Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 11, v. 25. 26. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
nen allemal beym Leben erhalten worden. Solteman, was nur bey eines Menschen Leben allein auf diesem und jenem Meere bey den Seefahrten an Gefahr und würcklichem Schiffbruch vorge- het, nach allen, oder auch nur den Haupt-Umstän- den, wissen, man würde davor recht erstaunen müssen. Es würden solche Beschreibungen auch mehrere Bücher erfüllen. Nach der Vernunft hätte man gedencken sollen, weil Paulus mit noch andern gläubigen Gefährten auf dem Schiffe wä- re, so könte es an einem solchen Geleite GOttes, welches das Schiff von allem Unglück bewahre- te, nicht fehlen. Da aber nun die Verhängnisse GOttes auch bey seinen Gläubigen wunderbar sind; so muß man sich ja hüten, daß man sich im Urtheil nicht übereile, noch deshalb die gnädige Providentz GOttes in Zweifel ziehe, wenn man höret, siehet, oder lieset, wie diesem und jenem Kinde GOttes ein Unfall begegnet. Oft ist die Hülfe in der grössesten Noth am allermerck- lichsten. 4. Wie Paulus Tag und Nacht in der Tiefe des Meers zugebracht, fraget sich? Zuvörderst ist alhier zu mercken, daß das Wort buthos eigentlich nur überhaupt heißt die Tiefe, es sey nun des Meers, oder eines Gefängnisses, oder einer andern Grube; wie denn das Wort des Meers im Griechischen nicht dabey stehet. Und also kan es wohl seyn, daß Paulus irgendwo Tag und Nacht in einer tiefen Grube, worinnen er geworfen gewesen, gelegen, ehe er wieder her- aus gezogen, oder sonst wunderbarer Weise er- rettet worden. Auf ein Gefängniß hat er wol eben nicht gesehen; weil er der Gefängnisse schon vorher v. 10 gedacht hat. Weil er nun unmit- telbar vorher des dreymal erlittenen Schiff- bruchs gedacht, so verstehet er allem Ansehen nach, durch die Tiefe zwar die Tiefe des Meers; aber etwa also, daß er nach einem von solchen Unfällen etwa auf einem gewissen Schiffs-Ge- vässe, oder Brette, 24 Stunden hindurch auf der Tiefe der Wasser wunderbarer Weise erhalten, und doch endlich glücklich errettet worden. V. 26. Jch habe oft gereiset. Jch bin in Ge- Anmerckungen. 1. Wenn Paulus saget, er habe oft gerei- set, oder sich vielfaltig auf Reisen befunden, so hat er eben damit den Character des apostolischen Amts angezeiget; welcher war, an keinem gewis- sen Orte einer Gemeine beständig vorzustehen; als davon es sich weder oft, noch lange, ohne Ver- säumung, verreisen läßt; sondern von einem Or- te zum andern gehen, und als ein allgemeiner Gärtner allenthalben in so vielen Landern von Asia und Europa Kirchen-Gärten anlegen und sie wieder besuchen, um, was gepflantzet, darin- [Spaltenumbruch] nen zu begiessen, und das aufgegangene Unkraut auszugäten. Er hat aber auf allen seinen Reisen allemal auf den besondern Winck GOttes gese- hen, und ist demselben von einem Orte zum an- dern gefolget; wie ihme dazu so wol die äussere Gelegenheit und rechte Zeit, als auch die innere Freudigkeit des Glaubens es angewiesen: als man aus unterschiedlichen Orten seiner Briefe siehet, wie er GOTT um und zu seinen Reisen angeflehet, und sich auch deshalb der Gläubigen Gebet empfohlen habe. Denn es ist nicht genug in seinen Handlungen einen guten Zweck vor sich zu haben, sondern man muß auch dahin sehen, daß man nichts aus eigner Wahl und im eignen Wil- len vornehme, sondern in und nach allen Umstän- den den Willen GOttes prüfe, und dessen im Glauben versichert sey. O wie manche Reise geschiehet nicht von so manchen Christen, wie oh- ne eine erhebliche und gültige Ursache und ohne einen richtigen Zweck; also auch ohne Nutzen, im blossen eignen Willen. Da man denn, wo ei- nem was widriges begegnet, kein ruhiges Gewis- sen behalten kan. Ja wenn das auch schon nicht ist, so läßt GOTT doch eine solche ohne Glauben, oder ohne gläubige Versicherung von seinem wohlgefälligen Willen vorgenommene Reise, in der Rechnung unsers Lebens nicht passiren. 