Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 4, v. 21-24. an die Galater. [Spaltenumbruch]
Evangelio erläutert, gehöret zu den Vorbilderndes Alten Testaments: und leuchtet in der Ein- sicht dieser Sache eine grosse Weisheit Pauli hervor, zur gewissen Anzeigung, was für ein herrlicher Aufschluß ihm durch die Erkäntniß CHristi von desselben Gnaden-Reiche in den Schriften Mosis sey gegeben worden. V. 22. 23. Denn es stehet (im 1 B. Mos. c. 16. und Anmerckungen. 1. Wenn fleischlich gesinnete Gemüther a. Nachdem den Patriarchen die Verheissung vom Meßia war gegeben worden, daß er aus ihren Nachkommen gebohren werden solte, die Zeit doch aber nicht bestimmet war; so stunden sie immer in der Erwartung, daß er bald kommen würde. Und daher war ihnen die Unfruchtbarkeit in der Ehe ein sehr be- schwerliches Anliegen. b. Abraham hatte insonderheit vor allen andern diese Verheissung bekommen, daß von ihme, als dem Stamm-Vater, ein Sohn solte gezeuget werden, aus dessen Nachkommen der Meßias zum Segen über das gantze mensch- [Spaltenumbruch] liche Geschlecht solte gebohren werden. Da- her denn bey ihm und seiner Ehegattinn das Verlangen nach einem solchen Ehe-Segen so viel sehnlicher war. c. Die Sara aber war unfruchtbar: und es ging ein Jahr nach dem andern hin, da sich der Ehe-Segen gar nicht funde, daß es endlich zehn waren 1 B. Mos. 16. v. 3. Gleichwie sie nun eines theils die Verheissung GOttes von dem gesegneten Samen gar nicht in Zwei- fel zogen: so kam auf der andern Seite zu der natürlichen Unfruchtbarkeit der Sarä die grosse und wohlgegründete Beysorge, es wür- de auch endlich Abraham selbst mit der Zeit Alters halber zum Kinderzeugen unvermögend werden. d. Da nun in der Verheissung GOttes nicht eben determiniret war, ob der verheissene Sa- me eben von der Sara kommen solte, oder nicht: so kam die Sara endlich selbst auf die Gedancken, daß, weil GOTT ihren Leib zum Kinderzeugen so beständig verschlossen bleiben lasse, so habe er sie dazu etwa nicht ersehen: und weil doch gleichwol der verheißene männ- liche Erbe von ihrem Ehe-Manne kommen solte; so sey es allem Ansehen nach GOttes gnädiger Wille, daß er sich noch eine ande- re Ehegattin zu erwehlen habe. Dazu sie ihme denn lieber ihre eigne Haus-Magd, die durch ihre Treue und Dienstfertigkeit allem Ansehen nach ihre Gunst sich vor andern schei- net zu wege gebracht zu haben, als eine frem- de, die dazu in Abgötterey gestecket, vorge- schlagen hat. Welches sich denn Abraham gefallen lassen, und sie zur wircklichen Ehe genommen, in der Meinung, daß es ihme von GOTT bey so ausserordentlichen Um- ständen zugelassen sey. e. Ob nun wol dieses alles ohne menschliche Schwachheit nicht abgegangen: so siehet man doch wol, daß Abraham, was er dißfals ge- than, nicht aus einem fleischlichen Triebe ei- ner unbändigen Lust-Begierde, und eben so wenig seiner ordentlichen Ehegattin zum Nachtheil, sondern auf ihren eignen Vor- schlag in aller Einfalt seines Hertzens vorge- nommen. Und folglich daß mit diesem so ausserordentlichen Exempel die Vielweiberey und der Concubinat gar nicht entschuldiget, viel weniger vertheidiget werden könne. f. GOTT aber hat es, wie andere menschliche Fehler der Gläubigen, zugelassen: aber nach seiner Weisheit es zum voraus dazu dienen lassen, daß dadurch die Judenschaft nach dem Fleische und nach dem Geiste, bey den Nach- kommen Abrahams konnte vorgebildet wer- den: wie Paulus in dem nachfolgenden an- zeiget. V. 24. Die Worte bedeuten etwas, (atina sie Z z z
Cap. 4, v. 21-24. an die Galater. [Spaltenumbruch]
