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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 21. 22.
[Spaltenumbruch] 2 Cor. 3. zumal da durch die Kraft desselben das
verlohrne Ebenbild GOttes wieder also in uns
angerichtet wird, daß wir darein verkläret wer-
den von einer Klarheit zur andern, und das als
vom Geiste des HErrn 2 Cor. 3, 18.
6. Und solcher gestalt wird alhier der
Spruch Pauli erläutert, wenn er Rom. 8, 3.
spricht: Das dem Gesetze unmöglich war,
sintemal es durchs Fleisch geschwächet
ward, das thäte GOTT, und sandte sei-
nen Sohn
u. s. w. Da denn v. 2. das Evan-
gelium genennet wird das Gesetz des Gei-
stes, das da lebendig machet in CHristo
JESU.
7. Daß die Lehre von dem Vorzuge des
Evangelii vor dem Gesetze, imgleichen die von
unserm geistlichen Unvermögen und von der
Nothwendigkeit, allein nach dem Evangelio durch
CHristum selig zu werden, der wahren Heili-
gung und Erneurung des Menschen keines we-
ges entgegen stehe, sondern sie viel mehr befor-
dere, ist allein daraus offenbar, daß die dem
Gesetze abgesprochene Lebendigmachung, davon
alle zum gottseligen Wesen gehörige Kräfte de-
pendir
en, dem Evangelio zugeschrieben wird.
Daher denn folget, daß der, welcher noch im
geistlichen Tode lieget, und denselben durch
muthwillige Sünden beweiset, des Evangelii
noch nicht theilhaftig worden, sondern noch un-
ter dem Fluche des Gesetzes stehet.
8. Man siehet auch eine schöne Uberein-
stimmung zwischen dieser Evangelischen Leben-
digmachung und dem zum Evangelio gehörigen
Glauben. Denn der Glaube ist eben das
geistliche Leben und das geistliche Licht in der
Seele, wozu der Mensch kömmt durch die geist-
liche Erweckung oder Wiedergeburt.
9. Man hüte sich ja, daß man ja nicht
ohne Lebendigwerdung sich ein geistliches Leben
vorstelle, oder auf ein solches eigenes Wircken
falle, welches aus eignen Kräften geschiehet.
Es ist aber wie sehr leichte, also sehr gemein,
darauf zu fallen; da man denn als ein Lamer
und Blinder, ja gar noch als geistlicher Todter
gehen und sehen will, und sich das thätige Chri-
stenthum nicht allein schwer, sondern auch un-
möglich machet. Hingegen wirds bey dem geist-
lichen Leben ein sanftes Joch, eine leichte Last,
ja eine rechte Lust.
V. 22.

Aber (im Gegensatze auf die Lebendig-
machung, das Gesetze machet uns so gar nicht
lebendig, daß es uns vielmehr mit Vorhaltung
der Sünde den geistlichen Tod entdecket,) die
Schrift
(zuvorderst die, welche das Gesetz in
sich hält,) hat es alles (nicht allein alle
Menschen ohne alle Ausnahme, sondern auch
in ihnen alles, und also auch das, was noch
sonderlich gut zu seyn scheinet,) beschlossen
unter die Sünde,
(alles für Sünde und Sün-
der declariret,) auf daß die Verheissung kä-
me durch den Glauben an JEsum CHri-
stum, gegeben denen, die da gläuben,

(damit daraus erfolge, daß der Mensch, bey
erkanter Unmöglichkeit, seine Gerechtigkeit aus
[Spaltenumbruch] dem Gesetze zu haben und damit zur Seligkeit
vor GOTT zu bestehen, erkenne, daß ihm
nach dem vorgehaltenen und angepriesenen Ev-
angelio die Gerechtigkeit CHristi und die Se-
ligkeit als ein Gnaden-Geschenck, welches durch
den Glauben an ihn zu ergreifen sey, gegeben
werde.)

Anmerckungen.
1. Was Paulus alhier von der Schrift
saget, daß sie alles unter den Unglauben beschlos-
sen habe, das spricht er Rom. 11, 31. von GOtt,
wenn er saget: GOTT hat alles beschlos-
sen unter den Unglauben, auf daß er sich
aller erbarme.
Aus welcher beyder Stellen
Zusammenhaltung wir sehen, was ohne das die
Sache selbst also mit sich bringet, nemlich daß
die heilige Schrift GOttes Wort ist, und daß
also das, was die heilige Schrift saget, GOtt
selbst bezeuget, und daß GOTT die Offenba-
rung seines Willens durch die heilige Schrift
gethan habe, und daß die heilige Schrift von
GOTT eingegeben sey.
