Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 10, v. 4. 5. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
lichen die geistlichen also opponiret, daß ersie GOtte mächtig nennet, so zeiget er damit an, daß die fleischlichen, so hart und strenge sie auch gleich sind, dennoch ohnmächtig sind, im Reiche GOttes etwas auszurichten. 8. Okhoromata, munimenta, die Beve- stigungen sind alle Dinge, worauf sich die Feinde des Reichs CHristi verlassen, und wo- mit sie sich wider dasselbe bewaffnen, und dar- innen sie sich für unüberwindlich halten, als da sind: ihr Witz, List, Verstand, Macht und Gewalt, hohes Ansehen, Menge, Reichthum, ja Lug, Betrug, Verleumdungen, falsche An- klagen, Verdammungen und was dergleichen mehr ist. Und gleichwie zu dieser Bevestigung bey den Heiden sonderlich gehörete die falsche Weisheit der Philosophorum: also wurde die- selbe bey den Juden am meisten gesetzet in der vermeinten Gerechtigkeit nach dem Gesetze. 9. Alle diese Dinge greift Paulus mit der Wahrheit des Evangelii getrost an, agirte also wider den Satan nicht allein defensive, sondern auch offensive, zerstörete seine und der Gott- losen ihre Schantzen, Bollwercke, und drang von den Aussenwercken bald ins inwendige ihrer Vestungen ein, und erhielte einen Sieg nach dem andern. Das hieß denn, wie er oben c. 6, 7. saget: Jn dem Worte der Wahrheit, in der Kraft GOttes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Lin- cken. V. 5. Damit wir verstören die Anschläge, Anmerckungen. 1. Logismoi, Anschläge sind sonderlich falsche Vernunft-Schlüsse der Heiden und heid- nischen Philosophorum, damit sie sich dem Ev- angelio von CHristo widersetzten: wie noch heu- te zu Tage sind die Einwürfe der Atheisten, Deisten, Naturalisten und aller Religions- Spötter, ja auch derer in der Christlichen und Evangelischen Kirche, welche die Chimaeren o- der thörichten und verworrenen Einfälle ihrer geblendeten Vernunft und ihres fleischlichen Sinnes zu der heiligen Schrift und Theologie bringen, und sie zur Regel der Auslegungen und zum Grunde ihrer Sätze machen: wie vor dem von den Pharisäern unter den Juden, und von den Philosophis unter den Heiden geschahe; daher denn so vielerley Jrrthümer auch Ketze- reyen entstunden. 2. Die Höhen sind in allen solchen lo- gismoi~s, Schlüssen der geblendeten Vernunft: sintemal zu dem verdüsterten Verstande der verkehrte Wille trit, und durch Eigenliebe und Stoltz sich mit dem Gewirre seiner Künste und vermeinten Weisheit, auch mit der Ein- bildung von eigener Heiligkeit und Gerechtigkeit über alles hinweg setzet und in seiner Vermes- senheit alles meistert. 3. Das Erkäntniß GOTTES ist der Rath GOTTES von dem Grunde und von der Ordnung unsers Heils, nach welchem GOtt auf eine seligmachende Weise erkant und bedie- net wird. Davon siehe Luc. 1, 77. da es heißt: Das Erkäntniß des Heils, welches durch die Predigt Johannis des Täufers solte angerich- tet werden. Und 2 Corinth. 4, 6. da Paulus spricht, GOTT habe einen hellen Schein in sein und anderer Apostel Hertz gegeben, daß durch sie entstünde die Erleuchtung von der Erkäntniß der Klarheit Gottes in dem Angesichte JEsu Christi. 4. Durch die Vernunft verstehet der A- postel alhier nicht die Vernunft an sich selbst, noch derselben richtigen Gebrauch, so fern sie zu dem menschlichen Verstande, als eine der Haupt-Kräfte der menschlichen Seele, gehö- ret. Denn da ist sie dem Menschen wesentlich, und wie eine unschätzbare Gabe GOttes dem Menschen höchstnöthig und nützlich, auch bey der heiligen Schrift und Religion selbst, nicht allein sich davon einen buchstäblichen Begriff zu machen, sondern auch, wenn sie sich von dem Lichte des Heiligen Geistes erleuchten läßt, die- selbe recht zu beurtheilen, auch vorzutragen und wider allen Gegenspruch