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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 12, v. 4-6.
[Spaltenumbruch] dazu setzet, was ihme denn geschehen sey, wie
daß er unaussprechliche Worte gehöret
habe.
2. Gleichwie es nun nur eine einzige Ent-
zückung gewesen, welche alhier beschrieben wird,
so ist auch wol kein Zweifel, daß durch das Pa-
radis nichts anders, als der zuvorgedachte dritte
Himmel der Seligen verstanden werde. Wie
denn dieses Wort [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] paradeisos, Para-
dis,
(welches sonst von einem sehr lustigen
und schönen Garten bey den Hebräern gebrau-
chet worden: siehe Neh. 2, 8. Eccl. 2, 5. Cant.
4, 13.) eben also, nemlich von der himmlischen
Wohnung der Auserwehlten, gebrauchet wird,
Luc. 23, 43. da unser Heyland zu dem gläubigen
Schächer am Creutze sagte: Heute wirst du
mit mir im Paradise GOttes seyn.
Und
Apoc. 2, 7. heißt es: Wer überwindet, dem
will ich zu essen geben vom Holtz
(Baum)
des Lebens, das (der) im Paradis GOttes
ist.
Siehe hievon mit mehrern c. 22, 1. sqq.
3. Was der Apostel im dritten Himmel,
oder Paradis GOttes gehöret hat, sind aRReta
Remata, unaussprechliche Worte, welche
kein Mensch sagen kan. Gleichwie der Sohn
GOttes selbst in der ersten Offenbarung sich
Paulo sichtbarlich gezeiget, und mündlich mit
ihm gesprochen, welches auch hernach mehrmal,
wie oben v. 1. angezeiget ist, geschehen; so ist wol
nicht zu zweifeln, daß er auch bey dieser Entzü-
ckung den Sohn GOttes hat reden gehöret:
Was er aber gehöret, das sind solche hohe und
vortrefliche Sachen gewesen, welche Paulus,
nachdem er wieder zu sich selbst gekommen, ihrer
Vortreflichkeit wegen nicht wol gegen einen ein-
tzigen Menschen aussprechen können, und daher
auch nicht aussprechen sollen: sintemal ihme mit
der Unmöglichkeit, sie nach Würden auszu-
sprechen, auch zugleich die Macht und Freyheit
benommen war, es zu thun. Jndessen war es
genug, daß er davon einen solchen lebendigen
Eindruck hatte, den er auf die Zeit seines gantzen
Lebens behalten, und dadurch er gegen alle Lei-
den, und mitten in denselben, wenn er auch in
dem allergrössesten und härtesten Drucke und in
der äussersten Lebens-Gefahr gewesen, kräftigst
aufgerichtet und gestärcket worden: als welches
auch der Zweck davon gewesen ist.
4. Wir lernen daraus, daß wir uns nicht
in der Bemühung himmlische Dinge zu begreif-
fen versteigen, sondern erkennen sollen, wie sie
uns in diesem Leben viel zu hoch und zu schwer
sind, und es genug sey, sich unter einigem Vor-
schmack dazu immer mehr und mehr zubereiten zu
lassen.
5. Es ist aber noch dieses bey diesem Orte
Pauli wohl zu mercken, daß, ob er gleich nur
allein von dem, was er gehöret, ausdrücklich
redet, er damit doch keinesweges läugne, sondern
vielmehr mit darunter verstehe alles dasjenige,
was er auch zugleich im Geiste gesehen und er-
kant,
und dabey von der herrlichen Freude des
ewigen Lebens empfunden habe. Denn wo er
von dem ewigen Leben selbst, und desselben herr-
[Spaltenumbruch] lichen Freude, welche Petrus 1 Ep. c. 1. v. 8.
unaussprechlich nennet, nicht einen mehrern
Vorschmack bekommen hätte, als die Gläubigen
im Reiche der Gnaden insgemein haben, und
Paulus auch sonst gehabt hat, so würde der
Zweck einer besondern Stärckung des Glaubens
und der Hoffnung dadurch nicht sowol seyn er-
halten worden.
V. 5.