2. Und da der Apostel das, was er alhier
Gal. 3, 22. Sünde heisset, Rom. 11, 32. den
Unglauben nennet, so bezeuget er damit, daß
alle Sünde sich in den Unglauben concentrire,
und daß also der Unglaube, als der innerliche
geistliche Tod und die geistliche Finsterniß der
Seele, die rechte Quelle, die Mutter und der
Zusammenfluß aller Sünde sey, und daher den
Menschen am meisten verdamme, gleichwie uns
der Glaube selig machet.
3. Ob es nun aber gleich an dem ist, daß
uns der Unglaube verdammet, und uns hinge-
gen der Glaube selig machet: so geschiehet doch
beydes nicht auf gleiche Art, daß man sagen kön-
te, es sey der Glaube eben also die Ursache der
Seligkeit, wie der Unglaube die Ursache der
Verdammniß ist. Denn das der Unglaube ei-
ne Ursache der Verdammniß ist, kömmt daher,
weil er nicht allein des Menschen eignes Werck
ist, sondern auch der Grund, und, wie gedacht,
der Zusammenfluß ist aller herrschenden Sün-
den, und in einer solchen anomia, oder Abwei-
chung vom Gesetze bestehet, welche auch eine
antinomian, eine rechte Feindschaft wider GOtt
in sich hält, also daß der Mensch sich im Un-
glauben und Eigensinn wider und über GOtt
erhebet, das crimen der beleidigten göttlichen
Majestät begehet, und daher unter dem Fluche
GOttes lieget; auch über das alles noch dazu
den im Evangelio angepriesenen Mittler muth-
willig verwirft. Daher man denn wol siehet,
daß der Unglaube eine eigentliche wirckende Ur-
sache der Verdammniß sey. Darum unser Hei-
land Joh. 16, 8. 9. den Unglauben zur Haupt-
Sünde machet, um welcher willen der Heilige
Geist werde die Welt strafen. Und Marc. 16,
16. spricht er: Wer nicht glaubet, der wird
verdammet werden.
Hingegen aber ist der
Glaube keine wirckende Ursache der Seligkeit.
Denn er ist nicht unser eigenes, sondern GOt-
tes Gnaden-Werck in der Seele. Zu dem
wird er im Geschäfte der Seligkeit nicht betrach-
tet, wie er an sich selbst ist, da er ist eine göttli-
che
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 21. 22.
[Spaltenumbruch] 2 Cor. 3. zumal da durch die Kraft deſſelben das
verlohrne Ebenbild GOttes wieder alſo in uns
angerichtet wird, daß wir darein verklaͤret wer-
den von einer Klarheit zur andern, und das als
vom Geiſte des HErrn 2 Cor. 3, 18.
6. Und ſolcher geſtalt wird alhier der
Spruch Pauli erlaͤutert, wenn er Rom. 8, 3.
ſpricht: Das dem Geſetze unmoͤglich war,
ſintemal es durchs Fleiſch geſchwaͤchet
ward, das thaͤte GOTT, und ſandte ſei-
nen Sohn
u. ſ. w. Da denn v. 2. das Evan-
gelium genennet wird das Geſetz des Gei-
ſtes, das da lebendig machet in CHriſto
JESU.
7. Daß die Lehre von dem Vorzuge des
Evangelii vor dem Geſetze, imgleichen die von
unſerm geiſtlichen Unvermoͤgen und von der
Nothwendigkeit, allein nach dem Evangelio durch
CHriſtum ſelig zu werden, der wahren Heili-
gung und Erneurung des Menſchen keines we-
ges entgegen ſtehe, ſondern ſie viel mehr befor-
dere, iſt allein daraus offenbar, daß die dem
Geſetze abgeſprochene Lebendigmachung, davon
alle zum gottſeligen Weſen gehoͤrige Kraͤfte de-
pendir
en, dem Evangelio zugeſchrieben wird.
Daher denn folget, daß der, welcher noch im
geiſtlichen Tode lieget, und denſelben durch
muthwillige Suͤnden beweiſet, des Evangelii
noch nicht theilhaftig worden, ſondern noch un-
ter dem Fluche des Geſetzes ſtehet.
