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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 4, v. 5. an die Galater.
[Spaltenumbruch] auch sich selbst zu verklären. Es ist auch die-
ses Wort exapeseilen, er hat ausgesen-
det,
von grossem Nachdrucke: als damit an-
gezeiget wird, so wol daß der Sohn bey dem
Vater von Ewigkeit her gewesen; als auch
die höchste Freywilligkeit, mit welcher die
Sendung geschehen ist.
e. Die würckliche Menschwerdung, zu wel-
cher die Sendung zuvorderst geschehen ist,
und welche dadurch vollzogen worden, daß der
Sohn GOttes in der Maria bey der vom En-
gel Gabriel geschehenen Verkündigung, und
sonderlich bey der Glaubens-vollen Ubergabe
des Willens an GOTT, da sie sagte: Sie-
he, ich bin des HERRN Magd! mir
geschehe, wie du gesaget hast!
die mensch-
liche Natur angenommen, und sich mit dersel-
ben persönlich vereiniget hat. Welches Werck
der persönlichen Vereinigung beyder Naturen
in CHristo, Paulus 1 Tim. 3, 16. ein kündlich
grosses Geheimniß der Gottseligkeit
nen-
net, nemlich, daß GOTT auch als wahrer
Mensch im Fleisch offenbaret ist.
f. Und aus dieser Sendung des Vaters sind zu
erkennen diejenigen Schrift-Stellen, darin-
nen unser Heiland wie auf diese Sendung, also
auch auf den Willen und auf das Gebot des
Vaters, welchem nachzuleben er in die Welt
gekommen sey, sich beziehet Joh. 3, 10. 4, 34.
5, 30. 6, 38. 12, 49. 50. 1 Joh. 4, 9. 10.
Hebr. 10, 7. Ps. 40, 9. Sonderlich ist zu
mercken der Ort Hebr. 3, 1. alwo er daher der
Apostel oder Gesandte GOttes heißt.
4. Auf diese Sendung und Menschwerdung
folgete die würckliche Geburt von einem
Weibe,
nemlich von der dazu vor allen andern
erkohrnen Jungfrauen Maria, davon bey dem
Evangelisten Matthäo c. 1. und Luca c. 1. 2. wie
bekant, gehandelt wird. Wir haben alhier nur
sonderlich den Nachdruck der Redens-Art zu
mercken, da es heißt: gebohren ek gunaikos,
aus einem Weibe: als dadurch die wahrhafti-
ge menschliche Natur angezeiget wird, daß Chri-
stus also vom Weibe gebohren, daß er auch in ihr
aus ihrem Wesen die menschliche Natur an sich
genommen, und also aus ihr, als der verheissene
Weibes-Same 1 B. Mos. 3, 15. und des Men-
schen Sohn,
gebohren worden. Und daß er
also nicht etwa nur parasatikos, oder auf eine
solche Art einen menschlichen Leib angenommen,
wie die Engel, wenn sie darinnen erschienen; als
welcher Leib von solcher Beschaffenheit gewesen,
daß er hat können wieder abgeleget werden: auf
welche Art der Sohn GOttes selbst, als der gros-
se unerschaffene Engel des Bundes, mehrmal den
Patriarchen und andern Glaubigen des alten
Testaments, gleichsam zum Vorspiel auf seine
damals noch künftige Menschwerdung, erschie-
nen ist: sondern uposatikos, oder also, daß er
die gantze menschliche Natur würcklich und auf
ewig mit der göttlichen in einer Person vereini-
get hat.
5. Damit man aber so viel eigentlicher kön-
ne erkennen, wie CHristus sey unter das Gesetz
gethan, und wie er uns vom Gesetze erlöset habe,
so haben wir zuvorderst zu erwegen, wie wir unter
[Spaltenumbruch] dem Gesetze stehen? Unter dem Ceremonial- und
Policey-Gesetze stund allein das jüdische Völck.
