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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, v. 16-18. an die Galater.
[Spaltenumbruch] nach demselben eingerichteten Wercken nicht kön-
ne gerecht und selig werden, nicht allein von Le-
vitischen Satzungen, sondern auch vom Gesetz
überhaupt,
und also sonderlich mit vom Moral-
Gesetze zu verstehen sey. Und dieses ist unter an-
dern sonderlich daraus zu erkennen, daß dem Ge-
setze,
von welchem und dessen Wercken Paulus
eigentlich redet, der Fluch zugeschrieben wird,
mit welchem es uns verdamme; nebst der Vor-
stellung, wie nöthig uns dagegen die Erlösung
CHristi sey c. 3, 10. seqq. Jenes aber kömmt
nur eigentlich dem Moral-Gesetze zu.
7. Und da bey dem Geschäfte der Recht-
fertigung
des Glaubens in diesem Verse zu
dreymalen gedacht wird; so siehet man wohl,
wie daß es auf Seiten des Menschen darauf an-
komme, daß er den Glauben habe: aber den
wahren Glauben, der aus der kräftigen Wir-
ckung des Heiligen Geistes in der wahren Be-
kehrung zu GOTT entstehet, und in der Seele
das rechte geistliche Leben und geistliche Licht ist.
Denn in diesem Lichte wird CHristus im Evan-
gelio also erkant, daß er, als das rechte Versöhn-
Opfer für unsere Sünde, begierigst ergriffen
und uns also zugeeignet wird, daß die Seele
darüber mit einem seligen Frieden heiliglich er-
freuet wird. Welches denn das Zeichen ist, daß
bey dem Ergreifen des Glaubens GOTT auch
würcklich das Ergriffene schencket, und der Seele,
als den höchsten Schatz zur Seligkeit, bey-
leget.
8. Man kan zur Erläuterung dieses Ver-
standes viele andere Stellen der heiligen Schrift
conferiren, sonderlich folgende: Ap. Gesch. 13,
38. 39. So sey euch nun kund, lieben Brü-
der, daß euch verkündiget wird Verge-
bung der Sünden durch diesen
(JESUM)
und von dem allen, durch welches ihr nicht
kontet im Gesetz Mosis gerecht werden:
wer aber an diesen glaubet, der ist gerecht.

c. 15, 10. 11. Was versuchet ihr denn nun
GOTT mit Auflegen des Jochs auf der
Jünger Hälse, welches weder unsere Vä-
ter, noch wir haben mögen tragen: son-
dern wir gläuben durch die Gnade des
HErrn JESU CHristi selig zu werden,
gleicher weise wie auch sie.
Siehe ferner
Rom. 3, 20. seqq. c. 4, 5. seqq. 8, 3. 11, 6. Eph.
2, 8. Hebr. 7, 18. 19.
V. 17.

Solten wir aber, die da (mit glaubi-
gem Hunger und Durst) suchen durch CHri-
stum gerecht und selig zu werden
(und also
nach der Gerechtigkeit des Reiches GOttes
trachten Matth. 5, 6. c. 6, 33.) auch noch selbst
Sünder erfunden werden
(ohne Vergebung
der Sünden seyn, so wol als die ausser CHristo
sich befindende noch unglaubige Heiden v. 15.
und die Gerechtigkeit erst aus den Wercken des
Gesetzes suchen müssen) so wäre CHristus ein
Sünden-Diener
(nicht ein Sünden-Tilger,
der die Sünden-Schuld und Strafe von uns
nähme, sondern vielmehr ein Sünden-Vermeh-
rer, oder nur ein solcher Heiland, der, wie ein an-
derer Moses, uns nur dazu diene, daß er uns zu
[Spaltenumbruch] mehrerer Erkäntniß der Sünden bringe und zum
Gesetze jage, darinnen wider die Sünde u. wider
die Straf-Gerechtigkeit GOttes, Rath und Hül-
fe zu suchen, und zu finden.) Das sey fer-
ne!
(Da wir hingegen wissen, wie daß er uns von
GOTT zur Gerechtigkeit gemacht ist, und daß
er, als die Versöhnung für unsere Sünde, die-
selbe hinweg nehme. 1 Joh. 2, 2. 4, 10.)