8. Man ſiehet auch eine ſchoͤne Uberein-
ſtimmung zwiſchen dieſer Evangeliſchen Leben-
digmachung und dem zum Evangelio gehoͤrigen
Glauben. Denn der Glaube iſt eben das
geiſtliche Leben und das geiſtliche Licht in der
Seele, wozu der Menſch koͤmmt durch die geiſt-
liche Erweckung oder Wiedergeburt.
9. Man huͤte ſich ja, daß man ja nicht
ohne Lebendigwerdung ſich ein geiſtliches Leben
vorſtelle, oder auf ein ſolches eigenes Wircken
falle, welches aus eignen Kraͤften geſchiehet.
Es iſt aber wie ſehr leichte, alſo ſehr gemein,
darauf zu fallen; da man denn als ein Lamer
und Blinder, ja gar noch als geiſtlicher Todter
gehen und ſehen will, und ſich das thaͤtige Chri-
ſtenthum nicht allein ſchwer, ſondern auch un-
moͤglich machet. Hingegen wirds bey dem geiſt-
lichen Leben ein ſanftes Joch, eine leichte Laſt,
ja eine rechte Luſt.
V. 22.

Aber (im Gegenſatze auf die Lebendig-
machung, das Geſetze machet uns ſo gar nicht
lebendig, daß es uns vielmehr mit Vorhaltung
der Suͤnde den geiſtlichen Tod entdecket,) die
Schrift
(zuvorderſt die, welche das Geſetz in
ſich haͤlt,) hat es alles (nicht allein alle
Menſchen ohne alle Ausnahme, ſondern auch
in ihnen alles, und alſo auch das, was noch
ſonderlich gut zu ſeyn ſcheinet,) beſchloſſen
unter die Suͤnde,
(alles fuͤr Suͤnde und Suͤn-
der declariret,) auf daß die Verheiſſung kaͤ-
me durch den Glauben an JEſum CHri-
ſtum, gegeben denen, die da glaͤuben,

(damit daraus erfolge, daß der Menſch, bey
erkanter Unmoͤglichkeit, ſeine Gerechtigkeit aus
[Spaltenumbruch] dem Geſetze zu haben und damit zur Seligkeit
vor GOTT zu beſtehen, erkenne, daß ihm
nach dem vorgehaltenen und angeprieſenen Ev-
angelio die Gerechtigkeit CHriſti und die Se-
ligkeit als ein Gnaden-Geſchenck, welches durch
den Glauben an ihn zu ergreifen ſey, gegeben
werde.)

Anmerckungen.
1. Was Paulus alhier von der Schrift
ſaget, daß ſie alles unter den Unglauben beſchloſ-
ſen habe, das ſpricht er Rom. 11, 31. von GOtt,
wenn er ſaget: GOTT hat alles beſchloſ-
ſen unter den Unglauben, auf daß er ſich
aller erbarme.
Aus welcher beyder Stellen
Zuſammenhaltung wir ſehen, was ohne das die
Sache ſelbſt alſo mit ſich bringet, nemlich daß
die heilige Schrift GOttes Wort iſt, und daß
alſo das, was die heilige Schrift ſaget, GOtt
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gethan habe, und daß die heilige Schrift von
GOTT eingegeben ſey.
2. Und da der Apoſtel das, was er alhier
Gal. 3, 22. Suͤnde heiſſet, Rom. 11, 32. den
Unglauben nennet, ſo bezeuget er damit, daß
alle Suͤnde ſich in den Unglauben concentrire,
und daß alſo der Unglaube, als der innerliche
geiſtliche Tod und die geiſtliche Finſterniß der
Seele, die rechte Quelle, die Mutter und der
Zuſammenfluß aller Suͤnde ſey, und daher den
Menſchen am meiſten verdamme, gleichwie uns
der Glaube ſelig machet.