Davon (oder darüber, als über einer son-
derbaren Gnaden-Bezeugung GOttes) will
ich mich rühmen
(kan ich froh und freudig seyn:
dahingegen den falschen Aposteln dergleichen
nimmermehr wiederfahren ist und wiederfahren
seyn kan) von mir selbst aber (was von mir
selbst, oder meiner eignen Würdigkeit und mei-
nen Verdiensten herkäme) will (und kan) ich
mich nichts rühmen
(da ich von Natur nichts
in und an mir habe, welches mir einen freudigen
Muth machen könte) ohne meiner (Leidens-)
Schwachheiten (wie dieselbe vorher nach der
Länge angeführet sind. Denn obgleich dieselbe
in sofern nicht meine sind, als wenn ich sie selbst
verursachet hätte, gleichwie es von den selbstge-
machten Leiden Psalm 32, 10. heißt: Der
Gottlose hat viel Plage:
so sind es doch mei-
ne um Christi willen, sintemal ich dadurch als ein
rechtschafner Apostel und Nachfolger Christi,
der allen seinen getreuen Dienern dieses vorher
gesaget hat, characterisiret, und damit von allen
trüglichen Arbeitern, die nur sich selbst und das
Jhrige suchen, weit unterschieden werde.

V. 6.

Und so ich mich rühmen (oder ein meh-
res von meiner Arbeit und dem Guten, was da-
durch gestiftet worden, anführen) wolte, thä-
te ich darum nicht thöricht
(wie es von übel
wollenden könte angesehen werden, nach deren
Meinung ich es auch einen Ruhm und ein Rüh-
men genennet habe, und noch ietzo nenne) denn
ich wolte die Wahrheit sagen
(und die Au-
torit
ät, auch die Früchte meines Amts wider so
mancherley Verkleinerungen retten.) Jch
enthalte mich aber deß, auf daß nicht je-
mand mich höher achte, denn er an mir sie-
het, und von mir höret
(das ist, mir ist ge-
nug, daß man mich dafür halte, das ich bin,
nemlich ein treuer Apostel Christi; wie solches
bisher meine gehörete Worte und meine gese-
hene Wercke, auch meine Leiden in meinem Le-
ben ausgewiesen haben.)

Anmerckung.

Es ist manchen Zuhörern schwer, die Mit-
tel-Strasse in der Ehrerbietung gegen ihren
Lehrer zu halten. Denn da fallen sie entweder
mit einer solchen Anhänglichkeit auf ihn, daß sie
zuviel aus ihm machen, und mehr suchen ihme,
als GOtt, zu gefallen: oder sie stossen sich bald
an diß bald an das, also, daß er ihnen nur ein
verachtetes kleines Licht ist, wo nicht gar von ih-
nen gehasset und gedrucket wird. Und da Pau-
lus dieses letztere wohl erfahren und ertragen