2. Durch die Wasser, worauf der Apostel in Gefährlichkeit gewesen, verstehet er, nach dem ausdrücklichen Worte potamon, allerhand Flüs- se, sonderlich grosse und starcke, darauf man auch leichtlich in Gefahr gerathen kan; wie auch bey den an sich zwar kleinern, aber zu dieser und jener Jahres-Zeit mehr angelaufenen Bächen, da man manchmal im Durchwaden oder Fahren kan stecken bleiben, und in grosse Noth gerathen, auch gar umkommen. 3. Wie erschrecklich weit der Mensch von GOTT durch die Sünde verfallen kan, siehet man unter andern sonderlich an den Strassen- Räubern; als welche zu solchen Unmenschen werden, daß sie ausser der menschlichen Gestalt in sensu morali fast nichts mehr von der mensch- lichen Natur behalten, und viel ärger sind, als die wildesten Thiere, von denen keines das ande- re so feindselig anfällt. Da nun Paulus mehr- mals theils alleine, theils mit gar wenigen Ge- fährten gereiset, und zu Lande wol mehrentheils zu Fusse; so hat es leichtlich geschehen können, daß er unter allerhand Raub-Vögel gefallen; sonderlich in dem unsichern und weitläuftigen Arabia, und in dessen Gegenden, darinn er bis ins dritte Jahr zugebracht. Gal. 1, 16. 17. da er denn zum öftern wird erfahren haben, wie GOtt die grimmigsten Menschen, als wildesten Bären, gleichsam zu Lämmern gemacht, daß sie nach dem rasenden Anfall ihn seinen Weg haben in Frie- den gehen lassen. 4. Wie die Jüden, welche der Apostel al- hier die von seinem Geschlechte nennet, (wie Gal. 1, 14. und Stephanus Ap. Gesch. 7, 19.) Paulum verfolget inn- und ausserhalb des Jüdi- schen Landes, das zeigen die Apostel-Geschichte und auch manche Stellen seiner Briefe an: und was ihm von denen, von den Juden ausgegan- genen, falschen Aposteln für Leiden gemachet wor- den, L l l 3
Cap. 11, v. 25. 26. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
nen allemal beym Leben erhalten worden. Solteman, was nur bey eines Menſchen Leben allein auf dieſem und jenem Meere bey den Seefahrten an Gefahr und wuͤrcklichem Schiffbruch vorge- het, nach allen, oder auch nur den Haupt-Umſtaͤn- den, wiſſen, man wuͤrde davor recht erſtaunen muͤſſen. Es wuͤrden ſolche Beſchreibungen auch mehrere Buͤcher erfuͤllen. Nach der Vernunft haͤtte man gedencken ſollen, weil Paulus mit noch andern glaͤubigen Gefaͤhrten auf dem Schiffe waͤ- re, ſo koͤnte es an einem ſolchen Geleite GOttes, welches das Schiff von allem Ungluͤck bewahre- te, nicht fehlen. Da aber nun die Verhaͤngniſſe GOttes auch bey ſeinen Glaͤubigen wunderbar ſind; ſo muß man ſich ja huͤten, daß man ſich im Urtheil nicht uͤbereile, noch deshalb die gnaͤdige Providentz GOttes in Zweifel ziehe, wenn man hoͤret, ſiehet, oder lieſet, wie dieſem und jenem Kinde GOttes ein Unfall begegnet. Oft iſt die Huͤlfe in der groͤſſeſten Noth am allermerck- lichſten. 4. Wie Paulus Tag und Nacht in der Tiefe des Meers zugebracht, fraget ſich? Zuvoͤrderſt iſt alhier zu mercken, daß das Wort ϐυϑὸς eigentlich nur uͤberhaupt heißt die Tiefe, es ſey nun des Meers, oder eines Gefaͤngniſſes, oder einer andern Grube; wie denn das Wort des Meers im Griechiſchen nicht dabey ſtehet. Und alſo kan es wohl ſeyn, daß Paulus irgendwo Tag und Nacht in einer tiefen Grube, worinnen er geworfen geweſen, gelegen, ehe er wieder her- aus gezogen, oder ſonſt wunderbarer Weiſe er- rettet worden. Auf ein Gefaͤngniß hat er wol eben nicht geſehen; weil er der Gefaͤngniſſe ſchon vorher v. 10 gedacht hat. Weil er nun unmit- telbar vorher des dreymal erlittenen Schiff- bruchs gedacht, ſo verſtehet er allem Anſehen nach, durch die Tiefe zwar die Tiefe des Meers; aber etwa alſo, daß er nach einem von ſolchen Unfaͤllen etwa auf einem gewiſſen Schiffs-Ge- vaͤſſe, oder Brette, 24 Stunden hindurch auf der Tiefe der Waſſer wunderbarer Weiſe erhalten, und doch endlich gluͤcklich errettet worden. V. 26. Jch habe oft gereiſet. Jch bin in Ge- Anmerckungen. 