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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 4.
[Spaltenumbruch]
9. Daß im übrigen das verbum, plethun-
theie, multiplicetur, copiose detur, werde ver-
vielfältiget, werde reichlich gegeben,
bey
dem Wunsche der Gnade und des Friedens ver-
standen werde, siehet man aus 1 Pet. 1, 2. 2 Pet.
1, 2. Jud. v. 2.
V. 4.

Der sich selbst (als das rechte Schuld-
und Sünd-Opfer) für unsere (und der gantzen
1 Joh. 2, 2.) Sünde (freywillig) gegeben hat
(in den Tod) daß er uns errettete (erlösete
und befreyete) von dieser gegenwärtigen ar-
gen Welt
(welche gantz und gar in der Sünde,
in derselben Schüld und Herrschaft, und also
recht im Argen zur ewigen Strafe lieget) nach
dem Willen GOttes und unsers Vaters

(der durch seinen Sohn diesen Rath des Frie-
dens zu unserm Heil ausgefunden hat.)

Anmerckungen.
1. Zuvorderst ist zu mercken, wie so weislich
Paulus den gantzen Eingang seines Briefes auf
den Zustand der Galater richtet. Denn sie, oder
doch viele, ja wol die meisten, unter ihnen, waren
an CHristo und seinem Evangelio irre gemachet
worden: darum zeuget er, bey Gelegenheit des
Namens CHristi, also von ihm, daß er sie auf den
rechten Kern seines Mittler-Amts führet, und
also im Glauben zu bevestigen suchet.
2. Wir finden aber in diesem Verse drey
Stücke: erstlich CHristi Mittler-Amt, in
den Worten: der sich selbst für unsere Sün-
de gegeben hat.
Hernach desselben Zweck, un-
sere Erlösung,
in den Worten: daß er uns
errettete von dieser gegenwärtigen argen
Welt.
Und denn drittens den Grund, nach
welchem dieses geschehen, welches ist, der gnä-
dige Wille GOttes.
3. Die ersten Worte sind aus dem Leviti-
schen Gottes-Dienst und Priesterthum zu erläu-
tern; als daher sie genommen sind. Denn da
brachte iederman vom Jüdischen Volcke sein O-
pfer für seine Sünde; und zwar nicht sich selbst,
sondern ein solches Opfer, das GOtt an des
Menschen statt verordnet hatte. Was darge-
stellet war, das nahm der Priester von der Hand
des Jsraeliten, und brachte es, als der figürli-
che Mittler zwischen GOtt und den Menschen,
GOtt zu zum Opfer, nach der gegebnen Vor-
schrift. Und dieses war auch die tägliche Ver-
richtung der Priester bey dem täglichen Gottes-
dienste, welcher mit Opfern, die niemand für
sich insonderheit herzu brachte, sondern die von
GOtt für das gantze Volck verordnet waren,
täglich des Morgens und des Abends verrichtet
wurde. Die allervornehmste Opfer-Handlung
aber geschahe vom Hohenpriester am jährli-
chen hohen Versöhnungs-Feste, welches das
Leiden Christi am Creutze vorgebildet hat.
4. Wenn nun dieses zum Grunde gesetzet
wird, so lassen sich Pauli Worte von Christo
leichtlich damit erläutern. Denn wir finden in
denselben erstlich den Hohenpriester, hernach
sein Opfer, drittens seine Opfer-Handlung,
und viertens die, für welche er geopfert hat.
[Spaltenumbruch]
5. Der Hohepriester ist Christus, der
diesen Namen Christus eben von derjenigen
Salbung hat, mit welcher er nach seiner mensch-
lichen Natur zum Hohenpriesterthum eingewei-
het worden: davon die gantze Epistel an die He-
bräer zeuget. Das Opfer ist er selbst; als der
nach Vergiessung seines eignen Blutes in das
Allerheiligste eingegangen, und sich selbst ohne
allen Wandel, als das reineste und vollkommen-
ste Opfer, GOtt geopfert hat Hebr. 9, 14. etc.
Die Aufopferung selbst drucket Paulus aus
mit dem Worte gegeben, dahin gegeben, nem-
lich in den Tod, da er gehorsam worden bis
zum Tode am Creutze
Phil. 2, 8. und mit al-
ler Willigkeit in den Tod gegangen: wie unter
andern aus seinem letztern Hingange nach Jeru-
salem, da er sein Leiden vorher sagte, erhellet.
Luc. 18, 31. sqq. Das, für welche das Opfer
gebracht, sind die Sünden, und also auch die
Sünder selbst; sintemal das Opfer solte an ih-
rer stattgelten, und sie versöhnet, und ihnen ihre
Sünde vergeben werden. Da denn, was der
Apostel mit den Worten, für unsere Sünde,
ausspricht, von solchem weiten Verstande ist,
als es das allgemeine Versohn-Opfer Christi
mit sich bringet: daher es Johannes 1 Ep. c. 2,
2. von der gantzen Welt Sünde erkläret.
Dergleichen allgemeiner Verstand auch nöthig
war, wenn die Galater es insgesamt zum Grun-
de ihres Glaubens annehmen solten.
6. Der Zweck des für uns übernomme-
nen Mittler-Amts war, daß er uns errettete
von dieser gegenwärtigen argen Welt.

