verwahret halten soll. b. Es kan der Fall, oder gefährlicherer Anstoß, nicht allein gedachter Massen im Leben, son- dern auch in einer solchen Abweichung von der lautern Evangelischen Lehre geschehen, da- durch man wo nicht um allen Besitz, doch um alle Kraft und Freudigkeit des Glaubens kömmt, und in grosse Gefahr des gäntzlichen Rückfalls geräth, ja wol gar aus dem Stan- de der Gnade verfällt: wie bey den Gala- tern geschehen war. Und daß der Apostel sonderlich darauf mit sehe, ist aus dem gan- tzen Contexte leichtlich zu erkennen: inson- derheit aus c. 5, 4. Jhr habet CHristum verlohren, die ihr durch das Gesetz ge- recht werden wollet, und seyd von der Gnade gefallen. Welches gar leicht ge- schehen kan, wenn man die rechten Grund- Lehren fahren lässet, als da unter andern son- derlich sind: die von der wahren ewigen Gottheit CHristi, und von solcher Er- lösung, da er für unsere Sünde genug ge- than; oder die von der Christlichen Frey- heit, daß man dadurch vom Gehorsam des Gesetzes gar loß gemachet sey und nach dem Fleische wandeln könne. c. 5, 13. Man hat sich demnach vor allen Jrr Lehren, sonderlich vor solchen, dadurch man am guten Gewissen und am Glauben Schiffbruch leidet, sorgfäl- tig zu hüten. Tim. 1, 19. c. Es kan zwar ein Mensch gäntzlich wieder aus dem Stande der Gnade verfallen, also, daß er darüber in einen geistlichen Tod sincket: allein es ist doch nicht ein ieder, obgleich schwe- rer und gefährlicher, Fall also beschaffen, daß man dadurch das geistliche Leben gar verlieret. Wir haben davon ein Bild am leiblichen Fallen, als da freylich ein Fall so beschaffen seyn kan, daß man liegen bleibet; aber auch kan man von manchen ohne sonderlichen Schaden wieder aufstehen, oder doch durch andere füglich wieder aufgerichtet werden. Da man es sich denn gerne zur mehrern Be- hutsamkeit dienen lässet. Welches auch im geistlichen wohl zu appliciren ist. d. Gleichwie man fallen, oder doch gröblich an- stossen kan: so ist es nicht weniger möglich, daß man sich bewahre, und wie ohne solchen grossen Anstoß, also auch noch mehr ohne würcklichen Fall beständig einhergehe; ob man gleich dabey nicht ohne mancherley an- dere Schwachheits-Sünden ist und bleibet. Es muß demnach dieser Ort Pauli nicht also gemißbrauchet werden, als wenn man in dem Stande der Gnade ohne wirckliche Rückfälle nicht bestehen und verharren könne: als wel- ches gewißlich wider die Ordnung des Heils auf mancherley Weise laufet. Recht schänd- lich aber ists, wenn man sich bey solchem gros- sen Jrrthum auf die Worte Salomonis be- ziehet, da er Sprüchw. 24, 16. spricht: Ein [Spaltenumbruch] Gerechter fällt siebenmal. Da denn manche gar das Wort des Tages dazu setzen, welches im Texte nicht stehet: oder doch von Sünden-Fällen verstehen, was Salomo nur von äusserlichen Unglücks-Fällen gesaget hat: als darum er gleich dazu setzet: und stehet wieder auf; aber die Gottlosen versin- cken im Unglück. e. Es handelt nun zwar der Apostel eigentlich nur von denen, die aus Schwachheit sich mercklich vergehen: er leugnet aber dabey nicht, daß, wenn manche auch aus Vorsatz mit mehrer Bosheit wohin verfallen, man auch derer sich zur Besserung anzunehmen ha- be: wiewol bey solchen nebst der Liebe noch ein mehrer Ernst erfodert wird. 4. Wir schreiten nun zum andern Punct von dem, wie diejenigen beschaffen seyn müssen, welche einem gefallenen wieder zu rechte helfen sollen. Diese nennet Paulus pneumatikous, geistliche. Daß aber damit nicht die Lehrer, die man von langen Zeiten her mit solchem Namen zu benennen pfleget, ver- standen werden, siehet man aus dem gantzen Context, darinnen der Apostel es überhaupt mit allen Gläubigen zu thun hat; wie auch daraus, daß in der heiligen Schrift der Name der Geist- lichen dem fleischlichen