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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 7, v. 1. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] chet dem Menschen billig zur Demüthigung vor
GOTT und zur glaubigen Application des
Blutes CHristi, was ihm deßfals wider seinen
Willen begegnet nach Lev. 15, 1 seqq. 16. seqq.
Darum leichtlich zu erachten ist, wie die vor-
setzliche Befleckung, davon Judas in seiner Epi-
stel v. 8. redet, anzusehen sey.
8. Befleckungen des Geistes sind sub-
tilere Sünden, welche dergestalt in Gedancken,
Begierden, Affecten und Rathschlüssen in der
Seele selbst begangen werden, daß sie auf die zu-
vorgedachte Art durch die Gliedmassen des Lei-
bes nicht ausbrechen: als da sonderlich sind:
Eigenliebe, Ehrsucht, Ubermuth, Haß, Feind-
schaft, Neid, innerliche Unkeuschheit und das
Nachhangen geiler Gedancken und Begierden,
Ungeduld, Unzufriedenheit und dergleichen, da-
zu auch allerhand schädliche und verführische
Jrrthümer gehören: davon aber der Unglaube
die Haupt-Unreinigkeit und die Quelle aller
übrigen ist.
9. Ob nun wol nicht eine iede Befleckung
des Geistes auch eine Befleckung des Fleisches
ist; so ist doch hingegen eine iede Befleckung des
Fleisches auch eine Befleckung des Geistes; sinte-
mal sie von der Unreinigkeit der Seele herrüh-
ret, dieselbe anzeiget, auch zum theil vermeh-
ret. Und da die Befleckungen des Fleisches ih-
rer Natur nach gleichsam bestialisch, ja oft so
arg sind, daß sie bey den unvernünftigen Thie-
ren nicht einmal statt finden: so sind die Befle-
ckungen des Geistes mehr teufelisch, oder von
solcher Art, daß sie sich in der verderbten Na-
tur der abgefallenen Geister befinden, obwol
mit einigem Unterscheid. Und also sind sie so
viel weniger gering zu achten.
10. Jn der Reinigung von diesen Befle-
ckungen hat man die böse Quelle zugleich mit ih-
ren Ausflüssen anzugreifen. Die Pharisäer
blieben nur bey der Reinigung von den Befle-
ckungen des Fleisches stehen, und richteten da-
mit allein wenig aus, da der innere Unflath un-
erkant und unverstopft bliebe, immer überging
und auch dergestalt auf das äussere zuflosse, daß
es auch an manchen äusserlichen, obgleich auch
unerkanten, Befleckungen nicht fehlete: wie
es noch heute zu Tage zu gehen pflegt bey allen
denen, welche in der äusserlichen Ehrbarkeit ste-
hen und stehen bleiben. Diß meinet unser Hei-
land in den verblümten Reden, wenn er Matt.
23, 25. seqq. spricht: Wehe euch Schrift-
gelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler,
die ihr die Becher und Schüsseln auswen-
dig reinlich haltet, inwendig aber ists voll
Raubes und Frasses,
(akrasias, Unmäs-
sigkeit.) Du blinder Pharisäer, reinige zu
erst das inwendige am Becher und Schüs-
sel, auf daß auch das auswendige rein
werde.
Und ferner: Wehe euch Schrift-
gelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler,
die ihr gleich seyd, wie die übertünchten
Gräber, welche auswendig hübsch schei-
nen, aber inwendig sind sie voller Todten-
Beine und alles Unflahts. Also auch ihr:
auswendig scheinet ihr vor den Leuten
[Spaltenumbruch] fromm; aber inwendig seyd ihr voller Heu-
cheley und Untugend.
11. Es gehöret aber zu der Reinigung von
beyderley Art der Befleckung sonderlich dreyer-
ley:
Erstlich die demüthige Erkäntniß aller
innerlichen Unreinigkeit, daß man es nicht für
Kleinigkeiten, oder gar für indifserente Dinge
halte, oder gar darüber weg sehe; wie es zu
geschehen pfleget: und denn das gehörige Mit-
tel,
welches ist das Evangelium, und darinnen
die Kraft des Blutes Christi und der Gnaden-
Wirckung des Heiligen Geistes zu der Sünden
Vergebung und Ausfegung: nicht weniger
auch drittens alle Treue und aller Ernst so wol
in der Reinigung selbst, als auch in derselben
Fortsetzung. Dazu denn viertens billig gehö-
ret die genaue Wahrnehmung seiner selbst;
als ohne welche Aufsicht und Wachsamkeit über
uns selbst keine Unreinigkeit recht erkannt, viel-
weniger abgethan wird.
