Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 4, v. 17-19. an die Galater. [Spaltenumbruch]
euch vertrauet einem Manne, daß ich einereine Jungfrau CHristo zubrächte. Von dem falschen Eifer aber und dem Exempel der Pharisäer und Schriftgelehrten spricht CHristus Joh. 16, 2. Sie werden euch in den Bann thun: es kömmt aber (ja es kömmt) die Zeit, daß, wer euch tödtet, wird meinen, er thue GOTT einen Dienst daran. Und eben also machten es mit ihnen auch die Juden, wel- che ihren falschen Lehrern anhingen. Daher Paulus spricht Rom. 10, 2. Jch gebe ihnen das Zeugniß, daß sie eifern um GOtt, aber mit Unverstand. Siehe auch Matth. 23, 15. 2. Der falsche Religions-Eifer ist ei- V. 18. Eifern (einen rechten Ernst mit einer hertz- Anmerckungen. 1. Der Apostel verbindet in diesen Wor- ten die Thesin mit der Hypothesi, den Satz mit der Application auf die Galater. Die ersten Wor- te gehen auf den Satz insgemein, nemlich wie löblich ein rechtmäßiger Eifer und Ernst um das Gute bey einem Lehrer und Zuhörer sey; zumal wenn es geschiehet pantote, allezeit und be- ständig: wie er bey Paulo beständig war. Gleichwie dieses nun schon an sich eine Bestra- fung an die Galater ihrer Unbeständigkeit wegen in sich hielte: so machet der Apostel in den letztern Worten die Zueignung noch dazu gantz deutlich auf sie: und zwar also, daß er an ihnen die Er- gebenheit, die er an ihnen ehemals gegenwärtig gesehen, mit Recht lobet; aber das an ihnen be- strafet, daß es fehle an dem pantote, allezeit, oder an der Beständigkeit: sintemal sie sich ab- [Spaltenumbruch] wesend nicht also bewiesen hätten, als gegen- wärtig. 2. O wie oft und wie leichtlich geschiehet es, daß auch wol die besten Seelen an ihren getreue- sten Lehrern, durch die sie erwecket worden sind, sich irre machen lassen! sonderlich wenn sie durch verführische Geister und Schriften auf falsche principia, und sonderlich auf geistliche Höhen ge- führet werden. Dadurch es denn kömmt, daß sie sich über ihre Lehrer mit ihrem Gemüthe erheben; aber endlich, wo sie GOTT nicht gar fallen läßt, inne werden, daß sie des rechten Weges verfeh- let haben. 3. Es ist doch aber nicht genug, bey der Wahrheit, und, nach derselben Vorschrift, auf dem rechten Wege zu bleiben, sondern es gehöret dazu auch ein Eifer, das ist, ein rechter Ernst und eine Brünstigkeit: nach der Ermahnung Pauli Rom. 12, 11. Seyd nicht träge, was ihr thun sollt; seyd brünstig im Geiste. Zeloson, sey nun fleißig, eifere, spricht unser Heiland Offenb. c. 3, 19. zu dem Engel, oder Vorsteher der Gemeine zu Laodicea, und thue Busse. Welche Worte sich auch auf den von Paulo beschriebenen Zustand der Galater gar fein schicken: zumal mit den vorhergehenden: Welche ich lieb habe, die strafe und züch- tige ich. V. 19. Meine lieben Kindlein (die ich ehemals Anmerckungen. 1. Zuvorderst ist vom eigentlichen Wort- Verstande und dem Nachdruck dieses vortrefli- chen Spruchs unterschiedliches zu mercken: und hernach haben wir denselben auf die Erbauung zu richten. 2. Der Apostel nennet die Galater Kin- der, und, welches den Affect seiner Liebe noch mehr ausdrückt, Kindlein, theils in Ansehung dessen, was von dem Gnaden-Stande in ihnen, in einem mehr, in dem andern weniger, noch übrig war, theils in der guten Hoffnung, sie wieder Y y y 3
Cap. 4, v. 17-19. an die Galater. [Spaltenumbruch]
