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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, 13. 14. an die Galater.
[Spaltenumbruch] Denn da er sich anfangs bey den bekehrten Hei-
den der evangelischen Freyheit gebrauchet hatte,
und etliche allem Ansehen nach noch schwächere
Christen von der Jerusalemschen Kirche dazu ka-
men, und er besorgete, er würde diese damit är-
gern, so entzog er sich jenen, um diesen damit
kein Aergerniß zu geben. Darinnen ihme denn
andere, auch selbst Barnabas, gefolget. So
gut es nun auch gleich gemeinet war, so übel ge-
rieth es doch: und zwar auf Seiten der bekehr-
ten Heiden und Juden. Denn jene wurden
dadurch betrübet, als hielte man sie nicht für
rechte Glieder Christi, und kamen dabey auf die
Gedancken, als ob man sie auch dem Jüdischen
Gesetze unterwerfen wolte. Diese aber wurden
in ihrer Glaubens-Schwachheit, die sie fahren
lassen, und sich von den Banden des Ceremo-
nial-Gesetzes mit ihrem Gewissen in die völlige
Christliche Freyheit setzen solten, dadurch noch
mehr unterhalten. Und also war die gedachte
richtige Regel unrichtig appliciret.
2. Ob nun wol dieses Verfahren nicht zu
billigen war, so war es doch keine eigentliche
Heucheley. Denn eine Heucheley ist eine sol-
che Verstellung, da man nichts gutes und keine
Wahrheit im Hertzen hat, doch aber äusserlich
mit den Geberden und mit Worten, auch wol
mit scheinbaren Wercken vieles davon vorgiebet.
Dieses aber that Petrus so gar nicht, daß er hin-
gegen mehr gutes und Wahrheit im Hertzen hat-
te und besaß, als er sich in der Entziehung von
den bekehrten Heiden gegen die gläubigen, aber
noch schwächern, Juden mercken ließ. Und also
war es nicht so wol eine sündliche Simulation des
nicht gehabten Guten, als eine unbehutsame Dis-
simulation
desselben.
3. Da nun Petrus daher keines Jrrthums
in der Lehre, noch Lasters im Leben beschuldi-
get werden kan; so siehet man wol, daß solches
seiner apostolischen Autorität keinen Abbruch
thue; und zeiget es mehr nicht an, als daß die
Apostel, ob sie wol in ihrem Amte durch den
Heiligen Geist in alle Wahrheit geleitet worden,
also, daß sie in der Lehre ohne alle Jrrthümer ge-
blieben, dennoch in der Erkäntniß und Applica-
tion
der Lehre der menschlichen Unvollkommen-
heit unterworfen gewesen, und nöthig gehabt,
auch selbst noch täglich zu wachsen, und wider
alle Versuchungen wohl auf ihrer Hut zu seyn,
und sich im Gebet zu GOtt zu halten. Und da-
her können wir so viel besser verstehen, warum
sich Paulus in seinen Briefen der Gläubigen
Vorbitte ausbittet, und zwar auch dazu, daß er
in Offenbahrung des Geheimnisses Christi reden
und handeln möge, wie er solte. Col. 4, 3. 4.
Siehe auch Eph. 6, 18. 19. 1 Thess. 5, 25. 2 Thess.
3, 1. Hebr. 13, 18.)
V. 14.

Aber da ich sahe, daß sie nicht richtig
wandelten nach der Wahrheit des Evan-
gelii
(insonderheit, was die Freyheit des Ge-
wissens von Mosaischen Satzungen betrifft)
sprach ich zu Petro vor allen öffentlich,
nemlich in der Versammlung der Gemeine:)
[Spaltenumbruch] So du, der du ein Jude bist, heidnisch le-
best
(wie ein gläubiger Heide, der an das Jüdi-
sche Gesetz nicht gebunden ist, und also der Evan-
gelischen Freyheit recht geniesset) warum zwin-
gest du denn
(mit deinem Exempel) die Hei-
den Jüdisch zu leben
(sich den Judischen Sa-
tzungen zu unterwerfen, mit dem Jrrthum, als
wenn dadurch die Seligkeit müste erhalten
werden.)

Anmerckungen.