3. Ob es nun aber gleich an dem iſt, daß
uns der Unglaube verdammet, und uns hinge-
gen der Glaube ſelig machet: ſo geſchiehet doch
beydes nicht auf gleiche Art, daß man ſagen koͤn-
te, es ſey der Glaube eben alſo die Urſache der
Seligkeit, wie der Unglaube die Urſache der
Verdammniß iſt. Denn das der Unglaube ei-
ne Urſache der Verdammniß iſt, koͤmmt daher,
weil er nicht allein des Menſchen eignes Werck
iſt, ſondern auch der Grund, und, wie gedacht,
der Zuſammenfluß iſt aller herrſchenden Suͤn-
den, und in einer ſolchen ἀνομίᾳ, oder Abwei-
chung vom Geſetze beſtehet, welche auch eine
ἀντινομίαν, eine rechte Feindſchaft wider GOtt
in ſich haͤlt, alſo daß der Menſch ſich im Un-
glauben und Eigenſinn wider und uͤber GOtt
erhebet, das crimen der beleidigten goͤttlichen
Majeſtaͤt begehet, und daher unter dem Fluche
GOttes lieget; auch uͤber das alles noch dazu
den im Evangelio angeprieſenen Mittler muth-
willig verwirft. Daher man denn wol ſiehet,
daß der Unglaube eine eigentliche wirckende Ur-
ſache der Verdammniß ſey. Darum unſer Hei-
land Joh. 16, 8. 9. den Unglauben zur Haupt-
Suͤnde machet, um welcher willen der Heilige
Geiſt werde die Welt ſtrafen. Und Marc. 16,
16. ſpricht er: Wer nicht glaubet, der wird
verdammet werden.
Hingegen aber iſt der
Glaube keine wirckende Urſache der Seligkeit.
Denn er iſt nicht unſer eigenes, ſondern GOt-
tes Gnaden-Werck in der Seele. Zu dem
wird er im Geſchaͤfte der Seligkeit nicht betrach-
tet, wie er an ſich ſelbſt iſt, da er iſt eine goͤttli-
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[520/0548] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 21. 22. 2 Cor. 3. zumal da durch die Kraft deſſelben das verlohrne Ebenbild GOttes wieder alſo in uns angerichtet wird, daß wir darein verklaͤret wer- den von einer Klarheit zur andern, und das als vom Geiſte des HErrn 2 Cor. 3, 18. 6. Und ſolcher geſtalt wird alhier der Spruch Pauli erlaͤutert, wenn er Rom. 8, 3. ſpricht: Das dem Geſetze unmoͤglich war, ſintemal es durchs Fleiſch geſchwaͤchet ward, das thaͤte GOTT, und ſandte ſei- nen Sohn u. ſ. w. Da denn v. 2. das Evan- gelium genennet wird das Geſetz des Gei- ſtes, das da lebendig machet in CHriſto JESU. 7. Daß die Lehre von dem Vorzuge des Evangelii vor dem Geſetze, imgleichen die von unſerm geiſtlichen Unvermoͤgen und von der Nothwendigkeit, allein nach dem Evangelio durch CHriſtum ſelig zu werden, der wahren Heili- gung und Erneurung des Menſchen keines we- ges entgegen ſtehe, ſondern ſie viel mehr befor- dere, iſt allein daraus offenbar, daß die dem Geſetze abgeſprochene Lebendigmachung, davon alle zum gottſeligen Weſen gehoͤrige Kraͤfte de- pendiren, dem Evangelio zugeſchrieben wird. Daher denn folget, daß der, welcher noch im geiſtlichen Tode lieget, und denſelben durch muthwillige Suͤnden beweiſet, des Evangelii noch nicht theilhaftig worden, ſondern noch un- ter dem Fluche des Geſetzes ſtehet. 8. Man ſiehet auch eine ſchoͤne Uberein- ſtimmung zwiſchen dieſer Evangeliſchen Leben- digmachung und dem zum Evangelio gehoͤrigen Glauben. Denn der Glaube iſt eben das geiſtliche Leben und das geiſtliche Licht in der Seele, wozu der Menſch koͤmmt durch die geiſt- liche Erweckung oder Wiedergeburt. 