euch vertrauet einem Manne, daß ich einereine Jungfrau CHriſto zubraͤchte. Von dem falſchen Eifer aber und dem Exempel der Phariſaͤer und Schriftgelehrten ſpricht CHriſtus Joh. 16, 2. Sie werden euch in den Bann thun: es koͤmmt aber (ja es koͤmmt) die Zeit, daß, wer euch toͤdtet, wird meinen, er thue GOTT einen Dienſt daran. Und eben alſo machten es mit ihnen auch die Juden, wel- che ihren falſchen Lehrern anhingen. Daher Paulus ſpricht Rom. 10, 2. Jch gebe ihnen das Zeugniß, daß ſie eifern um GOtt, aber mit Unverſtand. Siehe auch Matth. 23, 15. 2. Der falſche Religions-Eifer iſt ei- V. 18. Eifern (einen rechten Ernſt mit einer hertz- Anmerckungen. 1. Der Apoſtel verbindet in dieſen Wor- ten die Theſin mit der Hypotheſi, den Satz mit der Application auf die Galater. Die erſten Wor- te gehen auf den Satz insgemein, nemlich wie loͤblich ein rechtmaͤßiger Eifer und Ernſt um das Gute bey einem Lehrer und Zuhoͤrer ſey; zumal wenn es geſchiehet πάντοτε, allezeit und be- ſtaͤndig: wie er bey Paulo beſtaͤndig war. Gleichwie dieſes nun ſchon an ſich eine Beſtra- fung an die Galater ihrer Unbeſtaͤndigkeit wegen in ſich hielte: ſo machet der Apoſtel in den letztern Worten die Zueignung noch dazu gantz deutlich auf ſie: und zwar alſo, daß er an ihnen die Er- gebenheit, die er an ihnen ehemals gegenwaͤrtig geſehen, mit Recht lobet; aber das an ihnen be- ſtrafet, daß es fehle an dem πάντοτε, allezeit, oder an der Beſtaͤndigkeit: ſintemal ſie ſich ab- [Spaltenumbruch] weſend nicht alſo bewieſen haͤtten, als gegen- waͤrtig. 2. O wie oft und wie leichtlich geſchiehet es, daß auch wol die beſten Seelen an ihren getreue- ſten Lehrern, durch die ſie erwecket worden ſind, ſich irre machen laſſen! ſonderlich wenn ſie durch verfuͤhriſche Geiſter und Schriften auf falſche principia, und ſonderlich auf geiſtliche Hoͤhen ge- fuͤhret werden. Dadurch es denn koͤmmt, daß ſie ſich uͤber ihre Lehrer mit ihrem Gemuͤthe erheben; aber endlich, wo ſie GOTT nicht gar fallen laͤßt, inne werden, daß ſie des rechten Weges verfeh- let haben. 3. Es iſt doch aber nicht genug, bey der Wahrheit, und, nach derſelben Vorſchrift, auf dem rechten Wege zu bleiben, ſondern es gehoͤret dazu auch ein Eifer, das iſt, ein rechter Ernſt und eine Bruͤnſtigkeit: nach der Ermahnung Pauli Rom. 12, 11. Seyd nicht traͤge, was ihr thun ſollt; ſeyd bruͤnſtig im Geiſte. Ζήλωσον, ſey nun fleißig, eifere, ſpricht unſer Heiland Offenb. c. 3, 19. zu dem Engel, oder Vorſteher der Gemeine zu Laodicea, und thue Buſſe. Welche Worte ſich auch auf den von Paulo beſchriebenen Zuſtand der Galater gar fein ſchicken: zumal mit den vorhergehenden: Welche ich lieb habe, die ſtrafe und zuͤch- tige ich. V. 19. Meine lieben Kindlein (die ich ehemals Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt vom eigentlichen Wort- Verſtande und dem Nachdruck dieſes vortrefli- chen Spruchs unterſchiedliches zu mercken: und hernach haben wir denſelben auf die Erbauung zu richten. 2. Der Apoſtel nennet die Galater Kin- der, und, welches den Affect ſeiner Liebe noch mehr ausdruͤckt, Kindlein, theils in Anſehung deſſen, was von dem Gnaden-Stande in ihnen, in einem mehr, in dem andern weniger, noch uͤbrig war, theils in der guten Hoffnung, ſie wieder Y y y 3
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Cap. 4, v. 17-19. an die Galater.