Da denn durch das Wort Welt der Zustand
des menschlichen Geschlechts in der Welt ver-
standen wird. Und wenn dieser heisset gegen-
wärtig,
so wird er dem ersten Stande der Un-
schuld, wie auch dem künftigen, da die Gläubi-
gen vom allen Ubel völlig befreyet seyn werden,
entgegen gesetzet, und also damit gemeinet der
gantze Stand der Sünden, nach welchem
die Welt im Argen lieget 1 Joh. 5, 19. und also
die dazu gehörige Sünden-Schuld, Sün-
den-Herrschaft und Sünden-Strafe.

Von dieser argen Welt, als vom Reiche der
Finsternisse und von der Gewalt des Teufels, sol-
ten wir dergestalt errettet werden, daß wir nicht
allein von der Sünden-Schuld, Strafe und
Herrschaft befreyet, sondern auch mit Genesung
unserer Seelen ins Reich GOttes versetzet wür-
den, und darinnen der göttlichen Gnade und
des göttlichen Friedens in der Gemeinschaft mit
GOtt zu geniessen hätten. Siehe Luc. 1, 74.
75, Col. 1, 13. 14. etc.
7. Da nun die gegenwärtige arge
Welt
sonderlich auch in der Sünden-Herr-
schaft
mit bestehet; so folget daraus von selb-
sten, daß die Erlösung Christi auch unsere Heili-
gung
aller Dinge mit zum Zwecke habe, und
Pauli Sinn mit dahin gehe, daß, wie er Tit. 2,
14. bezeuget, Christus sich selbst für uns ge-
geben habe, auf daß er uns erlösete von al-
ler Ungerechtigkeit, und reinigte ihm selbst
ein Volck zum Eigenthum, das fleißig
wäre zu guten Wercken.
Und daß demnach
einer, der sich die Erlösung Christi zueignen
wol-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 4.
[Spaltenumbruch]
9. Daß im uͤbrigen das verbum, πληϑυν-
ϑείη, multiplicetur, copioſe detur, werde ver-
vielfaͤltiget, werde reichlich gegeben,
bey
dem Wunſche der Gnade und des Friedens ver-
ſtanden werde, ſiehet man aus 1 Pet. 1, 2. 2 Pet.
1, 2. Jud. v. 2.
V. 4.

Der ſich ſelbſt (als das rechte Schuld-
und Suͤnd-Opfer) fuͤr unſere (und der gantzen
1 Joh. 2, 2.) Suͤnde (freywillig) gegeben hat
(in den Tod) daß er uns errettete (erloͤſete
und befreyete) von dieſer gegenwaͤrtigen ar-
gen Welt
(welche gantz und gar in der Suͤnde,
in derſelben Schuͤld und Herrſchaft, und alſo
recht im Argen zur ewigen Strafe lieget) nach
dem Willen GOttes und unſers Vaters

(der durch ſeinen Sohn dieſen Rath des Frie-
dens zu unſerm Heil ausgefunden hat.)

Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt zu mercken, wie ſo weislich
Paulus den gantzen Eingang ſeines Briefes auf
den Zuſtand der Galater richtet. Denn ſie, oder
doch viele, ja wol die meiſten, unter ihnen, waren
an CHriſto und ſeinem Evangelio irre gemachet
worden: darum zeuget er, bey Gelegenheit des
Namens CHriſti, alſo von ihm, daß er ſie auf den
rechten Kern ſeines Mittler-Amts fuͤhret, und
alſo im Glauben zu beveſtigen ſuchet.
2. Wir finden aber in dieſem Verſe drey
Stuͤcke: erſtlich CHriſti Mittler-Amt, in
den Worten: der ſich ſelbſt fuͤr unſere Suͤn-
de gegeben hat.
Hernach deſſelben Zweck, un-
ſere Erloͤſung,
in den Worten: daß er uns
errettete von dieſer gegenwaͤrtigen argen
Welt.
Und denn drittens den Grund, nach
welchem dieſes geſchehen, welches iſt, der gnaͤ-
dige Wille GOttes.
3. Die erſten Worte ſind aus dem Leviti-
ſchen Gottes-Dienſt und Prieſterthum zu erlaͤu-
tern; als daher ſie genommen ſind. Denn da
brachte iederman vom Juͤdiſchen Volcke ſein O-
pfer fuͤr ſeine Suͤnde; und zwar nicht ſich ſelbſt,
ſondern ein ſolches Opfer, das GOtt an des
Menſchen ſtatt verordnet hatte. Was darge-
ſtellet war, das nahm der Prieſter von der Hand
des Jſraeliten, und brachte es, als der figuͤrli-
che Mittler zwiſchen GOtt und den Menſchen,
GOtt zu zum Opfer, nach der gegebnen Vor-
ſchrift. Und dieſes war auch die taͤgliche Ver-
richtung der Prieſter bey dem taͤglichen Gottes-
dienſte, welcher mit Opfern, die niemand fuͤr
ſich inſonderheit herzu brachte, ſondern die von
GOtt fuͤr das gantze Volck verordnet waren,
taͤglich des Morgens und des Abends verrichtet
wurde. Die allervornehmſte Opfer-Handlung
aber geſchahe vom Hohenprieſter am jaͤhrli-
chen hohen Verſoͤhnungs-Feſte, welches das
Leiden Chriſti am Creutze vorgebildet hat.
4. Wenn nun dieſes zum Grunde geſetzet
wird, ſo laſſen ſich Pauli Worte von Chriſto
leichtlich damit erlaͤutern. Denn wir finden in
denſelben erſtlich den Hohenprieſter, hernach
ſein Opfer, drittens ſeine Opfer-Handlung,
und viertens die, fuͤr welche er geopfert hat.
[Spaltenumbruch]
5. Der Hoheprieſter iſt Chriſtus, der
dieſen Namen Chriſtus eben von derjenigen
Salbung hat, mit welcher er nach ſeiner menſch-
lichen Natur zum Hohenprieſterthum eingewei-
het worden: davon die gantze Epiſtel an die He-
braͤer zeuget. Das Opfer iſt er ſelbſt; als der
nach Vergieſſung ſeines eignen Blutes in das
Allerheiligſte eingegangen, und ſich ſelbſt ohne
allen Wandel, als das reineſte und vollkommen-
ſte Opfer, GOtt geopfert hat Hebr. 9, 14. ꝛc.
Die Aufopferung ſelbſt drucket Paulus aus
mit dem Worte gegeben, dahin gegeben, nem-
lich in den Tod, da er gehorſam worden bis
zum Tode am Creutze
Phil. 2, 8. und mit al-
ler Willigkeit in den Tod gegangen: wie unter
andern aus ſeinem letztern Hingange nach Jeru-
ſalem, da er ſein Leiden vorher ſagte, erhellet.
Luc. 18, 31. ſqq. Das, fuͤr welche das Opfer
gebracht, ſind die Suͤnden, und alſo auch die
Suͤnder ſelbſt; ſintemal das Opfer ſolte an ih-
rer ſtattgelten, und ſie verſoͤhnet, und ihnen ihre
Suͤnde vergeben werden. Da denn, was der
Apoſtel mit den Worten, fuͤr unſere Suͤnde,
ausſpricht, von ſolchem weiten Verſtande iſt,
als es das allgemeine Verſohn-Opfer Chriſti
mit ſich bringet: daher es Johannes 1 Ep. c. 2,
2. von der gantzen Welt Suͤnde erklaͤret.
Dergleichen allgemeiner Verſtand auch noͤthig
war, wenn die Galater es insgeſamt zum Grun-
de ihres Glaubens annehmen ſolten.
6. Der Zweck des fuͤr uns uͤbernomme-
nen Mittler-Amts war, daß er uns errettete
von dieſer gegenwaͤrtigen argen Welt.

Da denn durch das Wort Welt der Zuſtand
des menſchlichen Geſchlechts in der Welt ver-
ſtanden wird. Und wenn dieſer heiſſet gegen-
waͤrtig,
ſo wird er dem erſten Stande der Un-
ſchuld, wie auch dem kuͤnftigen, da die Glaͤubi-
gen vom allen Ubel voͤllig befreyet ſeyn werden,
entgegen geſetzet, und alſo damit gemeinet der
gantze Stand der Suͤnden, nach welchem
die Welt im Argen lieget 1 Joh. 5, 19. und alſo
die dazu gehoͤrige Suͤnden-Schuld, Suͤn-
den-Herrſchaft und Suͤnden-Strafe.