zu vertheidigen. Was ein Mensch ohne Vernunft, oder bey derselben auch nur durch gewisse leibliche Zufälle verhin- dertem Gebrauche ist, das siehet man mit gros- sem Jammer an solchen Leuten, welche des Ge- brauchs ihrer Vernunft beraubet sind, und da- mit ein so jämmerliches Spectakel geben, da- vor man sich billig mit innigstem Mitleiden ent- setzet, und aus dem Mangel des nöthigen Ge- brauchs erkennet, was für ein grosses Kleinod die menschliche Vernunft, oder der gesunde Verstand an sich selbst sey. So ist auch ein anders nou~s, die Vernunft, oder der Verstand selbst, ein anders [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]noema, der Gebrauch, oder vielmehr Mißbrauch desselben in solchen princi- piis, Gedancken und Schlüssen, welche an sich selbst falsch und eitel sind, und sich wider das Erkäntniß GOttes erheben, als von welchen Paulus alhier redet. 5. Es ist demnach der rechte Gebrauch der Vernunft von dem Mißbrauche desselben wohl zu unterscheiden. Und ist der Mißbrauch von zweyerley Art: die eine, da man die Vernunft in geistlichen Dingen zu hoch setzet, und dazu ihre verkehrte principia und Vorurtheile für lauter richtige Gründe und Schlüsse ansiehet; da man doch auch in blossen natürlichen Dingen ihre sehr grosse Schwäche erkennen solte. Die andere, da man bey allen seinen Jrrthümern und Abweichungen in Lehr und Leben und bey seinen selbst erdachten Wegen, keine Remon- stration annimmt, und sich weder aus der heili- gen Schrift selbst, noch mit denen derselben ge- mässen Gründen, davon überzeugen läßt, son- dern mit Besteifung seines eignen Willens auf seinem harten Sinn bestehet, und alle Vor- stellungen unter dem Namen der Vernunft verwirft. Welches denn eine rechte Unver- nunft ist. Der rechte Gebrauch aber der Ver- nunft wird dadurch erst recht geadelt, wenn die Ver- J i i 2
Cap. 10, v. 4. 5. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
lichen die geiſtlichen alſo opponiret, daß erſie GOtte maͤchtig nennet, ſo zeiget er damit an, daß die fleiſchlichen, ſo hart und ſtrenge ſie auch gleich ſind, dennoch ohnmaͤchtig ſind, im Reiche GOttes etwas auszurichten. 8. Ὀχορώματα, munimenta, die Beve- ſtigungen ſind alle Dinge, worauf ſich die Feinde des Reichs CHriſti verlaſſen, und wo- mit ſie ſich wider daſſelbe bewaffnen, und dar- innen ſie ſich fuͤr unuͤberwindlich halten, als da ſind: ihr Witz, Liſt, Verſtand, Macht und Gewalt, hohes Anſehen, Menge, Reichthum, ja Lug, Betrug, Verleumdungen, falſche An- klagen, Verdammungen und was dergleichen mehr iſt. Und gleichwie zu dieſer Beveſtigung bey den Heiden ſonderlich gehoͤrete die falſche Weisheit der Philoſophorum: alſo wurde die- ſelbe bey den Juden am meiſten geſetzet in der vermeinten Gerechtigkeit nach dem Geſetze. 9. Alle dieſe Dinge greift Paulus mit der Wahrheit des Evangelii getroſt an, agirte alſo wider den Satan nicht allein defenſive, ſondern auch offenſive, zerſtoͤrete ſeine und der Gott- loſen ihre Schantzen, Bollwercke, und drang von den Auſſenwercken bald ins inwendige ihrer Veſtungen ein, und erhielte einen Sieg nach dem andern. Das hieß denn, wie er oben c. 6, 7. ſaget: Jn dem Worte der Wahrheit, in der Kraft GOttes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Lin- cken. V. 5. Damit wir verſtoͤren die Anſchlaͤge, Anmerckungen. 1. Λογισμοὶ, Anſchlaͤge ſind ſonderlich falſche Vernunft-Schluͤſſe der Heiden und heid- niſchen Philoſophorum, damit ſie ſich dem Ev- angelio von CHriſto widerſetzten: wie noch heu- te zu Tage ſind die Einwuͤrfe der Atheiſten, Deiſten, Naturaliſten und aller Religions- Spoͤtter, ja auch derer in der Chriſtlichen und Evangeliſchen Kirche, welche die Chimæren o- der thoͤrichten und verworrenen Einfaͤlle ihrer geblendeten Vernunft und ihres fleiſchlichen Sinnes zu der heiligen Schrift und Theologie bringen, und ſie zur Regel der Auslegungen und zum Grunde ihrer Saͤtze machen: wie vor dem von den Phariſaͤern unter den Juden, und von den Philoſophis unter den Heiden geſchahe; daher denn ſo vielerley Jrrthuͤmer auch Ketze- reyen entſtunden. 