Evangelio erlaͤutert, gehoͤret zu den Vorbilderndes Alten Teſtaments: und leuchtet in der Ein- ſicht dieſer Sache eine groſſe Weisheit Pauli hervor, zur gewiſſen Anzeigung, was fuͤr ein herrlicher Aufſchluß ihm durch die Erkaͤntniß CHriſti von deſſelben Gnaden-Reiche in den Schriften Moſis ſey gegeben worden. V. 22. 23. Denn es ſtehet (im 1 B. Moſ. c. 16. und Anmerckungen. 1. Wenn fleiſchlich geſinnete Gemuͤther a. Nachdem den Patriarchen die Verheiſſung vom Meßia war gegeben worden, daß er aus ihren Nachkommen gebohren werden ſolte, die Zeit doch aber nicht beſtimmet war; ſo ſtunden ſie immer in der Erwartung, daß er bald kommen wuͤrde. Und daher war ihnen die Unfruchtbarkeit in der Ehe ein ſehr be- ſchwerliches Anliegen. b. Abraham hatte inſonderheit vor allen andern dieſe Verheiſſung bekommen, daß von ihme, als dem Stamm-Vater, ein Sohn ſolte gezeuget werden, aus deſſen Nachkommen der Meßias zum Segen uͤber das gantze menſch- [Spaltenumbruch] liche Geſchlecht ſolte gebohren werden. Da- her denn bey ihm und ſeiner Ehegattinn das Verlangen nach einem ſolchen Ehe-Segen ſo viel ſehnlicher war. c. Die Sara aber war unfruchtbar: und es ging ein Jahr nach dem andern hin, da ſich der Ehe-Segen gar nicht funde, daß es endlich zehn waren 1 B. Moſ. 16. v. 3. Gleichwie ſie nun eines theils die Verheiſſung GOttes von dem geſegneten Samen gar nicht in Zwei- fel zogen: ſo kam auf der andern Seite zu der natuͤrlichen Unfruchtbarkeit der Saraͤ die groſſe und wohlgegruͤndete Beyſorge, es wuͤr- de auch endlich Abraham ſelbſt mit der Zeit Alters halber zum Kinderzeugen unvermoͤgend werden. d. Da nun in der Verheiſſung GOttes nicht eben determiniret war, ob der verheiſſene Sa- me eben von der Sara kommen ſolte, oder nicht: ſo kam die Sara endlich ſelbſt auf die Gedancken, daß, weil GOTT ihren Leib zum Kinderzeugen ſo beſtaͤndig verſchloſſen bleiben laſſe, ſo habe er ſie dazu etwa nicht erſehen: und weil doch gleichwol der verheißene maͤnn- liche Erbe von ihrem Ehe-Manne kommen ſolte; ſo ſey es allem Anſehen nach GOttes gnaͤdiger Wille, daß er ſich noch eine ande- re Ehegattin zu erwehlen habe. Dazu ſie ihme denn lieber ihre eigne Haus-Magd, die durch ihre Treue und Dienſtfertigkeit allem Anſehen nach ihre Gunſt ſich vor andern ſchei- net zu wege gebracht zu haben, als eine frem- de, die dazu in Abgoͤtterey geſtecket, vorge- ſchlagen hat. Welches ſich denn Abraham gefallen laſſen, und ſie zur wircklichen Ehe genommen, in der Meinung, daß es ihme von GOTT bey ſo auſſerordentlichen Um- ſtaͤnden zugelaſſen ſey. e. Ob nun wol dieſes alles ohne menſchliche Schwachheit nicht abgegangen: ſo ſiehet man doch wol, daß Abraham, was er dißfals ge- than, nicht aus einem fleiſchlichen Triebe ei- ner unbaͤndigen Luſt-Begierde, und eben ſo wenig ſeiner ordentlichen Ehegattin zum Nachtheil, ſondern auf ihren eignen Vor- ſchlag in aller Einfalt ſeines Hertzens vorge- nommen. Und folglich daß mit dieſem ſo auſſerordentlichen Exempel die Vielweiberey und der Concubinat gar nicht entſchuldiget, viel weniger vertheidiget werden koͤnne. f. GOTT aber hat es, wie andere menſchliche Fehler der Glaͤubigen, zugelaſſen: aber nach ſeiner Weisheit es zum voraus dazu dienen laſſen, daß dadurch die Judenſchaft nach dem Fleiſche und nach dem Geiſte, bey den Nach- kommen Abrahams konnte vorgebildet wer- den: wie Paulus in dem nachfolgenden an- zeiget. V. 24. Die Worte bedeuten etwas, (ἅτινά ſie Z z z
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Cap. 4, v. 21-24. an die Galater.