Unter dem Moral-Gesetze stehen mit demselben
alle Menschen. Denn ob wol die öffentliche und
solenne Promulgation dieses Gesetzes gleichfalls
nur bey dem jüdischen Volcke geschehen ist; so
gehet es doch alle Menschen an. Denn es war
dasselbe an dem Eben-Bilde GOttes allen Men-
schen ins Hertz geschrieben. Nachdem es aber
verlohren gegangen, so ist damit zwar so wol das
göttliche Licht, alles in seiner Länge, Breite und
Tiefe recht einzusehen, als auch die göttliche
Kraft, dem erkannten einen solchen Gehorsam,
mit welchem man ohne einen Mittler vor GOtt
hätte bestehen können, zu leisten, verloschen: in-
dessen aber ist doch davon nach dem Lichte und
nach der Kraft so viel übrig blieben, als zum
bürgerlichen Leben nöthig ist, den Menschen auch
von seiner Schuldigkeit gegen GOTT überzeu-
gen kan. Da nun dieses Gesetz in dem Worte
GOttes aufgekläret und in seiner rechten Voll-
kommenheit mit vollem Lichte vorgestellet wor-
den, und GOTT dadurch seine Forderung, die
er Vermöge der Schöpfung an das menschliche
Geschlecht hat, prosequiret: so lieget der Mensch
auf eine gedoppelte Art unter dem Gesetze: erst-
lich in Ansehung gedachter scharfen und doch
auch gerechten Forderung, da es seine Schul-
digkeit ist, demselben ohne alle Sünde einen
vollkommenen Gehorsam zu leisten. Und denn
in Ansehung des Fluchs, welchen das Gesetz zur
Verdammniß über den Menschen darum aus-
spricht, weil er demselben so gar kein Genüge lei-
stet, daß vielmehr sein gantzes Leben nichts an-
ders ist, als eine beständige anomia und antinomia,
oder Ubertretung des Gesetzes. Siehe c. 3,
10.
6. Hieraus ist nun leichtlich zu erkennen,
wie CHristus unter das Gesetz gethan:
nemlich daß er sich nicht allein, als ein gebohrner
Jude, dem jüdischen Policey- und Ceremonial-
Gesetze in allen Dingen gehorsam erwiesen, z. E.
da er sich beschneiden und für sich opfern lassen
Luc. 2, 21. seqq. auf die Feste gekommen, den
Sabbath gefeyert, das Oster-Lamm gegessen u.
s. w. sondern auch, da er, was er gethan, an un-
serer statt und uns zum Besten gethan, daß er
durch seinen vollkommenen Gehorsam das Moral-
Gesetze an unserer statt und für uns erfüllet hat.
Womit er denn die über das gantze menschliche
Geschlecht haftende debita officia, die schuldige
Pflichten abgetragen; und, weil über dasselbe, aus-
ser den nicht abgetragenen schuldigen Pflichten,
auch ein grosser Reatus, eine grosse zur Strafe
führende Schuld lag: so hat er auch diese über
sich genommen, und daher den im Gesetze dawider
zur Verdammniß ausgesprochenen Fluch über
sich ergehen lassen. Er hat aber denselben son-
derlich darinnen gefühlet, daß er am Oel-Berge
und am Creutze, als er von der göttlichen Ver-
lassung zeugete, diejenige Höllen-Angst, welche
alle Menschen auf ewig hätten ausstehen müs-
sen, ausgestanden, und ein rechtes Schuld-Feg-
und Versöhn-Opfer für das menschliche Ge-
schlecht geworden ist. Das heißt: CHristus ist
unter das Gesetz gethan.
Siehe c. 3, 13. 14.
wozu
X x x 2
Cap. 4, v. 5. an die Galater.
