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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 10, v. 8-12. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] HERR gegeben hat, euch zu bessern, und
nicht zu verderben, wolte ich nicht zu
schanden werden
(da es die Wahrheit ist.)

Anmerckungen.

1. GOTT hatte den Aposteln eine ausser-
ordentliche Macht gegeben, bey gewissen Fällen
auch auf eine wunderthätige Art die Ehre seines
Namens und also zugleich ihre von GOTT ih-
nen verliehene Auctorität zu retten: wie wir sehen
an Petro wider Ananiam und sein Weib Sap-
phiram Ap. Gesch. 5, 1. seqq. und an Paulo wi-
der den Zauberer Elymam Apost. Gesch. 13,
6. seqq.

2. Damit aber die Corinthier so viel weni-
ger gedencken möchten, als wolte er sich derselben
Macht zu ihrem Nachtheil bedienen, so spricht er,
daß sie ihm gegeben sey zur Erbauung und nicht
zum Verderben, oder damit etwas niederzureis-
sen. Denn ob wol dadurch die falschen Höhen
und Bevestungen destruiret werden könten; so
gereichete es doch der Kirche nicht zum Schaden,
sondern zum Besten. Siehe auch c. 13, 10.

V. 9.

Das sage ich aber, daß ihr euch nicht
düncken lasset,
(ina me doxo, daß ich nicht da-
für angesehen werde) als hätte ich euch wol-
len schrecken mit Briefen.

Anmerckung.

Es findet sich zwischen dem 8ten und 9ten
Vers eine ellipsis, oder Auslassung einiger Wor-
te, die aber aus dem sensu, oder der Sache selbst,
leichtlich zu suppliren sind. Lutherus hat die
Worte darzwischen gesetzet: das sage ich aber.
Allein es wird sich besser schicken, wenn man da-
für setzet: aber ich will es nicht thun, nem-
lich von der mir gegebenen Gewalt eine Vorstel-
lung zu machen, daß ich nicht das Ansehen habe,
als hätte ich euch wollen schrecken mit harten
Briefen; wie ich ohne das des ersten Briefes
wegen beschuldiget worden bin.

V. 10.

Denn die Briefe, sprechen sie (die Fein-
de) sind schwer und starck (halten scharfe Be-
strafung und Drohung in sich) aber die Gegen-
wärtigkeit des Leibes ist schwach,
(gering,
unansehnlich,) und die Rede verächtlich (zu
welchem Urtheil sie einen niedrigen, göttlich ein-
fältigen und liebreichen Vortrag und Umgang
mißbrauchen.)

V. 11.

Wer ein solcher ist, (wer also von mir
urtheilet,) der dencke, daß, wie wir sind mit
Worten in den Briefen im Abwesen, so
dürfen wir auch wol seyn mit der That ge-
genwärtig
(und also, wenn es nöthig ist, un-
sern Worten einen Nachdruck geben.)

V. 12.

Denn wir dürfen uns nicht unter die
rechnen, oder zehlen
(mit ihnen vergleichen)
so sich selbst loben (und den Leuten ihre Er-
[Spaltenumbruch] käntniß, Gaben und Verdienste selbst anprei-
sen: als welches nach dem Grunde der Christli-
chen Demuth ferne von mir sey.) Aber dieweil
sie sich bey sich selbst messen, und halten al-
lein von sich selbst
(Gr. sich selbst mit sich selbst
vergleichen, und also ein gar unrichtiges Maß
haben) verstehen sie nichts (handeln nicht al-
lein darinn recht unweislich, sondern geben auch
sonst den Mangel wahrer und lebendiger Er-
käntniß an den Tag; so aufgeblasen sie auch im-
mermehr bey sich selbst sind: oder sie mercken
nicht, wie thöricht sie damit handeln, daß sie sich
selbst nach sich selbst messen.)