Von dieſer argen Welt, als vom Reiche der
Finſterniſſe und von der Gewalt des Teufels, ſol-
ten wir dergeſtalt errettet werden, daß wir nicht
allein von der Suͤnden-Schuld, Strafe und
Herrſchaft befreyet, ſondern auch mit Geneſung
unſerer Seelen ins Reich GOttes verſetzet wuͤr-
den, und darinnen der goͤttlichen Gnade und
des goͤttlichen Friedens in der Gemeinſchaft mit
GOtt zu genieſſen haͤtten. Siehe Luc. 1, 74.
75, Col. 1, 13. 14. ꝛc.
7. Da nun die gegenwaͤrtige arge
Welt
ſonderlich auch in der Suͤnden-Herr-
ſchaft
mit beſtehet; ſo folget daraus von ſelb-
ſten, daß die Erloͤſung Chriſti auch unſere Heili-
gung
aller Dinge mit zum Zwecke habe, und
Pauli Sinn mit dahin gehe, daß, wie er Tit. 2,
14. bezeuget, Chriſtus ſich ſelbſt fuͤr uns ge-
geben habe, auf daß er uns erloͤſete von al-
ler Ungerechtigkeit, und reinigte ihm ſelbſt
ein Volck zum Eigenthum, das fleißig
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Und daß demnach
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[488/0516] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 4. 9. Daß im uͤbrigen das verbum, πληϑυν- ϑείη, multiplicetur, copioſe detur, werde ver- vielfaͤltiget, werde reichlich gegeben, bey dem Wunſche der Gnade und des Friedens ver- ſtanden werde, ſiehet man aus 1 Pet. 1, 2. 2 Pet. 1, 2. Jud. v. 2. V. 4. Der ſich ſelbſt (als das rechte Schuld- und Suͤnd-Opfer) fuͤr unſere (und der gantzen 1 Joh. 2, 2.) Suͤnde (freywillig) gegeben hat (in den Tod) daß er uns errettete (erloͤſete und befreyete) von dieſer gegenwaͤrtigen ar- gen Welt (welche gantz und gar in der Suͤnde, in derſelben Schuͤld und Herrſchaft, und alſo recht im Argen zur ewigen Strafe lieget) nach dem Willen GOttes und unſers Vaters (der durch ſeinen Sohn dieſen Rath des Frie- dens zu unſerm Heil ausgefunden hat.) Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt zu mercken, wie ſo weislich Paulus den gantzen Eingang ſeines Briefes auf den Zuſtand der Galater richtet. Denn ſie, oder doch viele, ja wol die meiſten, unter ihnen, waren an CHriſto und ſeinem Evangelio irre gemachet worden: darum zeuget er, bey Gelegenheit des Namens CHriſti, alſo von ihm, daß er ſie auf den rechten Kern ſeines Mittler-Amts fuͤhret, und alſo im Glauben zu beveſtigen ſuchet. 2. Wir finden aber in dieſem Verſe drey Stuͤcke: erſtlich CHriſti Mittler-Amt, in den Worten: der ſich ſelbſt fuͤr unſere Suͤn- de gegeben hat. Hernach deſſelben Zweck, un- ſere Erloͤſung, in den Worten: daß er uns errettete von dieſer gegenwaͤrtigen argen Welt. Und denn drittens den Grund, nach welchem dieſes geſchehen, welches iſt, der gnaͤ- dige Wille GOttes. 3. Die erſten Worte ſind aus dem Leviti- ſchen Gottes-Dienſt und Prieſterthum zu erlaͤu- tern; als daher ſie genommen ſind. Denn da brachte iederman vom Juͤdiſchen Volcke ſein O- pfer fuͤr ſeine Suͤnde; und zwar nicht ſich ſelbſt, ſondern ein ſolches Opfer, das GOtt an des Menſchen ſtatt verordnet hatte. Was darge- ſtellet war, das nahm der Prieſter von der Hand des Jſraeliten, und brachte es, als der figuͤrli- che Mittler zwiſchen GOtt und den Menſchen, GOtt zu zum Opfer, nach der gegebnen Vor- ſchrift. Und dieſes war auch die taͤgliche Ver- richtung der Prieſter bey dem taͤglichen Gottes- dienſte, welcher mit Opfern, die niemand fuͤr ſich inſonderheit herzu brachte, ſondern die von GOtt fuͤr das gantze Volck verordnet waren, taͤglich des Morgens und des Abends verrichtet wurde. Die allervornehmſte