[Spaltenumbruch] auch ſich ſelbſt zu verklaͤren. Es iſt auch die-
ſes Wort ἐξαπέςειλεν, er hat ausgeſen-
det,
von groſſem Nachdrucke: als damit an-
gezeiget wird, ſo wol daß der Sohn bey dem
Vater von Ewigkeit her geweſen; als auch
die hoͤchſte Freywilligkeit, mit welcher die
Sendung geſchehen iſt.
e. Die wuͤrckliche Menſchwerdung, zu wel-
cher die Sendung zuvorderſt geſchehen iſt,
und welche dadurch vollzogen worden, daß der
Sohn GOttes in der Maria bey der vom En-
gel Gabriel geſchehenen Verkuͤndigung, und
ſonderlich bey der Glaubens-vollen Ubergabe
des Willens an GOTT, da ſie ſagte: Sie-
he, ich bin des HERRN Magd! mir
geſchehe, wie du geſaget haſt!
die menſch-
liche Natur angenommen, und ſich mit derſel-
ben perſoͤnlich vereiniget hat. Welches Werck
der perſoͤnlichen Vereinigung beyder Naturen
in CHriſto, Paulus 1 Tim. 3, 16. ein kuͤndlich
groſſes Geheimniß der Gottſeligkeit
nen-
net, nemlich, daß GOTT auch als wahrer
Menſch im Fleiſch offenbaret iſt.
f. Und aus dieſer Sendung des Vaters ſind zu
erkennen diejenigen Schrift-Stellen, darin-
nen unſer Heiland wie auf dieſe Sendung, alſo
auch auf den Willen und auf das Gebot des
Vaters, welchem nachzuleben er in die Welt
gekommen ſey, ſich beziehet Joh. 3, 10. 4, 34.
5, 30. 6, 38. 12, 49. 50. 1 Joh. 4, 9. 10.
Hebr. 10, 7. Pſ. 40, 9. Sonderlich iſt zu
mercken der Ort Hebr. 3, 1. alwo er daher der
Apoſtel oder Geſandte GOttes heißt.
4. Auf dieſe Sendung und Menſchwerdung
folgete die wuͤrckliche Geburt von einem
Weibe,
nemlich von der dazu vor allen andern
erkohrnen Jungfrauen Maria, davon bey dem
Evangeliſten Matthaͤo c. 1. und Luca c. 1. 2. wie
bekant, gehandelt wird. Wir haben alhier nur
ſonderlich den Nachdruck der Redens-Art zu
mercken, da es heißt: gebohren ἐκ γυναικὸς,
aus einem Weibe: als dadurch die wahrhafti-
ge menſchliche Natur angezeiget wird, daß Chri-
ſtus alſo vom Weibe gebohren, daß er auch in ihr
aus ihrem Weſen die menſchliche Natur an ſich
genommen, und alſo aus ihr, als der verheiſſene
Weibes-Same 1 B. Moſ. 3, 15. und des Men-
ſchen Sohn,
gebohren worden. Und daß er
alſo nicht etwa nur παραςατικῶς, oder auf eine
ſolche Art einen menſchlichen Leib angenommen,
wie die Engel, wenn ſie darinnen erſchienen; als
welcher Leib von ſolcher Beſchaffenheit geweſen,
daß er hat koͤnnen wieder abgeleget werden: auf
welche Art der Sohn GOttes ſelbſt, als der groſ-
ſe unerſchaffene Engel des Bundes, mehrmal den
Patriarchen und andern Glaubigen des alten
Teſtaments, gleichſam zum Vorſpiel auf ſeine
damals noch kuͤnftige Menſchwerdung, erſchie-
nen iſt: ſondern ὑποςατικῶς, oder alſo, daß er
die gantze menſchliche Natur wuͤrcklich und auf
ewig mit der goͤttlichen in einer Perſon vereini-
get hat.
5. Damit man aber ſo viel eigentlicher koͤn-
ne erkennen, wie CHriſtus ſey unter das Geſetz
gethan, und wie er uns vom Geſetze erloͤſet habe,
ſo haben wir zuvorderſt zu erwegen, wie wir unter
[Spaltenumbruch] dem Geſetze ſtehen? Unter dem Ceremonial- und
Policey-Geſetze ſtund allein das juͤdiſche Voͤlck.
