Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 2, 5-10. an die Galater. [Spaltenumbruch]
3. Es ist aber ein schwacher Bruder von einem falschen wohl zu unterscheiden. Haben wir an dem schwachen gleich nicht die Erquickung, die wir haben könten, und zu haben wünschten: so ist er doch ein Mitglied an dem geistlichen Lei- be Christi, und daher von dem stärckern mit Er- weisung aller Liebe zu tragen. 4. Diese falsche Brüder, davon Paulus redet, sind eben die, oder doch dergleichen, als von Jerusalem nach Antiochia gekommen wa- ren, und sagten: Wo ihr euch nicht beschnei- den lasset nach der Weise Mose, so könnet ihr nicht selig werden. Ap. Ges. 15, 2. Denn solche funde der Apostel auch zu Jerusalem, von denen es v. 5. heißt: Da traten auf etliche von der Pharisäer Secte, die gläubig waren worden und sprachen: Man muß sie (die Heiden) beschneiden, und gebieten zu hal- ten das Gesetz. 5. Ob es nun gleich scheinen konte; als hätte Paulns zum wenigsten pros oran, auf einige Zeit (2 Cor. 7, 8. 1 Thess. 2, 17. Philem. v. 15.) solchen Gesetz-Eiferern in so weit weichen können, daß er Titum hätte beschneiden lassen, sonderlich zu Jerusalem: so hat er es doch nicht gethan, ist auch dazu nicht genöthiget worden; weil die Gefahr des Mißbrauchs gegen die gläu- bigen Heiden insgemein ihnen allen vor Augen stunde. 6. Hingegen aber, wo dieses nicht zu be- sorgen, da war Paulus nach der Liebe bereit, allen allerley zu werden, und den Juden, als ein Jude, um sie zu gewinnen, wie er 1 Cor. 9, 19. u. f. bezeuget. Welches er auch sonderlich damit erwiese, daß er noch nach dieser Zeit Ti- motheum, da sein Vater ein Grieche gewesen, beschneiden ließ Ap. Ges. 16, 1. 2. 3. auch hernach zu Jerusalem selbst sich in jüdischen Satzungen nach der Schwachheit der aus den Juden gläu- big gewordenen accommodirete, c. 21, 20-27. 7. Man siehet im übrigen aus diesem Tex- te, wie unverantwortlich es sey, die von Christo selbst freygemachte Gewissen an gewisse Men- schen-Satzungen zu binden. Denn da die von GOtt selbst verordnete Jüdische Gebräuche ihr gewisses Ziel hatten, über welches sie nicht gehen musten: so ist leichtlich zu erachten, wie uner- träglich das Joch solcher Ceremonien seyn müsse, welche bloß von Menschen herrühren, voller Aberglaubens und ungöttliches Wesens sind, und dabey doch als zur Seligkeit nöthig, oder verdienstlich aufgedrungen werden: wie im Papstthum geschiehet. V. 6. Von denen aber, die das Ansehen hat- Anmerckung. Die ersten Worte: apo de ton dokounton V. 7-10. Sondern wiederum (tounantion, im Ge- Anmerckungen. 1. Jst Petro das Evangelium sonderlich vertrauet gewesen an die Beschneidung, oder Jüden, so giebt man im Papstthum fälschlich vor, daß er sonderlich den Heiden zu Rom ge- prediget, ja sich daselbst die meiste Zeit seines Apostel-Amts aufgehalten, und der erste Römi- sche Bischoff gewesen, und den päpstlichen Stuhl da- R r r
Cap. 2, 5-10. an die Galater. [Spaltenumbruch]