Sinne entgegen stehet, und allen Christen gemein ist, vermöge ihres geistlichen Priesterthums, und der Salbung, die sie von GOtt haben. Sind nun die Lehrer in der Ordnung wahrer Bekehrung dieser auch theilhaftig worden; so sind sie auch Geistliche, wo nicht, so sind sie Fleischliche, die keinen Geist haben Ep. Jud. v 19. Rom. 8, 6-8. Es sind demnach die Geistlichen alhier unter den Ga- latern solche, welche aus der kräftigen Wirckung des Heiligen Geistes wiedergebohren und geist- lich gesinnet waren: solche, welchen Paulus es zutrauete, daß, gleichwie sie im Geiste angefan- gen c. 3, 3. sie auch also im Geiste vollenden, und bey dem Evangelio von Christo in aller Lauterkeit und Treue bleiben würden. Siehe von solchen auch 1 Cor. 2, 13. 14. 15. c. 3, 1. 2. 5. Wir haben aber auch bey diesem Stü- cke noch unterschiedliches zu mercken, als: a. Daß alle Christen insgemein verbunden sind, dasjenige privatim, oder daheim, bey gegeb- ner oder auch wol, wenn es gewisse dringende Umstände erfodern wollen, gesuchter Gele- genheit, durch Erbauung und Besserung an ihrem Neben-Christen zu thun, was den Leh- rern zur öffentlichen Verrichtung oblieget: Und daß sie daher den Namen der Geistli- chen, nemlich Priester und Glieder Chri- sti tragen. Siehe auch 1 Thess. 4, 11. 14. 2 Thess. 3, 14. 15. Eph. 5, 11. Hebr. 3, 13. Jac. 5, 19. 20. b. Daß zu solcher Erbauung niemand recht ge- schickt sey, als ein wahrhaftig-geistlicher, oder in der Erneurung wandelnder Wieder- gebohrner. Denn es gehöret dazu das Licht göttlicher Weisheit und genugsamer Vor- sichtigkeit; wie auch das Recht, oder das Vorbild, eines unsträflichen Wandels. Welches beydes aus der Gnade in der Ord- nung C c c c 3
Cap. 6, 1. an die Galater. [Spaltenumbruch]
Zuweilen iſt auch der Satan ſonderlich ge-ſchaͤftig, einen Menſchen zu faͤllen. 1 Chron. 22, 1. Joh. 13, 2. 1 Petr. 5, 8. 9. Wider welche Gelegenheiten und Anlaͤufe man ſich allezeit fein gewaffnet und verwahret halten ſoll. b. Es kan der Fall, oder gefaͤhrlicherer Anſtoß, nicht allein gedachter Maſſen im Leben, ſon- dern auch in einer ſolchen Abweichung von der lautern Evangeliſchen Lehre geſchehen, da- durch man wo nicht um allen Beſitz, doch um alle Kraft und Freudigkeit des Glaubens koͤmmt, und in groſſe Gefahr des gaͤntzlichen Ruͤckfalls geraͤth, ja wol gar aus dem Stan- de der Gnade verfaͤllt: wie bey den Gala- tern geſchehen war. Und daß der Apoſtel ſonderlich darauf mit ſehe, iſt aus dem gan- tzen Contexte leichtlich zu erkennen: inſon- derheit aus c. 5, 4. Jhr habet CHriſtum verlohren, die ihr durch das Geſetz ge- recht werden wollet, und ſeyd von der Gnade gefallen. Welches gar leicht ge- ſchehen kan, wenn man die rechten Grund- Lehren fahren laͤſſet, als da unter andern ſon- derlich ſind: die von der wahren ewigen Gottheit CHriſti, und von ſolcher Er- loͤſung, da er fuͤr unſere Suͤnde genug ge- than; oder die von der Chriſtlichen Frey- heit, daß man dadurch vom Gehorſam des Geſetzes gar loß gemachet ſey und nach dem Fleiſche wandeln koͤnne. c. 5, 13. Man hat ſich demnach vor allen Jrr Lehren, ſonderlich vor ſolchen, dadurch man am guten Gewiſſen und am Glauben Schiffbruch leidet, ſorgfaͤl- tig zu huͤten. Tim. 1, 19. c. Es kan zwar ein Menſch gaͤntzlich wieder aus dem Stande der Gnade verfallen, alſo, daß er daruͤber in einen geiſtlichen Tod ſincket: allein es iſt doch nicht ein ieder, obgleich ſchwe- rer und gefaͤhrlicher, Fall alſo beſchaffen, daß man dadurch das geiſtliche Leben gar verlieret. Wir haben davon ein Bild am leiblichen Fallen, als da freylich ein Fall ſo beſchaffen ſeyn kan, daß man liegen bleibet; aber auch kan man von manchen ohne ſonderlichen Schaden wieder aufſtehen, oder doch durch andere fuͤglich wieder aufgerichtet werden. Da man es ſich denn gerne