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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 10, v. 1. 2. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] sten zu Jerusalem und ohne Zweifel auch der an-
dern Gemeinen in Judäa möchte und könte ge-
holfen werden.

5. Wenn man diese Umstände betrachtet,
so kan man so viel eher die Ursache erkennen,
woher es gekommen, daß der Apostel diese Sa-
che so gar angelegentlich, und so weitläuftig, oder
mit so vielen Worten und Vorstellungen, dar-
[Spaltenumbruch] innen immer eine durch die andere noch mehr ge-
häufet und erläutert wird, vorgetragen hat. Da-
zu denn noch sonst mancher Umstand, der uns
unbekant ist, ihn mag veranlasset haben, daß er
aus der Fülle seines Affects, an statt seines Mun-
des, seine Feder in so viele Worte hat ausflies-
sen lassen.

Das zehnte Capitel/
Darinnen Paulus seine Apostolische Auctorität und seine
Arbeit am Evangelio wider die Verunglimpfung einiger falschen Apo-
stel rettet/ und damit die Corinthier vor ihrer Verführung
warnet.
V. 1.

JCh aber, Paulus, (autos ego,
ich selbst,) ermahne euch, durch
die Sanftmüthigkeit und Lin-
digkeit CHristi, der ich
(nach
dem Vorgeben der falschen Apo-
stel,) gegenwärtig unter euch gering bin,
(und kein Hertz habe,) im Abwesen aber
bin ich dürstig,
(dreist und hart,) gegen
euch.

Anmerckungen.
1. Mit den ersten Worten autos de ego
Paulos, ich selbst aber Paulus, unterschei-
det sich der Apostel von dem Timotheo, dessen
Namen er im Anfange des Briefes zu dem sei-
nigen gesetzet hatte. Denn die Materie dieses
und der folgenden Capitel ging allein Paulum
selbst an: wiewol er das Leiden der Verunglim-
pfung mit Timotheo und allen getreuen Mitar-
beitern, ja allen Aposteln, gemein hatte, und
daher hernach wieder zum theil in der Zahl der
Vielheit redet.
2. Er drucket es zwar nicht klärlich aus,
wozu er die Corinthier vermahnet: man siehet
es aber leicht aus der Sache selbst, wohin die
Ermahnung gegangen, nemlich sich von den
falschen Aposteln nicht einnehmen zu lassen,
welches auch die Corinthier leichtlich erkennen
konten.
3. Mit welcher Sanftmuth und Gelindig-
keit der HErr JEsus seinen Wandel auf Erden
im Stande der Erniedrigung geführet hatte, da-
von hatte der Apostel die Corinthier mündlich
und ausführlich unterrichtet. So ging auch
dahin, was er vorher c. 5. von dem Tode und
von der Versöhnung CHristi bezeuget hat, da
er gesaget: GOTT vermahnet durch uns.
So bitten wir nun an CHristi statt: Lasset
euch versöhnen mit GOTT.
Siehe auch
c. 8, 9. da es heißt: Wie CHristus um un-
sert willen arm worden, daß wir durch
seine Armuth reich würden.
Wenn er nun
durch die Sanftmuth und Gelindigkeit CHristi
ermahnet, so setzet er sich damit gleichsam in die
[Spaltenumbruch] Stelle des gelinden und sanftmüthigen Heilan-
des, dessen Bote er war, und vermahnet in sei-
nem Namen und auf die Art, wie der HErr
JESUS ehemals selbst die Ermahnung gethan
hat, und thun würde, wenn er persönlich mit
ihnen handeln solte.
4. Es ist demnach sehr heilsam, daß ein
Lehrer in allen seinen Amts-Verrichtungen den
HErrn JEsum also anziehet und repraesentiret,
daß er sich selbst prüfe, ob auch der HErr JE-
sus selbst so und so mit den Seelen würde um-
gegangen seyn, oder diß und das, wenn er den
Ausspruch davon thun solte, würde gut heis-
sen?
5. Die falschen Apostel haben Paulum,
aus Veranlassung seines ersten Briefes, be-
schuldiget, als sey er ein Mann, der abwesend
in Briefen eine grosse Auctorität und Schärfe
sehen lasse, da er allein rede, und ihm niemand
widerspreche: gegenwärtig aber habe er kein
Hertz und Muth, und würde er sich mit solchem
Ernste gegenwärtig gar nicht geäussert haben.
Da sie denn die Sanftmuth und Gelindigkeit
Pauli, nach welcher er in aller Liebe gegenwär-
tig unter ihnen nach dem Exempel Christi um-
gegangen war, zu dieser Beschuldigung ge-
mißbrauchet haben. Darum er sich mit Fleiß
auf Christi Exempel alhier beziehet.
V. 2.