3. Es iſt aber ein ſchwacher Bruder von einem falſchen wohl zu unterſcheiden. Haben wir an dem ſchwachen gleich nicht die Erquickung, die wir haben koͤnten, und zu haben wuͤnſchten: ſo iſt er doch ein Mitglied an dem geiſtlichen Lei- be Chriſti, und daher von dem ſtaͤrckern mit Er- weiſung aller Liebe zu tragen. 4. Dieſe falſche Bruͤder, davon Paulus redet, ſind eben die, oder doch dergleichen, als von Jeruſalem nach Antiochia gekommen wa- ren, und ſagten: Wo ihr euch nicht beſchnei- den laſſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet ihr nicht ſelig werden. Ap. Geſ. 15, 2. Denn ſolche funde der Apoſtel auch zu Jeruſalem, von denen es v. 5. heißt: Da traten auf etliche von der Phariſaͤer Secte, die glaͤubig waren worden und ſprachen: Man muß ſie (die Heiden) beſchneiden, und gebieten zu hal- ten das Geſetz. 5. Ob es nun gleich ſcheinen konte; als haͤtte Paulns zum wenigſten πρὸς ὥραν, auf einige Zeit (2 Cor. 7, 8. 1 Theſſ. 2, 17. Philem. v. 15.) ſolchen Geſetz-Eiferern in ſo weit weichen koͤnnen, daß er Titum haͤtte beſchneiden laſſen, ſonderlich zu Jeruſalem: ſo hat er es doch nicht gethan, iſt auch dazu nicht genoͤthiget worden; weil die Gefahr des Mißbrauchs gegen die glaͤu- bigen Heiden insgemein ihnen allen vor Augen ſtunde. 6. Hingegen aber, wo dieſes nicht zu be- ſorgen, da war Paulus nach der Liebe bereit, allen allerley zu werden, und den Juden, als ein Jude, um ſie zu gewinnen, wie er 1 Cor. 9, 19. u. f. bezeuget. Welches er auch ſonderlich damit erwieſe, daß er noch nach dieſer Zeit Ti- motheum, da ſein Vater ein Grieche geweſen, beſchneiden ließ Ap. Geſ. 16, 1. 2. 3. auch hernach zu Jeruſalem ſelbſt ſich in juͤdiſchen Satzungen nach der Schwachheit der aus den Juden glaͤu- big gewordenen accommodirete, c. 21, 20-27. 7. Man ſiehet im uͤbrigen aus dieſem Tex- te, wie unverantwortlich es ſey, die von Chriſto ſelbſt freygemachte Gewiſſen an gewiſſe Men- ſchen-Satzungen zu binden. Denn da die von GOtt ſelbſt verordnete Juͤdiſche Gebraͤuche ihr gewiſſes Ziel hatten, uͤber welches ſie nicht gehen muſten: ſo iſt leichtlich zu erachten, wie uner- traͤglich das Joch ſolcher Ceremonien ſeyn muͤſſe, welche bloß von Menſchen herruͤhren, voller Aberglaubens und ungoͤttliches Weſens ſind, und dabey doch als zur Seligkeit noͤthig, oder verdienſtlich aufgedrungen werden: wie im Papſtthum geſchiehet. V. 6. Von denen aber, die das Anſehen hat- Anmerckung. Die erſten Worte: ἀπὸ δὲ τῶν δοκούντων V. 7-10. Sondern wiederum (τοὐναντίον, im Ge- Anmerckungen. 1. Jſt Petro das Evangelium ſonderlich vertrauet geweſen an die Beſchneidung, oder Juͤden, ſo giebt man im Papſtthum faͤlſchlich vor, daß er ſonderlich den Heiden zu Rom ge- prediget, ja ſich daſelbſt die meiſte Zeit ſeines Apoſtel-Amts aufgehalten, und der erſte Roͤmi- ſche Biſchoff geweſen, und den paͤpſtlichen Stuhl da- R r r
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0525" n="497"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Cap. 2, 5-10. an die Galater.</hi> </fw><lb/> <cb/> <list> <item>3. Es iſt aber ein <hi rendition="#fr">ſchwacher</hi> Bruder von<lb/> einem <hi rendition="#fr">falſchen</hi> wohl zu unterſcheiden. Haben<lb/> wir an dem ſchwachen gleich nicht die Erquickung,<lb/> die wir haben koͤnten, und zu haben wuͤnſchten:<lb/> ſo iſt er doch ein Mitglied an dem geiſtlichen Lei-<lb/> be Chriſti, und daher von dem ſtaͤrckern mit Er-<lb/> weiſung aller Liebe zu tragen.</item><lb/> <item>4. Dieſe falſche Bruͤder, davon Paulus<lb/> redet, ſind eben die, oder doch dergleichen, als<lb/> von Jeruſalem nach Antiochia gekommen wa-<lb/> ren, und ſagten: <hi rendition="#fr">Wo ihr euch nicht beſchnei-<lb/> den laſſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet<lb/> ihr nicht ſelig werden.