12. Es ist aber nicht genug, das Böse
abthun,
sondern nöthig dabey im Guten zu
wachsen,
welches angezeiget wird durch die
hinzu gesetzte Worte: Und fortfahren mit
der Heiligung in der Furcht GOttes.
Wie
denn beyderley Ubung von der Beschaffenheit
ist, daß eine ohne die andere nicht seyn kan.
Denn indem die Unreinigkeit erkannt und abge-
than wird, in dem trit die Reinigkeit ein, o-
der nimmt zu; und so oft sie zu neuer Kraft
kömmt, so oft wird dadurch die Unreinigkeit ver-
ringert.
13. Die Heiligung fortsetzen, agiosunen
epitelei~n, die Heiligkeit vollenden, ist durch
Fortsetzung der Heiligung, als der Bestrebung
nach der Heiligkeit, diese in sich mehr und mehr
zu Stande bringen. Es heißt sonst den neuen
Menschen immer mehr und mehr anzie-
hen;
gleichwie jenes, sich von den Befleckun-
gen reinigen, genennet wird, den alten Men-
schen ausziehen und ablegen
Ephes. 4, 22.
seqq. Col. 3, 8. seqq. Und solcher gestalt wird
das Ebenbild GOttes in uns erneuret, und
kommen wir immer näher zu dem vollkommnen
Alter und Masse eines Mannes in Christo. Eph.
4, 13. seqq.
14. Wenn bey der Fortsetzung der Heili-
gung der Furcht GOttes also gedacht wird,
daß sie geschehen soll in der Furcht GOttes,
so wird dadurch, wie leichtlich zu erachten, da
von Kindern GOttes die Rede ist, eine kindli-
che Furcht
verstanden, welche der Sünde am
nachdrücklichsten wehret. Denn vermöge der
Furcht GOttes befindet sich der Mensch in der
lebendigen Vorstellung der Allgegenwart
GOttes.
Kan nun die Gegenwart eines blos-
sen Menschen, zumal eines solchen, dessen Ge-
genwart und exemplarischer Wandel uns be-
kant ist, und einen sonderlichen Eindruck giebt,
uns von dieser und jener Unanständigkeit in
Worten, Wercken und Geberden gar kräftig
abhalten; was muß die Furcht vor den Augen
des allerheiligsten GOttes nicht thun? Dar-
auf führete GOTT selbst den Abraham in der
Ermunterung zum Wachsthum im Guten,
wenn
G g g
Cap. 7, v. 1. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] chet dem Menſchen billig zur Demuͤthigung vor
GOTT und zur glaubigen Application des
Blutes CHriſti, was ihm deßfals wider ſeinen
Willen begegnet nach Lev. 15, 1 ſeqq. 16. ſeqq.
Darum leichtlich zu erachten iſt, wie die vor-
ſetzliche Befleckung, davon Judas in ſeiner Epi-
ſtel v. 8. redet, anzuſehen ſey.
8. Befleckungen des Geiſtes ſind ſub-
tilere Suͤnden, welche dergeſtalt in Gedancken,
Begierden, Affecten und Rathſchluͤſſen in der
Seele ſelbſt begangen werden, daß ſie auf die zu-
vorgedachte Art durch die Gliedmaſſen des Lei-
bes nicht ausbrechen: als da ſonderlich ſind:
Eigenliebe, Ehrſucht, Ubermuth, Haß, Feind-
ſchaft, Neid, innerliche Unkeuſchheit und das
Nachhangen geiler Gedancken und Begierden,
Ungeduld, Unzufriedenheit und dergleichen, da-
zu auch allerhand ſchaͤdliche und verfuͤhriſche
Jrrthuͤmer gehoͤren: davon aber der Unglaube
die Haupt-Unreinigkeit und die Quelle aller
uͤbrigen iſt.
9. Ob nun wol nicht eine iede Befleckung
des Geiſtes auch eine Befleckung des Fleiſches
iſt; ſo iſt doch hingegen eine iede Befleckung des
Fleiſches auch eine Befleckung des Geiſtes; ſinte-
mal ſie von der Unreinigkeit der Seele herruͤh-
ret, dieſelbe anzeiget, auch zum theil vermeh-
ret. Und da die Befleckungen des Fleiſches ih-
rer Natur nach gleichſam beſtialiſch, ja oft ſo
arg ſind, daß ſie bey den unvernuͤnftigen Thie-
ren nicht einmal ſtatt finden: ſo ſind die Befle-
ckungen des Geiſtes mehr teufeliſch, oder von
ſolcher Art, daß ſie ſich in der verderbten Na-
tur der abgefallenen Geiſter befinden, obwol
mit einigem Unterſcheid. Und alſo ſind ſie ſo
viel weniger gering zu achten.
