Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 9, v. 6-11. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
nichts mit aus der Welt nehmen können. Da-mit wir doch aber so vielmehr zur Gutthätigkeit erwecket werden möchten, hat GOTT die Ver- heissung von der Wiedervergeltung hinzu ge- than, hält auch nach seiner gütigen Providentz die Ordnung, daß er sie wircklich zum Segen erfüllet. 2. Allein hiebey ist unterschiedliches zu a. Daß man zwar auf diese Verheissung zu se- hen und sich dadurch zu erwecken habe in sei- ner Kaltsinnigkeit; daß doch aber deswegen das Auge unsers Gemüthes nicht schielend und lohnsüchtig werden muß, und ohne wah- re Liebe bloß zu dem Zweck der reichern Wie- dervergeltung gutes thue: als welches nur ein recht geitziges Schalcks-Auge seyn würde. b. Daß man erwege, es habe die Wiederver- geltung von GOttes Seiten bey uns einen noch willigern und reichlichern Ausfluß der Liebe zum Zweck. c. Daß man GOTT zum Seegen nicht Zeit und Weise in seinen Gedancken und Begier- den vorschreibe, sondern dißfalls wie eines theils in dem Vertrauen zu GOTT, also auch andern theils in der Verleugnung seiner selbst stehen bleibe. d. Daß man die Bewahrung vor allem, oder auch mehrern Verlust schon für einen Segen der Wiedervergeltung zu halten habe. e. Daß man gedencke, GOTT könne auch un- sern Kindern oder andern Angehörigen, wenn sie sich sonst des Segens nicht unfähig machen, diesen zufliessen lassen. f. Daß wir unser Auge vom Leiblichen aufs Geistliche richten, und uns versichert halten, daß, was wir am Leiblichen nicht sehen, ja noch wol das Gegentheil davon, nemlich meh- rern Verlust und Abgang erfahren, GOTT zu unserer Prüfung geschehen lasse, und es mit geistlichen Heils-Gütern, die mit den irdischen in keine Vergleichung kommen, ersetze. V. 7. Ein ieglicher nach seinem Willkühr, V. 8. GOtt aber kan machen, daß allerley Anmerckungen. 1. Es lieget ein sonderlicher Nachdruck 2. Virtutes sunt catenatae, die Tugenden V. 9. Wie geschrieben stehet (Psalm 112, 9.) V. 10. Der aber den Samen reichet dem Säe- V. 11. Daß ihr reich seyd in allen Dingen mit Anmerckungen. 1. Auf diese Art fällt das, was von GOtt Cen-
Cap. 9, v. 6-11. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
nichts mit aus der Welt nehmen koͤnnen. Da-mit wir doch aber ſo vielmehr zur Gutthaͤtigkeit erwecket werden moͤchten, hat GOTT die Ver- heiſſung von der Wiedervergeltung hinzu ge- than, haͤlt auch nach ſeiner guͤtigen Providentz die Ordnung, daß er ſie wircklich zum Segen erfuͤllet. 2. Allein hiebey iſt unterſchiedliches zu a. Daß man zwar auf dieſe Verheiſſung zu ſe- hen und ſich dadurch zu erwecken habe in ſei- ner Kaltſinnigkeit; daß doch aber deswegen das Auge unſers Gemuͤthes nicht ſchielend und lohnſuͤchtig werden muß, und ohne wah- re Liebe bloß zu dem Zweck der reichern Wie- dervergeltung gutes thue: als welches nur ein recht geitziges Schalcks-Auge ſeyn wuͤrde. b. Daß man erwege, es habe die Wiederver- geltung von GOttes Seiten bey uns einen noch willigern und reichlichern Ausfluß der