Anmerckungen.
1. Die Worte Pauli sind im Griechischen
gar nachdrücklich: autoi en eautois eautous me-
trou~ntes, sie selbst messen sich selbst bey sich
selbst.
Damit der Apostel ihre grosse Eigen-
Liebe anzeiget, nach welcher es in allen Stücken
ihnen um sich selbst zu thun war. Also auch die
folgende Worte: sugkrinontes eautous eautois,
vergleichen sich selbst mit sich selbst.
2. Wer sich, oder sonst etwas messen will,
muß ein richtiges Maß haben, so kan er erkennen,
wie groß, lang und breit er oder die Sache sey.
Also auch in geistlichen Dingen. Wer die Grösse
und den Werth seiner geistlichen Gaben und
Verdienste messen, oder erkennen will, der muß
einen richtigen Maß-Stab und Probier-Stein
haben, den er aufs allervollkommenste findet an
dem Masse des Exempels JESU CHristi, wel-
ches er uns an seinem Leben gegeben und hinter-
lassen hat: Eph. 4, 13. nächst dem auch an seinem
Worte, und an den Exempeln deren, welche
CHristo folgen und von ihm mit besondern Ga-
ben ausgerüstet sind, sich auch dabey in aller Lau-
terkeit und Treue ihres Amts erfinden lassen.
Nach diesem Masse können sie leichtlich finden,
was ihnen beywohne oder nicht. So aber mas-
sen sich die falsche Apostel nicht: sondern ihr Maß-
Stab und ihr Probier-Stein war ihr herrschen-
der Stoltz, ihre unreine und unordentliche Selbst-
Liebe, welche sie in die geistlichen Religions-
Sachen eingeführet hatten, und hierinnen das
Futter für sie suchten. Das aber, was sie ab-
massen, oder auf den Probier-Stein strichen,
waren ihre Gaben der Erkäntniß und der Bered-
samkeit, wie auch ihre vermeinten Verdienste
und das daher affectirte Ansehen. Weil nun
aber so wol das Maß, nemlich die Eigen-Liebe,
als die Gaben und die vermeinten Verdienste, so
darnach abgemessen wurden, ihr eigen waren,
und in einerley Personen zusammen trafen; so
spricht der Apostel, daß sie sich selbst in sich
selbst bey sich selbst gemessen, und sich selbst
mit sich selbst verglichen haben.
Welches
denn eine sehr ungereimte Sache ist, nemlich
selbst das Maß und auch das Abgemessene oder
abzumessende seyn: auf welche Art die Eigen-
Liebe aus einem Zwerg einen Riesen, aus einer
Mücke einen Elephanten machen, und was krumm
ist, für gerade halten kan.
3. Es ist wohl zu mercken, daß sich alle ei-
genliebige Leute also messen. Dazu denn nicht we-
nig beyträget, wenn ihnen von andern Unverstän-
digen
J i i 3

Cap. 10, v. 8-12. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] HERR gegeben hat, euch zu beſſern, und
nicht zu verderben, wolte ich nicht zu
ſchanden werden
(da es die Wahrheit iſt.)

Anmerckungen.

1. GOTT hatte den Apoſteln eine auſſer-
ordentliche Macht gegeben, bey gewiſſen Faͤllen
auch auf eine wunderthaͤtige Art die Ehre ſeines
Namens und alſo zugleich ihre von GOTT ih-
nen verliehene Auctoritaͤt zu retten: wie wir ſehen
an Petro wider Ananiam und ſein Weib Sap-
phiram Ap. Geſch. 5, 1. ſeqq. und an Paulo wi-
der den Zauberer Elymam Apoſt. Geſch. 13,
6. ſeqq.

2. Damit aber die Corinthier ſo viel weni-
ger gedencken moͤchten, als wolte er ſich derſelben
Macht zu ihrem Nachtheil bedienen, ſo ſpricht er,
daß ſie ihm gegeben ſey zur Erbauung und nicht
zum Verderben, oder damit etwas niederzureiſ-
ſen. Denn ob wol dadurch die falſchen Hoͤhen
und Beveſtungen deſtruiret werden koͤnten; ſo
gereichete es doch der Kirche nicht zum Schaden,
ſondern zum Beſten. Siehe auch c. 13, 10.

V. 9.

Das ſage ich aber, daß ihr euch nicht
duͤncken laſſet,
(ἵνα μὴ δώξω, daß ich nicht da-
fuͤr angeſehen werde) als haͤtte ich euch wol-
len ſchrecken mit Briefen.

Anmerckung.

Es findet ſich zwiſchen dem 8ten und 9ten
Vers eine ellipſis, oder Auslaſſung einiger Wor-
te, die aber aus dem ſenſu, oder der Sache ſelbſt,
leichtlich zu ſuppliren ſind. Lutherus hat die
Worte darzwiſchen geſetzet: das ſage ich aber.
Allein es wird ſich beſſer ſchicken, wenn man da-
fuͤr ſetzet: aber ich will es nicht thun, nem-
lich von der mir gegebenen Gewalt eine Vorſtel-
lung zu machen, daß ich nicht das Anſehen habe,
als haͤtte ich euch wollen ſchrecken mit harten
Briefen; wie ich ohne das des erſten Briefes
wegen beſchuldiget worden bin.

