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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 9. 10.
[Spaltenumbruch] mit allerley geistlichen Segen in himmli-
schen Gütern durch CHristum.
4. Wie aber mit dem Haupt-Gute dieses
Segens, der Rechtfertigung, oder Zueignung
der Gerechtigkeit CHristi, alle übrige Güter des
Heils verknüpfet sind, zeiget Paulus unter an-
dern an Rom. 5, 1. seqq. da er spricht: Nach-
dem wir gerecht worden sind durch den
Glauben, so haben wir Friede mit GOTT
durch unsern HErrn JEsum CHristum:
durch welchen wir auch einen Zugang ha-
ben im Glauben zu dieser Gnade, darinnen
wir stehen, und rühmen uns der zukünfti-
gen Herrlichkeit, die GOTT geben soll.
u.
s. w. Es heissen daher auch die Gläubigen mit
besonderm Nachdruck die Gesegneten des
HERRN:
wie denn der HERR zu ihnen
dermaleins sagen wird: Kommet her, ihr
Gesegneten meines Vaters, ererbet das
Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn
der Welt.
Da hingegen die Verdammten
diesen Namen und diesen Ausspruch hören:
Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, ins
ewige Feuer.
u. s. w.
V. 10.

Denn die mit des Gesetzes Wercken
(also) umgehen, daß sie vor GOTT ihre Se-
ligkeit nicht so wol aus Gnaden, als von Rechts
wegen erlangen und verdienen wollen Rom. 10,
3. und doch nichts weniger thun können, als die-
ses,) die sind (wie ausser CHristo unter dem
Gesetze, also auch) unter dem Fluche. Denn
es stehet
(5 B. Mos. 27, 26.) geschrieben:
Verfluchet sey iederman, der nicht bleibet
in allem dem, das geschrieben stehet in dem
Buche des Gesetzes, daß ers thue
(vollkömm-
lich, also, wie es GOTT haben will. Siehe
auch Jer. 11, 3. 2 Cor. 3, 9.)

Anmerckungen.
1. Wenn man diesen Spruch gründlich
verstehen will, muß man mercken: a. Was
GOTT der menschlichen Natur anver-
trauet habe.
b. Wie sie solches verlohren.
c. Wie GOTT das Verlohrne wieder fode-
re.
d. Wie er nur denen, welche das gefoderte
leisten können, den Segen verheisset. Hin-
gegen aber e. denen, die es nicht leisten, den Fluch
dräuet.
2. GOTT hat der menschlichen Natur die
herrliche Beylage seines Ebenbildes anver-
trauet: und nach demselben war sie rein von
Sünden, und hatte dabey solche Kräfte, daß sie
GOTT konte in aller Gerechtigkeit und Heilig-
keit dienen.
3. Diese theure Beylage aber hat sie durch
den Sünden-Fall dergestalt verlohren, daß
sie nicht allein in ein gäntzliches Unvermögen,
GOTT über alles zu lieben, und die übrige
Pflichten gegen sich selbst und den Nächsten voll-
kömmlich auszuüben, gesetzet worden, sondern
auch, daß sie durch und durch mit Sünden ver-
unreiniget, und mit grössester Widerspenstigkeit
gegen GOTT erfüllet ist.
4. Diese verwahrlosete Beylage fodert
[Spaltenumbruch] GOTT von Rechts wegen von der menschlichen
Natur, wie sie nachhero in dem gantzen mensch-
lichen Geschlechte in unzehligen Personen ausge-
breitet ist. Und zur Kundmachung solcher seiner ge-
rechten Foderung hat er sein Gesetz gegeben; wel-
ches in seiner Schärfe dahin gehet, daß der Mensch
soll ohne alle böse Lust, oder gar ohne alle Sünde
seyn, und GOtt lieben von gantzem Hertzen,
von gantzer Seele und von allem Vermö-
gen, und seinen Nächsten als sich selbst.

5 B. Mos. 6, 5. 10, 12. 3 B. Mos. 19, 18. Math.
22, 36-40.
5. Welche nun das geforderte leisten wür-
den, denen versprach GOTT, daß sie dadurch
leben solten
3 B. Mos. 18, 5. Ezech. 20, 11.
Rom. 10, 5. Da denn die innerliche und voll-
kommene Haltung oder Erfüllung auf das ewi-
ge Leben ging; die äusserliche aber, oder bürger-
liche, auf das zeitliche Leben: gleichwie hingegen
auf die äusserliche und muthwillige Ubertretung
des Gesetzes der zeitliche Tod gesetzet war 2 B.
Mos. 15, 32. seqq. 35, 30. 5 B. Mos. 17, 6. 19,
15. Hebr. 10, 28. Welche Strafe des zeitlichen
Todes denn zugleich anzeigete, daß die innerliche
Unterlassung der Erfüllung den ewigen Tod nach
sich ziehe; zumal da sie mit der größten Ubertre-
tung verbunden sey. Und diß ists, was in un-
serm Texte bezeuget wird.
6. Denn mit des Gesetzes Wercken
umgehen heißt seine Gerechtigkeit und Seligkeit
durch den dem Gesetze geleisteten Gehorsam su-
chen. Da nun dieser Gehorsam höchst unvoll-
kommen ist, zumal da er aus bloß natürlichen
Kräften kömmt, und die Gnaden-Kräfte selbst
die Vollkommenheit in diesem Leben noch nicht
erreichen, und dazu nicht unser eigen, sondern
GOttes sind: so ist leichtlich zu erachten, daß
der Mensch durch diesen gesetzlichen Weg nicht
zum ewigen Leben eingehen kan, sondern daß er
zur Verdammniß unter dem Fluche des Gesetzes
bleibet.
7. Da nun der Apostel eine solche allgemei-
ne Regel setzet von denen, welche zum Nachtheil
der Erlösung CHristi mit des Gesetzes Wercken
so verdienstlich umgingen; und die Galater solche
insonderheit waren: so konten sie leichtlich die
Application auf sich selbst machen.
8. Man siehet demnach aus diesem gan-
tzen Contexte, und sonderlich aus diesen Worten
Mosis und Pauli, daß der Apostel das Evange-
lium von CHristo nicht allein dem Ceremonial-
Gesetze, sondern auch dem Gesetze, welches auf
die innerliche u. äusserliche Heiligung gehet, und
das Moral-Gesetz genannt wird, entgegen setzet,
was den Einfluß zur Seligkeit betrift. Und hier-
aus erkennet man zugleich, daß die damaligen
falschen Lehrer, durch welche die Galater so sehr
verwirret worden, diese nebst dem Evangelio von
CHristo auf beydes geführet haben.
9. Jm übrigen dienet das 23te Capitel
Matthäi nicht wenig zur Erläuterung dieses
Textes. Denn darinnen werden die Pharisäer
beschrieben als solche, welche die Gerechtigkeit
aus dem Gesetze suchten. Wie wenig sie aber
dieselbe damit bey GOTT erhalten haben, ist
daraus offenbar, daß ihnen der HErr JESUS
an
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 9. 10.
[Spaltenumbruch] mit allerley geiſtlichen Segen in himmli-
ſchen Guͤtern durch CHriſtum.
4. Wie aber mit dem Haupt-Gute dieſes
Segens, der Rechtfertigung, oder Zueignung
der Gerechtigkeit CHriſti, alle uͤbrige Guͤter des
Heils verknuͤpfet ſind, zeiget Paulus unter an-
dern an Rom. 5, 1. ſeqq. da er ſpricht: Nach-
dem wir gerecht worden ſind durch den
Glauben, ſo haben wir Friede mit GOTT
durch unſern HErrn JEſum CHriſtum:
durch welchen wir auch einen Zugang ha-
ben im Glauben zu dieſer Gnade, darinnen
wir ſtehen, und ruͤhmen uns der zukuͤnfti-
gen Herrlichkeit, die GOTT geben ſoll.
u.
ſ. w. Es heiſſen daher auch die Glaͤubigen mit
beſonderm Nachdruck die Geſegneten des
HERRN:
wie denn der HERR zu ihnen
dermaleins ſagen wird: Kommet her, ihr
Geſegneten meines Vaters, ererbet das
Reich, das euch bereitet iſt von Anbeginn
der Welt.
Da hingegen die Verdammten
dieſen Namen und dieſen Ausſpruch hoͤren:
Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, ins
ewige Feuer.
u. ſ. w.
V. 10.

Denn die mit des Geſetzes Wercken
(alſo) umgehen, daß ſie vor GOTT ihre Se-
ligkeit nicht ſo wol aus Gnaden, als von Rechts
wegen erlangen und verdienen wollen Rom. 10,
3. und doch nichts weniger thun koͤnnen, als die-
ſes,) die ſind (wie auſſer CHriſto unter dem
Geſetze, alſo auch) unter dem Fluche. Denn
es ſtehet
(5 B. Moſ. 27, 26.) geſchrieben:
Verfluchet ſey iederman, der nicht bleibet
in allem dem, das geſchrieben ſtehet in dem
Buche des Geſetzes, daß ers thue
(vollkoͤm̃-
lich, alſo, wie es GOTT haben will. Siehe
auch Jer. 11, 3. 2 Cor. 3, 9.)

Anmerckungen.
1. Wenn man dieſen Spruch gruͤndlich
verſtehen will, muß man mercken: a. Was
GOTT der menſchlichen Natur anver-
trauet habe.
b. Wie ſie ſolches verlohren.
c. Wie GOTT das Verlohrne wieder fode-
re.
d. Wie er nur denen, welche das gefoderte
leiſten koͤnnen, den Segen verheiſſet. Hin-
gegen aber e. denen, die es nicht leiſten, den Fluch
draͤuet.
2. GOTT hat der menſchlichen Natur die
herrliche Beylage ſeines Ebenbildes anver-
trauet: und nach demſelben war ſie rein von
Suͤnden, und hatte dabey ſolche Kraͤfte, daß ſie
GOTT konte in aller Gerechtigkeit und Heilig-
keit dienen.
3. Dieſe theure Beylage aber hat ſie durch
den Suͤnden-Fall dergeſtalt verlohren, daß
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GOTT uͤber alles zu lieben, und die uͤbrige
Pflichten gegen ſich ſelbſt und den Naͤchſten voll-
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auch, daß ſie durch und durch mit Suͤnden ver-
unreiniget, und mit groͤſſeſter Widerſpenſtigkeit
gegen GOTT erfuͤllet iſt.
4. Dieſe verwahrloſete Beylage fodert
[Spaltenumbruch] GOTT von Rechts wegen von der menſchlichen
Natur, wie ſie nachhero in dem gantzen menſch-
lichen Geſchlechte in unzehligen Perſonen ausge-
breitet iſt. Und zur Kundmachung ſolcher ſeiner ge-
rechten Foderung hat er ſein Geſetz gegeben; wel-
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gen, und ſeinen Naͤchſten als ſich ſelbſt.

5 B. Moſ. 6, 5. 10, 12. 3 B. Moſ. 19, 18. Math.
22, 36-40.
5. Welche nun das geforderte leiſten wuͤr-
den, denen verſprach GOTT, daß ſie dadurch
leben ſolten
3 B. Moſ. 18, 5. Ezech. 20, 11.
Rom. 10, 5. Da denn die innerliche und voll-
kommene Haltung oder Erfuͤllung auf das ewi-
ge Leben ging; die aͤuſſerliche aber, oder buͤrger-
liche, auf das zeitliche Leben: gleichwie hingegen
auf die aͤuſſerliche und muthwillige Ubertretung
des Geſetzes der zeitliche Tod geſetzet war 2 B.
Moſ. 15, 32. ſeqq. 35, 30. 5 B. Moſ. 17, 6. 19,
15. Hebr. 10, 28. Welche Strafe des zeitlichen
Todes denn zugleich anzeigete, daß die innerliche
Unterlaſſung der Erfuͤllung den ewigen Tod nach
ſich ziehe; zumal da ſie mit der groͤßten Ubertre-
tung verbunden ſey. Und diß iſts, was in un-
ſerm Texte bezeuget wird.
6. Denn mit des Geſetzes Wercken
umgehen heißt ſeine Gerechtigkeit und Seligkeit
durch den dem Geſetze geleiſteten Gehorſam ſu-
chen. Da nun dieſer Gehorſam hoͤchſt unvoll-
kommen iſt, zumal da er aus bloß natuͤrlichen
Kraͤften koͤmmt, und die Gnaden-Kraͤfte ſelbſt
die Vollkommenheit in dieſem Leben noch nicht
erreichen, und dazu nicht unſer eigen, ſondern
GOttes ſind: ſo iſt leichtlich zu erachten, daß
der Menſch durch dieſen geſetzlichen Weg nicht
zum ewigen Leben eingehen kan, ſondern daß er
zur Verdammniß unter dem Fluche des Geſetzes
bleibet.