10. Jn der Reinigung von dieſen Befle-
ckungen hat man die boͤſe Quelle zugleich mit ih-
ren Ausfluͤſſen anzugreifen. Die Phariſaͤer
blieben nur bey der Reinigung von den Befle-
ckungen des Fleiſches ſtehen, und richteten da-
mit allein wenig aus, da der innere Unflath un-
erkant und unverſtopft bliebe, immer uͤberging
und auch dergeſtalt auf das aͤuſſere zufloſſe, daß
es auch an manchen aͤuſſerlichen, obgleich auch
unerkanten, Befleckungen nicht fehlete: wie
es noch heute zu Tage zu gehen pflegt bey allen
denen, welche in der aͤuſſerlichen Ehrbarkeit ſte-
hen und ſtehen bleiben. Diß meinet unſer Hei-
land in den verbluͤmten Reden, wenn er Matt.
23, 25. ſeqq. ſpricht: Wehe euch Schrift-
gelehrten und Phariſaͤer, ihr Heuchler,
die ihr die Becher und Schuͤſſeln auswen-
dig reinlich haltet, inwendig aber iſts voll
Raubes und Fraſſes,
(ἀκρασίας, Unmaͤſ-
ſigkeit.) Du blinder Phariſaͤer, reinige zu
erſt das inwendige am Becher und Schuͤſ-
ſel, auf daß auch das auswendige rein
werde.
Und ferner: Wehe euch Schrift-
gelehrten und Phariſaͤer, ihr Heuchler,
die ihr gleich ſeyd, wie die uͤbertuͤnchten
Graͤber, welche auswendig huͤbſch ſchei-
nen, aber inwendig ſind ſie voller Todten-
Beine und alles Unflahts. Alſo auch ihr:
auswendig ſcheinet ihr vor den Leuten
[Spaltenumbruch] fromm; aber inwendig ſeyd ihr voller Heu-
cheley und Untugend.
11. Es gehoͤret aber zu der Reinigung von
beyderley Art der Befleckung ſonderlich dreyer-
ley:
Erſtlich die demuͤthige Erkaͤntniß aller
innerlichen Unreinigkeit, daß man es nicht fuͤr
Kleinigkeiten, oder gar fuͤr indifſerente Dinge
halte, oder gar daruͤber weg ſehe; wie es zu
geſchehen pfleget: und denn das gehoͤrige Mit-
tel,
welches iſt das Evangelium, und darinnen
die Kraft des Blutes Chriſti und der Gnaden-
Wirckung des Heiligen Geiſtes zu der Suͤnden
Vergebung und Ausfegung: nicht weniger
auch drittens alle Treue und aller Ernſt ſo wol
in der Reinigung ſelbſt, als auch in derſelben
Fortſetzung. Dazu denn viertens billig gehoͤ-
ret die genaue Wahrnehmung ſeiner ſelbſt;
als ohne welche Aufſicht und Wachſamkeit uͤber
uns ſelbſt keine Unreinigkeit recht erkannt, viel-
weniger abgethan wird.
12. Es iſt aber nicht genug, das Boͤſe
abthun,
ſondern noͤthig dabey im Guten zu
wachſen,
welches angezeiget wird durch die
hinzu geſetzte Worte: Und fortfahren mit
der Heiligung in der Furcht GOttes.
Wie
denn beyderley Ubung von der Beſchaffenheit
iſt, daß eine ohne die andere nicht ſeyn kan.
Denn indem die Unreinigkeit erkannt und abge-
than wird, in dem trit die Reinigkeit ein, o-
der nimmt zu; und ſo oft ſie zu neuer Kraft
koͤmmt, ſo oft wird dadurch die Unreinigkeit ver-
ringert.
13. Die Heiligung fortſetzen, ἁγιωσύνην
ἐπιτελει῀ν, die Heiligkeit vollenden, iſt durch
Fortſetzung der Heiligung, als der Beſtrebung
nach der Heiligkeit, dieſe in ſich mehr und mehr
zu Stande bringen. Es heißt ſonſt den neuen
Menſchen immer mehr und mehr anzie-
hen;
gleichwie jenes, ſich von den Befleckun-
gen reinigen, genennet wird, den alten Men-
ſchen ausziehen und ablegen
Epheſ. 4, 22.