Anmerckungen.
1. Es kan der Mensch auf eine gedoppelte
Art noch als ein Sünder erfunden werden, erst-
lich in Ansehung der Rechtfertigung, (wodurch
einer aus einem verdammlichen Sünder ein
Glaubens-Gerechter wird) wenn einer der Sün-
den Vergebung noch nicht hat. Hernach in An-
sehung der Heiligung, wenn ein Mensch unbe-
kehret ist und bleibet, oder aber, da er bekehret
worden war, sich nach der Schwemme wieder in
den Koth wältzet, und die Gnade GOttes auf
Muthwillen ziehet. Hier ist eigentlich von der
ersten Art die Rede: davon auch Paulus redet
1 Cor. 15, 17. Jst CHristus nicht auferstan-
den
(und nicht für unsere Sünde gestorben v. 3.)
so ist euer Glaube eitel, so seyd ihr noch in
euren Sünden.
Ob man aber den Versöh-
nungs-Tod und die Auferstehung CHristi gar
läugnet, oder ob man zwar zugiebet, CHristus
sey gestorben und auferstanden, läugnet aber,
daß es zur Vergebung der Sünden und unserer
Rechtfertigung geschehen sey Rom. 4, 25. das
ist in der That bey dem Menschen einerley.
Denn da bleibet einer in seinen Sünden, und
also ein solcher Sünder, welcher weder von der
Sünden-Schuld und Strafe, noch von ihrer
Herrschaft befreyet worden, oder sich hat befreyen
lassen.
2. Auf gleiche Art wird CHristus auch
auf eine gedoppelte Art zum Sünden-Diener
gemacht. Erstlich damit, wenn man ihn nicht
zum Erlöser
von der Sünde nach seinem hohen-
priesterlichen Amte, sondern nur nach dem pro-
phetischen allein zu einem solchen neuen Gesetz-
Prediger annimmt, der einem der Sünden we-
gen die Nothwendigkeit des Mosaischen Jochs
zur Seligkeit einschärfe: davon Paulus alhier
eigentlich redet. Und denn auch, wenn man die
Erlösung JESU CHristi und die Gnade der
Rechtfertigung auf Muthwillen ziehet, und
spricht: Wir dürfen wol sündigen, dieweil wir
nicht unter dem Gesetze sind, sondern unter der
Gnade.
3. Die Redens-Art, daß CHristus ein
Sünden-Diener werde,
wird dadurch so viel
deutlicher, wenn man erwäget, daß im Griechi-
schen nicht stehet das Wort doulos, servus, son-
dern diakonos, minister, welches so viel heißt,
als einer, der mit seinem Dienste oder Amte
die Sünde, und zwar alhier die Erkäntniß
derselben, befordert,
und uns zum Gesetze
treibet, nicht aber die Sünde hinweg nimmt.
V. 18.

Wenn ich aber (Gr. denn wenn ich)
das, so ich (am Judenthum und gesetzlicher
Werckheiligkeit und Verdienstlichkeit) zerbro-

chen
R r r 3
Cap. 2, v. 16-18. an die Galater.
[Spaltenumbruch] nach demſelben eingerichteten Wercken nicht koͤn-
ne gerecht und ſelig werden, nicht allein von Le-
vitiſchen Satzungen, ſondern auch vom Geſetz
uͤberhaupt,
und alſo ſonderlich mit vom Moral-
Geſetze zu verſtehen ſey. Und dieſes iſt unter an-
dern ſonderlich daraus zu erkennen, daß dem Ge-
ſetze,
von welchem und deſſen Wercken Paulus
eigentlich redet, der Fluch zugeſchrieben wird,
mit welchem es uns verdamme; nebſt der Vor-
ſtellung, wie noͤthig uns dagegen die Erloͤſung
CHriſti ſey c. 3, 10. ſeqq. Jenes aber koͤmmt
nur eigentlich dem Moral-Geſetze zu.
7. Und da bey dem Geſchaͤfte der Recht-
fertigung
des Glaubens in dieſem Verſe zu
dreymalen gedacht wird; ſo ſiehet man wohl,
wie daß es auf Seiten des Menſchen darauf an-
komme, daß er den Glauben habe: aber den
wahren Glauben, der aus der kraͤftigen Wir-
ckung des Heiligen Geiſtes in der wahren Be-
kehrung zu GOTT entſtehet, und in der Seele
das rechte geiſtliche Leben und geiſtliche Licht iſt.
Denn in dieſem Lichte wird CHriſtus im Evan-
gelio alſo erkant, daß er, als das rechte Verſoͤhn-
Opfer fuͤr unſere Suͤnde, begierigſt ergriffen
und uns alſo zugeeignet wird, daß die Seele
daruͤber mit einem ſeligen Frieden heiliglich er-
freuet wird. Welches denn das Zeichen iſt, daß
bey dem Ergreifen des Glaubens GOTT auch
wuͤrcklich das Ergriffene ſchencket, und der Seele,
als den hoͤchſten Schatz zur Seligkeit, bey-
leget.
8. Man kan zur Erlaͤuterung dieſes Ver-
ſtandes viele andere Stellen der heiligen Schrift
conferiren, ſonderlich folgende: Ap. Geſch. 13,
38. 39. So ſey euch nun kund, lieben Bruͤ-
der, daß euch verkuͤndiget wird Verge-
bung der Suͤnden durch dieſen
(JESUM)
und von dem allen, durch welches ihr nicht
kontet im Geſetz Moſis gerecht werden:
wer aber an dieſen glaubet, der iſt gerecht.