V. 10.

Denn die Briefe, ſprechen ſie (die Fein-
de) ſind ſchwer und ſtarck (halten ſcharfe Be-
ſtrafung und Drohung in ſich) aber die Gegen-
waͤrtigkeit des Leibes iſt ſchwach,
(gering,
unanſehnlich,) und die Rede veraͤchtlich (zu
welchem Urtheil ſie einen niedrigen, goͤttlich ein-
faͤltigen und liebreichen Vortrag und Umgang
mißbrauchen.)

V. 11.

Wer ein ſolcher iſt, (wer alſo von mir
urtheilet,) der dencke, daß, wie wir ſind mit
Worten in den Briefen im Abweſen, ſo
duͤrfen wir auch wol ſeyn mit der That ge-
genwaͤrtig
(und alſo, wenn es noͤthig iſt, un-
ſern Worten einen Nachdruck geben.)

V. 12.

Denn wir duͤrfen uns nicht unter die
rechnen, oder zehlen
(mit ihnen vergleichen)
ſo ſich ſelbſt loben (und den Leuten ihre Er-
[Spaltenumbruch] kaͤntniß, Gaben und Verdienſte ſelbſt anprei-
ſen: als welches nach dem Grunde der Chriſtli-
chen Demuth ferne von mir ſey.) Aber dieweil
ſie ſich bey ſich ſelbſt meſſen, und halten al-
lein von ſich ſelbſt
(Gr. ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt
vergleichen, und alſo ein gar unrichtiges Maß
haben) verſtehen ſie nichts (handeln nicht al-
lein darinn recht unweislich, ſondern geben auch
ſonſt den Mangel wahrer und lebendiger Er-
kaͤntniß an den Tag; ſo aufgeblaſen ſie auch im-
mermehr bey ſich ſelbſt ſind: oder ſie mercken
nicht, wie thoͤricht ſie damit handeln, daß ſie ſich
ſelbſt nach ſich ſelbſt meſſen.)