euch vertrauet einem Manne, daß ich eine
reine Jungfrau CHriſto zubraͤchte. Von
dem falſchen Eifer aber und dem Exempel der
Phariſaͤer und Schriftgelehrten ſpricht CHriſtus
Joh. 16, 2. Sie werden euch in den Bann
thun: es koͤmmt aber (ja es koͤmmt) die Zeit,
daß, wer euch toͤdtet, wird meinen, er
thue GOTT einen Dienſt daran. Und eben
alſo machten es mit ihnen auch die Juden, wel-
che ihren falſchen Lehrern anhingen. Daher
Paulus ſpricht Rom. 10, 2. Jch gebe ihnen
das Zeugniß, daß ſie eifern um GOtt, aber
mit Unverſtand. Siehe auch Matth. 23, 15.
2. Der falſche Religions-Eifer iſt ei-
nes der ſcheinbareſten, und zugleich ſchaͤdlichſten
Dinge. Und gleichwie er ſich auf die alleraͤrge-
ſte Art unter den Papiſten befindet: ſo iſt auch
die Evangeliſche Kirche leider nicht frey davon:
da man nemlich dem Vorwande, ja der fal-
ſchen Meinung nach, fuͤr die Orthodo-
xie oder reine Lehre und Ehre GOttes ſtreitet:
aber wie mit groſſem Unverſtande und im fleiſch-
lichen Sinne; alſo auch zu vieler Verunruhi-
gung der Kirche, und Zerruͤttung ſo mancher See-
len. Denn da ſollen diejenigen, welche ſich wol
am meiſten befleißigen, Paulo in der Lehre und
im Leben lauterlich zu folgen, es auch in der That
erweiſen, nicht rein in der Lehre ſeyn. Da hin-
gegen ſolche fleiſchliche Religions-Eiferer bey ih-
rem verblendeten Sinn auch in der Lehre ſelbſt ſo
weit verfallen, daß ſie gewißlich Paulus, wo er
wieder aufſtehen ſolte, keines weges fuͤr ſeine
rechte und aͤchte Juͤnger erkennen wuͤrde.
V. 18.
Eifern (einen rechten Ernſt mit einer hertz-
lichen Ergebenheit bezeugen) iſt gut, wenn es
immerdar geſchiehet um das Gute (und mit
einem richtigen Gewiſſen. Denn da iſt ein ſolcher
Affect des Hertzens der Kaltſinnigkeit und Traͤg-
heit entgegen geſetzet:) und nicht allein, wenn
ich gegenwaͤrtig bey euch bin (da ihr mir,
oder vielmehr CHriſto, und dem Evangelio ſo
ſehr ergeben geweſen ſeyd, ietzo aber euch an mir
und meiner Lehre habet irre und kaltſinnig ma-
chen laſſen.
Anmerckungen.
1. Der Apoſtel verbindet in dieſen Wor-
ten die Theſin mit der Hypotheſi, den Satz mit
der Application auf die Galater. Die erſten Wor-
te gehen auf den Satz insgemein, nemlich wie
loͤblich ein rechtmaͤßiger Eifer und Ernſt um das
Gute bey einem Lehrer und Zuhoͤrer ſey; zumal
wenn es geſchiehet πάντοτε, allezeit und be-
ſtaͤndig: wie er bey Paulo beſtaͤndig war.