2. Die Hoͤhen ſind in allen ſolchen λο- γισμοι῀ς, Schluͤſſen der geblendeten Vernunft: ſintemal zu dem verduͤſterten Verſtande der verkehrte Wille trit, und durch Eigenliebe und Stoltz ſich mit dem Gewirre ſeiner Kuͤnſte und vermeinten Weisheit, auch mit der Ein- bildung von eigener Heiligkeit und Gerechtigkeit uͤber alles hinweg ſetzet und in ſeiner Vermeſ- ſenheit alles meiſtert. 3. Das Erkaͤntniß GOTTES iſt der Rath GOTTES von dem Grunde und von der Ordnung unſers Heils, nach welchem GOtt auf eine ſeligmachende Weiſe erkant und bedie- net wird. Davon ſiehe Luc. 1, 77. da es heißt: Das Erkaͤntniß des Heils, welches durch die Predigt Johannis des Taͤufers ſolte angerich- tet werden. Und 2 Corinth. 4, 6. da Paulus ſpricht, GOTT habe einen hellen Schein in ſein und anderer Apoſtel Hertz gegeben, daß durch ſie entſtuͤnde die Erleuchtung von der Erkaͤntniß der Klarheit Gottes in dem Angeſichte JEſu Chriſti. 4. Durch die Vernunft verſtehet der A- poſtel alhier nicht die Vernunft an ſich ſelbſt, noch derſelben richtigen Gebrauch, ſo fern ſie zu dem menſchlichen Verſtande, als eine der Haupt-Kraͤfte der menſchlichen Seele, gehoͤ- ret. Denn da iſt ſie dem Menſchen weſentlich, und wie eine unſchaͤtzbare Gabe GOttes dem Menſchen hoͤchſtnoͤthig und nuͤtzlich, auch bey der heiligen Schrift und Religion ſelbſt, nicht allein ſich davon einen buchſtaͤblichen Begriff zu machen, ſondern auch, wenn ſie ſich von dem Lichte des Heiligen Geiſtes erleuchten laͤßt, die- ſelbe recht zu beurtheilen, auch vorzutragen und wider allen Gegenſpruch zu vertheidigen. Was ein Menſch ohne Vernunft, oder bey derſelben auch nur durch gewiſſe leibliche Zufaͤlle verhin- dertem Gebrauche iſt, das ſiehet man mit groſ- ſem Jammer an ſolchen Leuten, welche des Ge- brauchs ihrer Vernunft beraubet ſind, und da- mit ein ſo jaͤmmerliches Spectakel geben, da- vor man ſich billig mit innigſtem Mitleiden ent- ſetzet, und aus dem Mangel des noͤthigen Ge- brauchs erkennet, was fuͤr ein groſſes Kleinod die menſchliche Vernunft, oder der geſunde Verſtand an ſich ſelbſt ſey. So iſt auch ein anders νου῀ς, die Vernunft, oder der Verſtand ſelbſt, ein anders [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]νόημα, der Gebrauch, oder vielmehr Mißbrauch deſſelben in ſolchen princi- piis, Gedancken und Schluͤſſen, welche an ſich ſelbſt falſch und eitel ſind, und ſich wider das Erkaͤntniß GOttes erheben, als von welchen Paulus alhier redet. 5. Es iſt demnach der rechte Gebrauch der Vernunft von dem Mißbrauche deſſelben wohl zu unterſcheiden. Und iſt der Mißbrauch von zweyerley Art: die eine, da man die Vernunft in geiſtlichen Dingen zu hoch ſetzet, und dazu ihre verkehrte principia und Vorurtheile fuͤr lauter richtige Gruͤnde und Schluͤſſe anſiehet; da man doch auch in bloſſen natuͤrlichen Dingen ihre ſehr groſſe Schwaͤche erkennen ſolte. Die andere, da man bey allen ſeinen Jrrthuͤmern und Abweichungen in Lehr und Leben und bey ſeinen ſelbſt erdachten Wegen, keine Remon- ſtration annimmt, und ſich weder aus der heili- gen Schrift ſelbſt, noch mit denen derſelben ge- maͤſſen Gruͤnden, davon uͤberzeugen laͤßt, ſon- dern mit Beſteifung ſeines eignen Willens auf ſeinem harten Sinn beſtehet, und alle Vor- ſtellungen unter dem Namen der Vernunft verwirft. Welches denn eine rechte Unver- nunft iſt. Der rechte Gebrauch aber der Ver- nunft wird dadurch erſt recht geadelt, wenn die Ver- J i i 2
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Cap. 10, v. 4. 5. an die Corinthier.