1. Es ist eine schöne Redens-Art: ortho-
podei~n pros ten aletheian tou E'uaggeliou, rich-
tig wandeln nach der Wahrheit des Evan-
gelii,
bey der Wahrheit des Evangelii einen
richtigen und geraden Weg und Fuß haben und
behalten. Welches auf eine gedoppelte Art
geschiehet: zuvorderst in der Lehre, davon al-
hier eigentlich die Rede ist, wenn man die Ev-
angelische Haupt-Lehre von der Erlösung Christi
und von der daher entstehenden Rechtfertigung
durch den Glauben in ihrer rechten Lauterkeit
lässet. Und denn auch im Leben, davon der
Apostel hernach handelt, wenn man den Grund
des Glaubens von der Erlösung Christi und der
Rechtfertigung samt der Christlichen Freyheit
nicht aufs Fleisch ziehet und mißbrauchet, son-
dern in der Ordnung wahrer Bekehrung und
Erneurung recht zur Heiligung anwendet.
Beydes ist nöthig: und wird leider beydes von
sehr vielen aus den Augen gesetzet: Das erste im
Pabstthum u. bey denen, welche auf eine unlautere
mystische Theologie gehen: das letztere von den
meisten unter den Protestanten oder, der äusserli-
chen Bekäntniß nach, evangelischen Christen.
2. Man sehe hier, was Aergernisse thun.
Paulus spricht, Petrus zwinge die gläubigen
Heiden jüdisch zu leben,
d. i. bringe die Ge-
wissen, in so fern sie auf sein Exempel sehen und
ihm folgen, dahin, daß sie meinen, wenn sie wol-
ten selig werden, so müsten sie sich den jüdischen
Satzungen unterwerfen.
3. Man findet alhier auch ein schönes
Exempel der brüderlichen Bestrafung, wie
sie unter rechtschafnen Christen, sonderlich den
Lehrern geschehen und angenommen werden
soll. Denn gleichwie sie Paulus nicht weniger
mit aller Demuth, Liebe und Sanftmuth, als
mit aller Freudigkeit gethan: so hat sie auch Pe-
trus gar wohl aufgenommen, und ihr so fort
Platz gegeben: wie solches Paulus nicht undeut-
lich mit anzeiget, und ohne deß der Geist Christi
und die wahre Weisheit, die sich sagen lässet,
Jac. 3, 19. es also mit sich bringet. So muß
auch Paulus genugsam versichert gewesen seyn,
daß es ihm Petrus nicht übel nehmen würde,
wenn er dessen, was mit ihm und Petro zu An-
tiochia vorgegangen, Meldung thäte: sonst er
sie gewißlich nicht würde gethan haben. Viel-
leicht haben sich auch einige falsche Lehrer bey
den Galatern auf Petri Exempel berufen, daß
Paulus daher so viel nöthiger gefunden, der Sa-
chen rechte Beschaffenheit vorzustellen. Daß aber
Petrus Pauli Erinnerung aufs allerbeste auf-
genommen, und er auch dafür gehalten haben
müs-
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Cap. 2, 13. 14. an die Galater.
[Spaltenumbruch] Denn da er ſich anfangs bey den bekehrten Hei-
den der evangeliſchen Freyheit gebrauchet hatte,
und etliche allem Anſehen nach noch ſchwaͤchere
Chriſten von der Jeruſalemſchen Kirche dazu ka-
men, und er beſorgete, er wuͤrde dieſe damit aͤr-
gern, ſo entzog er ſich jenen, um dieſen damit
kein Aergerniß zu geben. Darinnen ihme denn
andere, auch ſelbſt Barnabas, gefolget. So
gut es nun auch gleich gemeinet war, ſo uͤbel ge-
rieth es doch: und zwar auf Seiten der bekehr-
ten Heiden und Juden. Denn jene wurden
dadurch betruͤbet, als hielte man ſie nicht fuͤr
rechte Glieder Chriſti, und kamen dabey auf die
Gedancken, als ob man ſie auch dem Juͤdiſchen
Geſetze unterwerfen wolte. Dieſe aber wurden
in ihrer Glaubens-Schwachheit, die ſie fahren
laſſen, und ſich von den Banden des Ceremo-
nial-Geſetzes mit ihrem Gewiſſen in die voͤllige
Chriſtliche Freyheit ſetzen ſolten, dadurch noch
mehr unterhalten. Und alſo war die gedachte
richtige Regel unrichtig appliciret.
2. Ob nun wol dieſes Verfahren nicht zu
billigen war, ſo war es doch keine eigentliche
Heucheley. Denn eine Heucheley iſt eine ſol-
che Verſtellung, da man nichts gutes und keine
Wahrheit im Hertzen hat, doch aber aͤuſſerlich
mit den Geberden und mit Worten, auch wol
mit ſcheinbaren Wercken vieles davon vorgiebet.
