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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 1.
[Spaltenumbruch] Galater ihrer Wanckelmüthigkeit wegen ernst-
lich, aber doch auch liebreich, bestrafet, und sie
darauf von derselben Unbilligkeit mit mehrern zu
überzeugen suchet.
2. Gleichwie in Christo alle Schätze der
Weisheit und der Erkäntniß verborgen liegen,
und daher Christum recht erkennen, die rechte
Weisheit ist Col. 2, 2. 3. so ist es hingegen die
grösseste Thorheit, Christum nicht recht erken-
nen, und sich an ihn nicht vest halten.
3. Wahrheit führet die Weisheit mit
sich: Jrrthum aber Unverstand. Und ob-
gleich Jrrthümer sich mit dem Schein der
Vernunft schmücken, so sind sie doch an sich recht
unvernünftig: der rechte Gebrauch aber der Ver-
nunft ist nicht gesunder und richtiger, als bey er-
leuchteten Christen.
4. Ernstlich strafen, wo es die Noth
erfodert, und es doch mit einem liebreichen
Hertzen,
und auf eine evangelische Art thun,
nach dem Exempel Christi an die Emmauntischen
Jünger Luc. 24, 15. ist der Character eines apo-
stolischen Lehrers: da es hingegen ein Kennzei-
chen eines Mietlings und ungesalbten, oder nicht
nach dem Grunde der Gnaden-Salbung han-
delnden Lehrers ist, entweder gar nicht und nicht
zur rechten Zeit strafen, wenn es nöthig ist, oder
solches mit einem entweder nur gantz kaltsinni-
gen Hertzen, oder mit rohen und bittern Affect,
auch solchen Worten thun, die an statt der Bes-
serung nur lauter Unwillen anrichten.
5. Paulus bestrafet in den Galatern zu-
gleich die verführischen Lehrer. Diese ihrer
Verleitung wegen; jene aber, daß sie sich ver-
leiten und gleichsam bezaubern lassen. Die
Frage aber an sie geschiehet nicht darum, als
wolte der Apostel es erst erfahren, sondern sie ist
eine Anzeigung von seiner grossen Verwunde-
rung.
6. Es haben manche Jrrthümer gleichsam
eine bezaubernde Kraft in sich, die Gemüther
zu vergiften und zu verstricken; zumal, wenn
eingleissender Vortrag arglistiger und verführi-
scher Lehrer und Schriften dazu kömmt, dadurch
ihnen der Schein des Rechten gegeben wird.
7. Ein solcher Jrrthum war der, daß man
die Seligkeit nicht allein durch die Erlösung
Christi, sondern zugleich auch durch seine eigne
Frömmigkeit in den Wercken des Gesetzes zu su-
chen habe. Denn gleichwie dieses letztere von
den falschen Lehrern unter andern mit der Vor-
stellung von dem göttlichen Ursprunge und von
der Vortreflichkeit des Gesetzes gar scheinbar ge-
machet werden konte: so ging es der verderbten
Natur auch so viel leichter ein, so viel leichter sie
sich aufblehet, und so viel lieber sie selbst etwas
verdienen will.
8. Und also siehet man alhier eine
rechte Tiefe des Verderbens unserer Natur.
Denn so leichte und leichtsinnig sie bey den Un-
bekehrten, wenn sie vom Glauben an Christum
höret, zufähret, sich selbst eine Einbildung vom
Glauben machet, und ihrer Meinung nach da-
mit Christum ergreiffet, sich aber selbst betrie-
get: so schwer gehet es ihr bey den wahrhaftig
[Spaltenumbruch] sich bekehrenden, oder auch schon Bekehrten,
ein, daß sie, mit Verleugnung eigner Würdig-
keit, Kräfte und Verdienste, das rechte Werck
des Glaubens in aller Lauterkeit beweisen und
Christo allein alle Ehre des Verdienstes lassen
soll. So leichte demnach der falsche Glaube ist,
so schwer ist der wahre.
9. Wie leichtlich auch solche, welche
würcklich zum Stande der Gnade gelanget sind,
wieder berücket, und nach Lehre und Leben irre
gemachet werden können, siehet man an dem
Exempel der Galater, und hat man sich demnach
zu hüten, und sich vor falschen Geistern, welche
einen von der Evangelischen Weide auf eine dür-
re Heide und Wüste führen, in acht zu neh-
men.