Unter dem Moral-Geſetze ſtehen mit demſelben
alle Menſchen. Denn ob wol die oͤffentliche und
ſolenne Promulgation dieſes Geſetzes gleichfalls
nur bey dem juͤdiſchen Volcke geſchehen iſt; ſo
gehet es doch alle Menſchen an. Denn es war
daſſelbe an dem Eben-Bilde GOttes allen Men-
ſchen ins Hertz geſchrieben. Nachdem es aber
verlohren gegangen, ſo iſt damit zwar ſo wol das
goͤttliche Licht, alles in ſeiner Laͤnge, Breite und
Tiefe recht einzuſehen, als auch die goͤttliche
Kraft, dem erkannten einen ſolchen Gehorſam,
mit welchem man ohne einen Mittler vor GOtt
haͤtte beſtehen koͤnnen, zu leiſten, verloſchen: in-
deſſen aber iſt doch davon nach dem Lichte und
nach der Kraft ſo viel uͤbrig blieben, als zum
buͤrgerlichen Leben noͤthig iſt, den Menſchen auch
von ſeiner Schuldigkeit gegen GOTT uͤberzeu-
gen kan. Da nun dieſes Geſetz in dem Worte
GOttes aufgeklaͤret und in ſeiner rechten Voll-
kommenheit mit vollem Lichte vorgeſtellet wor-
den, und GOTT dadurch ſeine Forderung, die
er Vermoͤge der Schoͤpfung an das menſchliche
Geſchlecht hat, proſequiret: ſo lieget der Menſch
auf eine gedoppelte Art unter dem Geſetze: erſt-
lich in Anſehung gedachter ſcharfen und doch
auch gerechten Forderung, da es ſeine Schul-
digkeit iſt, demſelben ohne alle Suͤnde einen
vollkommenen Gehorſam zu leiſten. Und denn
in Anſehung des Fluchs, welchen das Geſetz zur
Verdammniß uͤber den Menſchen darum aus-
ſpricht, weil er demſelben ſo gar kein Genuͤge lei-
ſtet, daß vielmehr ſein gantzes Leben nichts an-
ders iſt, als eine beſtaͤndige ἀνομία und ἀντινομία,
oder Ubertretung des Geſetzes. Siehe c. 3,
10.
6. Hieraus iſt nun leichtlich zu erkennen,
wie CHriſtus unter das Geſetz gethan:
nemlich daß er ſich nicht allein, als ein gebohrner
Jude, dem juͤdiſchen Policey- und Ceremonial-
Geſetze in allen Dingen gehorſam erwieſen, z. E.
da er ſich beſchneiden und fuͤr ſich opfern laſſen
Luc. 2, 21. ſeqq. auf die Feſte gekommen, den
Sabbath gefeyert, das Oſter-Lamm gegeſſen u.
ſ. w. ſondern auch, da er, was er gethan, an un-
ſerer ſtatt und uns zum Beſten gethan, daß er
durch ſeinen vollkommenen Gehorſam das Moral-
Geſetze an unſerer ſtatt und fuͤr uns erfuͤllet hat.
Womit er denn die uͤber das gantze menſchliche
Geſchlecht haftende debita officia, die ſchuldige
Pflichten abgetragen; und, weil uͤber daſſelbe, auſ-
ſer den nicht abgetragenen ſchuldigen Pflichten,
auch ein groſſer Reatus, eine groſſe zur Strafe
fuͤhrende Schuld lag: ſo hat er auch dieſe uͤber
ſich genommen, und daher den im Geſetze dawider
zur Verdammniß ausgeſprochenen Fluch uͤber
ſich ergehen laſſen. Er hat aber denſelben ſon-
derlich darinnen gefuͤhlet, daß er am Oel-Berge
und am Creutze, als er von der goͤttlichen Ver-
laſſung zeugete, diejenige Hoͤllen-Angſt, welche
alle Menſchen auf ewig haͤtten ausſtehen muͤſ-
ſen, ausgeſtanden, und ein rechtes Schuld-Feg-
und Verſoͤhn-Opfer fuͤr das menſchliche Ge-
ſchlecht geworden iſt. Das heißt: CHriſtus iſt
unter das Geſetz gethan.