1. Wenn Paulus ſaget, er habe oft gerei- ſet, oder ſich vielfaltig auf Reiſen befunden, ſo hat er eben damit den Character des apoſtoliſchen Amts angezeiget; welcher war, an keinem gewiſ- ſen Orte einer Gemeine beſtaͤndig vorzuſtehen; als davon es ſich weder oft, noch lange, ohne Ver- ſaͤumung, verreiſen laͤßt; ſondern von einem Or- te zum andern gehen, und als ein allgemeiner Gaͤrtner allenthalben in ſo vielen Landern von Aſia und Europa Kirchen-Gaͤrten anlegen und ſie wieder beſuchen, um, was gepflantzet, darin- [Spaltenumbruch] nen zu begieſſen, und das aufgegangene Unkraut auszugaͤten. Er hat aber auf allen ſeinen Reiſen allemal auf den beſondern Winck GOttes geſe- hen, und iſt demſelben von einem Orte zum an- dern gefolget; wie ihme dazu ſo wol die aͤuſſere Gelegenheit und rechte Zeit, als auch die innere Freudigkeit des Glaubens es angewieſen: als man aus unterſchiedlichen Orten ſeiner Briefe ſiehet, wie er GOTT um und zu ſeinen Reiſen angeflehet, und ſich auch deshalb der Glaͤubigen Gebet empfohlen habe. Denn es iſt nicht genug in ſeinen Handlungen einen guten Zweck vor ſich zu haben, ſondern man muß auch dahin ſehen, daß man nichts aus eigner Wahl und im eignen Wil- len vornehme, ſondern in und nach allen Umſtaͤn- den den Willen GOttes pruͤfe, und deſſen im Glauben verſichert ſey. O wie manche Reiſe geſchiehet nicht von ſo manchen Chriſten, wie oh- ne eine erhebliche und guͤltige Urſache und ohne einen richtigen Zweck; alſo auch ohne Nutzen, im bloſſen eignen Willen. Da man denn, wo ei- nem was widriges begegnet, kein ruhiges Gewiſ- ſen behalten kan. Ja wenn das auch ſchon nicht iſt, ſo laͤßt GOTT doch eine ſolche ohne Glauben, oder ohne glaͤubige Verſicherung von ſeinem wohlgefaͤlligen Willen vorgenommene Reiſe, in der Rechnung unſers Lebens nicht paſſiren. 2. Durch die Waſſer, worauf der Apoſtel in Gefaͤhrlichkeit geweſen, verſtehet er, nach dem ausdruͤcklichen Worte ποταμῶν, allerhand Fluͤſ- ſe, ſonderlich groſſe und ſtarcke, darauf man auch leichtlich in Gefahr gerathen kan; wie auch bey den an ſich zwar kleinern, aber zu dieſer und jener Jahres-Zeit mehr angelaufenen Baͤchen, da man manchmal im Durchwaden oder Fahren kan ſtecken bleiben, und in groſſe Noth gerathen, auch gar umkommen. 3. Wie erſchrecklich weit der Menſch von GOTT durch die Suͤnde verfallen kan, ſiehet man unter andern ſonderlich an den Straſſen- Raͤubern; als welche zu ſolchen Unmenſchen werden, daß ſie auſſer der menſchlichen Geſtalt in ſenſu morali faſt nichts mehr von der menſch- lichen Natur behalten, und viel aͤrger ſind, als die wildeſten Thiere, von denen keines das ande- re ſo feindſelig anfaͤllt. Da nun Paulus mehr- mals theils alleine, theils mit gar wenigen Ge- faͤhrten gereiſet, und zu Lande wol mehrentheils zu Fuſſe; ſo hat es leichtlich geſchehen koͤnnen, daß er unter allerhand Raub-Voͤgel gefallen; ſonderlich in dem unſichern und weitlaͤuftigen Arabia, und in deſſen Gegenden, darinn er bis ins dritte Jahr zugebracht. Gal. 1, 16. 17. da er denn zum oͤftern wird erfahren haben, wie GOtt die grimmigſten Menſchen, als wildeſten Baͤren, gleichſam zu Laͤmmern gemacht, daß ſie nach dem raſenden Anfall ihn ſeinen Weg haben in Frie- den gehen laſſen. 4. Wie die Juͤden, welche der Apoſtel al- hier die von ſeinem Geſchlechte nennet, (wie Gal. 1, 14. und Stephanus Ap. Geſch. 7, 19.) Paulum verfolget inn- und auſſerhalb des Juͤdi- ſchen Landes, das zeigen die Apoſtel-Geſchichte und auch manche Stellen ſeiner Briefe an: und was ihm von denen, von den Juden ausgegan- genen, falſchen Apoſteln fuͤr Leiden gemachet wor- den, L l l 3
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Cap. 11, v. 25. 26. an die Corinthier.