</hi> Ap. Geſ. 15, 2. Denn<lb/> ſolche funde der Apoſtel auch zu Jeruſalem, von<lb/> denen es v. 5. heißt: <hi rendition="#fr">Da traten auf etliche von<lb/> der Phariſaͤer Secte, die glaͤubig waren<lb/> worden und ſprachen: Man muß ſie</hi> (die<lb/> Heiden) <hi rendition="#fr">beſchneiden, und gebieten zu hal-<lb/> ten das Geſetz.</hi></item><lb/> <item>5. Ob es nun gleich ſcheinen konte; als<lb/> haͤtte Paulns zum wenigſten πρὸς ὥραν, <hi rendition="#fr">auf<lb/> einige Zeit</hi> (2 Cor. 7, 8. 1 Theſſ. 2, 17. Philem.<lb/> v. 15.) ſolchen Geſetz-Eiferern in ſo weit weichen<lb/> koͤnnen, daß er Titum haͤtte beſchneiden laſſen,<lb/> ſonderlich zu Jeruſalem: ſo hat er es doch nicht<lb/> gethan, iſt auch dazu nicht genoͤthiget worden;<lb/> weil die Gefahr des Mißbrauchs gegen die glaͤu-<lb/> bigen Heiden insgemein ihnen allen vor Augen<lb/> ſtunde.</item><lb/> <item>6. Hingegen aber, wo dieſes nicht zu be-<lb/> ſorgen, da war Paulus nach der Liebe bereit,<lb/><hi rendition="#fr">allen allerley zu werden,</hi> und den Juden, als<lb/> ein Jude, um ſie zu gewinnen, wie er 1 Cor. 9,<lb/> 19. u. f. bezeuget. Welches er auch ſonderlich<lb/> damit erwieſe, daß er noch nach dieſer Zeit Ti-<lb/> motheum, da ſein Vater ein Grieche geweſen,<lb/> beſchneiden ließ Ap. Geſ. 16, 1. 2. 3. auch hernach<lb/> zu Jeruſalem ſelbſt ſich in juͤdiſchen Satzungen<lb/> nach der Schwachheit der aus den Juden glaͤu-<lb/> big gewordenen <hi rendition="#aq">accommodir</hi>ete, c. 21, 20-27.</item><lb/> <item>7. Man ſiehet im uͤbrigen aus dieſem Tex-<lb/> te, wie unverantwortlich es ſey, die von Chriſto<lb/> ſelbſt freygemachte Gewiſſen an gewiſſe Men-<lb/> ſchen-Satzungen zu binden. Denn da die von<lb/> GOtt ſelbſt verordnete Juͤdiſche Gebraͤuche ihr<lb/> gewiſſes Ziel hatten, uͤber welches ſie nicht gehen<lb/> muſten: ſo iſt leichtlich zu erachten, wie uner-<lb/> traͤglich das Joch ſolcher Ceremonien ſeyn muͤſſe,<lb/> welche bloß von Menſchen herruͤhren, voller<lb/> Aberglaubens und ungoͤttliches Weſens ſind,<lb/> und dabey doch als zur Seligkeit noͤthig, oder<lb/> verdienſtlich aufgedrungen werden: wie im<lb/> Papſtthum geſchiehet.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 6.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Von denen aber, die das Anſehen hat-<lb/> ten</hi> (v. 2. das iſt von den Apoſteln) <hi rendition="#fr">welcher-<lb/> ley ſie weiland geweſen ſind)</hi> da ſie gewuͤr-<lb/> diget worden, einen ſo genauen Umgang mit<lb/> Chriſto zu haben) <hi rendition="#fr">da lieget mir nichts an</hi><lb/> (dadurch gehet mir, der ich ihnen gleich bin, gar<lb/> nichts ab;) <hi rendition="#fr">GOtt achtet das Anſehen der<lb/> Menſchen nicht</hi> (es koͤmmt bey dem Evangelio<lb/> darauf nicht an, ob einer vor andern bey Men-<lb/> ſchen, die im Urtheil oft irren, ein Anſehen habe,<lb/> ein anderer aber nicht; genug, daß er ſeines goͤtt-<lb/><cb/> lichen Berufs verſichert und ein ſolches Werck-<lb/> zeug GOttes iſt, durch den er ſein Evangelium<lb/> in aller Lauterkeit kund machet.) <hi rendition="#fr">Denn mich<lb/> haben die, ſo das Anſehen hatten, nichts<lb/> anders gelehret.