Opfer-Handlung aber geſchahe vom Hohenprieſter am jaͤhrli- chen hohen Verſoͤhnungs-Feſte, welches das Leiden Chriſti am Creutze vorgebildet hat. 4. Wenn nun dieſes zum Grunde geſetzet wird, ſo laſſen ſich Pauli Worte von Chriſto leichtlich damit erlaͤutern. Denn wir finden in denſelben erſtlich den Hohenprieſter, hernach ſein Opfer, drittens ſeine Opfer-Handlung, und viertens die, fuͤr welche er geopfert hat. 5. Der Hoheprieſter iſt Chriſtus, der dieſen Namen Chriſtus eben von derjenigen Salbung hat, mit welcher er nach ſeiner menſch- lichen Natur zum Hohenprieſterthum eingewei- het worden: davon die gantze Epiſtel an die He- braͤer zeuget. Das Opfer iſt er ſelbſt; als der nach Vergieſſung ſeines eignen Blutes in das Allerheiligſte eingegangen, und ſich ſelbſt ohne allen Wandel, als das reineſte und vollkommen- ſte Opfer, GOtt geopfert hat Hebr. 9, 14. ꝛc. Die Aufopferung ſelbſt drucket Paulus aus mit dem Worte gegeben, dahin gegeben, nem- lich in den Tod, da er gehorſam worden bis zum Tode am Creutze Phil. 2, 8. und mit al- ler Willigkeit in den Tod gegangen: wie unter andern aus ſeinem letztern Hingange nach Jeru- ſalem, da er ſein Leiden vorher ſagte, erhellet. Luc. 18, 31. ſqq. Das, fuͤr welche das Opfer gebracht, ſind die Suͤnden, und alſo auch die Suͤnder ſelbſt; ſintemal das Opfer ſolte an ih- rer ſtattgelten, und ſie verſoͤhnet, und ihnen ihre Suͤnde vergeben werden. Da denn, was der Apoſtel mit den Worten, fuͤr unſere Suͤnde, ausſpricht, von ſolchem weiten Verſtande iſt, als es das allgemeine Verſohn-Opfer Chriſti mit ſich bringet: daher es Johannes 1 Ep. c. 2, 2. von der gantzen Welt Suͤnde erklaͤret. Dergleichen allgemeiner Verſtand auch noͤthig war, wenn die Galater es insgeſamt zum Grun- de ihres Glaubens annehmen ſolten. 6. Der Zweck des fuͤr uns uͤbernomme- nen Mittler-Amts war, daß er uns errettete von dieſer gegenwaͤrtigen argen Welt. Da denn durch das Wort Welt der Zuſtand des menſchlichen Geſchlechts in der Welt ver- ſtanden wird. Und wenn dieſer heiſſet gegen- waͤrtig, ſo wird er dem erſten Stande der Un- ſchuld, wie auch dem kuͤnftigen, da die Glaͤubi- gen vom allen Ubel voͤllig befreyet ſeyn werden, entgegen geſetzet, und alſo damit gemeinet der gantze Stand der Suͤnden, nach welchem die Welt im Argen lieget 1 Joh. 5, 19. und alſo die dazu gehoͤrige Suͤnden-Schuld, Suͤn- den-Herrſchaft und Suͤnden-Strafe. Von dieſer argen Welt, als vom Reiche der Finſterniſſe und von der Gewalt des Teufels, ſol- ten wir dergeſtalt errettet werden, daß wir nicht allein von der Suͤnden-Schuld, Strafe und Herrſchaft befreyet, ſondern auch mit Geneſung unſerer Seelen ins Reich GOttes verſetzet wuͤr- den, und darinnen der goͤttlichen Gnade und des goͤttlichen Friedens in der Gemeinſchaft mit GOtt zu genieſſen haͤtten. Siehe Luc. 1, 74. 75, Col. 1, 13. 14. ꝛc. 7. Da nun die gegenwaͤrtige arge Welt ſonderlich auch in der Suͤnden-Herr- ſchaft mit beſtehet; ſo folget daraus von ſelb- ſten, daß die Erloͤſung Chriſti auch unſere Heili- gung aller Dinge mit zum Zwecke habe, und Pauli Sinn mit dahin gehe, daß, wie er Tit. 2, 14. bezeuget, Chriſtus ſich ſelbſt fuͤr uns ge- geben habe, auf daß er uns erloͤſete von al- ler Ungerechtigkeit, und reinigte ihm ſelbſt ein Volck zum Eigenthum, das fleißig waͤre zu guten Wercken. Und daß demnach einer, der ſich die Erloͤſung Chriſti zueignen wol-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/516>, abgerufen am 24.11.2024.