Dieſes aber that Petrus ſo gar nicht, daß er hin-
gegen mehr gutes und Wahrheit im Hertzen hat-
te und beſaß, als er ſich in der Entziehung von
den bekehrten Heiden gegen die glaͤubigen, aber
noch ſchwaͤchern, Juden mercken ließ. Und alſo
war es nicht ſo wol eine ſuͤndliche Simulation des
nicht gehabten Guten, als eine unbehutſame Dis-
ſimulation
deſſelben.
3. Da nun Petrus daher keines Jrrthums
in der Lehre, noch Laſters im Leben beſchuldi-
get werden kan; ſo ſiehet man wol, daß ſolches
ſeiner apoſtoliſchen Autoritaͤt keinen Abbruch
thue; und zeiget es mehr nicht an, als daß die
Apoſtel, ob ſie wol in ihrem Amte durch den
Heiligen Geiſt in alle Wahrheit geleitet worden,
alſo, daß ſie in der Lehre ohne alle Jrrthuͤmer ge-
blieben, dennoch in der Erkaͤntniß und Applica-
tion
der Lehre der menſchlichen Unvollkommen-
heit unterworfen geweſen, und noͤthig gehabt,
auch ſelbſt noch taͤglich zu wachſen, und wider
alle Verſuchungen wohl auf ihrer Hut zu ſeyn,
und ſich im Gebet zu GOtt zu halten. Und da-
her koͤnnen wir ſo viel beſſer verſtehen, warum
ſich Paulus in ſeinen Briefen der Glaͤubigen
Vorbitte ausbittet, und zwar auch dazu, daß er
in Offenbahrung des Geheimniſſes Chriſti reden
und handeln moͤge, wie er ſolte. Col. 4, 3. 4.
Siehe auch Eph. 6, 18. 19. 1 Theſſ. 5, 25. 2 Theſſ.
3, 1. Hebr. 13, 18.)
V. 14.

Aber da ich ſahe, daß ſie nicht richtig
wandelten nach der Wahrheit des Evan-
gelii
(inſonderheit, was die Freyheit des Ge-
wiſſens von Moſaiſchen Satzungen betrifft)
ſprach ich zu Petro vor allen oͤffentlich,
nemlich in der Verſammlung der Gemeine:)
[Spaltenumbruch] So du, der du ein Jude biſt, heidniſch le-
beſt
(wie ein glaͤubiger Heide, der an das Juͤdi-
ſche Geſetz nicht gebunden iſt, und alſo der Evan-
geliſchen Freyheit recht genieſſet) warum zwin-
geſt du denn
(mit deinem Exempel) die Hei-
den Juͤdiſch zu leben
(ſich den Judiſchen Sa-
tzungen zu unterwerfen, mit dem Jrrthum, als
wenn dadurch die Seligkeit muͤſte erhalten
werden.)

Anmerckungen.
1. Es iſt eine ſchoͤne Redens-Art: ὀρϑο-
ποδει῀ν πρὸς τὴν ἀλήϑειαν τοῦ Ε᾽υαγγελίου, rich-
tig wandeln nach der Wahrheit des Evan-
gelii,
bey der Wahrheit des Evangelii einen
richtigen und geraden Weg und Fuß haben und
behalten. Welches auf eine gedoppelte Art
geſchiehet: zuvorderſt in der Lehre, davon al-
hier eigentlich die Rede iſt, wenn man die Ev-
angeliſche Haupt-Lehre von der Erloͤſung Chriſti
und von der daher entſtehenden Rechtfertigung
durch den Glauben in ihrer rechten Lauterkeit
laͤſſet. Und denn auch im Leben, davon der
Apoſtel hernach handelt, wenn man den Grund
des Glaubens von der Erloͤſung Chriſti und der
Rechtfertigung ſamt der Chriſtlichen Freyheit
nicht aufs Fleiſch ziehet und mißbrauchet, ſon-
dern in der Ordnung wahrer Bekehrung und
Erneurung recht zur Heiligung anwendet.
Beydes iſt noͤthig: und wird leider beydes von
ſehr vielen aus den Augen geſetzet: Das erſte im
Pabſtthum u. bey denen, welche auf eine unlautere
myſtiſche Theologie gehen: das letztere von den
meiſten unter den Proteſtanten oder, der aͤuſſerli-
chen Bekaͤntniß nach, evangeliſchen Chriſten.
2. Man ſehe hier, was Aergerniſſe thun.
Paulus ſpricht, Petrus zwinge die glaͤubigen
Heiden juͤdiſch zu leben,
d. i. bringe die Ge-
wiſſen, in ſo fern ſie auf ſein Exempel ſehen und
ihm folgen, dahin, daß ſie meinen, wenn ſie wol-
ten ſelig werden, ſo muͤſten ſie ſich den juͤdiſchen
Satzungen unterwerfen.