Evangelio erlaͤutert, gehoͤret zu den Vorbildern
des Alten Teſtaments: und leuchtet in der Ein-
ſicht dieſer Sache eine groſſe Weisheit Pauli
hervor, zur gewiſſen Anzeigung, was fuͤr ein
herrlicher Aufſchluß ihm durch die Erkaͤntniß
CHriſti von deſſelben Gnaden-Reiche in den
Schriften Moſis ſey gegeben worden.
V. 22. 23.
Denn es ſtehet (im 1 B. Moſ. c. 16. und
21.) geſchrieben, daß Abraham (der Va-
ter aller Glaͤubigen, auf welchen ſich die gantze
Juͤdiſche Nation ſonderlich berufet, da ſie von
ihm herſtammen, und er fuͤr ſie die Verheiſſungen
von GOTT empfangen Matth. 3, 9.) zweene
Soͤhne (welche auſſer denen, die ihm von der
Kethura im hoͤhern Alter gebohren worden, al-
hier der Vorbildung nach ſonderlich zu mercken
ſind,) einen (und alſo den erſtgebohrnen) von
der Magd, (der Hagar, nemlich den Jſmael,
nachdem er ſich auf der Sara eigenes Einrathen
ehelich zu derſelben gehalten hatte,) den an-
dern, (den Jſaac,) von der Freyen, (oder
der rechten Ehegattin und Haus-Frauen) V.
23. Aber der von der Magd war, iſt nach
dem Fleiſche (ohne beſondere Gnaden-Ver-
heiſſung nach der gewoͤhnlichen Ordnung der
Natur, als die in beyden zum Kinderzeugen noch
tuͤchtig war,) gebohren: der aber von der
Freyen (der Jſaac, Saraͤ leiblicher Sohn,)
iſt durch die Verheiſſung (nach vorher ge-
gangener Verheiſſung, daß die in einem ſchon
hoͤhern Alter, da Abraham ſchon 100 und Sa-
ra 90 Jahr alt war, zur Erzeugung der Kinder
ſchon erſtorbene Natur dazu aufs neue ſolte ge-
nugſame Kraͤfte durch beſondern goͤttlichen Se-
gen bekommen; im uͤbrigen aber es mit der Em-
pfaͤngniß und Geburt alles nach dem ordentli-
chen Laufe der Natur zugehen; der Sohn der
Verheiſſung doch aber ein Vorbild des Meßiaͤ
ſeyn, und dieſer aus deſſelben Nachkommen ge-
bohren werden ſolte.)
Anmerckungen.
1. Wenn fleiſchlich geſinnete Gemuͤther
uͤber die Geſchicht von der Ehe Abrahams kom-
men, ſo urtheilen ſie davon nach ihrem eiteln
Sinne; vermeinen auch wol, was ſie darinnen
fuͤr einen Vorſchub bey ihren boͤſen principiis
und Saͤtzen, welche ſie in Ehe-Sachen haben,
finden. Dagegen aber iſt folgendes ſonderlich
zu mercken:
a. Nachdem den Patriarchen die Verheiſſung
vom Meßia war gegeben worden, daß er aus
ihren Nachkommen gebohren werden ſolte,
die Zeit doch aber nicht beſtimmet war; ſo
ſtunden ſie immer in der Erwartung, daß er
bald kommen wuͤrde. Und daher war ihnen
die Unfruchtbarkeit in der Ehe ein ſehr be-
ſchwerliches Anliegen.