zur mehrern Be- hutſamkeit dienen laͤſſet. Welches auch im geiſtlichen wohl zu appliciren iſt. d. Gleichwie man fallen, oder doch groͤblich an- ſtoſſen kan: ſo iſt es nicht weniger moͤglich, daß man ſich bewahre, und wie ohne ſolchen groſſen Anſtoß, alſo auch noch mehr ohne wuͤrcklichen Fall beſtaͤndig einhergehe; ob man gleich dabey nicht ohne mancherley an- dere Schwachheits-Suͤnden iſt und bleibet. Es muß demnach dieſer Ort Pauli nicht alſo gemißbrauchet werden, als wenn man in dem Stande der Gnade ohne wirckliche Ruͤckfaͤlle nicht beſtehen und verharren koͤnne: als wel- ches gewißlich wider die Ordnung des Heils auf mancherley Weiſe laufet. Recht ſchaͤnd- lich aber iſts, wenn man ſich bey ſolchem groſ- ſen Jrrthum auf die Worte Salomonis be- ziehet, da er Spruͤchw. 24, 16. ſpricht: Ein [Spaltenumbruch] Gerechter faͤllt ſiebenmal. Da denn manche gar das Wort des Tages dazu ſetzen, welches im Texte nicht ſtehet: oder doch von Suͤnden-Faͤllen verſtehen, was Salomo nur von aͤuſſerlichen Ungluͤcks-Faͤllen geſaget hat: als darum er gleich dazu ſetzet: und ſtehet wieder auf; aber die Gottloſen verſin- cken im Ungluͤck. e. Es handelt nun zwar der Apoſtel eigentlich nur von denen, die aus Schwachheit ſich mercklich vergehen: er leugnet aber dabey nicht, daß, wenn manche auch aus Vorſatz mit mehrer Bosheit wohin verfallen, man auch derer ſich zur Beſſerung anzunehmen ha- be: wiewol bey ſolchen nebſt der Liebe noch ein mehrer Ernſt erfodert wird. 4. Wir ſchreiten nun zum andern Punct von dem, wie diejenigen beſchaffen ſeyn muͤſſen, welche einem gefallenen wieder zu rechte helfen ſollen. Dieſe nennet Paulus πνευματικοὺς, geiſtliche. Daß aber damit nicht die Lehrer, die man von langen Zeiten her mit ſolchem Namen zu benennen pfleget, ver- ſtanden werden, ſiehet man aus dem gantzen Context, darinnen der Apoſtel es uͤberhaupt mit allen Glaͤubigen zu thun hat; wie auch daraus, daß in der heiligen Schrift der Name der Geiſt- lichen dem fleiſchlichen Sinne entgegen ſtehet, und allen Chriſten gemein iſt, vermoͤge ihres geiſtlichen Prieſterthums, und der Salbung, die ſie von GOtt haben. Sind nun die Lehrer in der Ordnung wahrer Bekehrung dieſer auch theilhaftig worden; ſo ſind ſie auch Geiſtliche, wo nicht, ſo ſind ſie Fleiſchliche, die keinen Geiſt haben Ep. Jud. v 19. Rom. 8, 6-8. Es ſind demnach die Geiſtlichen alhier unter den Ga- latern ſolche, welche aus der kraͤftigen Wirckung des Heiligen Geiſtes wiedergebohren und geiſt- lich geſinnet waren: ſolche, welchen Paulus es zutrauete, daß, gleichwie ſie im Geiſte angefan- gen c. 3, 3. ſie auch alſo im Geiſte vollenden, und bey dem Evangelio von Chriſto in aller Lauterkeit und Treue bleiben wuͤrden. Siehe von ſolchen auch 1 Cor. 2, 13. 14. 15. c. 3, 1. 2. 5. Wir haben aber auch bey dieſem Stuͤ- cke noch unterſchiedliches zu mercken, als: a. Daß alle Chriſten insgemein verbunden ſind, dasjenige privatim, oder daheim, bey gegeb- ner oder auch wol, wenn es gewiſſe dringende Umſtaͤnde erfodern wollen, geſuchter Gele- genheit, durch Erbauung und Beſſerung an ihrem Neben-Chriſten zu thun, was den Leh- rern zur oͤffentlichen Verrichtung oblieget: Und daß ſie daher den Namen der Geiſtli- chen, nemlich Prieſter und Glieder Chri- ſti tragen. Siehe auch 1 Theſſ. 4, 11. 14. 2 Theſſ. 3, 14. 15. Eph. 5, 11. Hebr. 3, 13. Jac. 5, 19. 20. b. Daß zu ſolcher Erbauung niemand recht ge- ſchickt ſey, als ein wahrhaftig-geiſtlicher, oder in der Erneurung wandelnder Wieder- gebohrner. Denn es gehoͤret dazu das Licht goͤttlicher Weisheit und genugſamer Vor- ſichtigkeit; wie auch das Recht, oder das Vorbild, eines unſtraͤflichen Wandels. Welches beydes aus der Gnade in der Ord- nung C c c c 3
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Cap. 6, 1. an die Galater.