Jch bitte aber, (es zu verhüten,) daß
mir nicht noth sey gegenwärtig dürstig zu
handeln,
(eine scharfe Kirchen-Censur zu ge-
brauchen,) und der Kühnheit zu gebrau-
chen, die man mir zumisset, gegen etli-
che, die uns schätzen, als wandelten wir
fleischlicher Weise,
(und suchten uns nur
durch eine angemaßte Auctorität ein Ansehen vor
Menschen zu machen: Da wir doch wol von
GOTT so viel Macht haben, dergleichen Ernst,
wie gegen den Blutschänder bewiesen ist, auch
gegen andere zu beweisen, wenn es Noth
thut.)

Anmer-
J i i

Cap. 10, v. 1. 2. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] ſten zu Jeruſalem und ohne Zweifel auch der an-
dern Gemeinen in Judaͤa moͤchte und koͤnte ge-
holfen werden.

5. Wenn man dieſe Umſtaͤnde betrachtet,
ſo kan man ſo viel eher die Urſache erkennen,
woher es gekommen, daß der Apoſtel dieſe Sa-
che ſo gar angelegentlich, und ſo weitlaͤuftig, oder
mit ſo vielen Worten und Vorſtellungen, dar-
[Spaltenumbruch] innen immer eine durch die andere noch mehr ge-
haͤufet und erlaͤutert wird, vorgetragen hat. Da-
zu denn noch ſonſt mancher Umſtand, der uns
unbekant iſt, ihn mag veranlaſſet haben, daß er
aus der Fuͤlle ſeines Affects, an ſtatt ſeines Mun-
des, ſeine Feder in ſo viele Worte hat ausflieſ-
ſen laſſen.

Das zehnte Capitel/
Darinnen Paulus ſeine Apoſtoliſche Auctoritaͤt und ſeine
Arbeit am Evangelio wider die Verunglimpfung einiger falſchen Apo-
ſtel rettet/ und damit die Corinthier vor ihrer Verfuͤhrung
warnet.
V. 1.

JCh aber, Paulus, (ἀυτὸς ἐγώ,
ich ſelbſt,) ermahne euch, durch
die Sanftmuͤthigkeit und Lin-
digkeit CHriſti, der ich
(nach
dem Vorgeben der falſchen Apo-
ſtel,) gegenwaͤrtig unter euch gering bin,
(und kein Hertz habe,) im Abweſen aber
bin ich duͤrſtig,
(dreiſt und hart,) gegen
euch.