b. Abraham hatte inſonderheit vor allen andern
dieſe Verheiſſung bekommen, daß von ihme,
als dem Stamm-Vater, ein Sohn ſolte
gezeuget werden, aus deſſen Nachkommen
der Meßias zum Segen uͤber das gantze menſch-
liche Geſchlecht ſolte gebohren werden. Da-
her denn bey ihm und ſeiner Ehegattinn das
Verlangen nach einem ſolchen Ehe-Segen ſo
viel ſehnlicher war.
c. Die Sara aber war unfruchtbar: und es ging
ein Jahr nach dem andern hin, da ſich der
Ehe-Segen gar nicht funde, daß es endlich
zehn waren 1 B. Moſ. 16. v. 3. Gleichwie
ſie nun eines theils die Verheiſſung GOttes
von dem geſegneten Samen gar nicht in Zwei-
fel zogen: ſo kam auf der andern Seite zu der
natuͤrlichen Unfruchtbarkeit der Saraͤ die
groſſe und wohlgegruͤndete Beyſorge, es wuͤr-
de auch endlich Abraham ſelbſt mit der Zeit
Alters halber zum Kinderzeugen unvermoͤgend
werden.
d. Da nun in der Verheiſſung GOttes nicht
eben determiniret war, ob der verheiſſene Sa-
me eben von der Sara kommen ſolte, oder
nicht: ſo kam die Sara endlich ſelbſt auf die
Gedancken, daß, weil GOTT ihren Leib zum
Kinderzeugen ſo beſtaͤndig verſchloſſen bleiben
laſſe, ſo habe er ſie dazu etwa nicht erſehen:
und weil doch gleichwol der verheißene maͤnn-
liche Erbe von ihrem Ehe-Manne kommen
ſolte; ſo ſey es allem Anſehen nach GOttes
gnaͤdiger Wille, daß er ſich noch eine ande-
re Ehegattin zu erwehlen habe. Dazu ſie
ihme denn lieber ihre eigne Haus-Magd, die
durch ihre Treue und Dienſtfertigkeit allem
Anſehen nach ihre Gunſt ſich vor andern ſchei-
net zu wege gebracht zu haben, als eine frem-
de, die dazu in Abgoͤtterey geſtecket, vorge-
ſchlagen hat. Welches ſich denn Abraham
gefallen laſſen, und ſie zur wircklichen Ehe
genommen, in der Meinung, daß es ihme
von GOTT bey ſo auſſerordentlichen Um-
ſtaͤnden zugelaſſen ſey.
e. Ob nun wol dieſes alles ohne menſchliche
Schwachheit nicht abgegangen: ſo ſiehet man
doch wol, daß Abraham, was er dißfals ge-
than, nicht aus einem fleiſchlichen Triebe ei-
ner unbaͤndigen Luſt-Begierde, und eben
ſo wenig ſeiner ordentlichen Ehegattin zum
Nachtheil, ſondern auf ihren eignen Vor-
ſchlag in aller Einfalt ſeines Hertzens vorge-
nommen. Und folglich daß mit dieſem ſo
auſſerordentlichen Exempel die Vielweiberey
und der Concubinat gar nicht entſchuldiget,
viel weniger vertheidiget werden koͤnne.
f. GOTT aber hat es, wie andere menſchliche
Fehler der Glaͤubigen, zugelaſſen: aber nach
ſeiner Weisheit es zum voraus dazu dienen
laſſen, daß dadurch die Judenſchaft nach dem
Fleiſche und nach dem Geiſte, bey den Nach-
kommen Abrahams konnte vorgebildet wer-
den: wie Paulus in dem nachfolgenden an-
zeiget.
V. 24.
Die Worte bedeuten etwas, (ἅτινά
ἐςιν ἀλληγορούμενα, welche Dinge von der
Beſchaffenheit ſind, daß ſie etwas anders, oder
geheimes, bedeuten, nemlich auſſer dem, was
ſie
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