</hi>)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/> <p>Die erſten Worte: ἀπὸ δὲ τῶν δοκούντων<lb/> εἶναί τι, mit den folgenden: οὐδέν μοὶ διαφέρει,<lb/> koͤnnen mit denen darzwiſchen ſtehenden gar fuͤg-<lb/> lich alſo uͤberſetzet werden: <hi rendition="#fr">Was dienjenigen<lb/> anlanget, die das Anſehen haben, daß ſie<lb/> etwas ſeyn, welcherley ſie vor dem gewe-<lb/> ſen ſind, da lieget mir nichts an.</hi> Oder auch<lb/> alſo: <hi rendition="#fr">Die aber das Anſehen haben, daß ſie<lb/> etwas ſeyn, welcherley ſie auch ehemals<lb/> moͤgen geweſen ſeyn, die ſind nicht mehr<lb/> denn ich.</hi></p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 7-10.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Sondern wiederum</hi> (τοὐναντίον, im Ge-<lb/> gentheil) <hi rendition="#fr">da ſie ſahen</hi> (aus denen von mir er-<lb/> zehleten, und erweislichen, auch kundbaren<lb/> Proben Ap. Geſ. 10, 4. 12. gewiß uͤberzeuget<lb/> waren) <hi rendition="#fr">daß mir</hi> (durch eine beſondere Beru-<lb/> fung (<hi rendition="#fr">vertrauet war das Evangelium an<lb/> die Vorhaut</hi> (an die unbeſchnittenen Heiden)<lb/><hi rendition="#fr">gleichwie Petro das Evangelium an die<lb/> Beſchneidung</hi> (die Judenſchaft: fuͤrnemlich,<lb/> alſo, daß bey dieſer die Heiden, und bey den<lb/> Heiden die Juden von der Predigt nicht ausge-<lb/> ſchloſſen waren.) <hi rendition="#fr">Denn der mit Petro kraͤf-<lb/> tig geweſen</hi> (wie aͤuſſerlich mit vielen Wun-<lb/> der-Kraͤften, alſo auch innerlich durch gruͤndliche<lb/> Veraͤnderung der Hertzen) <hi rendition="#fr">zum Apoſtel-Amt<lb/> unter die Beſchneidung, der iſt mit mir<lb/> auch kraͤftig geweſen unter die Heiden:<lb/> und erkanten die Gnade, die mir</hi> (zur Be-<lb/> kehrung, auch Berufung, und Fuͤhrung des<lb/> Apoſtel-Amts) <hi rendition="#fr">gegeben war, Jacobus, und<lb/> Kephas</hi> (Petrus Joh. 1, 43.) <hi rendition="#fr">u. Johannes, die<lb/> fuͤr Seulen</hi> (in Unterſtuͤtzung der Evangeliſchen<lb/> Wahrheit) <hi rendition="#fr">angeſehen waren, gaben ſie</hi> (zur<lb/> Bezeugung wie der voͤlligen Gemeinſchaft des<lb/> Geiſtes mit uns, alſo auch ihrer Liebe und ihres<lb/> Vertrauens gegen uns, ohne das geringſte an<lb/> unſerm Berufe und unſerer Lehre auszuſetzen)<lb/><hi rendition="#fr">mir und Barnaba die rechte Hand, und<lb/> wurden mit uns eins, daß wir</hi> (fuͤrnemlich)<lb/><hi rendition="#fr">unter die Heyden, ſie aber unter die Be-<lb/> ſchneidung predigten: allein</hi> (hatten ſie nur<lb/> das, was doch nicht zur Lehre, ſondern zur Lie-<lb/> be gehoͤrete, zu erinnern) <hi rendition="#fr">daß wir der Armen</hi><lb/> (zu Jeruſalem) <hi rendition="#fr">gedaͤchten: Welches ich<lb/> auch fleißig geweſen bin zu thun</hi> (<hi rendition="#aq">Act.</hi> 11, 29.<lb/> 30. 12, 15. 24, 17. Rom. 15, 25. 26. 1 Cor. 16, 1.<lb/> 2 Cor. 8. 9.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Jſt Petro das Evangelium ſonderlich<lb/> vertrauet geweſen an <hi rendition="#fr">die Beſchneidung,</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">Juͤden,</hi> ſo giebt man im Papſtthum faͤlſchlich<lb/> vor, daß er ſonderlich den Heiden zu Rom ge-<lb/> prediget, ja ſich daſelbſt die meiſte Zeit ſeines<lb/> Apoſtel-Amts aufgehalten, und der erſte Roͤmi-<lb/> ſche Biſchoff geweſen, und den paͤpſtlichen Stuhl<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R r r</fw><fw place="bottom" type="catch">da-</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [497/0525]
Cap. 2, 5-10. an die Galater.
