Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 8, 2-6. [Spaltenumbruch]
war: wie sich denn auch, als schon sonst erin-nert worden, darinnen, daß man mitten in der grössesten Trübsal nicht allein geduldig, sondern auch frölich seyn kan, ein recht göttlicher Cha- racter der christlichen Religion hervor thut. Die gedoppelte Tugend war eines Theils die gros- se Gutthätigkeit in Mittheilung von dem Jh- rigen, andern Theils die Einfalt des Her- tzens, nach welcher sie solches in aller Lauter- keit thäten, ohne daraus sich einiges Verdien- stes anzumassen. Und diese gedoppelte Tugend, als ein zwiefacher Beweis ihres Glaubens und ihrer Liebe, war so viel löblicher, so viel geringer das eigne Vermögen war, bey welchem sie so reichlich ausgeflossen sind. 3. Paulus lobet die Macedonier, wie sie bey ihrer Armuth sich so gar thätig in der Liebe erwiesen. Daraus die Corinthier einen guten Antrieb nehmen konten zu dem, was sie, oder doch manche von ihnen, bey besserm Vermögen zu thun hätten. 4. Bey der Gutthätigkeit gegen die Ar- men müssen sich, nach dem Exempel der Mace- donier, sonderlich diese drey Haupt-Eigenschaf- ten finden: daß man gebe willig, ohne sich erst lange dazu bitten zu lassen; reichlich, nach sei- nem Vermögen; und denn auch einfältig, oh- ne eine falsche, oder unlautere Absicht. 5. Eines der Haupt-Mängel bey der Gut- thätigkeit gegen die Dürftigen ist, wenn man nicht giebet nach Proportion seines Vermögens. Denn mancher giebt noch endlich wol diß u. das, und also auch wol so viel, als dieser und jener: Aber er giebt nicht nach seinem Vermögen; als nach welchem er oft 10mal, ja 100mal mehr ge- ben könte und solte, als ein anderer, deme er es kaum gleich thut. Und ein solches Geben kan man denn gewiß an ihm für keine Tugend rech- nen. V. 3. 4. Denn nach allem Vermögen, das zeu- Anmerckungen. 1. Man soll zwar seinen Nächsten nur lie- ben als sich selbst, und also darf man nicht weg- geben, was man selbst nöthig hat: aber man kan doch gleichwol auch über sein Vermögen Gutes thun, nemlich in diesem Verstande, wenn man, ob man gleich an sich selbst wenig, oder nichts übrig hat, doch die Noth des Nächsten für grösser erkennet, als seine eigne, auch schon Mittel und Wege siehet, da einem eher und leichter wieder könne geholfen werden, als dem Nächsten; und dannenhero nach der Fülle der mitleidigen Liebe ein mehrers thut, als iemand von einem evrlangen, oder auch nur vermuthen könte. 2. Es gehet noch bis auf den heutigen Tag also, daß diejenigen, welche das schlechteste Ver- mögen haben, aber an Glauben gegen GOTT und an der Liebe gegen ihren Nächsten reich sind, den Dürftigen am reichlichsten geben. Da hingegen die Reichen gemeiniglich, wie ihre Thüren, also noch mehr ihre Hertzen gegen sie verschliessen. Womit sie erweisen, daß sie Leu- te sind, welcher Hertz der Satan durch Geitz be- sessen hat. 3. Es sind zwar die glaubigen Glieder Chri- sti (die des Ehren-Namens der Heiligen so viel mehr wehrt sind, so viel weniger sie sich desselben selbst anmassen) vor andern in ihrer leiblichen Dürftigkeit der Handreichung würdig: indessen soll man sich auch den übrigen nicht gantz entzie- hen, zumal da man ihnen die Gutthätigkeit zur Uberzeugung würcklicher Proben des Christen- thums zu geben hat. Wie denn auch daher Pau- lus an die Galater c. 6, 10. schreibet: Lasset uns Gutes thun an iederman, allermeist aber an des Glaubens Genossen. 4. Jm übrigen siehet man, daß, weil die Macedonier Paulum mit vielen Worten gefle- het haben, die Beysteuer von ihm anzunehmen, er sich dessen gewegert haben muß: nemlich in so fern er wahrgenommen, daß mancher über sein Vermögen gethan. Welches ihme auch nach der Liebe zu den Macedoniern nahe gegangen. O welch ein lieblich Bild der ersten Christen ist das! V. 5. Und nicht (nur) wie wir hoffeten, son- V. 6. (Und dieses geschahe dergestalt, und be- Anmerckung. Der freywillige Beytrag heißt hie und v. son-
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 8, 2-6. [Spaltenumbruch]
war: wie ſich denn auch, als ſchon ſonſt erin-nert worden, darinnen, daß man mitten in der groͤſſeſten Truͤbſal nicht allein geduldig, ſondern auch froͤlich ſeyn kan, ein recht goͤttlicher Cha- racter der chriſtlichen Religion hervor thut. Die gedoppelte Tugend war eines Theils die groſ- ſe Gutthaͤtigkeit in Mittheilung von dem Jh- rigen, andern Theils die Einfalt des Her- tzens, nach welcher ſie ſolches in aller Lauter- keit thaͤten, ohne daraus ſich einiges Verdien- ſtes anzumaſſen. Und dieſe gedoppelte Tugend, als ein zwiefacher Beweis ihres Glaubens und ihrer Liebe, war ſo viel loͤblicher, ſo viel geringer das eigne Vermoͤgen war, bey welchem ſie ſo reichlich ausgefloſſen ſind. 3. Paulus lobet die Macedonier, wie ſie bey ihrer Armuth ſich ſo gar thaͤtig in der Liebe erwieſen. Daraus die Corinthier einen guten Antrieb nehmen konten zu dem, was ſie, oder doch manche von ihnen, bey beſſerm Vermoͤgen zu thun haͤtten. 4. Bey der Gutthaͤtigkeit gegen die Ar- men muͤſſen ſich, nach dem Exempel der Mace- donier, ſonderlich dieſe drey Haupt-Eigenſchaf- ten finden: daß man gebe willig, ohne ſich erſt lange dazu bitten zu laſſen; reichlich, nach ſei- nem Vermoͤgen; und denn auch einfaͤltig, oh- ne eine falſche, oder unlautere Abſicht. 5. Eines der Haupt-Maͤngel bey der Gut- thaͤtigkeit gegen die Duͤrftigen iſt, wenn man nicht giebet nach Proportion ſeines Vermoͤgens. Denn mancher giebt noch endlich wol diß u. das, und alſo auch wol ſo viel, als dieſer und jener: Aber er giebt nicht nach ſeinem Vermoͤgen; als nach welchem er oft 10mal, ja 100mal mehr ge- ben koͤnte und ſolte, als ein anderer, deme er es kaum gleich thut. Und ein ſolches Geben kan man denn gewiß an ihm fuͤr keine Tugend rech- nen. V. 3. 4. Denn nach allem Vermoͤgen, das zeu- Anmerckungen. 1. Man ſoll zwar ſeinen Naͤchſten nur lie- ben als ſich ſelbſt, und alſo darf man nicht weg- geben, was man ſelbſt noͤthig hat: aber man kan doch gleichwol auch uͤber ſein Vermoͤgen Gutes thun, nemlich in dieſem Verſtande, wenn man, ob man gleich an ſich ſelbſt wenig, oder nichts uͤbrig hat, doch die Noth des Naͤchſten fuͤr groͤſſer erkennet, als ſeine eigne, auch ſchon Mittel und Wege ſiehet, da einem eher und leichter wieder koͤnne geholfen werden, als dem Naͤchſten; und dannenhero nach der Fuͤlle der mitleidigen Liebe ein mehrers thut, als iemand von einem evrlangen, oder auch nur vermuthen koͤnte. 2. Es gehet noch bis auf den heutigen Tag alſo, daß diejenigen, welche das ſchlechteſte Ver- moͤgen haben, aber an Glauben gegen GOTT und an der Liebe gegen ihren Naͤchſten reich ſind, den Duͤrftigen am reichlichſten geben. Da hingegen die Reichen gemeiniglich, wie ihre Thuͤren, alſo noch mehr ihre Hertzen gegen ſie verſchlieſſen. Womit ſie erweiſen, daß ſie Leu- te ſind, welcher Hertz der Satan durch Geitz be- ſeſſen hat. 3. Es ſind zwar die glaubigen Glieder Chri- ſti (die des Ehren-Namens der Heiligen ſo viel mehr wehrt ſind, ſo viel weniger ſie ſich deſſelben ſelbſt anmaſſen) vor andern in ihrer leiblichen Duͤrftigkeit der Handreichung wuͤrdig: indeſſen ſoll man ſich auch den uͤbrigen nicht gantz entzie- hen, zumal da man ihnen die Gutthaͤtigkeit zur Uberzeugung wuͤrcklicher Proben des Chriſten- thums zu geben hat. Wie denn auch daher Pau- lus an die Galater c. 6, 10. ſchreibet: Laſſet uns Gutes thun an iederman, allermeiſt aber an des Glaubens Genoſſen. 4. Jm uͤbrigen ſiehet man, daß, weil die Macedonier Paulum mit vielen Worten gefle- het haben, die Beyſteuer von ihm anzunehmen, er ſich deſſen gewegert haben muß: nemlich in ſo fern er wahrgenommen, daß mancher uͤber ſein Vermoͤgen gethan. Welches ihme auch nach der Liebe zu den Macedoniern nahe gegangen. O welch ein lieblich Bild der erſten Chriſten iſt das! V. 5. Und nicht (nur) wie wir hoffeten, ſon- V. 6. (Und dieſes geſchahe dergeſtalt, und be- Anmerckung. Der freywillige Beytrag heißt hie und v. ſon-
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 8, 2-6.