9. Man huͤte ſich ja, daß man ja nicht ohne Lebendigwerdung ſich ein geiſtliches Leben vorſtelle, oder auf ein ſolches eigenes Wircken falle, welches aus eignen Kraͤften geſchiehet. Es iſt aber wie ſehr leichte, alſo ſehr gemein, darauf zu fallen; da man denn als ein Lamer und Blinder, ja gar noch als geiſtlicher Todter gehen und ſehen will, und ſich das thaͤtige Chri- ſtenthum nicht allein ſchwer, ſondern auch un- moͤglich machet. Hingegen wirds bey dem geiſt- lichen Leben ein ſanftes Joch, eine leichte Laſt, ja eine rechte Luſt. V. 22. Aber (im Gegenſatze auf die Lebendig- machung, das Geſetze machet uns ſo gar nicht lebendig, daß es uns vielmehr mit Vorhaltung der Suͤnde den geiſtlichen Tod entdecket,) die Schrift (zuvorderſt die, welche das Geſetz in ſich haͤlt,) hat es alles (nicht allein alle Menſchen ohne alle Ausnahme, ſondern auch in ihnen alles, und alſo auch das, was noch ſonderlich gut zu ſeyn ſcheinet,) beſchloſſen unter die Suͤnde, (alles fuͤr Suͤnde und Suͤn- der declariret,) auf daß die Verheiſſung kaͤ- me durch den Glauben an JEſum CHri- ſtum, gegeben denen, die da glaͤuben, (damit daraus erfolge, daß der Menſch, bey erkanter Unmoͤglichkeit, ſeine Gerechtigkeit aus dem Geſetze zu haben und damit zur Seligkeit vor GOTT zu beſtehen, erkenne, daß ihm nach dem vorgehaltenen und angeprieſenen Ev- angelio die Gerechtigkeit CHriſti und die Se- ligkeit als ein Gnaden-Geſchenck, welches durch den Glauben an ihn zu ergreifen ſey, gegeben werde.) Anmerckungen. 1. Was Paulus alhier von der Schrift ſaget, daß ſie alles unter den Unglauben beſchloſ- ſen habe, das ſpricht er Rom. 11, 31. von GOtt, wenn er ſaget: GOTT hat alles beſchloſ- ſen unter den Unglauben, auf daß er ſich aller erbarme. Aus welcher beyder Stellen Zuſammenhaltung wir ſehen, was ohne das die Sache ſelbſt alſo mit ſich bringet, nemlich daß die heilige Schrift GOttes Wort iſt, und daß alſo das, was die heilige Schrift ſaget, GOtt ſelbſt bezeuget, und daß GOTT die Offenba- rung ſeines Willens durch die heilige Schrift gethan habe, und daß die heilige Schrift von GOTT eingegeben ſey. 2. Und da der Apoſtel das, was er alhier Gal. 3, 22. Suͤnde heiſſet, Rom. 11, 32. den Unglauben nennet, ſo bezeuget er damit, daß alle Suͤnde ſich in den Unglauben concentrire, und daß alſo der Unglaube, als der innerliche geiſtliche Tod und die geiſtliche Finſterniß der Seele, die rechte Quelle, die Mutter und der Zuſammenfluß aller Suͤnde ſey, und daher den Menſchen am meiſten verdamme, gleichwie uns der Glaube ſelig machet. 3. Ob es nun aber gleich an dem iſt, daß uns der Unglaube verdammet, und uns hinge- gen der Glaube ſelig machet: ſo geſchiehet doch beydes nicht auf gleiche Art, daß man ſagen koͤn- te, es ſey der Glaube eben alſo die Urſache der Seligkeit, wie der Unglaube die Urſache der Verdammniß iſt. Denn das der Unglaube ei- ne Urſache der Verdammniß iſt, koͤmmt daher, weil er nicht allein des Menſchen eignes Werck iſt, ſondern auch der Grund, und, wie gedacht, der Zuſammenfluß iſt aller herrſchenden Suͤn- den, und in einer ſolchen ἀνομίᾳ, oder Abwei- chung vom Geſetze beſtehet, welche auch eine ἀντινομίαν, eine rechte Feindſchaft wider GOtt in ſich haͤlt, alſo daß der Menſch ſich im Un- glauben und Eigenſinn wider und uͤber GOtt erhebet, das crimen der beleidigten goͤttlichen Majeſtaͤt begehet, und daher unter dem Fluche GOttes lieget; auch uͤber das alles noch dazu den im Evangelio angeprieſenen Mittler muth- willig verwirft. Daher man denn wol ſiehet, daß der Unglaube eine eigentliche wirckende Ur- ſache der Verdammniß ſey. Darum unſer Hei- land Joh. 16, 8. 9. den Unglauben zur Haupt- Suͤnde machet, um welcher willen der Heilige Geiſt werde die Welt ſtrafen. Und Marc. 16, 16. ſpricht er: Wer nicht glaubet, der wird verdammet werden. Hingegen aber iſt der Glaube keine wirckende Urſache der Seligkeit. Denn er iſt nicht unſer eigenes, ſondern GOt- tes Gnaden-Werck in der Seele. Zu dem wird er im Geſchaͤfte der Seligkeit nicht betrach- tet, wie er an ſich ſelbſt iſt, da er iſt eine goͤttli- che

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/548>, abgerufen am 24.11.2024.