c. 15, 10. 11. Was verſuchet ihr denn nun
GOTT mit Auflegen des Jochs auf der
Juͤnger Haͤlſe, welches weder unſere Vaͤ-
ter, noch wir haben moͤgen tragen: ſon-
dern wir glaͤuben durch die Gnade des
HErrn JESU CHriſti ſelig zu werden,
gleicher weiſe wie auch ſie.
Siehe ferner
Rom. 3, 20. ſeqq. c. 4, 5. ſeqq. 8, 3. 11, 6. Eph.
2, 8. Hebr. 7, 18. 19.
V. 17.

Solten wir aber, die da (mit glaubi-
gem Hunger und Durſt) ſuchen durch CHri-
ſtum gerecht und ſelig zu werden
(und alſo
nach der Gerechtigkeit des Reiches GOttes
trachten Matth. 5, 6. c. 6, 33.) auch noch ſelbſt
Suͤnder erfunden werden
(ohne Vergebung
der Suͤnden ſeyn, ſo wol als die auſſer CHriſto
ſich befindende noch unglaubige Heiden v. 15.
und die Gerechtigkeit erſt aus den Wercken des
Geſetzes ſuchen muͤſſen) ſo waͤre CHriſtus ein
Suͤnden-Diener
(nicht ein Suͤnden-Tilger,
der die Suͤnden-Schuld und Strafe von uns
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rer, oder nur ein ſolcher Heiland, der, wie ein an-
derer Moſes, uns nur dazu diene, daß er uns zu
[Spaltenumbruch] mehrerer Erkaͤntniß der Suͤnden bringe und zum
Geſetze jage, darinnen wider die Suͤnde u. wider
die Straf-Gerechtigkeit GOttes, Rath und Huͤl-
fe zu ſuchen, und zu finden.) Das ſey fer-
ne!
(Da wir hingegen wiſſen, wie daß er uns von
GOTT zur Gerechtigkeit gemacht iſt, und daß
er, als die Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde, die-
ſelbe hinweg nehme. 1 Joh. 2, 2. 4, 10.)

Anmerckungen.
1. Es kan der Menſch auf eine gedoppelte
Art noch als ein Suͤnder erfunden werden, erſt-
lich in Anſehung der Rechtfertigung, (wodurch
einer aus einem verdammlichen Suͤnder ein
Glaubens-Gerechter wird) wenn einer der Suͤn-
den Vergebung noch nicht hat. Hernach in An-
ſehung der Heiligung, wenn ein Menſch unbe-
kehret iſt und bleibet, oder aber, da er bekehret
worden war, ſich nach der Schwemme wieder in
den Koth waͤltzet, und die Gnade GOttes auf
Muthwillen ziehet. Hier iſt eigentlich von der
erſten Art die Rede: davon auch Paulus redet
1 Cor. 15, 17. Jſt CHriſtus nicht auferſtan-
den
(und nicht fuͤr unſere Suͤnde geſtorben v. 3.)
ſo iſt euer Glaube eitel, ſo ſeyd ihr noch in
euren Suͤnden.
Ob man aber den Verſoͤh-
nungs-Tod und die Auferſtehung CHriſti gar
laͤugnet, oder ob man zwar zugiebet, CHriſtus
ſey geſtorben und auferſtanden, laͤugnet aber,
daß es zur Vergebung der Suͤnden und unſerer
Rechtfertigung geſchehen ſey Rom. 4, 25. das
iſt in der That bey dem Menſchen einerley.
Denn da bleibet einer in ſeinen Suͤnden, und
alſo ein ſolcher Suͤnder, welcher weder von der
Suͤnden-Schuld und Strafe, noch von ihrer
Herrſchaft befreyet worden, oder ſich hat befreyen
laſſen.
2. Auf gleiche Art wird CHriſtus auch
auf eine gedoppelte Art zum Suͤnden-Diener
gemacht. Erſtlich damit, wenn man ihn nicht
zum Erloͤſer
von der Suͤnde nach ſeinem hohen-
prieſterlichen Amte, ſondern nur nach dem pro-
phetiſchen allein zu einem ſolchen neuen Geſetz-
Prediger annimmt, der einem der Suͤnden we-
gen die Nothwendigkeit des Moſaiſchen Jochs
zur Seligkeit einſchaͤrfe: davon Paulus alhier
eigentlich redet. Und denn auch, wenn man die
Erloͤſung JESU CHriſti und die Gnade der
Rechtfertigung auf Muthwillen ziehet, und
ſpricht: Wir duͤrfen wol ſuͤndigen, dieweil wir
nicht unter dem Geſetze ſind, ſondern unter der
Gnade.
3. Die Redens-Art, daß CHriſtus ein
Suͤnden-Diener werde,
wird dadurch ſo viel
deutlicher, wenn man erwaͤget, daß im Griechi-
ſchen nicht ſtehet das Wort δοῦλος, ſervus, ſon-
dern διάκονος, miniſter, welches ſo viel heißt,
als einer, der mit ſeinem Dienſte oder Amte
die Suͤnde, und zwar alhier die Erkaͤntniß
derſelben, befordert,
und uns zum Geſetze
treibet, nicht aber die Suͤnde hinweg nimmt.
V. 18.