3. Man findet alhier auch ein ſchoͤnes
Exempel der bruͤderlichen Beſtrafung, wie
ſie unter rechtſchafnen Chriſten, ſonderlich den
Lehrern geſchehen und angenommen werden
ſoll. Denn gleichwie ſie Paulus nicht weniger
mit aller Demuth, Liebe und Sanftmuth, als
mit aller Freudigkeit gethan: ſo hat ſie auch Pe-
trus gar wohl aufgenommen, und ihr ſo fort
Platz gegeben: wie ſolches Paulus nicht undeut-
lich mit anzeiget, und ohne deß der Geiſt Chriſti
und die wahre Weisheit, die ſich ſagen laͤſſet,
Jac. 3, 19. es alſo mit ſich bringet. So muß
auch Paulus genugſam verſichert geweſen ſeyn,
daß es ihm Petrus nicht uͤbel nehmen wuͤrde,
wenn er deſſen, was mit ihm und Petro zu An-
tiochia vorgegangen, Meldung thaͤte: ſonſt er
ſie gewißlich nicht wuͤrde gethan haben. Viel-
leicht haben ſich auch einige falſche Lehrer bey
den Galatern auf Petri Exempel berufen, daß
Paulus daher ſo viel noͤthiger gefunden, der Sa-
chen rechte Beſchaffenheit vorzuſtellen. Daß aber
Petrus Pauli Erinnerung aufs allerbeſte auf-
genommen, und er auch dafuͤr gehalten haben
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[499/0527] Cap. 2, 13. 14. an die Galater. Denn da er ſich anfangs bey den bekehrten Hei- den der evangeliſchen Freyheit gebrauchet hatte, und etliche allem Anſehen nach noch ſchwaͤchere Chriſten von der Jeruſalemſchen Kirche dazu ka- men, und er beſorgete, er wuͤrde dieſe damit aͤr- gern, ſo entzog er ſich jenen, um dieſen damit kein Aergerniß zu geben. Darinnen ihme denn andere, auch ſelbſt Barnabas, gefolget. So gut es nun auch gleich gemeinet war, ſo uͤbel ge- rieth es doch: und zwar auf Seiten der bekehr- ten Heiden und Juden. Denn jene wurden dadurch betruͤbet, als hielte man ſie nicht fuͤr rechte Glieder Chriſti, und kamen dabey auf die Gedancken, als ob man ſie auch dem Juͤdiſchen Geſetze unterwerfen wolte. Dieſe aber wurden in ihrer Glaubens-Schwachheit, die ſie fahren laſſen, und ſich von den Banden des Ceremo- nial-Geſetzes mit ihrem Gewiſſen in die voͤllige Chriſtliche Freyheit ſetzen ſolten, dadurch noch mehr unterhalten. Und alſo war die gedachte richtige Regel unrichtig appliciret. 2. Ob nun wol dieſes Verfahren nicht zu billigen war, ſo war es doch keine eigentliche Heucheley. Denn eine Heucheley iſt eine ſol- che Verſtellung, da man nichts gutes und keine Wahrheit im Hertzen hat, doch aber aͤuſſerlich mit den Geberden und mit Worten, auch wol mit ſcheinbaren Wercken vieles davon vorgiebet. Dieſes aber that Petrus ſo gar nicht, daß er hin- gegen mehr gutes und Wahrheit im Hertzen hat- te und beſaß, als er ſich in der Entziehung von den bekehrten Heiden gegen die glaͤubigen, aber noch ſchwaͤchern, Juden mercken ließ. Und alſo war es nicht ſo wol eine ſuͤndliche Simulation des nicht gehabten Guten, als eine unbehutſame Dis- ſimulation deſſelben. 3. Da nun Petrus daher keines Jrrthums in der Lehre, noch Laſters im Leben beſchuldi- get werden kan; ſo ſiehet man wol, daß ſolches ſeiner apoſtoliſchen Autoritaͤt keinen Abbruch thue; und zeiget es mehr nicht an, als daß die Apoſtel, ob ſie wol in ihrem Amte durch den Heiligen Geiſt in alle Wahrheit geleitet worden, alſo, daß ſie in der Lehre ohne alle Jrrthuͤmer ge- blieben, dennoch in der Erkaͤntniß und Applica- tion der Lehre der menſchlichen Unvollkommen- heit unterworfen geweſen, und noͤthig gehabt, auch ſelbſt noch taͤglich zu wachſen, und wider alle Verſuchungen wohl auf ihrer Hut zu ſeyn, und ſich im Gebet zu GOtt zu halten. Und da- her koͤnnen wir ſo viel beſſer verſtehen, warum ſich Paulus in ſeinen Briefen der Glaͤubigen Vorbitte ausbittet, und zwar auch dazu, daß er in Offenbahrung des Geheimniſſes Chriſti reden und handeln moͤge, wie er ſolte. Col. 4, 3. 