nen allemal beym Leben erhalten worden. Solte
man, was nur bey eines Menſchen Leben allein
auf dieſem und jenem Meere bey den Seefahrten
an Gefahr und wuͤrcklichem Schiffbruch vorge-
het, nach allen, oder auch nur den Haupt-Umſtaͤn-
den, wiſſen, man wuͤrde davor recht erſtaunen
muͤſſen. Es wuͤrden ſolche Beſchreibungen auch
mehrere Buͤcher erfuͤllen. Nach der Vernunft
haͤtte man gedencken ſollen, weil Paulus mit noch
andern glaͤubigen Gefaͤhrten auf dem Schiffe waͤ-
re, ſo koͤnte es an einem ſolchen Geleite GOttes,
welches das Schiff von allem Ungluͤck bewahre-
te, nicht fehlen. Da aber nun die Verhaͤngniſſe
GOttes auch bey ſeinen Glaͤubigen wunderbar
ſind; ſo muß man ſich ja huͤten, daß man ſich im
Urtheil nicht uͤbereile, noch deshalb die gnaͤdige
Providentz GOttes in Zweifel ziehe, wenn man
hoͤret, ſiehet, oder lieſet, wie dieſem und jenem
Kinde GOttes ein Unfall begegnet. Oft iſt die
Huͤlfe in der groͤſſeſten Noth am allermerck-
lichſten.
4. Wie Paulus Tag und Nacht in der
Tiefe des Meers zugebracht, fraget ſich?
Zuvoͤrderſt iſt alhier zu mercken, daß das Wort
ϐυϑὸς eigentlich nur uͤberhaupt heißt die Tiefe,
es ſey nun des Meers, oder eines Gefaͤngniſſes,
oder einer andern Grube; wie denn das Wort
des Meers im Griechiſchen nicht dabey ſtehet.
Und alſo kan es wohl ſeyn, daß Paulus irgendwo
Tag und Nacht in einer tiefen Grube, worinnen
er geworfen geweſen, gelegen, ehe er wieder her-
aus gezogen, oder ſonſt wunderbarer Weiſe er-
rettet worden. Auf ein Gefaͤngniß hat er wol
eben nicht geſehen; weil er der Gefaͤngniſſe ſchon
vorher v. 10 gedacht hat. Weil er nun unmit-
telbar vorher des dreymal erlittenen Schiff-
bruchs gedacht, ſo verſtehet er allem Anſehen
nach, durch die Tiefe zwar die Tiefe des Meers;
aber etwa alſo, daß er nach einem von ſolchen
Unfaͤllen etwa auf einem gewiſſen Schiffs-Ge-
vaͤſſe, oder Brette, 24 Stunden hindurch auf der
Tiefe der Waſſer wunderbarer Weiſe erhalten,
und doch endlich gluͤcklich errettet worden.
V. 26.
Jch habe oft gereiſet. Jch bin in Ge-
faͤhrlichkeit geweſen zu Waſſer, in Faͤhr-
lichkeit unter den Mordern, in Faͤhrlich-
keit unter den Juden, in Fahrlichkeit un-
ter den Heiden, in Faͤhrlichkeit in den Staͤd-
ten, in Faͤhrlichkeit in der Wuͤſten, in
Faͤhrlichkeit auf dem Meer, in Faͤhrlich-
keit unter den falſchen Bruͤdern.
Anmerckungen.