10. Gleichwie alle in GOttes Wort ge-
offenbarete Lehren Wahrheit sind, so ist die
Lehre von Christo, und sonderlich von seinem
rechten Mittler-Amte, daß ihm davon im Wer-
cke unserer Seligkeit alle Ehre nebst dem Vater
und Heiligem Geiste allein gebühret, und also
die Lehre von der Satisfaction und der daher ent-
stehenden Iustification, oder Gerechtmachung, die
rechte Haupt-Wahrheit, welche der Apostel
unter dem Worte Wahrheit alhier ver-
stehet.
11. Te aletheia peithesthai, welches Luthe-
rus übersetzet hat, der Wahrheit gehorchen,
heißt, sich von der Wahrheit zum göttlichen Bey-
fall dergestalt überzeugen lassen, daß man ihr
gäntzlich glaube und im Glauben vest daran hal-
te. Denn es führet keine, auch nur bloß na-
türliche, Wahrheit einigen Zwang an das Ge-
wissen mit sich, sondern die Wahrheit gehet al-
lein mit Uberzeugung um, und will nach ihren
Gründen erkant, und nach der Freyheit des
Willens geliebet und angenommen seyn.
Welches denn vornehmlich der göttlichen
Wahrheit Eigenschaft ist.
12. Aus den Worten, daß Christus den
Galatern vor Augen gemahlet
worden, sie-
het man, wie fleißig Paulus unter ihnen gewe-
sen, und worinnen sein vornehmstes Geschäfte
bestanden, und welches noch heute zu Tage der
rechte Character eines rechtschafnen Lehrers sey,
nemlich Christum nach seiner Person, seinen
Ständen und seinem dreyfachen Mittler-Am-
te den Seelen recht völlig, nachdrücklich und
liebreich vorzustellen, und gleichsam vor die Au-
gen zu mahlen; gleichwie es auch nicht weniger
die Eigenschaft eines rechten Zuhörers ist, daß er
die Lehre von Christo und Christum selbst recht
ins Hertze fasse, aber auch darinnen durch den
Glauben behalte.
13. Zu den Worten in oder unter euch
gecreutziget ist,
hat Lutherus das Wörtlein
ietzt gesetzet, und allem Ansehen nach damit so
viel anzeigen wollen, daß die Galater Christo mit
ihrer Abweichung eine solche Schmach zugefüget
hätten, als hätten sie ihn aufs neue gecreutziget.
Es stehet aber gedachte particula nicht im Grie-
chischen Texte, und lassen sich die Worte fügli-
cher verstehen von einer solchen unter den Gala-
tern geschehenen Beschreibung und Vorstellung
des
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 1.
[Spaltenumbruch] Galater ihrer Wanckelmuͤthigkeit wegen ernſt-
lich, aber doch auch liebreich, beſtrafet, und ſie
darauf von derſelben Unbilligkeit mit mehrern zu
uͤberzeugen ſuchet.
2. Gleichwie in Chriſto alle Schaͤtze der
Weisheit und der Erkaͤntniß verborgen liegen,
und daher Chriſtum recht erkennen, die rechte
Weisheit iſt Col. 2, 2. 3. ſo iſt es hingegen die
groͤſſeſte Thorheit, Chriſtum nicht recht erken-
nen, und ſich an ihn nicht veſt halten.
3. Wahrheit fuͤhret die Weisheit mit
ſich: Jrrthum aber Unverſtand. Und ob-
gleich Jrrthuͤmer ſich mit dem Schein der
Vernunft ſchmuͤcken, ſo ſind ſie doch an ſich recht
unvernuͤnftig: der rechte Gebrauch aber der Ver-
nunft iſt nicht geſunder und richtiger, als bey er-
leuchteten Chriſten.
4. Ernſtlich ſtrafen, wo es die Noth
erfodert, und es doch mit einem liebreichen
Hertzen,
und auf eine evangeliſche Art thun,
nach dem Exempel Chriſti an die Emmauntiſchen
Juͤnger Luc. 24, 15. iſt der Character eines apo-
ſtoliſchen Lehrers: da es hingegen ein Kennzei-
chen eines Mietlings und ungeſalbten, oder nicht
nach dem Grunde der Gnaden-Salbung han-
delnden Lehrers iſt, entweder gar nicht und nicht
zur rechten Zeit ſtrafen, wenn es noͤthig iſt, oder
ſolches mit einem entweder nur gantz kaltſinni-
gen Hertzen, oder mit rohen und bittern Affect,
auch ſolchen Worten thun, die an ſtatt der Beſ-
ſerung nur lauter Unwillen anrichten.