7. Da nun der Apoſtel eine ſolche allgemei-
ne Regel ſetzet von denen, welche zum Nachtheil
der Erloͤſung CHriſti mit des Geſetzes Wercken
ſo verdienſtlich umgingen; und die Galater ſolche
inſonderheit waren: ſo konten ſie leichtlich die
Application auf ſich ſelbſt machen.
8. Man ſiehet demnach aus dieſem gan-
tzen Contexte, und ſonderlich aus dieſen Worten
Moſis und Pauli, daß der Apoſtel das Evange-
lium von CHriſto nicht allein dem Ceremonial-
Geſetze, ſondern auch dem Geſetze, welches auf
die innerliche u. aͤuſſerliche Heiligung gehet, und
das Moral-Geſetz genannt wird, entgegen ſetzet,
was den Einfluß zur Seligkeit betrift. Und hier-
aus erkennet man zugleich, daß die damaligen
falſchen Lehrer, durch welche die Galater ſo ſehr
verwirret worden, dieſe nebſt dem Evangelio von
CHriſto auf beydes gefuͤhret haben.
9. Jm uͤbrigen dienet das 23te Capitel
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Textes. Denn darinnen werden die Phariſaͤer
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[510/0538] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 9. 10. mit allerley geiſtlichen Segen in himmli- ſchen Guͤtern durch CHriſtum. 4. Wie aber mit dem Haupt-Gute dieſes Segens, der Rechtfertigung, oder Zueignung der Gerechtigkeit CHriſti, alle uͤbrige Guͤter des Heils verknuͤpfet ſind, zeiget Paulus unter an- dern an Rom. 5, 1. ſeqq. da er ſpricht: Nach- dem wir gerecht worden ſind durch den Glauben, ſo haben wir Friede mit GOTT durch unſern HErrn JEſum CHriſtum: durch welchen wir auch einen Zugang ha- ben im Glauben zu dieſer Gnade, darinnen wir ſtehen, und ruͤhmen uns der zukuͤnfti- gen Herrlichkeit, die GOTT geben ſoll. u. ſ. w. Es heiſſen daher auch die Glaͤubigen mit beſonderm Nachdruck die Geſegneten des HERRN: wie denn der HERR zu ihnen dermaleins ſagen wird: Kommet her, ihr Geſegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet iſt von Anbeginn der Welt. Da hingegen die Verdammten dieſen Namen und dieſen Ausſpruch hoͤren: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer. u. ſ. w. V. 10. Denn die mit des Geſetzes Wercken (alſo) umgehen, daß ſie vor GOTT ihre Se- ligkeit nicht ſo wol aus Gnaden, als von Rechts wegen erlangen und verdienen wollen Rom. 10, 3. und doch nichts weniger thun koͤnnen, als die- ſes,) die ſind (wie auſſer CHriſto unter dem Geſetze, alſo auch) unter dem Fluche. Denn es ſtehet (5 B. Moſ. 27, 26.) geſchrieben: Verfluchet ſey iederman, der nicht bleibet in allem dem, das geſchrieben ſtehet in dem Buche des Geſetzes, daß ers thue (vollkoͤm̃- lich, alſo, wie es GOTT haben will. Siehe auch Jer. 11, 3. 2 Cor. 3, 9.) Anmerckungen. 1. Wenn man dieſen Spruch gruͤndlich verſtehen will, muß man mercken: a. Was GOTT der menſchlichen Natur anver- trauet habe. b. Wie ſie ſolches verlohren. c. Wie GOTT das Verlohrne wieder fode- re. d. Wie er nur denen, welche das gefoderte leiſten koͤnnen, den Segen verheiſſet. Hin- gegen aber e. denen, die es nicht leiſten, den Fluch draͤuet. 2. GOTT hat der menſchlichen Natur die herrliche Beylage ſeines Ebenbildes anver- trauet: und nach demſelben war ſie rein von Suͤnden, und hatte dabey ſolche Kraͤfte, daß ſie GOTT konte in aller Gerechtigkeit und Heilig- keit dienen. 