1. Wenn Paulus ſaget, er habe oft gerei-
ſet, oder ſich vielfaltig auf Reiſen befunden, ſo
hat er eben damit den Character des apoſtoliſchen
Amts angezeiget; welcher war, an keinem gewiſ-
ſen Orte einer Gemeine beſtaͤndig vorzuſtehen;
als davon es ſich weder oft, noch lange, ohne Ver-
ſaͤumung, verreiſen laͤßt; ſondern von einem Or-
te zum andern gehen, und als ein allgemeiner
Gaͤrtner allenthalben in ſo vielen Landern von
Aſia und Europa Kirchen-Gaͤrten anlegen und
ſie wieder beſuchen, um, was gepflantzet, darin-
nen zu begieſſen, und das aufgegangene Unkraut
auszugaͤten. Er hat aber auf allen ſeinen Reiſen
allemal auf den beſondern Winck GOttes geſe-
hen, und iſt demſelben von einem Orte zum an-
dern gefolget; wie ihme dazu ſo wol die aͤuſſere
Gelegenheit und rechte Zeit, als auch die innere
Freudigkeit des Glaubens es angewieſen: als
man aus unterſchiedlichen Orten ſeiner Briefe
ſiehet, wie er GOTT um und zu ſeinen Reiſen
angeflehet, und ſich auch deshalb der Glaͤubigen
Gebet empfohlen habe. Denn es iſt nicht genug
in ſeinen Handlungen einen guten Zweck vor ſich
zu haben, ſondern man muß auch dahin ſehen, daß
man nichts aus eigner Wahl und im eignen Wil-
len vornehme, ſondern in und nach allen Umſtaͤn-
den den Willen GOttes pruͤfe, und deſſen im
Glauben verſichert ſey. O wie manche Reiſe
geſchiehet nicht von ſo manchen Chriſten, wie oh-
ne eine erhebliche und guͤltige Urſache und ohne
einen richtigen Zweck; alſo auch ohne Nutzen, im
bloſſen eignen Willen. Da man denn, wo ei-
nem was widriges begegnet, kein ruhiges Gewiſ-
ſen behalten kan. Ja wenn das auch ſchon nicht
iſt, ſo laͤßt GOTT doch eine ſolche ohne Glauben,
oder ohne glaͤubige Verſicherung von ſeinem
wohlgefaͤlligen Willen vorgenommene Reiſe, in
der Rechnung unſers Lebens nicht paſſiren.
2. Durch die Waſſer, worauf der Apoſtel
in Gefaͤhrlichkeit geweſen, verſtehet er, nach dem
ausdruͤcklichen Worte ποταμῶν, allerhand Fluͤſ-
ſe, ſonderlich groſſe und ſtarcke, darauf man
auch leichtlich in Gefahr gerathen kan; wie auch
bey den an ſich zwar kleinern, aber zu dieſer und
jener Jahres-Zeit mehr angelaufenen Baͤchen,
da man manchmal im Durchwaden oder Fahren
kan ſtecken bleiben, und in groſſe Noth gerathen,
auch gar umkommen.
3. Wie erſchrecklich weit der Menſch von
GOTT durch die Suͤnde verfallen kan, ſiehet
man unter andern ſonderlich an den Straſſen-
Raͤubern; als welche zu ſolchen Unmenſchen
werden, daß ſie auſſer der menſchlichen Geſtalt
in ſenſu morali faſt nichts mehr von der menſch-
lichen Natur behalten, und viel aͤrger ſind, als
die wildeſten Thiere, von denen keines das ande-
re ſo feindſelig anfaͤllt. Da nun Paulus mehr-
mals theils alleine, theils mit gar wenigen Ge-
faͤhrten gereiſet, und zu Lande wol mehrentheils
zu Fuſſe; ſo hat es leichtlich geſchehen koͤnnen,
daß er unter allerhand Raub-Voͤgel gefallen;
ſonderlich in dem unſichern und weitlaͤuftigen
Arabia, und in deſſen Gegenden, darinn er bis
ins dritte Jahr zugebracht. Gal. 1, 16. 17. da er
denn zum oͤftern wird erfahren haben, wie GOtt
die grimmigſten Menſchen, als wildeſten Baͤren,
gleichſam zu Laͤmmern gemacht, daß ſie nach dem
raſenden Anfall ihn ſeinen Weg haben in Frie-
den gehen laſſen.
4. Wie die Juͤden, welche der Apoſtel al-
hier die von ſeinem Geſchlechte nennet, (wie
Gal. 1, 14. und Stephanus Ap. Geſch. 7, 19.)
Paulum verfolget inn- und auſſerhalb des Juͤdi-
ſchen Landes, das zeigen die Apoſtel-Geſchichte
und auch manche Stellen ſeiner Briefe an: und
was ihm von denen, von den Juden ausgegan-
genen, falſchen Apoſteln fuͤr Leiden gemachet wor-
den,
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