Gleichwie dieſes nun ſchon an ſich eine Beſtra-
fung an die Galater ihrer Unbeſtaͤndigkeit wegen
in ſich hielte: ſo machet der Apoſtel in den letztern
Worten die Zueignung noch dazu gantz deutlich
auf ſie: und zwar alſo, daß er an ihnen die Er-
gebenheit, die er an ihnen ehemals gegenwaͤrtig
geſehen, mit Recht lobet; aber das an ihnen be-
ſtrafet, daß es fehle an dem πάντοτε, allezeit,
oder an der Beſtaͤndigkeit: ſintemal ſie ſich ab-
weſend nicht alſo bewieſen haͤtten, als gegen-
waͤrtig.
2. O wie oft und wie leichtlich geſchiehet es,
daß auch wol die beſten Seelen an ihren getreue-
ſten Lehrern, durch die ſie erwecket worden ſind,
ſich irre machen laſſen! ſonderlich wenn ſie durch
verfuͤhriſche Geiſter und Schriften auf falſche
principia, und ſonderlich auf geiſtliche Hoͤhen ge-
fuͤhret werden. Dadurch es denn koͤmmt, daß ſie
ſich uͤber ihre Lehrer mit ihrem Gemuͤthe erheben;
aber endlich, wo ſie GOTT nicht gar fallen laͤßt,
inne werden, daß ſie des rechten Weges verfeh-
let haben.
3. Es iſt doch aber nicht genug, bey der
Wahrheit, und, nach derſelben Vorſchrift, auf
dem rechten Wege zu bleiben, ſondern es gehoͤret
dazu auch ein Eifer, das iſt, ein rechter Ernſt
und eine Bruͤnſtigkeit: nach der Ermahnung
Pauli Rom. 12, 11. Seyd nicht traͤge, was
ihr thun ſollt; ſeyd bruͤnſtig im Geiſte.
Ζήλωσον, ſey nun fleißig, eifere, ſpricht unſer
Heiland Offenb. c. 3, 19. zu dem Engel, oder
Vorſteher der Gemeine zu Laodicea, und thue
Buſſe. Welche Worte ſich auch auf den von
Paulo beſchriebenen Zuſtand der Galater gar
fein ſchicken: zumal mit den vorhergehenden:
Welche ich lieb habe, die ſtrafe und zuͤch-
tige ich.
V. 19.
Meine lieben Kindlein (die ich ehemals
als ein geiſtlicher Vater durch das Evangelium
alſo gezeuget habe, daß ſie von der Zuchtmeiſter-
ſchaft des Geſetzes zur voͤlligen Kindſchaft GOt-
tes gekommen c. 3, 24. c. 4, 1. ſeqq. 1 Cor. 4, 15.
und die in ſo fern auch meine geiſtliche Kinder
ſind, und von mir aufs zarteſte geliebet werden)
welche ich abermal (wie anfangs bey der Aus-
fuͤhrung von dem Heidenthum und Judenthum
zu CHriſto) mit Aengſten gebaͤhre (welche ich,
als eine geiſtliche Mutter, nicht ohne ſchmertz-
liche Empfindung des Abfalls durch das
Evangelium aufs neue zur Wiedergeburt
bringe, in ſo fern ſie deroſelben Gnade ſchon
verlohren haben) bis daß CHriſtus in euch
eine Geſtalt gewinne (daß ihr durch die neue
Geburt alſo nach CHriſto gebildet werdet, daß
man an euch, als ſeinen geiſtlichen Gliedern, ſei-
ne, des geiſtlichen Haupts, Aehnlichkeit, ſehe:
alſo, daß ihr nach dem Evangelio in CHriſto lebet,
und CHriſtus in euch.)
Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt vom eigentlichen Wort-
Verſtande und dem Nachdruck dieſes vortrefli-
chen Spruchs unterſchiedliches zu mercken: und
hernach haben wir denſelben auf die Erbauung
zu richten.
2. Der Apoſtel nennet die Galater Kin-
der, und, welches den Affect ſeiner Liebe noch
mehr ausdruͤckt, Kindlein, theils in Anſehung
deſſen, was von dem Gnaden-Stande in ihnen,
in einem mehr, in dem andern weniger, noch
uͤbrig war, theils in der guten Hoffnung, ſie
wieder
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