lichen die geiſtlichen alſo opponiret, daß er
ſie GOtte maͤchtig nennet, ſo zeiget er damit
an, daß die fleiſchlichen, ſo hart und ſtrenge ſie
auch gleich ſind, dennoch ohnmaͤchtig ſind, im
Reiche GOttes etwas auszurichten.
8. Ὀχορώματα, munimenta, die Beve-
ſtigungen ſind alle Dinge, worauf ſich die
Feinde des Reichs CHriſti verlaſſen, und wo-
mit ſie ſich wider daſſelbe bewaffnen, und dar-
innen ſie ſich fuͤr unuͤberwindlich halten, als da
ſind: ihr Witz, Liſt, Verſtand, Macht und
Gewalt, hohes Anſehen, Menge, Reichthum,
ja Lug, Betrug, Verleumdungen, falſche An-
klagen, Verdammungen und was dergleichen
mehr iſt. Und gleichwie zu dieſer Beveſtigung
bey den Heiden ſonderlich gehoͤrete die falſche
Weisheit der Philoſophorum: alſo wurde die-
ſelbe bey den Juden am meiſten geſetzet in der
vermeinten Gerechtigkeit nach dem Geſetze.
9. Alle dieſe Dinge greift Paulus mit der
Wahrheit des Evangelii getroſt an, agirte alſo
wider den Satan nicht allein defenſive, ſondern
auch offenſive, zerſtoͤrete ſeine und der Gott-
loſen ihre Schantzen, Bollwercke, und drang
von den Auſſenwercken bald ins inwendige ihrer
Veſtungen ein, und erhielte einen Sieg nach
dem andern. Das hieß denn, wie er oben c.
6, 7. ſaget: Jn dem Worte der Wahrheit,
in der Kraft GOttes, durch Waffen der
Gerechtigkeit zur Rechten und zur Lin-
cken.
V. 5.
Damit wir verſtoͤren die Anſchlaͤge,
und alle Hoͤhe, die ſich erhebet wider das
Erkaͤntniß GOttes, und nehmen gefan-
gen alle Vernunft unter den Gehorſam
CHriſti.
Anmerckungen.
1. Λογισμοὶ, Anſchlaͤge ſind ſonderlich
falſche Vernunft-Schluͤſſe der Heiden und heid-
niſchen Philoſophorum, damit ſie ſich dem Ev-
angelio von CHriſto widerſetzten: wie noch heu-
te zu Tage ſind die Einwuͤrfe der Atheiſten,
Deiſten, Naturaliſten und aller Religions-
Spoͤtter, ja auch derer in der Chriſtlichen und
Evangeliſchen Kirche, welche die Chimæren o-
der thoͤrichten und verworrenen Einfaͤlle ihrer
geblendeten Vernunft und ihres fleiſchlichen
Sinnes zu der heiligen Schrift und Theologie
bringen, und ſie zur Regel der Auslegungen
und zum Grunde ihrer Saͤtze machen: wie vor
dem von den Phariſaͤern unter den Juden, und
von den Philoſophis unter den Heiden geſchahe;
daher denn ſo vielerley Jrrthuͤmer auch Ketze-
reyen entſtunden.
2. Die Hoͤhen ſind in allen ſolchen λο-
γισμοι῀ς, Schluͤſſen der geblendeten Vernunft:
ſintemal zu dem verduͤſterten Verſtande der
verkehrte Wille trit, und durch Eigenliebe
und Stoltz ſich mit dem Gewirre ſeiner Kuͤnſte
und vermeinten Weisheit, auch mit der Ein-
bildung von eigener Heiligkeit und Gerechtigkeit
uͤber alles hinweg ſetzet und in ſeiner Vermeſ-
ſenheit alles meiſtert.