ſeqq. Col. 3, 8. ſeqq. Und ſolcher geſtalt wird
das Ebenbild GOttes in uns erneuret, und
kommen wir immer naͤher zu dem vollkommnen
Alter und Maſſe eines Mannes in Chriſto. Eph.
4, 13. ſeqq.
14. Wenn bey der Fortſetzung der Heili-
gung der Furcht GOttes alſo gedacht wird,
daß ſie geſchehen ſoll in der Furcht GOttes,
ſo wird dadurch, wie leichtlich zu erachten, da
von Kindern GOttes die Rede iſt, eine kindli-
che Furcht
verſtanden, welche der Suͤnde am
nachdruͤcklichſten wehret. Denn vermoͤge der
Furcht GOttes befindet ſich der Menſch in der
lebendigen Vorſtellung der Allgegenwart
GOttes.
Kan nun die Gegenwart eines bloſ-
ſen Menſchen, zumal eines ſolchen, deſſen Ge-
genwart und exemplariſcher Wandel uns be-
kant iſt, und einen ſonderlichen Eindruck giebt,
uns von dieſer und jener Unanſtaͤndigkeit in
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des allerheiligſten GOttes nicht thun? Dar-
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[417/0445] Cap. 7, v. 1. an die Corinthier. chet dem Menſchen billig zur Demuͤthigung vor GOTT und zur glaubigen Application des Blutes CHriſti, was ihm deßfals wider ſeinen Willen begegnet nach Lev. 15, 1 ſeqq. 16. ſeqq. Darum leichtlich zu erachten iſt, wie die vor- ſetzliche Befleckung, davon Judas in ſeiner Epi- ſtel v. 8. redet, anzuſehen ſey. 8. Befleckungen des Geiſtes ſind ſub- tilere Suͤnden, welche dergeſtalt in Gedancken, Begierden, Affecten und Rathſchluͤſſen in der Seele ſelbſt begangen werden, daß ſie auf die zu- vorgedachte Art durch die Gliedmaſſen des Lei- bes nicht ausbrechen: als da ſonderlich ſind: Eigenliebe, Ehrſucht, Ubermuth, Haß, Feind- ſchaft, Neid, innerliche Unkeuſchheit und das Nachhangen geiler Gedancken und Begierden, Ungeduld, Unzufriedenheit und dergleichen, da- zu auch allerhand ſchaͤdliche und verfuͤhriſche Jrrthuͤmer gehoͤren: davon aber der Unglaube die Haupt-Unreinigkeit und die Quelle aller uͤbrigen iſt. 9. Ob nun wol nicht eine iede Befleckung des Geiſtes auch eine Befleckung des Fleiſches iſt; ſo iſt doch hingegen eine iede Befleckung des Fleiſches auch eine Befleckung des Geiſtes; ſinte- mal ſie von der Unreinigkeit der Seele herruͤh- ret, dieſelbe anzeiget, auch zum theil vermeh- ret. Und da die Befleckungen des Fleiſches ih- rer Natur nach gleichſam beſtialiſch, ja oft ſo arg ſind, daß ſie bey den unvernuͤnftigen Thie- ren nicht einmal ſtatt finden: ſo ſind die Befle- ckungen des Geiſtes mehr teufeliſch, oder von ſolcher Art, daß ſie ſich in der verderbten Na- tur der abgefallenen Geiſter befinden, obwol mit einigem Unterſcheid. Und alſo ſind ſie ſo viel weniger gering zu achten. 10. Jn der Reinigung von dieſen Befle- ckungen hat man die boͤſe Quelle zugleich mit ih- ren Ausfluͤſſen anzugreifen. Die Phariſaͤer blieben nur bey der Reinigung von den Befle- ckungen des Fleiſches ſtehen, und richteten da- mit allein wenig aus, da der innere Unflath un- erkant und unverſtopft bliebe, immer uͤberging und auch dergeſtalt auf das aͤuſſere zufloſſe, daß es auch an manchen aͤuſſerlichen, obgleich auch unerkanten, Befleckungen nicht fehlete: wie es noch heute zu Tage zu gehen pflegt bey allen denen, welche in der aͤuſſerlichen Ehrbarkeit ſte- hen und ſtehen bleiben. Diß meinet unſer Hei- land in den verbluͤmten Reden, wenn er Matt. 23, 25. ſeqq. ſpricht: Wehe euch Schrift- gelehrten und Phariſaͤer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schuͤſſeln