Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 4, 6. 7. [Spaltenumbruch]
ley Geschäften befindet: so ist es doch von sol-chem Nachdrucke, daß es in den Ohren GOttes einem Rufen und Schreyen gleich ist. Wie man denn auch mit gutem Grunde dafür hält, daß, wenn GOTT am rothen Meere zu Mose sagte: Was schreyest du zu mir 2 B. Mos. 14, 15. damit auf das geheime Gebet des Her- tzens gesehen werde: da man nicht lieset, daß Moses mit lauter Stimme es gethan habe; wel- ches auch dazumal die äusserliche Beschäftigun- gen nicht wol zuzulassen schienen. 12. Man siehet hieraus die Art der also ge- nannten Stoß-Gebetlein, und wie es mög- lich ist, daß eine gläubige Seele allezeit beten könne nach der Erforderung CHristi Luc. 18, 1. Rom. 12, 12. Eph. 6, 18. Col. 4, 2. 1 Thess. 5, 17. Denn das Hertz darf nur in einer innigen Zukehr und Erhebung zu GOtt stehen. 13. Und solcher gestalt, da das Gebet von dem Heiligen Geiste also gewircket wird, daß es mehr des einwohnenden Heiligen Geistes, als des Menschen selbst ist: so siehet man dar- aus, daß das Gebet zwar eine Pflicht ist un- sers Dienstes gegen GOTT; aber auch noch mehr eine Wohlthat, ja ein rechtes Privi- legium, oder grosses Vorrecht der Kinder GOttes; als vermöge dessen, ob sie gleich noch auf Erden sind, sie sich doch schon alle wege zu GOTT nahen und gleichsam zu ihm nach dem Rechte ihrer Kindschaft in das Allerheiligste ein- gehen können. 14. Es ist demnach dieses alles eine Mate- rie der Selbst-Prüfung, ob man sich in sol- chem Stande des innern Hertzens-Gebets vor GOTT befinde. Gewiß wo ein geistliches Leben ist, da reget es sich durch diese innere hei- lige Geschäftigung nicht weniger, als sich das natürliche Leben in den Adern durch die Puls erweiset. Wer davon noch keine Erfahrung hat, sondern gantze Tage und noch mehrere Zeit so hingehen kan, ohne dergleichen in sich gewahr zu werden, der lieget gewißlich noch im geistli- chen Tode: gleichwie hingegen ein Angefochte- ner daran eine gewisse Probe seines geistlichen Lebens und Gnaden-Standes hat. 15. Können aber leibliche Kinder, so bald sie ihre Eltern kennen lernen und zu lallen an- fangen, lieber Vater, liebe Mutter, Pappa, und gleichsam Abba u. s. w. sagen: so sind sie bey solchen Jahren auch fleißig anzu- halten, daß sie sich mit kindlicher Anrufung auch zu GOTT nahen. 16. Jm übrigen dienet zur Erläuterung die- ses Orts de[r] Ort Rom. 8, 14. 15. 16. da dem Heiligen Ge[is]te der rechte Trieb der Kinder GOttes zug[ee]ignet wird; und dazu wird der Geist der Kindschaft des Neuen Testaments unterschieden von dem Geiste der Knecht- schaft und der kne[c]htischen Furcht unter dem Alten. Denn ob gleich die Gläubigen des Alten Testaments au[c]h Kinder waren; so wa- ren sie doch gegen die Kinder des neuen Bundes wie die Unmündige, unter welchen und den Knechten in gewissen Stürken kein Unterscheid ist. Gal. 4[unleserliches Material - Zeichen fehlt] 1. u. f. 17. Wer aber freudig beten will, muß ja [Spaltenumbruch] suchen ein gutes reines Gewissen vor GOTT zu bewahren. Denn ob man auch gleich, wenn man darinn eine Verunreinigung findet, deß- wegen vom Gebet nicht ablassen, sondern da- durch vielmehr sich in der Zueignung des Bluts und Versöhn-Opfers CHristi zu reinigen hat: so schläget doch ein verunreinigtes und verunru- higtes Gewissen die Glaubens-Freudigkeit nie- der. Wie man auch an Kindern siehet, daß, ob sie wol mit ihrem Gehorsam eigentlich nichts bey den Eltern verdienen, sie dennoch bey be- gangnem Ungehorsam ihnen nicht mit Freudig- keit unter die Augen treten, und etwas von ih- nen bitten dürfen. V. 7. Also (da die Zeit der Vormundschaft Anmerckungen. 