war: wie ſich denn auch, als ſchon ſonſt erin-
nert worden, darinnen, daß man mitten in der
groͤſſeſten Truͤbſal nicht allein geduldig, ſondern
auch froͤlich ſeyn kan, ein recht goͤttlicher Cha-
racter der chriſtlichen Religion hervor thut. Die
gedoppelte Tugend war eines Theils die groſ-
ſe Gutthaͤtigkeit in Mittheilung von dem Jh-
rigen, andern Theils die Einfalt des Her-
tzens, nach welcher ſie ſolches in aller Lauter-
keit thaͤten, ohne daraus ſich einiges Verdien-
ſtes anzumaſſen. Und dieſe gedoppelte Tugend,
als ein zwiefacher Beweis ihres Glaubens und
ihrer Liebe, war ſo viel loͤblicher, ſo viel geringer
das eigne Vermoͤgen war, bey welchem ſie ſo
reichlich ausgefloſſen ſind.
3. Paulus lobet die Macedonier, wie ſie
bey ihrer Armuth ſich ſo gar thaͤtig in der Liebe
erwieſen. Daraus die Corinthier einen guten
Antrieb nehmen konten zu dem, was ſie, oder
doch manche von ihnen, bey beſſerm Vermoͤgen zu
thun haͤtten.
4. Bey der Gutthaͤtigkeit gegen die Ar-
men muͤſſen ſich, nach dem Exempel der Mace-
donier, ſonderlich dieſe drey Haupt-Eigenſchaf-
ten finden: daß man gebe willig, ohne ſich erſt
lange dazu bitten zu laſſen; reichlich, nach ſei-
nem Vermoͤgen; und denn auch einfaͤltig, oh-
ne eine falſche, oder unlautere Abſicht.
5. Eines der Haupt-Maͤngel bey der Gut-
thaͤtigkeit gegen die Duͤrftigen iſt, wenn man
nicht giebet nach Proportion ſeines Vermoͤgens.
Denn mancher giebt noch endlich wol diß u. das,
und alſo auch wol ſo viel, als dieſer und jener:
Aber er giebt nicht nach ſeinem Vermoͤgen; als
nach welchem er oft 10mal, ja 100mal mehr ge-
ben koͤnte und ſolte, als ein anderer, deme er es
kaum gleich thut. Und ein ſolches Geben kan
man denn gewiß an ihm fuͤr keine Tugend rech-
nen.
V. 3. 4.
Denn nach allem Vermoͤgen, das zeu-
ge ich, und uͤber Vermoͤgen waren ſie ſelbſt
willig (alſo daß ſie von uns nicht erſt dazu viel
ermahnet werden durften) v. 4. und fleheten
uns mit vielem Ermahnen, daß wir auf-
naͤhmen die Wohlthat und die Gemein-
ſchaft der Handreichung, die da geſchiehet
den Heiligen (zu Jeruſalem 1 Cor. 16, 3. 4.
Rom. 15, 26.)
Anmerckungen.