Wenn ich aber (Gr. denn wenn ich)
das, ſo ich (am Judenthum und geſetzlicher
Werckheiligkeit und Verdienſtlichkeit) zerbro-

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[501/0529] Cap. 2, v. 16-18. an die Galater. nach demſelben eingerichteten Wercken nicht koͤn- ne gerecht und ſelig werden, nicht allein von Le- vitiſchen Satzungen, ſondern auch vom Geſetz uͤberhaupt, und alſo ſonderlich mit vom Moral- Geſetze zu verſtehen ſey. Und dieſes iſt unter an- dern ſonderlich daraus zu erkennen, daß dem Ge- ſetze, von welchem und deſſen Wercken Paulus eigentlich redet, der Fluch zugeſchrieben wird, mit welchem es uns verdamme; nebſt der Vor- ſtellung, wie noͤthig uns dagegen die Erloͤſung CHriſti ſey c. 3, 10. ſeqq. Jenes aber koͤmmt nur eigentlich dem Moral-Geſetze zu. 7. Und da bey dem Geſchaͤfte der Recht- fertigung des Glaubens in dieſem Verſe zu dreymalen gedacht wird; ſo ſiehet man wohl, wie daß es auf Seiten des Menſchen darauf an- komme, daß er den Glauben habe: aber den wahren Glauben, der aus der kraͤftigen Wir- ckung des Heiligen Geiſtes in der wahren Be- kehrung zu GOTT entſtehet, und in der Seele das rechte geiſtliche Leben und geiſtliche Licht iſt. Denn in dieſem Lichte wird CHriſtus im Evan- gelio alſo erkant, daß er, als das rechte Verſoͤhn- Opfer fuͤr unſere Suͤnde, begierigſt ergriffen und uns alſo zugeeignet wird, daß die Seele daruͤber mit einem ſeligen Frieden heiliglich er- freuet wird. Welches denn das Zeichen iſt, daß bey dem Ergreifen des Glaubens GOTT auch wuͤrcklich das Ergriffene ſchencket, und der Seele, als den hoͤchſten Schatz zur Seligkeit, bey- leget. 8. Man kan zur Erlaͤuterung dieſes Ver- ſtandes viele andere Stellen der heiligen Schrift conferiren, ſonderlich folgende: Ap. Geſch. 13, 38. 39. So ſey euch nun kund, lieben Bruͤ- der, daß euch verkuͤndiget wird Verge- bung der Suͤnden durch dieſen (JESUM) und von dem allen, durch welches ihr nicht kontet im Geſetz Moſis gerecht werden: wer aber an dieſen glaubet, der iſt gerecht. c. 15, 10. 11. Was verſuchet ihr denn nun GOTT mit Auflegen des Jochs auf der Juͤnger Haͤlſe, welches weder unſere Vaͤ- ter, noch wir haben moͤgen tragen: ſon- dern wir glaͤuben durch die Gnade des HErrn JESU CHriſti ſelig zu werden, gleicher weiſe wie auch ſie. Siehe ferner Rom. 3, 20. ſeqq. c. 4, 5. ſeqq. 8, 3. 11, 6. Eph. 2, 8. Hebr. 7, 18. 19. V. 17. Solten wir aber, die da (mit glaubi- gem Hunger und Durſt) ſuchen durch CHri- ſtum gerecht und ſelig zu werden (und alſo nach der Gerechtigkeit des Reiches GOttes trachten Matth. 