hat-
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 12, v. 4-6.
[Spaltenumbruch] dazu ſetzet, was ihme denn geſchehen ſey, wie
daß er unausſprechliche Worte gehoͤret
habe.
2. Gleichwie es nun nur eine einzige Ent-
zuͤckung geweſen, welche alhier beſchrieben wird,
ſo iſt auch wol kein Zweifel, daß durch das Pa-
radis nichts anders, als der zuvorgedachte dritte
Himmel der Seligen verſtanden werde. Wie
denn dieſes Wort [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] παράδεισος, Para-
dis,
(welches ſonſt von einem ſehr luſtigen
und ſchoͤnen Garten bey den Hebraͤern gebrau-
chet worden: ſiehe Neh. 2, 8. Eccl. 2, 5. Cant.
4, 13.) eben alſo, nemlich von der himmliſchen
Wohnung der Auserwehlten, gebrauchet wird,
Luc. 23, 43. da unſer Heyland zu dem glaͤubigen
Schaͤcher am Creutze ſagte: Heute wirſt du
mit mir im Paradiſe GOttes ſeyn.
Und
Apoc. 2, 7. heißt es: Wer uͤberwindet, dem
will ich zu eſſen geben vom Holtz
(Baum)
des Lebens, das (der) im Paradis GOttes
iſt.
Siehe hievon mit mehrern c. 22, 1. ſqq.
3. Was der Apoſtel im dritten Himmel,
oder Paradis GOttes gehoͤret hat, ſind ἄῤῥητα
ῥήματα, unausſprechliche Worte, welche
kein Menſch ſagen kan. Gleichwie der Sohn
GOttes ſelbſt in der erſten Offenbarung ſich
Paulo ſichtbarlich gezeiget, und muͤndlich mit
ihm geſprochen, welches auch hernach mehrmal,
wie oben v. 1. angezeiget iſt, geſchehen; ſo iſt wol
nicht zu zweifeln, daß er auch bey dieſer Entzuͤ-
ckung den Sohn GOttes hat reden gehoͤret:
Was er aber gehoͤret, das ſind ſolche hohe und
vortrefliche Sachen geweſen, welche Paulus,
nachdem er wieder zu ſich ſelbſt gekommen, ihrer
Vortreflichkeit wegen nicht wol gegen einen ein-
tzigen Menſchen ausſprechen koͤnnen, und daher
auch nicht ausſprechen ſollen: ſintemal ihme mit
der Unmoͤglichkeit, ſie nach Wuͤrden auszu-
ſprechen, auch zugleich die Macht und Freyheit
benommen war, es zu thun. Jndeſſen war es
genug, daß er davon einen ſolchen lebendigen
Eindruck hatte, den er auf die Zeit ſeines gantzen
Lebens behalten, und dadurch er gegen alle Lei-
den, und mitten in denſelben, wenn er auch in
dem allergroͤſſeſten und haͤrteſten Drucke und in
der aͤuſſerſten Lebens-Gefahr geweſen, kraͤftigſt
aufgerichtet und geſtaͤrcket worden: als welches
auch der Zweck davon geweſen iſt.
4. Wir lernen daraus, daß wir uns nicht
in der Bemuͤhung himmliſche Dinge zu begreif-
fen verſteigen, ſondern erkennen ſollen, wie ſie
uns in dieſem Leben viel zu hoch und zu ſchwer
ſind, und es genug ſey, ſich unter einigem Vor-
ſchmack dazu immer mehr und mehr zubereiten zu
laſſen.
5. Es iſt aber noch dieſes bey dieſem Orte
Pauli wohl zu mercken, daß, ob er gleich nur
allein von dem, was er gehoͤret, ausdruͤcklich
redet, er damit doch keinesweges laͤugne, ſondern
vielmehr mit darunter verſtehe alles dasjenige,
was er auch zugleich im Geiſte geſehen und er-
kant,
und dabey von der herrlichen Freude des
ewigen Lebens empfunden habe. Denn wo er
von dem ewigen Leben ſelbſt, und deſſelben herr-
[Spaltenumbruch] lichen Freude, welche Petrus 1 Ep. c. 1. v. 8.
unausſprechlich nennet, nicht einen mehrern
Vorſchmack bekommen haͤtte, als die Glaͤubigen
im Reiche der Gnaden insgemein haben, und
Paulus auch ſonſt gehabt hat, ſo wuͤrde der
Zweck einer beſondern Staͤrckung des Glaubens
und der Hoffnung dadurch nicht ſowol ſeyn er-
halten worden.
V. 5.

Davon (oder daruͤber, als uͤber einer ſon-
derbaren Gnaden-Bezeugung GOttes) will
ich mich ruͤhmen
(kan ich froh und freudig ſeyn:
dahingegen den falſchen Apoſteln dergleichen
nimmermehr wiederfahren iſt und wiederfahren
ſeyn kan) von mir ſelbſt aber (was von mir
ſelbſt, oder meiner eignen Wuͤrdigkeit und mei-
nen Verdienſten herkaͤme) will (und kan) ich
mich nichts ruͤhmen
(da ich von Natur nichts
in und an mir habe, welches mir einen freudigen
Muth machen koͤnte) ohne meiner (Leidens-)
Schwachheiten (wie dieſelbe vorher nach der
Laͤnge angefuͤhret ſind. Denn obgleich dieſelbe
in ſofern nicht meine ſind, als wenn ich ſie ſelbſt
verurſachet haͤtte, gleichwie es von den ſelbſtge-
machten Leiden Pſalm 32, 10. heißt: Der
Gottloſe hat viel Plage:
ſo ſind es doch mei-
ne um Chriſti willen, ſintemal ich dadurch als ein
rechtſchafner Apoſtel und Nachfolger Chriſti,
der allen ſeinen getreuen Dienern dieſes vorher
geſaget hat, characteriſiret, und damit von allen
truͤglichen Arbeitern, die nur ſich ſelbſt und das
Jhrige ſuchen, weit unterſchieden werde.

V. 6.

Und ſo ich mich ruͤhmen (oder ein meh-
res von meiner Arbeit und dem Guten, was da-
durch geſtiftet worden, anfuͤhren) wolte, thaͤ-
te ich darum nicht thoͤricht
(wie es von uͤbel
wollenden koͤnte angeſehen werden, nach deren
Meinung ich es auch einen Ruhm und ein Ruͤh-
men genennet habe, und noch ietzo nenne) denn
ich wolte die Wahrheit ſagen
(und die Au-
torit
aͤt, auch die Fruͤchte meines Amts wider ſo
mancherley Verkleinerungen retten.) Jch
enthalte mich aber deß, auf daß nicht je-
mand mich hoͤher achte, denn er an mir ſie-
het, und von mir hoͤret
(das iſt, mir iſt ge-
nug, daß man mich dafuͤr halte, das ich bin,
nemlich ein treuer Apoſtel Chriſti; wie ſolches
bisher meine gehoͤrete Worte und meine geſe-
hene Wercke, auch meine Leiden in meinem Le-
ben ausgewieſen haben.)

Anmerckung.

Es iſt manchen Zuhoͤrern ſchwer, die Mit-
tel-Straſſe in der Ehrerbietung gegen ihren
Lehrer zu halten. Denn da fallen ſie entweder
mit einer ſolchen Anhaͤnglichkeit auf ihn, daß ſie
zuviel aus ihm machen, und mehr ſuchen ihme,
als GOtt, zu gefallen: oder ſie ſtoſſen ſich bald
an diß bald an das, alſo, daß er ihnen nur ein
verachtetes kleines Licht iſt, wo nicht gar von ih-
nen gehaſſet und gedrucket wird. Und da Pau-
lus dieſes letztere wohl erfahren und ertragen

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[462/0490] Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 12, v. 4-6. dazu ſetzet, was ihme denn geſchehen ſey, wie daß er unausſprechliche Worte gehoͤret habe. 2. Gleichwie es nun nur eine einzige Ent- zuͤckung geweſen, welche alhier beſchrieben wird, ſo iſt auch wol kein Zweifel, daß durch das Pa- radis nichts anders, als der zuvorgedachte dritte Himmel der Seligen verſtanden werde. Wie denn dieſes Wort _ παράδεισος, Para- dis, (welches ſonſt von einem ſehr luſtigen und ſchoͤnen Garten bey den Hebraͤern gebrau- chet worden: ſiehe Neh. 2, 8. Eccl. 2, 5. Cant. 4, 13.) eben alſo, nemlich von der himmliſchen Wohnung der Auserwehlten, gebrauchet wird, Luc. 23, 43. da unſer Heyland zu dem glaͤubigen Schaͤcher am Creutze ſagte: Heute wirſt du mit mir im Paradiſe GOttes ſeyn. Und Apoc. 2, 7. heißt es: Wer uͤberwindet, dem will ich zu eſſen geben vom Holtz (Baum) des Lebens, das (der) im Paradis GOttes iſt. Siehe hievon mit mehrern c. 22, 1. ſqq. 3. Was der Apoſtel im dritten Himmel, oder Paradis GOttes gehoͤret hat, ſind ἄῤῥητα ῥήματα, unausſprechliche Worte, welche kein Menſch ſagen kan. Gleichwie der Sohn GOttes ſelbſt in der erſten Offenbarung ſich Paulo ſichtbarlich gezeiget, und muͤndlich mit ihm geſprochen, welches auch hernach mehrmal, wie oben v. 1. angezeiget iſt, geſchehen; ſo iſt wol nicht zu zweifeln, daß er auch bey dieſer Entzuͤ- ckung den Sohn GOttes hat reden gehoͤret: Was er aber gehoͤret, das ſind ſolche hohe und vortrefliche Sachen geweſen, welche Paulus, nachdem er wieder zu ſich ſelbſt gekommen, ihrer Vortreflichkeit wegen nicht wol gegen einen ein- tzigen Menſchen ausſprechen koͤnnen, und daher auch nicht ausſprechen ſollen: ſintemal ihme mit der Unmoͤglichkeit, ſie nach Wuͤrden auszu- ſprechen, auch zugleich die Macht und Freyheit benommen war, es zu thun. Jndeſſen war es genug, daß er davon einen ſolchen lebendigen Eindruck hatte, den er auf die Zeit ſeines gantzen Lebens behalten, und dadurch er gegen alle Lei- den, und mitten in denſelben, wenn er auch in dem allergroͤſſeſten und haͤrteſten Drucke und in der aͤuſſerſten Lebens-Gefahr geweſen, kraͤftigſt aufgerichtet und geſtaͤrcket worden: als welches auch der Zweck davon geweſen iſt. 4. Wir lernen daraus, daß wir uns nicht in der Bemuͤhung himmliſche Dinge zu begreif- fen verſteigen, ſondern erkennen ſollen, wie ſie uns in dieſem Leben viel zu hoch und zu ſchwer ſind, und es genug ſey, ſich unter einigem Vor- ſchmack dazu immer mehr und mehr zubereiten zu laſſen. 5. Es iſt aber noch dieſes bey dieſem Orte Pauli wohl zu mercken, daß, ob er gleich nur allein von dem, was er gehoͤret, ausdruͤcklich redet, er damit doch keinesweges laͤugne, ſondern vielmehr mit darunter verſtehe alles dasjenige, was er auch zugleich im Geiſte geſehen und er- kant, und dabey von der herrlichen Freude des ewigen Lebens empfunden habe. Denn wo er von dem ewigen Leben ſelbſt, und deſſelben herr- lichen Freude, welche Petrus 1 Ep. c. 1. v. 8. unausſprechlich nennet, nicht einen mehrern Vorſchmack bekommen haͤtte, als die Glaͤubigen im Reiche der Gnaden insgemein haben, und Paulus auch ſonſt gehabt hat, ſo wuͤrde der Zweck einer beſondern Staͤrckung des Glaubens und der Hoffnung dadurch nicht ſowol ſeyn er- halten worden. V. 5. Davon (oder daruͤber, als uͤber einer ſon- derbaren Gnaden-Bezeugung GOttes) will ich mich ruͤhmen (kan ich froh und freudig ſeyn: dahingegen den falſchen Apoſteln dergleichen nimmermehr wiederfahren iſt und wiederfahren ſeyn kan) von mir ſelbſt aber (was von mir ſelbſt, oder meiner eignen Wuͤrdigkeit und mei- nen Verdienſten herkaͤme) will (und kan) ich mich nichts ruͤhmen (da ich von Natur nichts in und an mir habe, welches mir einen freudigen Muth machen koͤnte) ohne meiner (Leidens-) Schwachheiten (wie dieſelbe vorher nach der Laͤnge angefuͤhret ſind. Denn obgleich dieſelbe in ſofern nicht meine ſind, als wenn ich ſie ſelbſt verurſachet haͤtte, gleichwie es von den ſelbſtge- machten Leiden Pſalm 32, 10. heißt: Der Gottloſe hat viel Plage: ſo ſind es doch mei- ne um Chriſti willen, ſintemal ich dadurch als ein rechtſchafner Apoſtel und Nachfolger Chriſti, der allen ſeinen getreuen Dienern dieſes vorher geſaget hat, characteriſiret, und damit von allen truͤglichen Arbeitern, die nur ſich ſelbſt und das Jhrige ſuchen, weit unterſchieden werde. V. 6. Und ſo ich mich ruͤhmen (oder ein meh- res von meiner Arbeit und dem Guten, was da- durch geſtiftet worden, anfuͤhren) wolte, thaͤ- te ich darum nicht thoͤricht (wie es von uͤbel wollenden koͤnte angeſehen werden, nach deren Meinung ich es auch einen Ruhm und ein Ruͤh- men genennet habe, und noch ietzo nenne) denn ich wolte die Wahrheit ſagen (und die Au- toritaͤt, auch die Fruͤchte meines Amts wider ſo mancherley Verkleinerungen retten.) Jch enthalte mich aber deß, auf daß nicht je- mand mich hoͤher achte, denn er an mir ſie- het, und von mir hoͤret (das iſt, mir iſt ge- nug, daß man mich dafuͤr halte, das ich bin, nemlich ein treuer Apoſtel Chriſti; wie ſolches bisher meine gehoͤrete Worte und meine geſe- hene Wercke, auch meine Leiden in meinem Le- ben ausgewieſen haben.) Anmerckung. Es iſt manchen Zuhoͤrern ſchwer, die Mit- tel-Straſſe in der Ehrerbietung gegen ihren Lehrer zu halten. Denn da fallen ſie entweder mit einer ſolchen Anhaͤnglichkeit auf ihn, daß ſie zuviel aus ihm machen, und mehr ſuchen ihme, als GOtt, zu gefallen: oder ſie ſtoſſen ſich bald an diß bald an das, alſo, daß er ihnen nur ein verachtetes kleines Licht iſt, wo nicht gar von ih- nen gehaſſet und gedrucket wird. Und da Pau- lus dieſes letztere wohl erfahren und ertragen hat-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/490>, abgerufen am 24.11.2024.