1. Nach dem Griechischen solte der gantze Vers im Teutschen eigentlich also lauten: Da- her bist du nun kein Knecht mehr, son- dern ein Sohn: Bist du aber ein Sohn, so bist du ein Erbe GOttes durch Chri- stum. Es ist doch aber dem Sinne nach von Lutheri Ubersetzung nicht eben unterschieden. Damit, daß der Apostel von der Zahl der Viel- heit v. 6. auf die einzele kömmt v. 7. machet er die Application auf einen ieglichen Glaubigen unter den Galatern: und zeiget zugleich an, daß man es bey allen Sprüchen der heiligen Schrift also zu machen habe, nemlich daß man, was von allen insgemein gesaget ist, sich insonder- heit zueigne. 2. Da die Erbschaft an die Kindschaft gebunden ist, so sehen wir, daß sie nicht aus Verdiensten komme, als ein Lohn, sondern ein Gnaden-Geschenck sey. Jndessen aber wird dieses Gut doch keinen andern zu theil, als de- nen, welche in der Ordnung der Wiedergeburt wahre Kinder GOttes worden sind, und den rechten Character ihrer Kindschaft in und bey sich haben an dem Geiste des Gebets, und an dem kindlichen Sinn und Gehorsam gegen GOtt. 3. Die Glaubigen sind Erben wie durch CHristum, also auch mit CHristo. Rom. 8. 17. Denn gleichwie CHristus als wahrer GOTT und GOttes Sohn alles hat: also hat er als wahrer Mensch und des Menschen Sohn
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, 6. 7. [Spaltenumbruch]
ley Geſchaͤften befindet: ſo iſt es doch von ſol-chem Nachdrucke, daß es in den Ohren GOttes einem Rufen und Schreyen gleich iſt. Wie man denn auch mit gutem Grunde dafuͤr haͤlt, daß, wenn GOTT am rothen Meere zu Moſe ſagte: Was ſchreyeſt du zu mir 2 B. Moſ. 14, 15. damit auf das geheime Gebet des Her- tzens geſehen werde: da man nicht lieſet, daß Moſes mit lauter Stimme es gethan habe; wel- ches auch dazumal die aͤuſſerliche Beſchaͤftigun- gen nicht wol zuzulaſſen ſchienen. 12. Man ſiehet hieraus die Art der alſo ge- nannten Stoß-Gebetlein, und wie es moͤg- lich iſt, daß eine glaͤubige Seele allezeit beten koͤnne nach der Erforderung CHriſti Luc. 18, 1. Rom. 12, 12. Eph. 6, 18. Col. 4, 2. 1 Theſſ. 5, 17. Denn das Hertz darf nur in einer innigen Zukehr und Erhebung zu GOtt ſtehen. 13. Und ſolcher geſtalt, da das Gebet von dem Heiligen Geiſte alſo gewircket wird, daß es mehr des einwohnenden Heiligen Geiſtes, als des Menſchen ſelbſt iſt: ſo ſiehet man dar- aus, daß das Gebet zwar eine Pflicht iſt un- ſers Dienſtes gegen GOTT; aber auch noch mehr eine Wohlthat, ja ein rechtes Privi- legium, oder groſſes Vorrecht der Kinder GOttes; als vermoͤge deſſen, ob ſie gleich noch auf Erden ſind, ſie ſich doch ſchon alle wege zu GOTT nahen und gleichſam zu ihm nach dem Rechte ihrer Kindſchaft in das Allerheiligſte ein- gehen koͤnnen. 14. Es iſt demnach dieſes alles eine Mate- rie der Selbſt-Pruͤfung, ob man ſich in ſol- chem Stande des innern Hertzens-Gebets vor GOTT befinde. Gewiß wo ein geiſtliches Leben iſt, da reget es ſich durch dieſe innere hei- lige Geſchaͤftigung nicht weniger, als ſich