3. Es iſt aber ein ſchwacher Bruder von
einem falſchen wohl zu unterſcheiden. Haben
wir an dem ſchwachen gleich nicht die Erquickung,
die wir haben koͤnten, und zu haben wuͤnſchten:
ſo iſt er doch ein Mitglied an dem geiſtlichen Lei-
be Chriſti, und daher von dem ſtaͤrckern mit Er-
weiſung aller Liebe zu tragen.
4. Dieſe falſche Bruͤder, davon Paulus
redet, ſind eben die, oder doch dergleichen, als
von Jeruſalem nach Antiochia gekommen wa-
ren, und ſagten: Wo ihr euch nicht beſchnei-
den laſſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet
ihr nicht ſelig werden. Ap. Geſ. 15, 2. Denn
ſolche funde der Apoſtel auch zu Jeruſalem, von
denen es v. 5. heißt: Da traten auf etliche von
der Phariſaͤer Secte, die glaͤubig waren
worden und ſprachen: Man muß ſie (die
Heiden) beſchneiden, und gebieten zu hal-
ten das Geſetz.
5. Ob es nun gleich ſcheinen konte; als
haͤtte Paulns zum wenigſten πρὸς ὥραν, auf
einige Zeit (2 Cor. 7, 8. 1 Theſſ. 2, 17. Philem.
v. 15.) ſolchen Geſetz-Eiferern in ſo weit weichen
koͤnnen, daß er Titum haͤtte beſchneiden laſſen,
ſonderlich zu Jeruſalem: ſo hat er es doch nicht
gethan, iſt auch dazu nicht genoͤthiget worden;
weil die Gefahr des Mißbrauchs gegen die glaͤu-
bigen Heiden insgemein ihnen allen vor Augen
ſtunde.
6. Hingegen aber, wo dieſes nicht zu be-
ſorgen, da war Paulus nach der Liebe bereit,
allen allerley zu werden, und den Juden, als
ein Jude, um ſie zu gewinnen, wie er 1 Cor. 9,
19. u. f. bezeuget. Welches er auch ſonderlich
damit erwieſe, daß er noch nach dieſer Zeit Ti-
motheum, da ſein Vater ein Grieche geweſen,
beſchneiden ließ Ap. Geſ. 16, 1. 2. 3. auch hernach
zu Jeruſalem ſelbſt ſich in juͤdiſchen Satzungen
nach der Schwachheit der aus den Juden glaͤu-
big gewordenen accommodirete, c. 21, 20-27.
7. Man ſiehet im uͤbrigen aus dieſem Tex-
te, wie unverantwortlich es ſey, die von Chriſto
ſelbſt freygemachte Gewiſſen an gewiſſe Men-
ſchen-Satzungen zu binden. Denn da die von
GOtt ſelbſt verordnete Juͤdiſche Gebraͤuche ihr
gewiſſes Ziel hatten, uͤber welches ſie nicht gehen
muſten: ſo iſt leichtlich zu erachten, wie uner-
traͤglich das Joch ſolcher Ceremonien ſeyn muͤſſe,
welche bloß von Menſchen herruͤhren, voller
Aberglaubens und ungoͤttliches Weſens ſind,
und dabey doch als zur Seligkeit noͤthig, oder
verdienſtlich aufgedrungen werden: wie im
Papſtthum geſchiehet.