5. Paulus beſtrafet in den Galatern zu-
gleich die verfuͤhriſchen Lehrer. Dieſe ihrer
Verleitung wegen; jene aber, daß ſie ſich ver-
leiten und gleichſam bezaubern laſſen. Die
Frage aber an ſie geſchiehet nicht darum, als
wolte der Apoſtel es erſt erfahren, ſondern ſie iſt
eine Anzeigung von ſeiner groſſen Verwunde-
rung.
6. Es haben manche Jrrthuͤmer gleichſam
eine bezaubernde Kraft in ſich, die Gemuͤther
zu vergiften und zu verſtricken; zumal, wenn
eingleiſſender Vortrag argliſtiger und verfuͤhri-
ſcher Lehrer und Schriften dazu koͤmmt, dadurch
ihnen der Schein des Rechten gegeben wird.
7. Ein ſolcher Jrrthum war der, daß man
die Seligkeit nicht allein durch die Erloͤſung
Chriſti, ſondern zugleich auch durch ſeine eigne
Froͤmmigkeit in den Wercken des Geſetzes zu ſu-
chen habe. Denn gleichwie dieſes letztere von
den falſchen Lehrern unter andern mit der Vor-
ſtellung von dem goͤttlichen Urſprunge und von
der Vortreflichkeit des Geſetzes gar ſcheinbar ge-
machet werden konte: ſo ging es der verderbten
Natur auch ſo viel leichter ein, ſo viel leichter ſie
ſich aufblehet, und ſo viel lieber ſie ſelbſt etwas
verdienen will.
8. Und alſo ſiehet man alhier eine
rechte Tiefe des Verderbens unſerer Natur.
Denn ſo leichte und leichtſinnig ſie bey den Un-
bekehrten, wenn ſie vom Glauben an Chriſtum
hoͤret, zufaͤhret, ſich ſelbſt eine Einbildung vom
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mit Chriſtum ergreiffet, ſich aber ſelbſt betrie-
get: ſo ſchwer gehet es ihr bey den wahrhaftig
[Spaltenumbruch] ſich bekehrenden, oder auch ſchon Bekehrten,
ein, daß ſie, mit Verleugnung eigner Wuͤrdig-
keit, Kraͤfte und Verdienſte, das rechte Werck
des Glaubens in aller Lauterkeit beweiſen und
Chriſto allein alle Ehre des Verdienſtes laſſen
ſoll. So leichte demnach der falſche Glaube iſt,
ſo ſchwer iſt der wahre.
9. Wie leichtlich auch ſolche, welche
wuͤrcklich zum Stande der Gnade gelanget ſind,
wieder beruͤcket, und nach Lehre und Leben irre
gemachet werden koͤnnen, ſiehet man an dem
Exempel der Galater, und hat man ſich demnach
zu huͤten, und ſich vor falſchen Geiſtern, welche
einen von der Evangeliſchen Weide auf eine duͤr-
re Heide und Wuͤſte fuͤhren, in acht zu neh-
men.
10. Gleichwie alle in GOttes Wort ge-
offenbarete Lehren Wahrheit ſind, ſo iſt die
Lehre von Chriſto, und ſonderlich von ſeinem
rechten Mittler-Amte, daß ihm davon im Wer-
cke unſerer Seligkeit alle Ehre nebſt dem Vater
und Heiligem Geiſte allein gebuͤhret, und alſo
die Lehre von der Satisfaction und der daher ent-
ſtehenden Iuſtification, oder Gerechtmachung, die
rechte Haupt-Wahrheit, welche der Apoſtel
unter dem Worte Wahrheit alhier ver-
ſtehet.
11. Τῇ ἀληϑείᾳ πείϑεσϑαι, welches Luthe-
rus uͤberſetzet hat, der Wahrheit gehorchen,
heißt, ſich von der Wahrheit zum goͤttlichen Bey-
fall dergeſtalt uͤberzeugen laſſen, daß man ihr
gaͤntzlich glaube und im Glauben veſt daran hal-
te. Denn es fuͤhret keine, auch nur bloß na-
tuͤrliche, Wahrheit einigen Zwang an das Ge-
wiſſen mit ſich, ſondern die Wahrheit gehet al-
lein mit Uberzeugung um, und will nach ihren
Gruͤnden erkant, und nach der Freyheit des
Willens geliebet und angenommen ſeyn.
Welches denn vornehmlich der goͤttlichen
Wahrheit Eigenſchaft iſt.
12. Aus den Worten, daß Chriſtus den
Galatern vor Augen gemahlet
worden, ſie-
het man, wie fleißig Paulus unter ihnen gewe-
ſen, und worinnen ſein vornehmſtes Geſchaͤfte
beſtanden, und welches noch heute zu Tage der
rechte Character eines rechtſchafnen Lehrers ſey,
nemlich Chriſtum nach ſeiner Perſon, ſeinen
Staͤnden und ſeinem dreyfachen Mittler-Am-
te den Seelen recht voͤllig, nachdruͤcklich und
liebreich vorzuſtellen, und gleichſam vor die Au-
gen zu mahlen; gleichwie es auch nicht weniger
die Eigenſchaft eines rechten Zuhoͤrers iſt, daß er
die Lehre von Chriſto und Chriſtum ſelbſt recht
ins Hertze faſſe, aber auch darinnen durch den
Glauben behalte.
13. Zu den Worten in oder unter euch
gecreutziget iſt,
hat Lutherus das Woͤrtlein
ietzt geſetzet, und allem Anſehen nach damit ſo
viel anzeigen wollen, daß die Galater Chriſto mit
ihrer Abweichung eine ſolche Schmach zugefuͤget
haͤtten, als haͤtten ſie ihn aufs neue gecreutziget.
Es ſtehet aber gedachte particula nicht im Grie-
chiſchen Texte, und laſſen ſich die Worte fuͤgli-
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tern geſchehenen Beſchreibung und Vorſtellung
des
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[506/0534] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 1. Galater ihrer Wanckelmuͤthigkeit wegen ernſt- lich, aber doch auch liebreich, beſtrafet, und ſie darauf von derſelben Unbilligkeit mit mehrern zu uͤberzeugen ſuchet. 2. Gleichwie in Chriſto alle Schaͤtze der Weisheit und der Erkaͤntniß verborgen liegen, und daher Chriſtum recht erkennen, die rechte Weisheit iſt Col. 2, 2. 3. ſo iſt es hingegen die groͤſſeſte Thorheit, Chriſtum nicht recht erken- nen, und ſich an ihn nicht veſt halten. 3. Wahrheit fuͤhret die Weisheit mit ſich: Jrrthum aber Unverſtand. Und ob- gleich Jrrthuͤmer ſich mit dem Schein der Vernunft ſchmuͤcken, ſo ſind ſie doch an ſich recht unvernuͤnftig: der rechte Gebrauch aber der Ver- nunft iſt nicht geſunder und richtiger, als bey er- leuchteten Chriſten. 4. Ernſtlich ſtrafen, wo es die Noth erfodert, und es doch mit einem liebreichen Hertzen, und auf eine evangeliſche Art thun, nach dem Exempel Chriſti an die Emmauntiſchen Juͤnger Luc. 24, 15. iſt der Character eines apo- ſtoliſchen Lehrers: da es hingegen ein Kennzei- chen eines Mietlings und ungeſalbten, oder nicht nach dem Grunde der Gnaden-Salbung han- delnden Lehrers iſt, entweder gar nicht und nicht zur rechten Zeit ſtrafen, wenn es noͤthig iſt, oder ſolches mit einem entweder nur gantz kaltſinni- gen Hertzen, oder mit rohen und bittern Affect, auch ſolchen Worten thun, die an ſtatt der Beſ- ſerung nur lauter Unwillen anrichten. 5. Paulus beſtrafet in den Galatern zu- gleich die verfuͤhriſchen Lehrer. Dieſe ihrer Verleitung wegen; jene aber, daß ſie ſich ver- leiten und gleichſam bezaubern laſſen. Die Frage aber an ſie geſchiehet nicht darum, als wolte der Apoſtel es erſt erfahren, ſondern ſie iſt eine Anzeigung von ſeiner groſſen Verwunde- rung. 6. Es haben manche Jrrthuͤmer gleichſam eine bezaubernde Kraft in ſich, die Gemuͤther zu vergiften und zu verſtricken; zumal, wenn eingleiſſender Vortrag argliſtiger und verfuͤhri- ſcher Lehrer und Schriften dazu koͤmmt, dadurch ihnen der Schein des Rechten gegeben wird. 7. Ein ſolcher Jrrthum war der, daß man die Seligkeit nicht allein durch die Erloͤſung Chriſti, ſondern zugleich auch durch ſeine eigne Froͤmmigkeit in den Wercken des Geſetzes zu ſu- chen habe. Denn gleichwie dieſes letztere von den falſchen Lehrern unter andern mit der Vor- ſtellung von dem goͤttlichen Urſprunge und von der Vortreflichkeit des Geſetzes gar ſcheinbar ge- machet werden konte: ſo ging es der verderbten Natur auch ſo viel leichter ein, ſo viel leichter ſie ſich aufblehet, und ſo viel lieber ſie ſelbſt etwas verdienen will. 8. Und alſo ſiehet man alhier eine rechte Tiefe des Verderbens unſerer Natur. Denn ſo leichte und leichtſinnig ſie bey den Un- bekehrten, wenn ſie vom Glauben an Chriſtum hoͤret, zufaͤhret, ſich ſelbſt eine Einbildung vom Glauben machet, und ihrer Meinung nach da- mit Chriſtum ergreiffet, ſich aber ſelbſt betrie- get: ſo ſchwer gehet es ihr bey den wahrhaftig ſich bekehrenden, oder auch ſchon Bekehrten, ein, daß ſie, mit Verleugnung eigner Wuͤrdig- keit, Kraͤfte und Verdienſte, das rechte Werck des Glaubens in aller Lauterkeit beweiſen und Chriſto allein alle Ehre des Verdienſtes laſſen ſoll. So leichte demnach der falſche Glaube iſt, ſo ſchwer iſt der wahre. 9. Wie leichtlich auch ſolche, welche wuͤrcklich zum Stande der Gnade gelanget ſind, wieder beruͤcket, und nach Lehre und Leben irre gemachet werden koͤnnen, ſiehet man an dem Exempel der Galater, und hat man ſich demnach zu huͤten, und ſich vor falſchen Geiſtern, welche einen von der Evangeliſchen Weide auf eine duͤr- re Heide und Wuͤſte fuͤhren, in acht zu neh- men. 10. Gleichwie alle in GOttes Wort ge- offenbarete Lehren Wahrheit ſind, ſo iſt die Lehre von Chriſto, und ſonderlich von ſeinem rechten Mittler-Amte, daß ihm davon im Wer- cke unſerer Seligkeit alle Ehre nebſt dem Vater und Heiligem Geiſte allein gebuͤhret, und alſo die Lehre von der Satisfaction und der daher ent- ſtehenden Iuſtification, oder Gerechtmachung, die rechte Haupt-Wahrheit, welche der Apoſtel unter dem Worte Wahrheit alhier ver- ſtehet. 11. Τῇ ἀληϑείᾳ πείϑεσϑαι, welches Luthe- rus uͤberſetzet hat, der Wahrheit gehorchen, heißt, ſich von der Wahrheit zum goͤttlichen Bey- fall dergeſtalt uͤberzeugen laſſen, daß man ihr gaͤntzlich glaube und im Glauben veſt daran hal- te. Denn es fuͤhret keine, auch nur bloß na- tuͤrliche, Wahrheit einigen Zwang an das Ge- wiſſen mit ſich, ſondern die Wahrheit gehet al- lein mit Uberzeugung um, und will nach ihren Gruͤnden erkant, und nach der Freyheit des Willens geliebet und angenommen ſeyn. Welches denn vornehmlich der goͤttlichen Wahrheit Eigenſchaft iſt. 12. Aus den Worten, daß Chriſtus den Galatern vor Augen gemahlet worden, ſie- het man, wie fleißig Paulus unter ihnen gewe- ſen, und worinnen ſein vornehmſtes Geſchaͤfte beſtanden, und welches noch heute zu Tage der rechte Character eines rechtſchafnen Lehrers ſey, nemlich Chriſtum nach ſeiner Perſon, ſeinen Staͤnden und ſeinem dreyfachen Mittler-Am- te den Seelen recht voͤllig, nachdruͤcklich und liebreich vorzuſtellen, und gleichſam vor die Au- gen zu mahlen; gleichwie es auch nicht weniger die Eigenſchaft eines rechten Zuhoͤrers iſt, daß er die Lehre von Chriſto und Chriſtum ſelbſt recht ins Hertze faſſe, aber auch darinnen durch den Glauben behalte. 13. Zu den Worten in oder unter euch gecreutziget iſt, hat Lutherus das Woͤrtlein ietzt geſetzet, und allem Anſehen nach damit ſo viel anzeigen wollen, daß die Galater Chriſto mit ihrer Abweichung eine ſolche Schmach zugefuͤget haͤtten, als haͤtten ſie ihn aufs neue gecreutziget. Es ſtehet aber gedachte particula nicht im Grie- chiſchen Texte, und laſſen ſich die Worte fuͤgli- cher verſtehen von einer ſolchen unter den Gala- tern geſchehenen Beſchreibung und Vorſtellung des

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/534>, abgerufen am 24.11.2024.