das natuͤrliche Leben in den Adern durch die Puls erweiſet. Wer davon noch keine Erfahrung hat, ſondern gantze Tage und noch mehrere Zeit ſo hingehen kan, ohne dergleichen in ſich gewahr zu werden, der lieget gewißlich noch im geiſtli- chen Tode: gleichwie hingegen ein Angefochte- ner daran eine gewiſſe Probe ſeines geiſtlichen Lebens und Gnaden-Standes hat. 15. Koͤnnen aber leibliche Kinder, ſo bald ſie ihre Eltern kennen lernen und zu lallen an- fangen, lieber Vater, liebe Mutter, Pappa, und gleichſam Abba u. ſ. w. ſagen: ſo ſind ſie bey ſolchen Jahren auch fleißig anzu- halten, daß ſie ſich mit kindlicher Anrufung auch zu GOTT nahen. 16. Jm uͤbrigen dienet zur Erlaͤuterung die- ſes Orts de[r] Ort Rom. 8, 14. 15. 16. da dem Heiligen Ge[iſ]te der rechte Trieb der Kinder GOttes zug[ee]ignet wird; und dazu wird der Geiſt der Kindſchaft des Neuen Teſtaments unterſchieden von dem Geiſte der Knecht- ſchaft und der kne[c]htiſchen Furcht unter dem Alten. Denn ob gleich die Glaͤubigen des Alten Teſtaments au[c]h Kinder waren; ſo wa- ren ſie doch gegen die Kinder des neuen Bundes wie die Unmuͤndige, unter welchen und den Knechten in gewiſſen Stuͤrken kein Unterſcheid iſt. Gal. 4[unleserliches Material – Zeichen fehlt] 1. u. f. 17. Wer aber freudig beten will, muß ja [Spaltenumbruch] ſuchen ein gutes reines Gewiſſen vor GOTT zu bewahren. Denn ob man auch gleich, wenn man darinn eine Verunreinigung findet, deß- wegen vom Gebet nicht ablaſſen, ſondern da- durch vielmehr ſich in der Zueignung des Bluts und Verſoͤhn-Opfers CHriſti zu reinigen hat: ſo ſchlaͤget doch ein verunreinigtes und verunru- higtes Gewiſſen die Glaubens-Freudigkeit nie- der. Wie man auch an Kindern ſiehet, daß, ob ſie wol mit ihrem Gehorſam eigentlich nichts bey den Eltern verdienen, ſie dennoch bey be- gangnem Ungehorſam ihnen nicht mit Freudig- keit unter die Augen treten, und etwas von ih- nen bitten duͤrfen. V. 7. Alſo (da die Zeit der Vormundſchaft Anmerckungen. 1. Nach dem Griechiſchen ſolte der gantze Vers im Teutſchen eigentlich alſo lauten: Da- her biſt du nun kein Knecht mehr, ſon- dern ein Sohn: Biſt du aber ein Sohn, ſo biſt du ein Erbe GOttes durch Chri- ſtum. Es iſt doch aber dem Sinne nach von Lutheri Uberſetzung nicht eben unterſchieden. Damit, daß der Apoſtel von der Zahl der Viel- heit v. 6. auf die einzele koͤmmt v. 7. machet er die Application auf einen ieglichen Glaubigen unter den Galatern: und zeiget zugleich an, daß man es bey allen Spruͤchen der heiligen Schrift alſo zu machen habe, nemlich daß man, was von allen insgemein geſaget iſt, ſich inſonder- heit zueigne. 2. Da die Erbſchaft an die Kindſchaft gebunden iſt, ſo ſehen wir, daß ſie nicht aus Verdienſten komme, als ein Lohn, ſondern ein Gnaden-Geſchenck ſey. Jndeſſen aber wird dieſes Gut doch keinen andern zu theil, als de- nen, welche in der Ordnung der Wiedergeburt wahre Kinder GOttes worden ſind, und den rechten Character ihrer Kindſchaft in und bey ſich haben an dem Geiſte des Gebets, und an dem kindlichen Sinn und Gehorſam gegen GOtt. 3. Die Glaubigen ſind Erben wie durch CHriſtum, alſo auch mit CHriſto. Rom. 8. 17. Denn gleichwie CHriſtus als wahrer GOTT und GOttes Sohn alles hat: alſo hat er als wahrer Menſch und des Menſchen Sohn
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, 6. 7.