V. 6.
Von denen aber, die das Anſehen hat-
ten (v. 2. das iſt von den Apoſteln) welcher-
ley ſie weiland geweſen ſind) da ſie gewuͤr-
diget worden, einen ſo genauen Umgang mit
Chriſto zu haben) da lieget mir nichts an
(dadurch gehet mir, der ich ihnen gleich bin, gar
nichts ab;) GOtt achtet das Anſehen der
Menſchen nicht (es koͤmmt bey dem Evangelio
darauf nicht an, ob einer vor andern bey Men-
ſchen, die im Urtheil oft irren, ein Anſehen habe,
ein anderer aber nicht; genug, daß er ſeines goͤtt-
lichen Berufs verſichert und ein ſolches Werck-
zeug GOttes iſt, durch den er ſein Evangelium
in aller Lauterkeit kund machet.) Denn mich
haben die, ſo das Anſehen hatten, nichts
anders gelehret.)
Anmerckung.
Die erſten Worte: ἀπὸ δὲ τῶν δοκούντων
εἶναί τι, mit den folgenden: οὐδέν μοὶ διαφέρει,
koͤnnen mit denen darzwiſchen ſtehenden gar fuͤg-
lich alſo uͤberſetzet werden: Was dienjenigen
anlanget, die das Anſehen haben, daß ſie
etwas ſeyn, welcherley ſie vor dem gewe-
ſen ſind, da lieget mir nichts an. Oder auch
alſo: Die aber das Anſehen haben, daß ſie
etwas ſeyn, welcherley ſie auch ehemals
moͤgen geweſen ſeyn, die ſind nicht mehr
denn ich.
V. 7-10.
Sondern wiederum (τοὐναντίον, im Ge-
gentheil) da ſie ſahen (aus denen von mir er-
zehleten, und erweislichen, auch kundbaren
Proben Ap. Geſ. 10, 4. 12. gewiß uͤberzeuget
waren) daß mir (durch eine beſondere Beru-
fung (vertrauet war das Evangelium an
die Vorhaut (an die unbeſchnittenen Heiden)
gleichwie Petro das Evangelium an die
Beſchneidung (die Judenſchaft: fuͤrnemlich,
alſo, daß bey dieſer die Heiden, und bey den
Heiden die Juden von der Predigt nicht ausge-
ſchloſſen waren.) Denn der mit Petro kraͤf-
tig geweſen (wie aͤuſſerlich mit vielen Wun-
der-Kraͤften, alſo auch innerlich durch gruͤndliche
Veraͤnderung der Hertzen) zum Apoſtel-Amt
unter die Beſchneidung, der iſt mit mir
auch kraͤftig geweſen unter die Heiden:
und erkanten die Gnade, die mir (zur Be-
kehrung, auch Berufung, und Fuͤhrung des
Apoſtel-Amts) gegeben war, Jacobus, und
Kephas (Petrus Joh. 1, 43.) u. Johannes, die
fuͤr Seulen (in Unterſtuͤtzung der Evangeliſchen
Wahrheit) angeſehen waren, gaben ſie (zur
Bezeugung wie der voͤlligen Gemeinſchaft des
Geiſtes mit uns, alſo auch ihrer Liebe und ihres
Vertrauens gegen uns, ohne das geringſte an
unſerm Berufe und unſerer Lehre auszuſetzen)
mir und Barnaba die rechte Hand, und
wurden mit uns eins, daß wir (fuͤrnemlich)
unter die Heyden, ſie aber unter die Be-
ſchneidung predigten: allein (hatten ſie nur
das, was doch nicht zur Lehre, ſondern zur Lie-
be gehoͤrete, zu erinnern) daß wir der Armen
(zu Jeruſalem) gedaͤchten: Welches ich
auch fleißig geweſen bin zu thun (Act. 11, 29.
30. 12, 15. 24, 17. Rom. 15, 25. 26. 1 Cor. 16, 1.
2 Cor. 8. 9.)
Anmerckungen.
1. Jſt Petro das Evangelium ſonderlich
vertrauet geweſen an die Beſchneidung, oder
Juͤden, ſo giebt man im Papſtthum faͤlſchlich
vor, daß er ſonderlich den Heiden zu Rom ge-
prediget, ja ſich daſelbſt die meiſte Zeit ſeines
Apoſtel-Amts aufgehalten, und der erſte Roͤmi-
ſche Biſchoff geweſen, und den paͤpſtlichen Stuhl
da-
R r r
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |