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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 12, 3. 4. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] seyn soll, so fraget sich, wenn und wo sie wol ei-
gentlich geschehen? Sie kan ihm nicht wieder-
fahren seyn zu Damascus, weder das erste noch
andere mal seines Aufenthalts daselbst. Denn
das waren schon über 20 Jahr her. Und eben
so wenig hat man diese Geschichte in die Zeit zu
setzen, da er von Damascus, nachdem er sich da-
selbst zum andern mal aufgehalten, und daselbst
in einem Korbe von der Stadt-Mauer war her-
unter gelassen worden, nach Jerusalem gekom-
men war, und alda im Tempel ein Gesicht hat-
te, nach Act. 22, 17. u. f. Denn das war auch
schon 20 Jahr her. So hörete er auch alhier
keine Worte, die er nicht aussprechen können;
sondern, die er in seiner Schutz-Rede am ange-
führten Orte ausgesprochen hat; wie sie denn
auch von Luca aufgeschrieben sind.
3. Es schicket sich demnach keine Zeit zu
dieser Bezeichnung der 14 Jahre besser, als die-
se, da er im Jahr Christi 44, und also gerade im
14ten Jahre vorher, ehe er diesen Brief an die Co-
rinthier schrieb, zu Antiochia mit Barnaba den
besondern Beruf empfinge, nunmehro, nach-
dem er bisher schon bis ins 10 Jahr in Arabien,
in Syrien, Cilicien und in denselbigen Gegen-
den sein Apostel-Amt verwaltet hatte, auch un-
ter die Heyden in die Länder Asiens und Grie-
chenlandes zu gehen. Denn 1) trifft die Zeit
gar genau zu. 2) Es war diese neue und be-
sondere Absendung ger solenne. Denn Lucas
schreibet davon Ap. Gesch. 13, 1. sqq. also: Es
waren zu Antiochia in der Gemeine Pro-
pheten und Lehrer - - Da sie aber dem
HErrn dieneten und fasteten, sprach der
Heilige Geist: Sondert mir aus Barna-
bam und Saulum zu dem Werck, dazu ich
sie berufen habe. Da fasteten sie, und be-
teten, und legten die Hände auf sie, und lies-
sen sie gehen
u. f. Ob nun gleich Lucas alhier
der Entzückung nicht gedencket; so ist sie doch wol
allem Ansehen nach Paulo unter dem Gebet,
oder Fasten, oder doch zu der Zeit dieser so son-
derbaren Zubereitung wiederfahren. 3) Es sol-
ten Paulo die meisten und grössesten Wider-
wärtigkeiten mit der so mancherley Todes-Ge-
fahr, die er zuvor nach der Länge angeführet hat,
eben auf dieser und auf den folgenden Reisen
und Zügen begegnen: Darum es auch der
Weisheit und Gütigkeit GOttes gemäß gewe-
sen, daß er vorher durch eine sonderbare und ho-
he Begnadigung dazu bereitet und so vielmehr
bevestiget würde. Daher man siehet, wie die
Umstände der Sache selbst mit der Zeit-Rech-
nung so genau übereintreffen.
4. Das, was Paulo wiederfahren, wird
eine Entzückung genennet, und war es ein sol-
cher raptus, da die Seele desselben in einen aus-
serordentlichen Stand gesetzet, und in solchem in
den Himmel der Herrlichkeit auf einige Zeit hin-
gerück et wurde, also, daß der Leib zu der Zeit
von der Seelen allem Ansehen nach gar keine
Regungen und Bewegungen gehabt hat, und
gleichsam wie todt sich befunden.
5. Der Himmel, wohin die Seele Pauli
entzücket worden, wird der dritte genannt, nach
[Spaltenumbruch] der Redens-Art der Hebräer, die da haben einen
Luft-Himmel, daher die Vögel peteina tou
ouranou, Vögel des Himmels genennet werden
Matth. 6, 26. und den Sternen-Himmel Ps.
8, 4. der sonst gemeiniglich unter dem Namen
des erschaffenen Himmels verstanden wird.
Und da nun ausser diesen Himmeln (Deut. 10,
14.) nichts ist, als der unerschafne Himmel
der Herrlichkeit,
dahin Christus seiner mensch-
lichen Natur nach aufgefahren, dahin auch He-
noch und Elias vorangegangen, und dahin nach
der Auferstehung von den Todten und der Ver-
wandelung der bey der Zukunft Christi Lebendig-
erfundenen, alle Glaubigen nach Leib und Seele
eingehen werden; so heißt alhier dieser Sitz der
ewigen Herrlichkeit der dritte Himmel. Daraus
denn von selbst erfolget, daß, da die dritte Zahl
sonst die Zahl der Vollkommenheit ist, diese sich
denn mit besonderm Nachdruck in diesem Him-
mel befindet, welcher im alten Testamente, als
im Schatten, vorgestellet ist unter dem dritten
und allerheiligsten Theile der Stifts-Hütte und
des Tempels, als darinnen GOtt seine Maje-
stät und Herrlichkeit sonderlich offenbarete.
6. Es ist nun diese Entzückung also zuge-
gangen, daß Paulus selbst nicht sagen kan, wie?
ob es seiner Seelen allein wiederfahren, und
zwar in oder ausser dem Leibe, oder dem Leibe
mit? Die Sache weiß er: die Art und Weise
aber nicht. Welches gewiß kein Wunder war,
da wir auch in so vielen Dingen, die wir täglich
erfahren, z. E. wie unsere Seele mit dem Leibe
vereiniget sey, und den regiere, nicht wissen, wie
es zugehet. Die Widerholung zeiget in Pauli
Worten die Wichtigkeit der Sache und die
grosse Verwunderung, in welcher er noch so
lange nachher darüber gestanden.
7. Was endlich die erste alhier gebrauchte
Redens-Art betrifft: Jch kenne einen Men-
schen in Christo,
so gehören die Worte in
Christo
nicht so wol zum verbo kennen, als zum
nomine Menschen, und will Paulus damit
einen Christen mit Nachdruck bezeichnen, er sey
nemlich dergestalt in Christo, daß er auch in
der genauesten Vereinigung und Gemeinschaft
mit Christo stehe: wie denn ohne das diese Art
zu reden zu den Characteribus des Paulinischen
Stili gehöret.
V. 4.

Er ward entzückt in das Paradis, und
hörete unaussprechliche Worte, welche
kein Mensch sagen kan.

Anmerckungen.
1. Nachdem der Apostel, zur Bezeugung
des grossen Eindrucks, den er von dieser Sache
habe, und der Verwunderung, in welcher er noch
darüber stehe, die von der Art und Weise gesetz-
te Worte v. 3. wiederholet hatte, so wiederho-
let er, vermöge desselben Affects, das von der
Sache selbst gebrauchte Wort des raptus,
oder der Entzückung; und zwar also, daß er
theils die Worte in den dritten Himmel er-
kläret durch die: in das Paradis; theils aber
da-
M m m 3
Cap. 12, 3. 4. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] ſeyn ſoll, ſo fraget ſich, wenn und wo ſie wol ei-
gentlich geſchehen? Sie kan ihm nicht wieder-
fahren ſeyn zu Damaſcus, weder das erſte noch
andere mal ſeines Aufenthalts daſelbſt. Denn
das waren ſchon uͤber 20 Jahr her. Und eben
ſo wenig hat man dieſe Geſchichte in die Zeit zu
ſetzen, da er von Damaſcus, nachdem er ſich da-
ſelbſt zum andern mal aufgehalten, und daſelbſt
in einem Korbe von der Stadt-Mauer war her-
unter gelaſſen worden, nach Jeruſalem gekom-
men war, und alda im Tempel ein Geſicht hat-
te, nach Act. 22, 17. u. f. Denn das war auch
ſchon 20 Jahr her. So hoͤrete er auch alhier
keine Worte, die er nicht ausſprechen koͤnnen;
ſondern, die er in ſeiner Schutz-Rede am ange-
fuͤhrten Orte ausgeſprochen hat; wie ſie denn
auch von Luca aufgeſchrieben ſind.
3. Es ſchicket ſich demnach keine Zeit zu
dieſer Bezeichnung der 14 Jahre beſſer, als die-
ſe, da er im Jahr Chriſti 44, und alſo gerade im
14ten Jahre vorher, ehe er dieſen Brief an die Co-
rinthier ſchrieb, zu Antiochia mit Barnaba den
beſondern Beruf empfinge, nunmehro, nach-
dem er bisher ſchon bis ins 10 Jahr in Arabien,
in Syrien, Cilicien und in denſelbigen Gegen-
den ſein Apoſtel-Amt verwaltet hatte, auch un-
ter die Heyden in die Laͤnder Aſiens und Grie-
chenlandes zu gehen. Denn 1) trifft die Zeit
gar genau zu. 2) Es war dieſe neue und be-
ſondere Abſendung ger ſolenne. Denn Lucas
ſchreibet davon Ap. Geſch. 13, 1. ſqq. alſo: Es
waren zu Antiochia in der Gemeine Pro-
pheten und Lehrer ‒ ‒ Da ſie aber dem
HErrn dieneten und faſteten, ſprach der
Heilige Geiſt: Sondert mir aus Barna-
bam und Saulum zu dem Werck, dazu ich
ſie berufen habe. Da faſteten ſie, und be-
teten, und legten die Haͤnde auf ſie, und lieſ-
ſen ſie gehen
u. f. Ob nun gleich Lucas alhier
der Entzuͤckung nicht gedencket; ſo iſt ſie doch wol
allem Anſehen nach Paulo unter dem Gebet,
oder Faſten, oder doch zu der Zeit dieſer ſo ſon-
derbaren Zubereitung wiederfahren. 3) Es ſol-
ten Paulo die meiſten und groͤſſeſten Wider-
waͤrtigkeiten mit der ſo mancherley Todes-Ge-
fahr, die er zuvor nach der Laͤnge angefuͤhret hat,
eben auf dieſer und auf den folgenden Reiſen
und Zuͤgen begegnen: Darum es auch der
Weisheit und Guͤtigkeit GOttes gemaͤß gewe-
ſen, daß er vorher durch eine ſonderbare und ho-
he Begnadigung dazu bereitet und ſo vielmehr
beveſtiget wuͤrde. Daher man ſiehet, wie die
Umſtaͤnde der Sache ſelbſt mit der Zeit-Rech-
nung ſo genau uͤbereintreffen.
4. Das, was Paulo wiederfahren, wird
eine Entzuͤckung genennet, und war es ein ſol-
cher raptus, da die Seele deſſelben in einen auſ-
ſerordentlichen Stand geſetzet, und in ſolchem in
den Himmel der Herrlichkeit auf einige Zeit hin-
geruͤck et wurde, alſo, daß der Leib zu der Zeit
von der Seelen allem Anſehen nach gar keine
Regungen und Bewegungen gehabt hat, und
gleichſam wie todt ſich befunden.
5. Der Himmel, wohin die Seele Pauli
entzuͤcket worden, wird der dritte genannt, nach
[Spaltenumbruch] der Redens-Art der Hebraͤer, die da haben einen
Luft-Himmel, daher die Voͤgel πετεινὰ τοῦ
οὐρανοῦ, Voͤgel des Himmels genennet werden
Matth. 6, 26. und den Sternen-Himmel Pſ.
8, 4. der ſonſt gemeiniglich unter dem Namen
des erſchaffenen Himmels verſtanden wird.
Und da nun auſſer dieſen Himmeln (Deut. 10,
14.) nichts iſt, als der unerſchafne Himmel
der Herrlichkeit,
dahin Chriſtus ſeiner menſch-
lichen Natur nach aufgefahren, dahin auch He-
noch und Elias vorangegangen, und dahin nach
der Auferſtehung von den Todten und der Ver-
wandelung der bey der Zukunft Chriſti Lebendig-
erfundenen, alle Glaubigen nach Leib und Seele
eingehen werden; ſo heißt alhier dieſer Sitz der
ewigen Herrlichkeit der dritte Himmel. Daraus
denn von ſelbſt erfolget, daß, da die dritte Zahl
ſonſt die Zahl der Vollkommenheit iſt, dieſe ſich
denn mit beſonderm Nachdruck in dieſem Him-
mel befindet, welcher im alten Teſtamente, als
im Schatten, vorgeſtellet iſt unter dem dritten
und allerheiligſten Theile der Stifts-Huͤtte und
des Tempels, als darinnen GOtt ſeine Maje-
ſtaͤt und Herrlichkeit ſonderlich offenbarete.
6. Es iſt nun dieſe Entzuͤckung alſo zuge-
gangen, daß Paulus ſelbſt nicht ſagen kan, wie?
ob es ſeiner Seelen allein wiederfahren, und
zwar in oder auſſer dem Leibe, oder dem Leibe
mit? Die Sache weiß er: die Art und Weiſe
aber nicht. Welches gewiß kein Wunder war,
da wir auch in ſo vielen Dingen, die wir taͤglich
erfahren, z. E. wie unſere Seele mit dem Leibe
vereiniget ſey, und den regiere, nicht wiſſen, wie
es zugehet. Die Widerholung zeiget in Pauli
Worten die Wichtigkeit der Sache und die
groſſe Verwunderung, in welcher er noch ſo
lange nachher daruͤber geſtanden.
7. Was endlich die erſte alhier gebrauchte
Redens-Art betrifft: Jch kenne einen Men-
ſchen in Chriſto,
ſo gehoͤren die Worte in
Chriſto
nicht ſo wol zum verbo kennen, als zum
nomine Menſchen, und will Paulus damit
einen Chriſten mit Nachdruck bezeichnen, er ſey
nemlich dergeſtalt in Chriſto, daß er auch in
der genaueſten Vereinigung und Gemeinſchaft
mit Chriſto ſtehe: wie denn ohne das dieſe Art
zu reden zu den Characteribus des Pauliniſchen
Stili gehoͤret.
V. 4.

Er ward entzuͤckt in das Paradis, und
hoͤrete unausſprechliche Worte, welche
kein Menſch ſagen kan.

Anmerckungen.
1. Nachdem der Apoſtel, zur Bezeugung
des groſſen Eindrucks, den er von dieſer Sache
habe, und der Verwunderung, in welcher er noch
daruͤber ſtehe, die von der Art und Weiſe geſetz-
te Worte v. 3. wiederholet hatte, ſo wiederho-
let er, vermoͤge deſſelben Affects, das von der
Sache ſelbſt gebrauchte Wort des raptus,
oder der Entzuͤckung; und zwar alſo, daß er
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da-
M m m 3
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[461/0489] Cap. 12, 3. 4. an die Corinthier. ſeyn ſoll, ſo fraget ſich, wenn und wo ſie wol ei- gentlich geſchehen? Sie kan ihm nicht wieder- fahren ſeyn zu Damaſcus, weder das erſte noch andere mal ſeines Aufenthalts daſelbſt. Denn das waren ſchon uͤber 20 Jahr her. Und eben ſo wenig hat man dieſe Geſchichte in die Zeit zu ſetzen, da er von Damaſcus, nachdem er ſich da- ſelbſt zum andern mal aufgehalten, und daſelbſt in einem Korbe von der Stadt-Mauer war her- unter gelaſſen worden, nach Jeruſalem gekom- men war, und alda im Tempel ein Geſicht hat- te, nach Act. 22, 17. u. f. Denn das war auch ſchon 20 Jahr her. So hoͤrete er auch alhier keine Worte, die er nicht ausſprechen koͤnnen; ſondern, die er in ſeiner Schutz-Rede am ange- fuͤhrten Orte ausgeſprochen hat; wie ſie denn auch von Luca aufgeſchrieben ſind. 3. Es ſchicket ſich demnach keine Zeit zu dieſer Bezeichnung der 14 Jahre beſſer, als die- ſe, da er im Jahr Chriſti 44, und alſo gerade im 14ten Jahre vorher, ehe er dieſen Brief an die Co- rinthier ſchrieb, zu Antiochia mit Barnaba den beſondern Beruf empfinge, nunmehro, nach- dem er bisher ſchon bis ins 10 Jahr in Arabien, in Syrien, Cilicien und in denſelbigen Gegen- den ſein Apoſtel-Amt verwaltet hatte, auch un- ter die Heyden in die Laͤnder Aſiens und Grie- chenlandes zu gehen. Denn 1) trifft die Zeit gar genau zu. 2) Es war dieſe neue und be- ſondere Abſendung ger ſolenne. Denn Lucas ſchreibet davon Ap. Geſch. 13, 1. ſqq. alſo: Es waren zu Antiochia in der Gemeine Pro- pheten und Lehrer ‒ ‒ Da ſie aber dem HErrn dieneten und faſteten, ſprach der Heilige Geiſt: Sondert mir aus Barna- bam und Saulum zu dem Werck, dazu ich ſie berufen habe. Da faſteten ſie, und be- teten, und legten die Haͤnde auf ſie, und lieſ- ſen ſie gehen u. f. Ob nun gleich Lucas alhier der Entzuͤckung nicht gedencket; ſo iſt ſie doch wol allem Anſehen nach Paulo unter dem Gebet, oder Faſten, oder doch zu der Zeit dieſer ſo ſon- derbaren Zubereitung wiederfahren. 3) Es ſol- ten Paulo die meiſten und groͤſſeſten Wider- waͤrtigkeiten mit der ſo mancherley Todes-Ge- fahr, die er zuvor nach der Laͤnge angefuͤhret hat, eben auf dieſer und auf den folgenden Reiſen und Zuͤgen begegnen: Darum es auch der Weisheit und Guͤtigkeit GOttes gemaͤß gewe- ſen, daß er vorher durch eine ſonderbare und ho- he Begnadigung dazu bereitet und ſo vielmehr beveſtiget wuͤrde. Daher man ſiehet, wie die Umſtaͤnde der Sache ſelbſt mit der Zeit-Rech- nung ſo genau uͤbereintreffen. 4. Das, was Paulo wiederfahren, wird eine Entzuͤckung genennet, und war es ein ſol- cher raptus, da die Seele deſſelben in einen auſ- ſerordentlichen Stand geſetzet, und in ſolchem in den Himmel der Herrlichkeit auf einige Zeit hin- geruͤck et wurde, alſo, daß der Leib zu der Zeit von der Seelen allem Anſehen nach gar keine Regungen und Bewegungen gehabt hat, und gleichſam wie todt ſich befunden. 5. Der Himmel, wohin die Seele Pauli entzuͤcket worden, wird der dritte genannt, nach der Redens-Art der Hebraͤer, die da haben einen Luft-Himmel, daher die Voͤgel πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ, Voͤgel des Himmels genennet werden Matth. 6, 26. und den Sternen-Himmel Pſ. 8, 4. der ſonſt gemeiniglich unter dem Namen des erſchaffenen Himmels verſtanden wird. Und da nun auſſer dieſen Himmeln (Deut. 10, 14.) nichts iſt, als der unerſchafne Himmel der Herrlichkeit, dahin Chriſtus ſeiner menſch- lichen Natur nach aufgefahren, dahin auch He- noch und Elias vorangegangen, und dahin nach der Auferſtehung von den Todten und der Ver- wandelung der bey der Zukunft Chriſti Lebendig- erfundenen, alle Glaubigen nach Leib und Seele eingehen werden; ſo heißt alhier dieſer Sitz der ewigen Herrlichkeit der dritte Himmel. Daraus denn von ſelbſt erfolget, daß, da die dritte Zahl ſonſt die Zahl der Vollkommenheit iſt, dieſe ſich denn mit beſonderm Nachdruck in dieſem Him- mel befindet, welcher im alten Teſtamente, als im Schatten, vorgeſtellet iſt unter dem dritten und allerheiligſten Theile der Stifts-Huͤtte und des Tempels, als darinnen GOtt ſeine Maje- ſtaͤt und Herrlichkeit ſonderlich offenbarete. 6. Es iſt nun dieſe Entzuͤckung alſo zuge- gangen, daß Paulus ſelbſt nicht ſagen kan, wie? ob es ſeiner Seelen allein wiederfahren, und zwar in oder auſſer dem Leibe, oder dem Leibe mit? Die Sache weiß er: die Art und Weiſe aber nicht. Welches gewiß kein Wunder war, da wir auch in ſo vielen Dingen, die wir taͤglich erfahren, z. E. wie unſere Seele mit dem Leibe vereiniget ſey, und den regiere, nicht wiſſen, wie es zugehet. Die Widerholung zeiget in Pauli Worten die Wichtigkeit der Sache und die groſſe Verwunderung, in welcher er noch ſo lange nachher daruͤber geſtanden. 7. Was endlich die erſte alhier gebrauchte Redens-Art betrifft: Jch kenne einen Men- ſchen in Chriſto, ſo gehoͤren die Worte in Chriſto nicht ſo wol zum verbo kennen, als zum nomine Menſchen, und will Paulus damit einen Chriſten mit Nachdruck bezeichnen, er ſey nemlich dergeſtalt in Chriſto, daß er auch in der genaueſten Vereinigung und Gemeinſchaft mit Chriſto ſtehe: wie denn ohne das dieſe Art zu reden zu den Characteribus des Pauliniſchen Stili gehoͤret. V. 4. Er ward entzuͤckt in das Paradis, und hoͤrete unausſprechliche Worte, welche kein Menſch ſagen kan. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel, zur Bezeugung des groſſen Eindrucks, den er von dieſer Sache habe, und der Verwunderung, in welcher er noch daruͤber ſtehe, die von der Art und Weiſe geſetz- te Worte v. 3. wiederholet hatte, ſo wiederho- let er, vermoͤge deſſelben Affects, das von der Sache ſelbſt gebrauchte Wort des raptus, oder der Entzuͤckung; und zwar alſo, daß er theils die Worte in den dritten Himmel er- klaͤret durch die: in das Paradis; theils aber da- M m m 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/489>, abgerufen am 24.11.2024.