ley Geſchaͤften befindet: ſo iſt es doch von ſol-
chem Nachdrucke, daß es in den Ohren GOttes
einem Rufen und Schreyen gleich iſt. Wie
man denn auch mit gutem Grunde dafuͤr haͤlt,
daß, wenn GOTT am rothen Meere zu Moſe
ſagte: Was ſchreyeſt du zu mir 2 B. Moſ.
14, 15. damit auf das geheime Gebet des Her-
tzens geſehen werde: da man nicht lieſet, daß
Moſes mit lauter Stimme es gethan habe; wel-
ches auch dazumal die aͤuſſerliche Beſchaͤftigun-
gen nicht wol zuzulaſſen ſchienen.
12. Man ſiehet hieraus die Art der alſo ge-
nannten Stoß-Gebetlein, und wie es moͤg-
lich iſt, daß eine glaͤubige Seele allezeit beten
koͤnne nach der Erforderung CHriſti Luc. 18, 1.
Rom. 12, 12. Eph. 6, 18. Col. 4, 2. 1 Theſſ. 5,
17. Denn das Hertz darf nur in einer innigen
Zukehr und Erhebung zu GOtt ſtehen.
13. Und ſolcher geſtalt, da das Gebet von
dem Heiligen Geiſte alſo gewircket wird, daß
es mehr des einwohnenden Heiligen Geiſtes,
als des Menſchen ſelbſt iſt: ſo ſiehet man dar-
aus, daß das Gebet zwar eine Pflicht iſt un-
ſers Dienſtes gegen GOTT; aber auch noch
mehr eine Wohlthat, ja ein rechtes Privi-
legium, oder groſſes Vorrecht der Kinder
GOttes; als vermoͤge deſſen, ob ſie gleich noch
auf Erden ſind, ſie ſich doch ſchon alle wege zu
GOTT nahen und gleichſam zu ihm nach dem
Rechte ihrer Kindſchaft in das Allerheiligſte ein-
gehen koͤnnen.
14. Es iſt demnach dieſes alles eine Mate-
rie der Selbſt-Pruͤfung, ob man ſich in ſol-
chem Stande des innern Hertzens-Gebets vor
GOTT befinde. Gewiß wo ein geiſtliches
Leben iſt, da reget es ſich durch dieſe innere hei-
lige Geſchaͤftigung nicht weniger, als ſich das
natuͤrliche Leben in den Adern durch die Puls
erweiſet. Wer davon noch keine Erfahrung
hat, ſondern gantze Tage und noch mehrere Zeit
ſo hingehen kan, ohne dergleichen in ſich gewahr
zu werden, der lieget gewißlich noch im geiſtli-
chen Tode: gleichwie hingegen ein Angefochte-
ner daran eine gewiſſe Probe ſeines geiſtlichen
Lebens und Gnaden-Standes hat.
15. Koͤnnen aber leibliche Kinder, ſo bald ſie
ihre Eltern kennen lernen und zu lallen an-
fangen, lieber Vater, liebe Mutter,
Pappa, und gleichſam Abba u. ſ. w. ſagen:
ſo ſind ſie bey ſolchen Jahren auch fleißig anzu-
halten, daß ſie ſich mit kindlicher Anrufung auch
zu GOTT nahen.
16. Jm uͤbrigen dienet zur Erlaͤuterung die-
ſes Orts der Ort Rom. 8, 14. 15. 16. da dem
Heiligen Geiſte der rechte Trieb der Kinder
GOttes zugeeignet wird; und dazu wird der
Geiſt der Kindſchaft des Neuen Teſtaments
unterſchieden von dem Geiſte der Knecht-
ſchaft und der knechtiſchen Furcht unter dem
Alten. Denn ob gleich die Glaͤubigen des
Alten Teſtaments auch Kinder waren; ſo wa-
ren ſie doch gegen die Kinder des neuen Bundes
wie die Unmuͤndige, unter welchen und den
Knechten in gewiſſen Stuͤrken kein Unterſcheid
iſt. Gal. 4_ 1. u. f.