3. Das Erkaͤntniß GOTTES iſt der
Rath GOTTES von dem Grunde und von
der Ordnung unſers Heils, nach welchem GOtt
auf eine ſeligmachende Weiſe erkant und bedie-
net wird. Davon ſiehe Luc. 1, 77. da es heißt:
Das Erkaͤntniß des Heils, welches durch die
Predigt Johannis des Taͤufers ſolte angerich-
tet werden. Und 2 Corinth. 4, 6. da Paulus
ſpricht, GOTT habe einen hellen Schein in
ſein und anderer Apoſtel Hertz gegeben, daß
durch ſie entſtuͤnde die Erleuchtung von
der Erkaͤntniß der Klarheit Gottes in dem
Angeſichte JEſu Chriſti.
4. Durch die Vernunft verſtehet der A-
poſtel alhier nicht die Vernunft an ſich ſelbſt,
noch derſelben richtigen Gebrauch, ſo fern ſie
zu dem menſchlichen Verſtande, als eine der
Haupt-Kraͤfte der menſchlichen Seele, gehoͤ-
ret. Denn da iſt ſie dem Menſchen weſentlich,
und wie eine unſchaͤtzbare Gabe GOttes dem
Menſchen hoͤchſtnoͤthig und nuͤtzlich, auch bey
der heiligen Schrift und Religion ſelbſt, nicht
allein ſich davon einen buchſtaͤblichen Begriff zu
machen, ſondern auch, wenn ſie ſich von dem
Lichte des Heiligen Geiſtes erleuchten laͤßt, die-
ſelbe recht zu beurtheilen, auch vorzutragen und
wider allen Gegenſpruch zu vertheidigen. Was
ein Menſch ohne Vernunft, oder bey derſelben
auch nur durch gewiſſe leibliche Zufaͤlle verhin-
dertem Gebrauche iſt, das ſiehet man mit groſ-
ſem Jammer an ſolchen Leuten, welche des Ge-
brauchs ihrer Vernunft beraubet ſind, und da-
mit ein ſo jaͤmmerliches Spectakel geben, da-
vor man ſich billig mit innigſtem Mitleiden ent-
ſetzet, und aus dem Mangel des noͤthigen Ge-
brauchs erkennet, was fuͤr ein groſſes Kleinod
die menſchliche Vernunft, oder der geſunde
Verſtand an ſich ſelbſt ſey. So iſt auch ein
anders νου῀ς, die Vernunft, oder der Verſtand
ſelbſt, ein anders _ νόημα, der Gebrauch, oder
vielmehr Mißbrauch deſſelben in ſolchen princi-
piis, Gedancken und Schluͤſſen, welche an ſich
ſelbſt falſch und eitel ſind, und ſich wider das
Erkaͤntniß GOttes erheben, als von welchen
Paulus alhier redet.
5. Es iſt demnach der rechte Gebrauch der
Vernunft von dem Mißbrauche deſſelben wohl
zu unterſcheiden. Und iſt der Mißbrauch von
zweyerley Art: die eine, da man die Vernunft
in geiſtlichen Dingen zu hoch ſetzet, und dazu
ihre verkehrte principia und Vorurtheile fuͤr
lauter richtige Gruͤnde und Schluͤſſe anſiehet;
da man doch auch in bloſſen natuͤrlichen Dingen
ihre ſehr groſſe Schwaͤche erkennen ſolte. Die
andere, da man bey allen ſeinen Jrrthuͤmern
und Abweichungen in Lehr und Leben und bey
ſeinen ſelbſt erdachten Wegen, keine Remon-
ſtration annimmt, und ſich weder aus der heili-
gen Schrift ſelbſt, noch mit denen derſelben ge-
maͤſſen Gruͤnden, davon uͤberzeugen laͤßt, ſon-
dern mit Beſteifung ſeines eignen Willens auf
ſeinem harten Sinn beſtehet, und alle Vor-
ſtellungen unter dem Namen der Vernunft
verwirft. Welches denn eine rechte Unver-
nunft iſt. Der rechte Gebrauch aber der Ver-
nunft wird dadurch erſt recht geadelt, wenn die
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