Liebe zum Zweck. c. Daß man GOTT zum Seegen nicht Zeit und Weiſe in ſeinen Gedancken und Begier- den vorſchreibe, ſondern dißfalls wie eines theils in dem Vertrauen zu GOTT, alſo auch andern theils in der Verleugnung ſeiner ſelbſt ſtehen bleibe. d. Daß man die Bewahrung vor allem, oder auch mehrern Verluſt ſchon fuͤr einen Segen der Wiedervergeltung zu halten habe. e. Daß man gedencke, GOTT koͤnne auch un- ſern Kindern oder andern Angehoͤrigen, wenn ſie ſich ſonſt des Segens nicht unfaͤhig machen, dieſen zuflieſſen laſſen. f. Daß wir unſer Auge vom Leiblichen aufs Geiſtliche richten, und uns verſichert halten, daß, was wir am Leiblichen nicht ſehen, ja noch wol das Gegentheil davon, nemlich meh- rern Verluſt und Abgang erfahren, GOTT zu unſerer Pruͤfung geſchehen laſſe, und es mit geiſtlichen Heils-Guͤtern, die mit den irdiſchen in keine Vergleichung kommen, erſetze. V. 7. Ein ieglicher nach ſeinem Willkuͤhr, V. 8. GOtt aber kan machen, daß allerley Anmerckungen. 1. Es lieget ein ſonderlicher Nachdruck 2. Virtutes ſunt catenatæ, die Tugenden V. 9. Wie geſchrieben ſtehet (Pſalm 112, 9.) V. 10. Der aber den Samen reichet dem Saͤe- V. 11. Daß ihr reich ſeyd in allen Dingen mit Anmerckungen. 1. Auf dieſe Art faͤllt das, was von GOtt Cen-
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Cap. 9, v. 6-11. an die Corinthier.
nichts mit aus der Welt nehmen koͤnnen. Da-
mit wir doch aber ſo vielmehr zur Gutthaͤtigkeit
erwecket werden moͤchten, hat GOTT die Ver-
heiſſung von der Wiedervergeltung hinzu ge-
than, haͤlt auch nach ſeiner guͤtigen Providentz
die Ordnung, daß er ſie wircklich zum Segen
erfuͤllet.
2. Allein hiebey iſt unterſchiedliches zu
mercken:
a. Daß man zwar auf dieſe Verheiſſung zu ſe-
hen und ſich dadurch zu erwecken habe in ſei-
ner Kaltſinnigkeit; daß doch aber deswegen
das Auge unſers Gemuͤthes nicht ſchielend
und lohnſuͤchtig werden muß, und ohne wah-
re Liebe bloß zu dem Zweck der reichern Wie-
dervergeltung gutes thue: als welches nur
ein recht geitziges Schalcks-Auge ſeyn
wuͤrde.
b. Daß man erwege, es habe die Wiederver-
geltung von GOttes Seiten bey uns einen
noch willigern und reichlichern Ausfluß der
Liebe zum Zweck.
c. Daß man GOTT zum Seegen nicht Zeit
und Weiſe in ſeinen Gedancken und Begier-
den vorſchreibe, ſondern dißfalls wie eines
theils in dem Vertrauen zu GOTT, alſo
auch andern theils in der Verleugnung ſeiner
ſelbſt ſtehen bleibe.
d. Daß man die Bewahrung vor allem, oder
auch mehrern Verluſt ſchon fuͤr einen Segen
der Wiedervergeltung zu halten habe.
e. Daß man gedencke, GOTT koͤnne auch un-
ſern Kindern oder andern Angehoͤrigen, wenn
ſie ſich ſonſt des Segens nicht unfaͤhig machen,
dieſen zuflieſſen laſſen.
f. Daß wir unſer Auge vom Leiblichen aufs
Geiſtliche richten, und uns verſichert halten,
daß, was wir am Leiblichen nicht ſehen, ja
noch wol das Gegentheil davon, nemlich meh-
rern Verluſt und Abgang erfahren, GOTT
zu unſerer Pruͤfung geſchehen laſſe, und es
mit geiſtlichen Heils-Guͤtern, die mit den
irdiſchen in keine Vergleichung kommen,
erſetze.