17. Wer aber freudig beten will, muß ja
ſuchen ein gutes reines Gewiſſen vor GOTT
zu bewahren. Denn ob man auch gleich, wenn
man darinn eine Verunreinigung findet, deß-
wegen vom Gebet nicht ablaſſen, ſondern da-
durch vielmehr ſich in der Zueignung des Bluts
und Verſoͤhn-Opfers CHriſti zu reinigen hat:
ſo ſchlaͤget doch ein verunreinigtes und verunru-
higtes Gewiſſen die Glaubens-Freudigkeit nie-
der. Wie man auch an Kindern ſiehet, daß,
ob ſie wol mit ihrem Gehorſam eigentlich nichts
bey den Eltern verdienen, ſie dennoch bey be-
gangnem Ungehorſam ihnen nicht mit Freudig-
keit unter die Augen treten, und etwas von ih-
nen bitten duͤrfen.
V. 7.
Alſo (da die Zeit der Vormundſchaft
vorbey iſt,) ſo iſt nun hier kein Knecht
mehr, ſondern eitel Kinder, (Gr. ſo biſt
du, nemlich du Glaͤubiger, nicht mehr ein
Knecht, ſondern ein Kind, oder Sohn, nem-
lich ein ſolcher, der denen mit Knechten v. 1.
verglichenen unmuͤndigen Kindern entgegen ge-
ſetzet iſt, und in dem vollen Beſitz und in der
Adminiſtration der Guͤter der neuen Oeconomie
ſtehet.) Sinds aber Kinder, (Gr. biſt du
aber ein Kind u. ſ. w.) ſo ſinds auch Erben
GOttes, (des himmliſchen Vaters, ja der
gantzen heiligen Drey-Einigkeit, in allen dero-
ſelben Heils-Guͤtern,) durch CHriſtum,
(der dieſelbe durch ſein Mittler-Amt erworben,
und ſelbſt ſeine menſchliche Natur in die Erb-
ſchaft von aller Fuͤlle der Gottheit eingefuͤhret
hat.)
Anmerckungen.
1. Nach dem Griechiſchen ſolte der gantze
Vers im Teutſchen eigentlich alſo lauten: Da-
her biſt du nun kein Knecht mehr, ſon-
dern ein Sohn: Biſt du aber ein Sohn,
ſo biſt du ein Erbe GOttes durch Chri-
ſtum. Es iſt doch aber dem Sinne nach von
Lutheri Uberſetzung nicht eben unterſchieden.
Damit, daß der Apoſtel von der Zahl der Viel-
heit v. 6. auf die einzele koͤmmt v. 7. machet er
die Application auf einen ieglichen Glaubigen
unter den Galatern: und zeiget zugleich an, daß
man es bey allen Spruͤchen der heiligen Schrift
alſo zu machen habe, nemlich daß man, was
von allen insgemein geſaget iſt, ſich inſonder-
heit zueigne.
2. Da die Erbſchaft an die Kindſchaft
gebunden iſt, ſo ſehen wir, daß ſie nicht aus
Verdienſten komme, als ein Lohn, ſondern
ein Gnaden-Geſchenck ſey. Jndeſſen aber wird
dieſes Gut doch keinen andern zu theil, als de-
nen, welche in der Ordnung der Wiedergeburt
wahre Kinder GOttes worden ſind, und den
rechten Character ihrer Kindſchaft in und bey ſich
haben an dem Geiſte des Gebets, und an dem
kindlichen Sinn und Gehorſam gegen GOtt.
3. Die Glaubigen ſind Erben wie durch
CHriſtum, alſo auch mit CHriſto. Rom. 8.
17. Denn gleichwie CHriſtus als wahrer
GOTT und GOttes Sohn alles hat: alſo
hat er als wahrer Menſch und des Menſchen
Sohn
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