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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 10.
[Spaltenumbruch] gnädigen Ausspruch unsers Heilandes zu über-
kommen suche, da er spricht: Ey du frommer
und getreuer Knecht, du bist über weni-
gem
(so zwar an sich selbst viel, aber doch in An-
sehung der himmlischen Gnaden-Belohnung we-
nig ist) getreu gewesen: ich will dich über
viel setzen: gehe ein zu deines HERRN
Freude.
Matth. 25, 21.
2. Wir haben bey diesem wichtigen Spru-
che folgende Stücke besonders wohl zu mercken:
den Richter, seinen Richtstuhl, die Offenba-
rung
aller Menschen vor demselben, und denn
den richterlichen Ausspruch zur Gnaden-Be-
lohnung und zur gerechten Bestrafung.
3. Der Richter ist der Sohn GOttes,
und zwar wie nach der von der göttlichen Natur
ihm zustehenden allerhöchsten Auctorität, also
nach der menschlichen Natur, nach welcher er im
Texte heißt CHristus, der Gesalbte. Denn
was er nach der Gottheit hat, das ist ihm nach
der Menschheit gegeben. Wie er selbst saget:
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel
und auf Erden.
Matth. 28, 18. dazu denn
sonderlich gehöret die Macht und Gewalt das
Gericht zu halten. Und bey dem Johanne c. 5,
27. Der Vater hat dem Sohn Macht ge-
geben, auch das Gericht zu halten, darum
daß er des Menschen Sohn ist:
der nemlich,
Vermöge seiner ob wol verklärten, doch wahr-
haftigen menschlichen Natur, den zu richtenden
sichtbaren Menschen sichtbar erscheinen kan. Er
ist demnach der Mann, durch welchen der Vater
beschlossen hat, auf einen gesetzten Gerichts-Tag
den Kreiß des Erdbodens mit Gerechtigkeit zu
richten. Ap. Gesch. 17, 31. So wenig nun seine
erste Zukunft auf das Gerichte ging, und so sehr
es auf die Erlösung angesehen war Joh. 3, 16.
seqq. so eigentlich kömmt ihm bey der andern Zu-
kunft das Gerichte zu.
4. Durch den Richter-Stuhl CHristi
wird mit einer von weltlichen hohen Gerich-
ten hergenommenen Redens-Art, CHristi rich-
terliche Majestät
und Macht verstanden.
Und ist demnach vor CHristi Richter-Stuhl ge-
stellet zu werden so viel, als vor CHisto dem Rich-
ter erscheinen. Da denn sein königlicher Ge-
richts-Thron gleichsam gebauet seyn wird aus
der Allwissenheit und Gerechtigkeit. Aus der
Allwissenheit, da er alles weiß, was alle und
iede Menschen zu allen und ieden Zeiten, an allen
und ieden Orten, innerlich und äusserlich, heim-
lich und offenbarlich mit Gedancken, Worten
und Wercken gethan haben, also, daß es gar kei-
ner Untersuchung gebrauchen, einem ieden Men-
schen es sein Gewissen auch selbst sagen wird.
Welche Allwissenheit GOttes unsers Heilandes
gewiß ein solches recht erstaunliches und unendli-
ches Meer ist, daran man ohne heilige Furcht und
Ehrerbietung nicht gedencken kan. Die Gerech-
tigkeit
aber giebt denn einen solchen Ausspruch,
wodurch einem ieden das Seinige, nach propor-
tion
seines Verhaltens, ohne alles Ansehen der
Person, zugesprochen wird. Daß aber kein na-
türlicher Tag zur Eröfnung und Haltung des Ge-
richts gemeinet sey, ist leichtlich zu erachten, und
auch aus der von menschlichen Gerichts-Tagen
[Spaltenumbruch] hergenommenen Redens-Art zu erkennen: da
bekant ist; daß dadurch auch wol gantze Zeiten
verstanden werden. Denn ob gleich unser Hei-
land seiner Allmacht nach das Gericht wohl in
einem Augenblick anfangen und zugleich vollen-
den könte; so wird er doch die Ubung solcher sei-
ner Allmacht der Weisheit nicht entgegen setzen,
als nach welcher er der Offenbarung seiner Herr-
lichkeit, auch der Beschaffenheit der Menschen,
viel anständiger und füglicher finden wird, zu
der gerichtlichen Handlung eine mehrere Zeit zu
nehmen; wie auch unter andern Matth. 25.
in unterschiedlichen Vorstellungen angezeiget
wird.