4. Siehe auch Eph. 6, 18. 19. 1 Theſſ. 5, 25. 2 Theſſ. 3, 1. Hebr. 13, 18.) V. 14. Aber da ich ſahe, daß ſie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evan- gelii (inſonderheit, was die Freyheit des Ge- wiſſens von Moſaiſchen Satzungen betrifft) ſprach ich zu Petro vor allen oͤffentlich, nemlich in der Verſammlung der Gemeine:) So du, der du ein Jude biſt, heidniſch le- beſt (wie ein glaͤubiger Heide, der an das Juͤdi- ſche Geſetz nicht gebunden iſt, und alſo der Evan- geliſchen Freyheit recht genieſſet) warum zwin- geſt du denn (mit deinem Exempel) die Hei- den Juͤdiſch zu leben (ſich den Judiſchen Sa- tzungen zu unterwerfen, mit dem Jrrthum, als wenn dadurch die Seligkeit muͤſte erhalten werden.) Anmerckungen. 1. Es iſt eine ſchoͤne Redens-Art: ὀρϑο- ποδει῀ν πρὸς τὴν ἀλήϑειαν τοῦ Ε᾽υαγγελίου, rich- tig wandeln nach der Wahrheit des Evan- gelii, bey der Wahrheit des Evangelii einen richtigen und geraden Weg und Fuß haben und behalten. Welches auf eine gedoppelte Art geſchiehet: zuvorderſt in der Lehre, davon al- hier eigentlich die Rede iſt, wenn man die Ev- angeliſche Haupt-Lehre von der Erloͤſung Chriſti und von der daher entſtehenden Rechtfertigung durch den Glauben in ihrer rechten Lauterkeit laͤſſet. Und denn auch im Leben, davon der Apoſtel hernach handelt, wenn man den Grund des Glaubens von der Erloͤſung Chriſti und der Rechtfertigung ſamt der Chriſtlichen Freyheit nicht aufs Fleiſch ziehet und mißbrauchet, ſon- dern in der Ordnung wahrer Bekehrung und Erneurung recht zur Heiligung anwendet. Beydes iſt noͤthig: und wird leider beydes von ſehr vielen aus den Augen geſetzet: Das erſte im Pabſtthum u. bey denen, welche auf eine unlautere myſtiſche Theologie gehen: das letztere von den meiſten unter den Proteſtanten oder, der aͤuſſerli- chen Bekaͤntniß nach, evangeliſchen Chriſten. 2. Man ſehe hier, was Aergerniſſe thun. Paulus ſpricht, Petrus zwinge die glaͤubigen Heiden juͤdiſch zu leben, d. i. bringe die Ge- wiſſen, in ſo fern ſie auf ſein Exempel ſehen und ihm folgen, dahin, daß ſie meinen, wenn ſie wol- ten ſelig werden, ſo muͤſten ſie ſich den juͤdiſchen Satzungen unterwerfen. 3. Man findet alhier auch ein ſchoͤnes Exempel der bruͤderlichen Beſtrafung, wie ſie unter rechtſchafnen Chriſten, ſonderlich den Lehrern geſchehen und angenommen werden ſoll. Denn gleichwie ſie Paulus nicht weniger mit aller Demuth, Liebe und Sanftmuth, als mit aller Freudigkeit gethan: ſo hat ſie auch Pe- trus gar wohl aufgenommen, und ihr ſo fort Platz gegeben: wie ſolches Paulus nicht undeut- lich mit anzeiget, und ohne deß der Geiſt Chriſti und die wahre Weisheit, die ſich ſagen laͤſſet, Jac. 3, 19. es alſo mit ſich bringet. So muß auch Paulus genugſam verſichert geweſen ſeyn, daß es ihm Petrus nicht uͤbel nehmen wuͤrde, wenn er deſſen, was mit ihm und Petro zu An- tiochia vorgegangen, Meldung thaͤte: ſonſt er ſie gewißlich nicht wuͤrde gethan haben. Viel- leicht haben ſich auch einige falſche Lehrer bey den Galatern auf Petri Exempel berufen, daß Paulus daher ſo viel noͤthiger gefunden, der Sa- chen rechte Beſchaffenheit vorzuſtellen. Daß aber Petrus Pauli Erinnerung aufs allerbeſte auf- genommen, und er auch dafuͤr gehalten haben muͤſ- R r r 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/527>, abgerufen am 24.11.2024.