Anmerckungen.
1. Mit den erſten Worten ἀυτὸς δὲ ἐγὼ
Πᾶυλος, ich ſelbſt aber Paulus, unterſchei-
det ſich der Apoſtel von dem Timotheo, deſſen
Namen er im Anfange des Briefes zu dem ſei-
nigen geſetzet hatte. Denn die Materie dieſes
und der folgenden Capitel ging allein Paulum
ſelbſt an: wiewol er das Leiden der Verunglim-
pfung mit Timotheo und allen getreuen Mitar-
beitern, ja allen Apoſteln, gemein hatte, und
daher hernach wieder zum theil in der Zahl der
Vielheit redet.
2. Er drucket es zwar nicht klaͤrlich aus,
wozu er die Corinthier vermahnet: man ſiehet
es aber leicht aus der Sache ſelbſt, wohin die
Ermahnung gegangen, nemlich ſich von den
falſchen Apoſteln nicht einnehmen zu laſſen,
welches auch die Corinthier leichtlich erkennen
konten.
3. Mit welcher Sanftmuth und Gelindig-
keit der HErr JEſus ſeinen Wandel auf Erden
im Stande der Erniedrigung gefuͤhret hatte, da-
von hatte der Apoſtel die Corinthier muͤndlich
und ausfuͤhrlich unterrichtet. So ging auch
dahin, was er vorher c. 5. von dem Tode und
von der Verſoͤhnung CHriſti bezeuget hat, da
er geſaget: GOTT vermahnet durch uns.
So bitten wir nun an CHriſti ſtatt: Laſſet
euch verſoͤhnen mit GOTT.
Siehe auch
c. 8, 9. da es heißt: Wie CHriſtus um un-
ſert willen arm worden, daß wir durch
ſeine Armuth reich wuͤrden.
Wenn er nun
durch die Sanftmuth und Gelindigkeit CHriſti
ermahnet, ſo ſetzet er ſich damit gleichſam in die
[Spaltenumbruch] Stelle des gelinden und ſanftmuͤthigen Heilan-
des, deſſen Bote er war, und vermahnet in ſei-
nem Namen und auf die Art, wie der HErr
JESUS ehemals ſelbſt die Ermahnung gethan
hat, und thun wuͤrde, wenn er perſoͤnlich mit
ihnen handeln ſolte.
4. Es iſt demnach ſehr heilſam, daß ein
Lehrer in allen ſeinen Amts-Verrichtungen den
HErrn JEſum alſo anziehet und repræſentiret,
daß er ſich ſelbſt pruͤfe, ob auch der HErr JE-
ſus ſelbſt ſo und ſo mit den Seelen wuͤrde um-
gegangen ſeyn, oder diß und das, wenn er den
Ausſpruch davon thun ſolte, wuͤrde gut heiſ-
ſen?
5. Die falſchen Apoſtel haben Paulum,
aus Veranlaſſung ſeines erſten Briefes, be-
ſchuldiget, als ſey er ein Mann, der abweſend
in Briefen eine groſſe Auctoritaͤt und Schaͤrfe
ſehen laſſe, da er allein rede, und ihm niemand
widerſpreche: gegenwaͤrtig aber habe er kein
Hertz und Muth, und wuͤrde er ſich mit ſolchem
Ernſte gegenwaͤrtig gar nicht geaͤuſſert haben.
Da ſie denn die Sanftmuth und Gelindigkeit
Pauli, nach welcher er in aller Liebe gegenwaͤr-
tig unter ihnen nach dem Exempel Chriſti um-
gegangen war, zu dieſer Beſchuldigung ge-
mißbrauchet haben. Darum er ſich mit Fleiß
auf Chriſti Exempel alhier beziehet.
V. 2.

Jch bitte aber, (es zu verhuͤten,) daß
mir nicht noth ſey gegenwaͤrtig duͤrſtig zu
handeln,
(eine ſcharfe Kirchen-Cenſur zu ge-
brauchen,) und der Kuͤhnheit zu gebrau-
chen, die man mir zumiſſet, gegen etli-
che, die uns ſchaͤtzen, als wandelten wir
fleiſchlicher Weiſe,
(und ſuchten uns nur
durch eine angemaßte Auctoritaͤt ein Anſehen vor
Menſchen zu machen: Da wir doch wol von
GOTT ſo viel Macht haben, dergleichen Ernſt,
wie gegen den Blutſchaͤnder bewieſen iſt, auch
gegen andere zu beweiſen, wenn es Noth
thut.)