5. Die Offenbarung vor diesem Richter-
Stuhl hat die Auferweckung und Auferstehung
der Todten, und die geschehene Verwandelung
der lebendig erfundenen zum Grunde, und zeiget
an, nicht, als wenn CHristo alsdenn erst kund
werde, was eines ieden Beschaffenheit ist, son-
dern daß das Gericht werde öffentlich gehalten
werden vor allen Engeln und allen Menschen;
wie es denn auch der menschlichen Gerichte Ei-
genschaft ist, daß sie öffentlich gehalten werden,
um damit zu bezeugen, wie gerecht man verfahre,
und keines Menschen Urtheil dißfalls scheue.
Was wird das aber nicht für eine theils recht ent-
setzliche, theils recht erfreuliche Offenbarung, oder
offenbare Darstellung aller Menschen und aller
ihrer Wercke seyn, wenn da ans Licht gestellet
seyn wird so wol das Gute, welches alhier mit so
manches Menschen Unschuld nicht bekannt, oder
erkannt, sondern theils mit Fleiß von den Gläu-
bigen verborgen gehalten, theils aus Bosheit von
den Gottlosen mit so vielen falschen Beschuldi-
gungen und Lästerungen bedecket und unterdrü-
cket worden: als auch das Böse, welches entwe-
der gar nicht, oder doch den allerwenigsten ist
kund worden. O eine mächtige Offenbarung
der Unschuld zur Herrlichkeit und so mancher
verdeckten Sünden-Schuld zur ewigen Schmach
und Schande! davon Paulus spricht 1 Cor. 4,
5. Richtet nicht vor der Zeit, bis der HErr
komme, welcher auch wird ans Licht brin-
gen, was im Finstern verborgen ist, und
den Rath der Hertzen offenbaren
etc.
6. Der richterliche Ausspruch gehet
nun auf eine solche Vergeltung, welche den
Wercken gemäß ist. Da denn der grosse Un-
terscheid zu mercken ist, zwischen den guten und
bösen Wercken, so wol der innerlichen, die mit
Gedancken, Begierden und Rathschlüssen began-
gen werden, als der äusserlichen, so mit Worten,
Geberden und der übrigen würcklichen That ge-
schehen. Denn die guten Wercke kommen nicht
aus unsern eignen Kräften her, sondern GOTT
selbst hat uns dazu tüchtig gemacht; dazu sind
sie uns, unserer verpflichtesten Schuldigkeit nach,
anbefohlen, und dabey sehr unvollkommen, und
haben gar keine proportion zum Verdienste der
ewigen Herrlichkeit. Denn Wercke, welche diß
und das verdienen sollen, die müssen nicht allein
aus unsern eignen Kräften und von uns selbst ge-
schehen, sondern auch uns als keine schuldige
Pflichten auferleget seyn, und dazu eine Propor-
tion
haben gegen die Belohnung: welche sich
alhier
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 10.
[Spaltenumbruch] gnaͤdigen Ausſpruch unſers Heilandes zu uͤber-
kommen ſuche, da er ſpricht: Ey du frommer
und getreuer Knecht, du biſt uͤber weni-
gem
(ſo zwar an ſich ſelbſt viel, aber doch in An-
ſehung der himmliſchen Gnaden-Belohnung we-
nig iſt) getreu geweſen: ich will dich uͤber
viel ſetzen: gehe ein zu deines HERRN
Freude.
Matth. 25, 21.
2. Wir haben bey dieſem wichtigen Spru-
che folgende Stuͤcke beſonders wohl zu mercken:
den Richter, ſeinen Richtſtuhl, die Offenba-
rung
aller Menſchen vor demſelben, und denn
den richterlichen Ausſpruch zur Gnaden-Be-
lohnung und zur gerechten Beſtrafung.