Anmerckungen.
1. Die Worte Pauli ſind im Griechiſchen
gar nachdruͤcklich: ἀυτοὶ ἐν ἑαυτοῖς ἑαυτοὺς με-
τρου῀ντες, ſie ſelbſt meſſen ſich ſelbſt bey ſich
ſelbſt.
Damit der Apoſtel ihre groſſe Eigen-
Liebe anzeiget, nach welcher es in allen Stuͤcken
ihnen um ſich ſelbſt zu thun war. Alſo auch die
folgende Worte: συγκρίνοντες ἑαυτοὺς ἑαυτοῖς,
vergleichen ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt.
2. Wer ſich, oder ſonſt etwas meſſen will,
muß ein richtiges Maß haben, ſo kan er erkennen,
wie groß, lang und breit er oder die Sache ſey.
Alſo auch in geiſtlichen Dingen. Wer die Groͤſſe
und den Werth ſeiner geiſtlichen Gaben und
Verdienſte meſſen, oder erkennen will, der muß
einen richtigen Maß-Stab und Probier-Stein
haben, den er aufs allervollkommenſte findet an
dem Maſſe des Exempels JESU CHriſti, wel-
ches er uns an ſeinem Leben gegeben und hinter-
laſſen hat: Eph. 4, 13. naͤchſt dem auch an ſeinem
Worte, und an den Exempeln deren, welche
CHriſto folgen und von ihm mit beſondern Ga-
ben ausgeruͤſtet ſind, ſich auch dabey in aller Lau-
terkeit und Treue ihres Amts erfinden laſſen.
Nach dieſem Maſſe koͤnnen ſie leichtlich finden,
was ihnen beywohne oder nicht. So aber maſ-
ſen ſich die falſche Apoſtel nicht: ſondern ihr Maß-
Stab und ihr Probier-Stein war ihr herrſchen-
der Stoltz, ihre unreine und unordentliche Selbſt-
Liebe, welche ſie in die geiſtlichen Religions-
Sachen eingefuͤhret hatten, und hierinnen das
Futter fuͤr ſie ſuchten. Das aber, was ſie ab-
maſſen, oder auf den Probier-Stein ſtrichen,
waren ihre Gaben der Erkaͤntniß und der Bered-
ſamkeit, wie auch ihre vermeinten Verdienſte
und das daher affectirte Anſehen. Weil nun
aber ſo wol das Maß, nemlich die Eigen-Liebe,
als die Gaben und die vermeinten Verdienſte, ſo
darnach abgemeſſen wurden, ihr eigen waren,
und in einerley Perſonen zuſammen trafen; ſo
ſpricht der Apoſtel, daß ſie ſich ſelbſt in ſich
ſelbſt bey ſich ſelbſt gemeſſen, und ſich ſelbſt
mit ſich ſelbſt verglichen haben.
Welches
denn eine ſehr ungereimte Sache iſt, nemlich
ſelbſt das Maß und auch das Abgemeſſene oder
abzumeſſende ſeyn: auf welche Art die Eigen-
Liebe aus einem Zwerg einen Rieſen, aus einer
Muͤcke einen Elephanten machen, und was krum̃
iſt, fuͤr gerade halten kan.
3. Es iſt wohl zu mercken, daß ſich alle ei-
genliebige Leute alſo meſſen. Dazu denn nicht we-
nig beytraͤget, wenn ihnen von andern Unverſtaͤn-
digen
J i i 3
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[437/0465] Cap. 10, v. 8-12. an die Corinthier. HERR gegeben hat, euch zu beſſern, und nicht zu verderben, wolte ich nicht zu ſchanden werden (da es die Wahrheit iſt.) Anmerckungen. 1. GOTT hatte den Apoſteln eine auſſer- ordentliche Macht gegeben, bey gewiſſen Faͤllen auch auf eine wunderthaͤtige Art die Ehre ſeines Namens und alſo zugleich ihre von GOTT ih- nen verliehene Auctoritaͤt zu retten: wie wir ſehen an Petro wider Ananiam und ſein Weib Sap- phiram Ap. Geſch. 5, 1. ſeqq. und an Paulo wi- der den Zauberer Elymam Apoſt. Geſch. 13, 6. ſeqq. 2. Damit aber die Corinthier ſo viel weni- ger gedencken moͤchten, als wolte er ſich derſelben Macht zu ihrem Nachtheil bedienen, ſo ſpricht er, daß ſie ihm gegeben ſey zur Erbauung und nicht zum Verderben, oder damit etwas niederzureiſ- ſen. Denn ob wol dadurch die falſchen Hoͤhen und Beveſtungen deſtruiret werden koͤnten; ſo gereichete es doch der Kirche nicht zum Schaden, ſondern zum Beſten. Siehe auch c. 13, 10. V. 9. Das ſage ich aber, daß ihr euch nicht duͤncken laſſet, (ἵνα μὴ δώξω, daß ich nicht da- fuͤr angeſehen werde) als haͤtte ich euch wol- len ſchrecken mit Briefen. Anmerckung. Es findet ſich zwiſchen dem 8ten und 9ten Vers eine ellipſis, oder Auslaſſung einiger Wor- te, die aber aus dem ſenſu, oder der Sache ſelbſt, leichtlich zu ſuppliren ſind. Lutherus hat die Worte darzwiſchen geſetzet: das ſage ich aber. Allein es wird ſich beſſer ſchicken, wenn man da- fuͤr ſetzet: aber ich will es nicht thun, nem- lich von der mir gegebenen Gewalt eine Vorſtel- lung zu machen, daß ich nicht