Siehe c. 3, 13. 14.
wozu
X x x 2
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[531/0559] Cap. 4, v. 5. an die Galater. auch ſich ſelbſt zu verklaͤren. Es iſt auch die- ſes Wort ἐξαπέςειλεν, er hat ausgeſen- det, von groſſem Nachdrucke: als damit an- gezeiget wird, ſo wol daß der Sohn bey dem Vater von Ewigkeit her geweſen; als auch die hoͤchſte Freywilligkeit, mit welcher die Sendung geſchehen iſt. e. Die wuͤrckliche Menſchwerdung, zu wel- cher die Sendung zuvorderſt geſchehen iſt, und welche dadurch vollzogen worden, daß der Sohn GOttes in der Maria bey der vom En- gel Gabriel geſchehenen Verkuͤndigung, und ſonderlich bey der Glaubens-vollen Ubergabe des Willens an GOTT, da ſie ſagte: Sie- he, ich bin des HERRN Magd! mir geſchehe, wie du geſaget haſt! die menſch- liche Natur angenommen, und ſich mit derſel- ben perſoͤnlich vereiniget hat. Welches Werck der perſoͤnlichen Vereinigung beyder Naturen in CHriſto, Paulus 1 Tim. 3, 16. ein kuͤndlich groſſes Geheimniß der Gottſeligkeit nen- net, nemlich, daß GOTT auch als wahrer Menſch im Fleiſch offenbaret iſt. f. Und aus dieſer Sendung des Vaters ſind zu erkennen diejenigen Schrift-Stellen, darin- nen unſer Heiland wie auf dieſe Sendung, alſo auch auf den Willen und auf das Gebot des Vaters, welchem nachzuleben er in die Welt gekommen ſey, ſich beziehet Joh. 3, 10. 4, 34. 5, 30. 6, 38. 12, 49. 50. 1 Joh. 4, 9. 10. Hebr. 10, 7. Pſ. 40, 9. Sonderlich iſt zu mercken der Ort Hebr. 3, 1. alwo er daher der Apoſtel oder Geſandte GOttes heißt. 4. Auf dieſe Sendung und Menſchwerdung folgete die wuͤrckliche Geburt von einem Weibe, nemlich von der dazu vor allen andern erkohrnen Jungfrauen Maria, davon bey dem Evangeliſten Matthaͤo c. 1. und Luca c. 1. 2. wie bekant, gehandelt wird. Wir haben alhier nur ſonderlich den Nachdruck der Redens-Art zu mercken, da es heißt: gebohren ἐκ γυναικὸς, aus einem Weibe: als dadurch die wahrhafti- ge menſchliche Natur angezeiget wird, daß Chri- ſtus alſo vom Weibe gebohren, daß er auch in ihr aus ihrem Weſen die menſchliche Natur an ſich genommen, und alſo aus ihr, als der verheiſſene Weibes-Same 1 B. Moſ. 3, 15. und des Men- ſchen Sohn, gebohren worden. Und daß er alſo nicht etwa nur παραςατικῶς, oder auf eine ſolche Art einen menſchlichen Leib angenommen, wie die Engel, wenn ſie darinnen erſchienen; als welcher Leib von ſolcher Beſchaffenheit geweſen, daß er hat koͤnnen wieder abgeleget werden: auf welche Art der Sohn GOttes ſelbſt, als der groſ- ſe unerſchaffene Engel des Bundes, mehrmal den Patriarchen und andern Glaubigen des alten Teſtaments, gleichſam zum Vorſpiel auf ſeine damals noch kuͤnftige Menſchwerdung, erſchie- nen iſt: ſondern ὑποςατικῶς, oder alſo, daß er die gantze menſchliche Natur wuͤrcklich und auf ewig mit der goͤttlichen in einer Perſon vereini- get hat. 5. Damit man aber ſo viel eigentlicher koͤn- ne erkennen, wie CHriſtus ſey unter das Geſetz gethan, und wie er uns vom Geſetze erloͤſet habe, ſo haben wir zuvorderſt zu erwegen, wie wir unter dem Geſetze ſtehen? Unter dem Ceremonial- und Policey-Geſetze ſtund allein das juͤdiſche