V. 7.
Ein ieglicher nach ſeinem Willkuͤhr,
nicht mit Unwillen (ἐκ λύπης, aus einem ſol-
chen Gemuͤthe, daß es einem leid wird, ſo und
ſo viel weggegeben zu haben, alſo, daß man ſich
daruͤber in einer Unzufriedenheit bey ſich ſelbſt
befindet) oder aus Zwang (da man es nur
thut um anderer willen, um ſein Anſehen bey ih-
nen nicht zu verlieren und einen Namen davon
zu haben.) Denn einen froͤlichen (und alſo
auch willigen) Geber hat GOtt lieb (weil er
an ihm darinnen ſein Bild ſiehet, und ſich daher
zu ſo viel reichern Segen bewegen laͤſſet. Siehe
auch Deut. 15, 7. 8. Sir. 35, 11. Rom. 12, 8.
imgleichen Exod. 25, 2. 35, 5. da zu den Heb-
opfern ſonderlich die Willigkelt erfodert
wird.)
V. 8.
GOtt aber kan machen, daß allerley
Gnade unter euch reichlich ſey (im Leiblichen
und Geiſtlichen) daß ihr in allen Dingen vol-
le Gnuͤge habet (πᾶσαν ἀυτάρκειαν, alle ver-
gnuͤgliche Zufriedenheit findet) und reich ſeyd
(viel geiſtliches Vermoͤgen habet) zu allen gu-
ten Wercken.
Anmerckungen.
1. Es lieget ein ſonderlicher Nachdruck
darinnen, daß das Wort alle zu fuͤnfmalen in ei-
nem Verſe von einerley Sache alhier ausgedru-
cket worden: πᾶσαν χάριν, alle oder allerley
Gnade, έν παντὶ in allem, πάντοτε, allent-
halben, πᾶσαν, alle Genuͤge, εἰς πᾶν ἔργον
ἀγαϑόν, zu allem guten Wercke.
2. Virtutes ſunt catenatæ, die Tugenden
hangen wie eine Kette an einander. Wer eine
nach der Wahrheit ausuͤbet, der liebet auch die
andern, und erweiſet ſich reichlich, εἰς πᾶν ἔρ-
γον ἀγαϑόν, zu allem guten Wercke. Und
dis iſt die Eigenſchaft der Chriſtlichen Vollkom-
menheit, wenn es an keinem Stuͤcke, oder Thei-
le der Pflichten fehlet, ob ſie gleich an ſich ſelbſt
noch unvollkommen ſind.
V. 9.
Wie geſchrieben ſtehet (Pſalm 112, 9.)
Er (der Gottſelige und ſich in guten Wercken
der Liebe thaͤtig erweiſende Menſch, welchen
David daſelbſt mit mehrern beſchreibet) hat
ausgeſtreuet (den Samen der Allmoſen) und
gegeben den Armen, ſeine Gerechtigkeit
(die davon im Segen GOttes zu noch mehrern
Fruͤchten aufgegangen) bleibet (zum Lobe GOt-
tes in Ewigkeit.)
V. 10.
Der aber den Samen reichet dem Saͤe-
mann (dem Gutthaͤter das Vermoͤgen giebt,
ſeine Gabe, als einen Samen, auszuſtreuen)
der wird ja auch das Brodt reichen zur
Speiſe (der wird ihn nicht laſſen ſelbſt Noth lei-
den, ſondern ſeinen ausgeſtreueten Samen laſ-
ſen zu einem reichen Vorrathe an Brodten wer-
den) und wird vermehren euren (die ihr
ſolche Saͤemaͤnner ſeyd) Samen, und wachſen
laſſen das Gewaͤchſe eurer Gerechtigkeit
(daß es durch eine Gnaden-Vergeltung ſonder-
lich im Geiſtlichen viele Fruͤchte bringe.
V. 11.
Daß ihr reich ſeyd in allen Dingen mit
(oder zu) aller Einfaͤltigkeit (Gutthaͤtigkeit,
die mit einfaͤltigem Hertzen geſchehen ſoll Rom.
12, 8.) welche wircket durch uns Danckſa-
gung GOtte. (Die Danckſagung geſchie-
het, wie zuvorderſt von uns ſelbſt, alſo denn
noch mehr von den Armen, denen die Huͤlfe
wiederfaͤhret, und die wir zur Pflicht der Danck-
ſagung gegen GOtt ermahnen.)
Anmerckungen.
1. Auf dieſe Art faͤllt das, was von GOtt
aus ſeiner Segens-Hand gekommen, und aus
ſeinem Antriebe geleiſtet worden, wieder auf
GOtt zuruͤck, und GOtt iſt alſo gleichſam das
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