Anmer-
J i i
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[433/0461] Cap. 10, v. 1. 2. an die Corinthier. ſten zu Jeruſalem und ohne Zweifel auch der an- dern Gemeinen in Judaͤa moͤchte und koͤnte ge- holfen werden. 5. Wenn man dieſe Umſtaͤnde betrachtet, ſo kan man ſo viel eher die Urſache erkennen, woher es gekommen, daß der Apoſtel dieſe Sa- che ſo gar angelegentlich, und ſo weitlaͤuftig, oder mit ſo vielen Worten und Vorſtellungen, dar- innen immer eine durch die andere noch mehr ge- haͤufet und erlaͤutert wird, vorgetragen hat. Da- zu denn noch ſonſt mancher Umſtand, der uns unbekant iſt, ihn mag veranlaſſet haben, daß er aus der Fuͤlle ſeines Affects, an ſtatt ſeines Mun- des, ſeine Feder in ſo viele Worte hat ausflieſ- ſen laſſen. Das zehnte Capitel/ Darinnen Paulus ſeine Apoſtoliſche Auctoritaͤt und ſeine Arbeit am Evangelio wider die Verunglimpfung einiger falſchen Apo- ſtel rettet/ und damit die Corinthier vor ihrer Verfuͤhrung warnet. V. 1. JCh aber, Paulus, (ἀυτὸς ἐγώ, ich ſelbſt,) ermahne euch, durch die Sanftmuͤthigkeit und Lin- digkeit CHriſti, der ich (nach dem Vorgeben der falſchen Apo- ſtel,) gegenwaͤrtig unter euch gering bin, (und kein Hertz habe,) im Abweſen aber bin ich duͤrſtig, (dreiſt und hart,) gegen euch. Anmerckungen. 1. Mit den erſten Worten ἀυτὸς δὲ ἐγὼ Πᾶυλος, ich ſelbſt aber Paulus, unterſchei- det ſich der Apoſtel von dem Timotheo, deſſen Namen er im Anfange des Briefes zu dem ſei- nigen geſetzet hatte. Denn die Materie dieſes und der folgenden Capitel ging allein Paulum ſelbſt an: wiewol er das Leiden der Verunglim- pfung mit Timotheo und allen getreuen Mitar- beitern, ja allen Apoſteln, gemein hatte, und daher hernach wieder zum theil in der Zahl der Vielheit redet. 2. Er drucket es zwar nicht klaͤrlich aus, wozu er die Corinthier vermahnet: man ſiehet es aber leicht aus der Sache ſelbſt, wohin die Ermahnung gegangen, nemlich ſich von den falſchen Apoſteln nicht einnehmen zu laſſen, welches auch die Corinthier leichtlich erkennen konten. 3. Mit welcher Sanftmuth und Gelindig- keit der HErr JEſus ſeinen Wandel auf Erden im Stande der Erniedrigung gefuͤhret hatte, da- von hatte der Apoſtel die Corinthier muͤndlich und ausfuͤhrlich unterrichtet. So ging auch dahin, was er vorher c. 5. von dem Tode und von der Verſoͤhnung CHriſti bezeuget hat, da er geſaget: GOTT vermahnet durch uns. So bitten wir nun an CHriſti ſtatt: Laſſet euch verſoͤhnen mit GOTT. Siehe auch c. 8, 9. da es heißt: Wie CHriſtus um un- ſert willen arm worden, daß wir durch ſeine Armuth reich wuͤrden. Wenn er nun durch die Sanftmuth und Gelindigkeit CHriſti ermahnet, ſo ſetzet er ſich damit gleichſam in die Stelle des gelinden und ſanftmuͤthigen Heilan- des, deſſen Bote er war, und vermahnet in ſei- nem Namen und auf die Art, wie der HErr JESUS ehemals ſelbſt die Ermahnung gethan hat, und thun wuͤrde, wenn er perſoͤnlich mit ihnen handeln ſolte. 4. Es iſt demnach ſehr heilſam, daß ein Lehrer in allen ſeinen Amts-Verrichtungen den HErrn JEſum alſo anziehet und repræſentiret, daß er ſich ſelbſt pruͤfe, ob auch der HErr JE- ſus ſelbſt ſo und ſo mit den Seelen wuͤrde um- gegangen ſeyn, oder diß und das, wenn er den Ausſpruch davon thun ſolte, wuͤrde gut heiſ- ſen? 5. Die falſchen Apoſtel haben Paulum, aus Veranlaſſung ſeines erſten Briefes, be- ſchuldiget, als ſey er ein Mann, der abweſend in Briefen eine groſſe Auctoritaͤt und Schaͤrfe ſehen laſſe, da er allein rede, und ihm niemand widerſpreche: gegenwaͤrtig aber habe er kein Hertz und Muth, und wuͤrde er ſich mit ſolchem Ernſte gegenwaͤrtig gar nicht geaͤuſſert haben. Da ſie denn die Sanftmuth und Gelindigkeit Pauli, nach welcher er in aller Liebe gegenwaͤr- tig unter ihnen nach dem Exempel Chriſti um- gegangen war, zu dieſer Beſchuldigung ge- mißbrauchet haben. Darum er ſich mit Fleiß auf Chriſti Exempel alhier beziehet. V. 2. Jch bitte aber, (es zu verhuͤten,) daß mir nicht noth ſey gegenwaͤrtig duͤrſtig zu handeln, (eine ſcharfe Kirchen-Cenſur zu ge- brauchen,) und der Kuͤhnheit zu gebrau- chen, die man mir zumiſſet, gegen etli- che, die uns ſchaͤtzen, als wandelten wir fleiſchlicher Weiſe, (und ſuchten uns nur durch eine angemaßte Auctoritaͤt ein Anſehen vor Menſchen zu machen: Da wir doch wol von GOTT ſo viel Macht haben, dergleichen Ernſt, wie gegen den Blutſchaͤnder bewieſen iſt, auch gegen andere zu beweiſen, wenn es Noth thut.) Anmer- J i i

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/461>, abgerufen am 24.11.2024.