Zuweilen iſt auch der Satan ſonderlich ge-
ſchaͤftig, einen Menſchen zu faͤllen. 1 Chron.
22, 1. Joh. 13, 2. 1 Petr. 5, 8. 9. Wider
welche Gelegenheiten und Anlaͤufe man ſich
allezeit fein gewaffnet und verwahret halten
ſoll.
b. Es kan der Fall, oder gefaͤhrlicherer Anſtoß,
nicht allein gedachter Maſſen im Leben, ſon-
dern auch in einer ſolchen Abweichung von der
lautern Evangeliſchen Lehre geſchehen, da-
durch man wo nicht um allen Beſitz, doch
um alle Kraft und Freudigkeit des Glaubens
koͤmmt, und in groſſe Gefahr des gaͤntzlichen
Ruͤckfalls geraͤth, ja wol gar aus dem Stan-
de der Gnade verfaͤllt: wie bey den Gala-
tern geſchehen war. Und daß der Apoſtel
ſonderlich darauf mit ſehe, iſt aus dem gan-
tzen Contexte leichtlich zu erkennen: inſon-
derheit aus c. 5, 4. Jhr habet CHriſtum
verlohren, die ihr durch das Geſetz ge-
recht werden wollet, und ſeyd von der
Gnade gefallen. Welches gar leicht ge-
ſchehen kan, wenn man die rechten Grund-
Lehren fahren laͤſſet, als da unter andern ſon-
derlich ſind: die von der wahren ewigen
Gottheit CHriſti, und von ſolcher Er-
loͤſung, da er fuͤr unſere Suͤnde genug ge-
than; oder die von der Chriſtlichen Frey-
heit, daß man dadurch vom Gehorſam des
Geſetzes gar loß gemachet ſey und nach dem
Fleiſche wandeln koͤnne. c. 5, 13. Man hat
ſich demnach vor allen Jrr Lehren, ſonderlich
vor ſolchen, dadurch man am guten Gewiſſen
und am Glauben Schiffbruch leidet, ſorgfaͤl-
tig zu huͤten. Tim. 1, 19.
c. Es kan zwar ein Menſch gaͤntzlich wieder aus
dem Stande der Gnade verfallen, alſo, daß
er daruͤber in einen geiſtlichen Tod ſincket:
allein es iſt doch nicht ein ieder, obgleich ſchwe-
rer und gefaͤhrlicher, Fall alſo beſchaffen, daß
man dadurch das geiſtliche Leben gar verlieret.
Wir haben davon ein Bild am leiblichen
Fallen, als da freylich ein Fall ſo beſchaffen
ſeyn kan, daß man liegen bleibet; aber auch
kan man von manchen ohne ſonderlichen
Schaden wieder aufſtehen, oder doch durch
andere fuͤglich wieder aufgerichtet werden.
Da man es ſich denn gerne zur mehrern Be-
hutſamkeit dienen laͤſſet. Welches auch im
geiſtlichen wohl zu appliciren iſt.
d. Gleichwie man fallen, oder doch groͤblich an-
ſtoſſen kan: ſo iſt es nicht weniger moͤglich,
daß man ſich bewahre, und wie ohne ſolchen
groſſen Anſtoß, alſo auch noch mehr ohne
wuͤrcklichen Fall beſtaͤndig einhergehe; ob
man gleich dabey nicht ohne mancherley an-
dere Schwachheits-Suͤnden iſt und bleibet.