5, 6. c. 6, 33.) auch noch ſelbſt Suͤnder erfunden werden (ohne Vergebung der Suͤnden ſeyn, ſo wol als die auſſer CHriſto ſich befindende noch unglaubige Heiden v. 15. und die Gerechtigkeit erſt aus den Wercken des Geſetzes ſuchen muͤſſen) ſo waͤre CHriſtus ein Suͤnden-Diener (nicht ein Suͤnden-Tilger, der die Suͤnden-Schuld und Strafe von uns naͤhme, ſondern vielmehr ein Suͤnden-Vermeh- rer, oder nur ein ſolcher Heiland, der, wie ein an- derer Moſes, uns nur dazu diene, daß er uns zu mehrerer Erkaͤntniß der Suͤnden bringe und zum Geſetze jage, darinnen wider die Suͤnde u. wider die Straf-Gerechtigkeit GOttes, Rath und Huͤl- fe zu ſuchen, und zu finden.) Das ſey fer- ne! (Da wir hingegen wiſſen, wie daß er uns von GOTT zur Gerechtigkeit gemacht iſt, und daß er, als die Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde, die- ſelbe hinweg nehme. 1 Joh. 2, 2. 4, 10.) Anmerckungen. 1. Es kan der Menſch auf eine gedoppelte Art noch als ein Suͤnder erfunden werden, erſt- lich in Anſehung der Rechtfertigung, (wodurch einer aus einem verdammlichen Suͤnder ein Glaubens-Gerechter wird) wenn einer der Suͤn- den Vergebung noch nicht hat. Hernach in An- ſehung der Heiligung, wenn ein Menſch unbe- kehret iſt und bleibet, oder aber, da er bekehret worden war, ſich nach der Schwemme wieder in den Koth waͤltzet, und die Gnade GOttes auf Muthwillen ziehet. Hier iſt eigentlich von der erſten Art die Rede: davon auch Paulus redet 1 Cor. 15, 17. Jſt CHriſtus nicht auferſtan- den (und nicht fuͤr unſere Suͤnde geſtorben v. 3.) ſo iſt euer Glaube eitel, ſo ſeyd ihr noch in euren Suͤnden. Ob man aber den Verſoͤh- nungs-Tod und die Auferſtehung CHriſti gar laͤugnet, oder ob man zwar zugiebet, CHriſtus ſey geſtorben und auferſtanden, laͤugnet aber, daß es zur Vergebung der Suͤnden und unſerer Rechtfertigung geſchehen ſey Rom. 4, 25. das iſt in der That bey dem Menſchen einerley. Denn da bleibet einer in ſeinen Suͤnden, und alſo ein ſolcher Suͤnder, welcher weder von der Suͤnden-Schuld und Strafe, noch von ihrer Herrſchaft befreyet worden, oder ſich hat befreyen laſſen. 2. Auf gleiche Art wird CHriſtus auch auf eine gedoppelte Art zum Suͤnden-Diener gemacht. Erſtlich damit, wenn man ihn nicht zum Erloͤſer von der Suͤnde nach ſeinem hohen- prieſterlichen Amte, ſondern nur nach dem pro- phetiſchen allein zu einem ſolchen neuen Geſetz- Prediger annimmt, der einem der Suͤnden we- gen die Nothwendigkeit des Moſaiſchen Jochs zur Seligkeit einſchaͤrfe: davon Paulus alhier eigentlich redet. Und denn auch, wenn man die Erloͤſung JESU CHriſti und die Gnade der Rechtfertigung auf Muthwillen ziehet, und ſpricht: Wir duͤrfen wol ſuͤndigen, dieweil wir nicht unter dem Geſetze ſind, ſondern unter der Gnade. 3. Die Redens-Art, daß CHriſtus ein Suͤnden-Diener werde, wird dadurch ſo viel deutlicher, wenn man erwaͤget, daß im Griechi- ſchen nicht ſtehet das Wort δοῦλος, ſervus, ſon- dern διάκονος, miniſter, welches ſo viel heißt, als einer, der mit ſeinem Dienſte oder Amte die Suͤnde, und zwar alhier die Erkaͤntniß derſelben, befordert, und uns zum Geſetze treibet, nicht aber die Suͤnde hinweg nimmt. V. 18. Wenn ich aber (Gr. denn wenn ich) das, ſo ich (am Judenthum und geſetzlicher Werckheiligkeit und Verdienſtlichkeit) zerbro- chen R r r 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/529>, abgerufen am 24.11.2024.