Voͤlck. Unter dem Moral-Geſetze ſtehen mit demſelben alle Menſchen. Denn ob wol die oͤffentliche und ſolenne Promulgation dieſes Geſetzes gleichfalls nur bey dem juͤdiſchen Volcke geſchehen iſt; ſo gehet es doch alle Menſchen an. Denn es war daſſelbe an dem Eben-Bilde GOttes allen Men- ſchen ins Hertz geſchrieben. Nachdem es aber verlohren gegangen, ſo iſt damit zwar ſo wol das goͤttliche Licht, alles in ſeiner Laͤnge, Breite und Tiefe recht einzuſehen, als auch die goͤttliche Kraft, dem erkannten einen ſolchen Gehorſam, mit welchem man ohne einen Mittler vor GOtt haͤtte beſtehen koͤnnen, zu leiſten, verloſchen: in- deſſen aber iſt doch davon nach dem Lichte und nach der Kraft ſo viel uͤbrig blieben, als zum buͤrgerlichen Leben noͤthig iſt, den Menſchen auch von ſeiner Schuldigkeit gegen GOTT uͤberzeu- gen kan. Da nun dieſes Geſetz in dem Worte GOttes aufgeklaͤret und in ſeiner rechten Voll- kommenheit mit vollem Lichte vorgeſtellet wor- den, und GOTT dadurch ſeine Forderung, die er Vermoͤge der Schoͤpfung an das menſchliche Geſchlecht hat, proſequiret: ſo lieget der Menſch auf eine gedoppelte Art unter dem Geſetze: erſt- lich in Anſehung gedachter ſcharfen und doch auch gerechten Forderung, da es ſeine Schul- digkeit iſt, demſelben ohne alle Suͤnde einen vollkommenen Gehorſam zu leiſten. Und denn in Anſehung des Fluchs, welchen das Geſetz zur Verdammniß uͤber den Menſchen darum aus- ſpricht, weil er demſelben ſo gar kein Genuͤge lei- ſtet, daß vielmehr ſein gantzes Leben nichts an- ders iſt, als eine beſtaͤndige ἀνομία und ἀντινομία, oder Ubertretung des Geſetzes. Siehe c. 3, 10. 6. Hieraus iſt nun leichtlich zu erkennen, wie CHriſtus unter das Geſetz gethan: nemlich daß er ſich nicht allein, als ein gebohrner Jude, dem juͤdiſchen Policey- und Ceremonial- Geſetze in allen Dingen gehorſam erwieſen, z. E. da er ſich beſchneiden und fuͤr ſich opfern laſſen Luc. 2, 21. ſeqq. auf die Feſte gekommen, den Sabbath gefeyert, das Oſter-Lamm gegeſſen u. ſ. w. ſondern auch, da er, was er gethan, an un- ſerer ſtatt und uns zum Beſten gethan, daß er durch ſeinen vollkommenen Gehorſam das Moral- Geſetze an unſerer ſtatt und fuͤr uns erfuͤllet hat. Womit er denn die uͤber das gantze menſchliche Geſchlecht haftende debita officia, die ſchuldige Pflichten abgetragen; und, weil uͤber daſſelbe, auſ- ſer den nicht abgetragenen ſchuldigen Pflichten, auch ein groſſer Reatus, eine groſſe zur Strafe fuͤhrende Schuld lag: ſo hat er auch dieſe uͤber ſich genommen, und daher den im Geſetze dawider zur Verdammniß ausgeſprochenen Fluch uͤber ſich ergehen laſſen. Er hat aber denſelben ſon- derlich darinnen gefuͤhlet, daß er am Oel-Berge und am Creutze, als er von der goͤttlichen Ver- laſſung zeugete, diejenige Hoͤllen-Angſt, welche alle Menſchen auf ewig haͤtten ausſtehen muͤſ- ſen, ausgeſtanden, und ein rechtes Schuld-Feg- und Verſoͤhn-Opfer fuͤr das menſchliche Ge- ſchlecht geworden iſt. Das heißt: CHriſtus iſt unter das Geſetz gethan. Siehe c. 3, 13. 14. wozu X x x 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/559>, abgerufen am 27.11.2024.