Es muß demnach dieſer Ort Pauli nicht alſo
gemißbrauchet werden, als wenn man in dem
Stande der Gnade ohne wirckliche Ruͤckfaͤlle
nicht beſtehen und verharren koͤnne: als wel-
ches gewißlich wider die Ordnung des Heils
auf mancherley Weiſe laufet. Recht ſchaͤnd-
lich aber iſts, wenn man ſich bey ſolchem groſ-
ſen Jrrthum auf die Worte Salomonis be-
ziehet, da er Spruͤchw. 24, 16. ſpricht: Ein
Gerechter faͤllt ſiebenmal. Da denn
manche gar das Wort des Tages dazu ſetzen,
welches im Texte nicht ſtehet: oder doch von
Suͤnden-Faͤllen verſtehen, was Salomo nur
von aͤuſſerlichen Ungluͤcks-Faͤllen geſaget hat:
als darum er gleich dazu ſetzet: und ſtehet
wieder auf; aber die Gottloſen verſin-
cken im Ungluͤck.
e. Es handelt nun zwar der Apoſtel eigentlich
nur von denen, die aus Schwachheit ſich
mercklich vergehen: er leugnet aber dabey
nicht, daß, wenn manche auch aus Vorſatz
mit mehrer Bosheit wohin verfallen, man
auch derer ſich zur Beſſerung anzunehmen ha-
be: wiewol bey ſolchen nebſt der Liebe noch
ein mehrer Ernſt erfodert wird.
4. Wir ſchreiten nun zum andern Punct
von dem, wie diejenigen beſchaffen ſeyn
muͤſſen, welche einem gefallenen wieder zu
rechte helfen ſollen. Dieſe nennet Paulus
πνευματικοὺς, geiſtliche. Daß aber damit
nicht die Lehrer, die man von langen Zeiten
her mit ſolchem Namen zu benennen pfleget, ver-
ſtanden werden, ſiehet man aus dem gantzen
Context, darinnen der Apoſtel es uͤberhaupt mit
allen Glaͤubigen zu thun hat; wie auch daraus,
daß in der heiligen Schrift der Name der Geiſt-
lichen dem fleiſchlichen Sinne entgegen ſtehet,
und allen Chriſten gemein iſt, vermoͤge ihres
geiſtlichen Prieſterthums, und der Salbung, die
ſie von GOtt haben. Sind nun die Lehrer in
der Ordnung wahrer Bekehrung dieſer auch
theilhaftig worden; ſo ſind ſie auch Geiſtliche,
wo nicht, ſo ſind ſie Fleiſchliche, die keinen Geiſt
haben Ep. Jud. v 19. Rom. 8, 6-8. Es ſind
demnach die Geiſtlichen alhier unter den Ga-
latern ſolche, welche aus der kraͤftigen Wirckung
des Heiligen Geiſtes wiedergebohren und geiſt-
lich geſinnet waren: ſolche, welchen Paulus es
zutrauete, daß, gleichwie ſie im Geiſte angefan-
gen c. 3, 3. ſie auch alſo im Geiſte vollenden, und
bey dem Evangelio von Chriſto in aller Lauterkeit
und Treue bleiben wuͤrden. Siehe von ſolchen
auch 1 Cor. 2, 13. 14. 15. c. 3, 1. 2.
5. Wir haben aber auch bey dieſem Stuͤ-
cke noch unterſchiedliches zu mercken, als:
a. Daß alle Chriſten insgemein verbunden ſind,
dasjenige privatim, oder daheim, bey gegeb-
ner oder auch wol, wenn es gewiſſe dringende
Umſtaͤnde erfodern wollen, geſuchter Gele-
genheit, durch Erbauung und Beſſerung an
ihrem Neben-Chriſten zu thun, was den Leh-
rern zur oͤffentlichen Verrichtung oblieget:
Und daß ſie daher den Namen der Geiſtli-
chen, nemlich Prieſter und Glieder Chri-
ſti tragen. Siehe auch 1 Theſſ. 4, 11. 14.
2 Theſſ. 3, 14. 15. Eph. 5, 11. Hebr. 3, 13.
Jac. 5, 19. 20.
b. Daß zu ſolcher Erbauung niemand recht ge-
ſchickt ſey, als ein wahrhaftig-geiſtlicher,
oder in der Erneurung wandelnder Wieder-
gebohrner. Denn es gehoͤret dazu das Licht
goͤttlicher Weisheit und genugſamer Vor-
ſichtigkeit; wie auch das Recht, oder das
Vorbild, eines unſtraͤflichen Wandels.
Welches beydes aus der Gnade in der Ord-
nung
C c c c 3
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