1. Man ſoll zwar ſeinen Naͤchſten nur lie-
ben als ſich ſelbſt, und alſo darf man nicht weg-
geben, was man ſelbſt noͤthig hat: aber man
kan doch gleichwol auch uͤber ſein Vermoͤgen
Gutes thun, nemlich in dieſem Verſtande, wenn
man, ob man gleich an ſich ſelbſt wenig, oder
nichts uͤbrig hat, doch die Noth des Naͤchſten
fuͤr groͤſſer erkennet, als ſeine eigne, auch ſchon
Mittel und Wege ſiehet, da einem eher und
leichter wieder koͤnne geholfen werden, als dem
Naͤchſten; und dannenhero nach der Fuͤlle der
mitleidigen Liebe ein mehrers thut, als iemand
von einem evrlangen, oder auch nur vermuthen
koͤnte.
2. Es gehet noch bis auf den heutigen Tag
alſo, daß diejenigen, welche das ſchlechteſte Ver-
moͤgen haben, aber an Glauben gegen GOTT
und an der Liebe gegen ihren Naͤchſten reich ſind,
den Duͤrftigen am reichlichſten geben. Da
hingegen die Reichen gemeiniglich, wie ihre
Thuͤren, alſo noch mehr ihre Hertzen gegen ſie
verſchlieſſen. Womit ſie erweiſen, daß ſie Leu-
te ſind, welcher Hertz der Satan durch Geitz be-
ſeſſen hat.
3. Es ſind zwar die glaubigen Glieder Chri-
ſti (die des Ehren-Namens der Heiligen ſo viel
mehr wehrt ſind, ſo viel weniger ſie ſich deſſelben
ſelbſt anmaſſen) vor andern in ihrer leiblichen
Duͤrftigkeit der Handreichung wuͤrdig: indeſſen
ſoll man ſich auch den uͤbrigen nicht gantz entzie-
hen, zumal da man ihnen die Gutthaͤtigkeit zur
Uberzeugung wuͤrcklicher Proben des Chriſten-
thums zu geben hat. Wie denn auch daher Pau-
lus an die Galater c. 6, 10. ſchreibet: Laſſet
uns Gutes thun an iederman, allermeiſt
aber an des Glaubens Genoſſen.
4. Jm uͤbrigen ſiehet man, daß, weil die
Macedonier Paulum mit vielen Worten gefle-
het haben, die Beyſteuer von ihm anzunehmen,
er ſich deſſen gewegert haben muß: nemlich in ſo
fern er wahrgenommen, daß mancher uͤber ſein
Vermoͤgen gethan. Welches ihme auch nach
der Liebe zu den Macedoniern nahe gegangen.
O welch ein lieblich Bild der erſten Chriſten
iſt das!
V. 5.
Und nicht (nur) wie wir hoffeten, ſon-
dern (ſie uͤbertrafen auch unſere Hoffnung, und)
ergaben ſich ſelbſt zuerſt (zuvorderſt und
vor allen Dingen) GOtt (lieſſen ſich in der er-
gebenſten Willigkeit finden gegen GOtt, wie
in dieſer Pflicht der Liebe gegen die Duͤrftigen,
alſo auch in allen uͤbrigen Stuͤcken des Chriſten-
thums) und darnach (oder dabey) uns (den
Boten GOttes, zu aller Folgſamkeit, wie ſie
von uns zu GOtt und allem Guten angefuͤhret
waren) durch den Willen GOttes (welchen
ſie in allem, wozu wir ſie anwieſen, erkanten,
und alſo in allen Dingen auf GOtt ſelbſt ſahen,
und ſich von ihm durch uns regiren lieſſen.)
V. 6.
(Und dieſes geſchahe dergeſtalt, und be-
wegte uns dazu) daß wir muſten Titum er-
mahnen (oder willigſt bitten) daß er, wie er
zuvor hatte angefangen (als er eine kurtze Zeit
bey euch geweſen) alſo auch unter euch ſolche
Wohlthat ausrichtete (dergleichen Beytrag
von der gantzen Gemeine bey euch vollends zu
Stande braͤchte, und zu dem Ende mit dieſem
itzigen Briefe vor mir her zu euch hinreiſete.)
Anmerckung.
Der freywillige Beytrag heißt hie und v.
7. χάρις, eine Guͤtigkeit, welche eine Frucht
der Gnade GOttes in den Macedoniern war,
und nicht geſchahe aus einer beſondern Schul-
digkeit, die man auf ſich hat, wenn man z. E.
das, was einem geliehen, wieder zu geben hat;
ſon-
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