das Anſehen habe, als haͤtte ich euch wollen ſchrecken mit harten Briefen; wie ich ohne das des erſten Briefes wegen beſchuldiget worden bin. V. 10. Denn die Briefe, ſprechen ſie (die Fein- de) ſind ſchwer und ſtarck (halten ſcharfe Be- ſtrafung und Drohung in ſich) aber die Gegen- waͤrtigkeit des Leibes iſt ſchwach, (gering, unanſehnlich,) und die Rede veraͤchtlich (zu welchem Urtheil ſie einen niedrigen, goͤttlich ein- faͤltigen und liebreichen Vortrag und Umgang mißbrauchen.) V. 11. Wer ein ſolcher iſt, (wer alſo von mir urtheilet,) der dencke, daß, wie wir ſind mit Worten in den Briefen im Abweſen, ſo duͤrfen wir auch wol ſeyn mit der That ge- genwaͤrtig (und alſo, wenn es noͤthig iſt, un- ſern Worten einen Nachdruck geben.) V. 12. Denn wir duͤrfen uns nicht unter die rechnen, oder zehlen (mit ihnen vergleichen) ſo ſich ſelbſt loben (und den Leuten ihre Er- kaͤntniß, Gaben und Verdienſte ſelbſt anprei- ſen: als welches nach dem Grunde der Chriſtli- chen Demuth ferne von mir ſey.) Aber dieweil ſie ſich bey ſich ſelbſt meſſen, und halten al- lein von ſich ſelbſt (Gr. ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt vergleichen, und alſo ein gar unrichtiges Maß haben) verſtehen ſie nichts (handeln nicht al- lein darinn recht unweislich, ſondern geben auch ſonſt den Mangel wahrer und lebendiger Er- kaͤntniß an den Tag; ſo aufgeblaſen ſie auch im- mermehr bey ſich ſelbſt ſind: oder ſie mercken nicht, wie thoͤricht ſie damit handeln, daß ſie ſich ſelbſt nach ſich ſelbſt meſſen.) Anmerckungen. 1. Die Worte Pauli ſind im Griechiſchen gar nachdruͤcklich: ἀυτοὶ ἐν ἑαυτοῖς ἑαυτοὺς με- τρου῀ντες, ſie ſelbſt meſſen ſich ſelbſt bey ſich ſelbſt. Damit der Apoſtel ihre groſſe Eigen- Liebe anzeiget, nach welcher es in allen Stuͤcken ihnen um ſich ſelbſt zu thun war. Alſo auch die folgende Worte: συγκρίνοντες ἑαυτοὺς ἑαυτοῖς, vergleichen ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt. 2. Wer ſich, oder ſonſt etwas meſſen will, muß ein richtiges Maß haben, ſo kan er erkennen, wie groß, lang und breit er oder die Sache ſey. Alſo auch in geiſtlichen Dingen. Wer die Groͤſſe und den Werth ſeiner geiſtlichen Gaben und Verdienſte meſſen, oder erkennen will, der muß einen richtigen Maß-Stab und Probier-Stein haben, den er aufs allervollkommenſte findet an dem Maſſe des Exempels JESU CHriſti, wel- ches er uns an ſeinem Leben gegeben und hinter- laſſen hat: Eph. 4, 13. naͤchſt dem auch an ſeinem Worte, und an den Exempeln deren, welche CHriſto folgen und von ihm mit beſondern Ga- ben ausgeruͤſtet ſind, ſich auch dabey in aller Lau- terkeit und Treue ihres Amts erfinden laſſen. Nach dieſem Maſſe koͤnnen ſie leichtlich finden, was ihnen beywohne oder nicht. So aber maſ- ſen ſich die falſche Apoſtel nicht: ſondern ihr Maß- Stab und ihr Probier-Stein war ihr herrſchen- der Stoltz, ihre unreine und unordentliche Selbſt- Liebe, welche ſie in die geiſtlichen Religions- Sachen eingefuͤhret hatten, und hierinnen das Futter fuͤr ſie ſuchten. Das aber, was ſie ab- maſſen, oder auf den Probier-Stein ſtrichen, waren ihre Gaben der Erkaͤntniß und der Bered- ſamkeit, wie auch ihre vermeinten Verdienſte und das daher affectirte Anſehen. Weil nun aber ſo wol das Maß, nemlich die Eigen-Liebe, als die Gaben und die vermeinten Verdienſte, ſo darnach abgemeſſen wurden, ihr eigen waren, und in einerley Perſonen zuſammen trafen; ſo ſpricht der Apoſtel, daß ſie ſich ſelbſt in ſich ſelbſt bey ſich ſelbſt gemeſſen, und ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt verglichen haben. Welches denn eine ſehr ungereimte Sache iſt, nemlich ſelbſt das Maß und auch das Abgemeſſene oder abzumeſſende ſeyn: auf welche Art die Eigen- Liebe aus einem Zwerg einen Rieſen, aus einer Muͤcke einen Elephanten machen, und was krum̃ iſt, fuͤr gerade halten kan. 3. Es iſt wohl zu mercken, daß ſich alle ei- genliebige Leute alſo meſſen. Dazu denn nicht we- nig beytraͤget, wenn ihnen von andern Unverſtaͤn- digen J i i 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/465>, abgerufen am 24.11.2024.