3. Dieſe theure Beylage aber hat ſie durch den Suͤnden-Fall dergeſtalt verlohren, daß ſie nicht allein in ein gaͤntzliches Unvermoͤgen, GOTT uͤber alles zu lieben, und die uͤbrige Pflichten gegen ſich ſelbſt und den Naͤchſten voll- koͤmmlich auszuuͤben, geſetzet worden, ſondern auch, daß ſie durch und durch mit Suͤnden ver- unreiniget, und mit groͤſſeſter Widerſpenſtigkeit gegen GOTT erfuͤllet iſt. 4. Dieſe verwahrloſete Beylage fodert GOTT von Rechts wegen von der menſchlichen Natur, wie ſie nachhero in dem gantzen menſch- lichen Geſchlechte in unzehligen Perſonen ausge- breitet iſt. Und zur Kundmachung ſolcher ſeiner ge- rechten Foderung hat er ſein Geſetz gegeben; wel- ches in ſeiner Schaͤrfe dahin gehet, daß der Menſch ſoll ohne alle boͤſe Luſt, oder gar ohne alle Suͤnde ſeyn, und GOtt lieben von gantzem Hertzen, von gantzer Seele und von allem Vermoͤ- gen, und ſeinen Naͤchſten als ſich ſelbſt. 5 B. Moſ. 6, 5. 10, 12. 3 B. Moſ. 19, 18. Math. 22, 36-40. 5. Welche nun das geforderte leiſten wuͤr- den, denen verſprach GOTT, daß ſie dadurch leben ſolten 3 B. Moſ. 18, 5. Ezech. 20, 11. Rom. 10, 5. Da denn die innerliche und voll- kommene Haltung oder Erfuͤllung auf das ewi- ge Leben ging; die aͤuſſerliche aber, oder buͤrger- liche, auf das zeitliche Leben: gleichwie hingegen auf die aͤuſſerliche und muthwillige Ubertretung des Geſetzes der zeitliche Tod geſetzet war 2 B. Moſ. 15, 32. ſeqq. 35, 30. 5 B. Moſ. 17, 6. 19, 15. Hebr. 10, 28. Welche Strafe des zeitlichen Todes denn zugleich anzeigete, daß die innerliche Unterlaſſung der Erfuͤllung den ewigen Tod nach ſich ziehe; zumal da ſie mit der groͤßten Ubertre- tung verbunden ſey. Und diß iſts, was in un- ſerm Texte bezeuget wird. 6. Denn mit des Geſetzes Wercken umgehen heißt ſeine Gerechtigkeit und Seligkeit durch den dem Geſetze geleiſteten Gehorſam ſu- chen. Da nun dieſer Gehorſam hoͤchſt unvoll- kommen iſt, zumal da er aus bloß natuͤrlichen Kraͤften koͤmmt, und die Gnaden-Kraͤfte ſelbſt die Vollkommenheit in dieſem Leben noch nicht erreichen, und dazu nicht unſer eigen, ſondern GOttes ſind: ſo iſt leichtlich zu erachten, daß der Menſch durch dieſen geſetzlichen Weg nicht zum ewigen Leben eingehen kan, ſondern daß er zur Verdammniß unter dem Fluche des Geſetzes bleibet. 7. Da nun der Apoſtel eine ſolche allgemei- ne Regel ſetzet von denen, welche zum Nachtheil der Erloͤſung CHriſti mit des Geſetzes Wercken ſo verdienſtlich umgingen; und die Galater ſolche inſonderheit waren: ſo konten ſie leichtlich die Application auf ſich ſelbſt machen. 8. Man ſiehet demnach aus dieſem gan- tzen Contexte, und ſonderlich aus dieſen Worten Moſis und Pauli, daß der Apoſtel das Evange- lium von CHriſto nicht allein dem Ceremonial- Geſetze, ſondern auch dem Geſetze, welches auf die innerliche u. aͤuſſerliche Heiligung gehet, und das Moral-Geſetz genannt wird, entgegen ſetzet, was den Einfluß zur Seligkeit betrift. Und hier- aus erkennet man zugleich, daß die damaligen falſchen Lehrer, durch welche die Galater ſo ſehr verwirret worden, dieſe nebſt dem Evangelio von CHriſto auf beydes gefuͤhret haben. 9. Jm uͤbrigen dienet das 23te Capitel Matthaͤi nicht wenig zur Erlaͤuterung dieſes Textes. Denn darinnen werden die Phariſaͤer beſchrieben als ſolche, welche die Gerechtigkeit aus dem Geſetze ſuchten. Wie wenig ſie aber dieſelbe damit bey GOTT erhalten haben, iſt daraus offenbar, daß ihnen der HErr JESUS an

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/538>, abgerufen am 27.11.2024.