auswen- dig reinlich haltet, inwendig aber iſts voll Raubes und Fraſſes, (ἀκρασίας, Unmaͤſ- ſigkeit.) Du blinder Phariſaͤer, reinige zu erſt das inwendige am Becher und Schuͤſ- ſel, auf daß auch das auswendige rein werde. Und ferner: Wehe euch Schrift- gelehrten und Phariſaͤer, ihr Heuchler, die ihr gleich ſeyd, wie die uͤbertuͤnchten Graͤber, welche auswendig huͤbſch ſchei- nen, aber inwendig ſind ſie voller Todten- Beine und alles Unflahts. Alſo auch ihr: auswendig ſcheinet ihr vor den Leuten fromm; aber inwendig ſeyd ihr voller Heu- cheley und Untugend. 11. Es gehoͤret aber zu der Reinigung von beyderley Art der Befleckung ſonderlich dreyer- ley: Erſtlich die demuͤthige Erkaͤntniß aller innerlichen Unreinigkeit, daß man es nicht fuͤr Kleinigkeiten, oder gar fuͤr indifſerente Dinge halte, oder gar daruͤber weg ſehe; wie es zu geſchehen pfleget: und denn das gehoͤrige Mit- tel, welches iſt das Evangelium, und darinnen die Kraft des Blutes Chriſti und der Gnaden- Wirckung des Heiligen Geiſtes zu der Suͤnden Vergebung und Ausfegung: nicht weniger auch drittens alle Treue und aller Ernſt ſo wol in der Reinigung ſelbſt, als auch in derſelben Fortſetzung. Dazu denn viertens billig gehoͤ- ret die genaue Wahrnehmung ſeiner ſelbſt; als ohne welche Aufſicht und Wachſamkeit uͤber uns ſelbſt keine Unreinigkeit recht erkannt, viel- weniger abgethan wird. 12. Es iſt aber nicht genug, das Boͤſe abthun, ſondern noͤthig dabey im Guten zu wachſen, welches angezeiget wird durch die hinzu geſetzte Worte: Und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht GOttes. Wie denn beyderley Ubung von der Beſchaffenheit iſt, daß eine ohne die andere nicht ſeyn kan. Denn indem die Unreinigkeit erkannt und abge- than wird, in dem trit die Reinigkeit ein, o- der nimmt zu; und ſo oft ſie zu neuer Kraft koͤmmt, ſo oft wird dadurch die Unreinigkeit ver- ringert. 13. Die Heiligung fortſetzen, ἁγιωσύνην ἐπιτελει῀ν, die Heiligkeit vollenden, iſt durch Fortſetzung der Heiligung, als der Beſtrebung nach der Heiligkeit, dieſe in ſich mehr und mehr zu Stande bringen. Es heißt ſonſt den neuen Menſchen immer mehr und mehr anzie- hen; gleichwie jenes, ſich von den Befleckun- gen reinigen, genennet wird, den alten Men- ſchen ausziehen und ablegen Epheſ. 4, 22. ſeqq. Col. 3, 8. ſeqq. Und ſolcher geſtalt wird das Ebenbild GOttes in uns erneuret, und kommen wir immer naͤher zu dem vollkommnen Alter und Maſſe eines Mannes in Chriſto. Eph. 4, 13. ſeqq. 14. Wenn bey der Fortſetzung der Heili- gung der Furcht GOttes alſo gedacht wird, daß ſie geſchehen ſoll in der Furcht GOttes, ſo wird dadurch, wie leichtlich zu erachten, da von Kindern GOttes die Rede iſt, eine kindli- che Furcht verſtanden, welche der Suͤnde am nachdruͤcklichſten wehret. Denn vermoͤge der Furcht GOttes befindet ſich der Menſch in der lebendigen Vorſtellung der Allgegenwart GOttes. Kan nun die Gegenwart eines bloſ- ſen Menſchen, zumal eines ſolchen, deſſen Ge- genwart und exemplariſcher Wandel uns be- kant iſt, und einen ſonderlichen Eindruck giebt, uns von dieſer und jener Unanſtaͤndigkeit in Worten, Wercken und Geberden gar kraͤftig abhalten; was muß die Furcht vor den Augen des allerheiligſten GOttes nicht thun? Dar- auf fuͤhrete GOTT ſelbſt den Abraham in der Ermunterung zum Wachsthum im Guten, wenn G g g

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/445>, abgerufen am 27.11.2024.