3. Der Richter iſt der Sohn GOttes,
und zwar wie nach der von der goͤttlichen Natur
ihm zuſtehenden allerhoͤchſten Auctoritaͤt, alſo
nach der menſchlichen Natur, nach welcher er im
Texte heißt CHriſtus, der Geſalbte. Denn
was er nach der Gottheit hat, das iſt ihm nach
der Menſchheit gegeben. Wie er ſelbſt ſaget:
Mir iſt gegeben alle Gewalt im Himmel
und auf Erden.
Matth. 28, 18. dazu denn
ſonderlich gehoͤret die Macht und Gewalt das
Gericht zu halten. Und bey dem Johanne c. 5,
27. Der Vater hat dem Sohn Macht ge-
geben, auch das Gericht zu halten, darum
daß er des Menſchen Sohn iſt:
der nemlich,
Vermoͤge ſeiner ob wol verklaͤrten, doch wahr-
haftigen menſchlichen Natur, den zu richtenden
ſichtbaren Menſchen ſichtbar erſcheinen kan. Er
iſt demnach der Mann, durch welchen der Vater
beſchloſſen hat, auf einen geſetzten Gerichts-Tag
den Kreiß des Erdbodens mit Gerechtigkeit zu
richten. Ap. Geſch. 17, 31. So wenig nun ſeine
erſte Zukunft auf das Gerichte ging, und ſo ſehr
es auf die Erloͤſung angeſehen war Joh. 3, 16.
ſeqq. ſo eigentlich koͤmmt ihm bey der andern Zu-
kunft das Gerichte zu.
4. Durch den Richter-Stuhl CHriſti
wird mit einer von weltlichen hohen Gerich-
ten hergenommenen Redens-Art, CHriſti rich-
terliche Majeſtaͤt
und Macht verſtanden.
Und iſt demnach vor CHriſti Richter-Stuhl ge-
ſtellet zu werden ſo viel, als vor CHiſto dem Rich-
ter erſcheinen. Da denn ſein koͤniglicher Ge-
richts-Thron gleichſam gebauet ſeyn wird aus
der Allwiſſenheit und Gerechtigkeit. Aus der
Allwiſſenheit, da er alles weiß, was alle und
iede Menſchen zu allen und ieden Zeiten, an allen
und ieden Orten, innerlich und aͤuſſerlich, heim-
lich und offenbarlich mit Gedancken, Worten
und Wercken gethan haben, alſo, daß es gar kei-
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ſchen es ſein Gewiſſen auch ſelbſt ſagen wird.
Welche Allwiſſenheit GOttes unſers Heilandes
gewiß ein ſolches recht erſtaunliches und unendli-
ches Meer iſt, daran man ohne heilige Furcht und
Ehrerbietung nicht gedencken kan. Die Gerech-
tigkeit
aber giebt denn einen ſolchen Ausſpruch,
wodurch einem ieden das Seinige, nach propor-
tion
ſeines Verhaltens, ohne alles Anſehen der
Perſon, zugeſprochen wird. Daß aber kein na-
tuͤrlicher Tag zur Eroͤfnung und Haltung des Ge-
richts gemeinet ſey, iſt leichtlich zu erachten, und
auch aus der von menſchlichen Gerichts-Tagen
[Spaltenumbruch] hergenommenen Redens-Art zu erkennen: da
bekant iſt; daß dadurch auch wol gantze Zeiten
verſtanden werden. Denn ob gleich unſer Hei-
land ſeiner Allmacht nach das Gericht wohl in
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den koͤnte; ſo wird er doch die Ubung ſolcher ſei-
ner Allmacht der Weisheit nicht entgegen ſetzen,
als nach welcher er der Offenbarung ſeiner Herr-
lichkeit, auch der Beſchaffenheit der Menſchen,
viel anſtaͤndiger und fuͤglicher finden wird, zu
der gerichtlichen Handlung eine mehrere Zeit zu
nehmen; wie auch unter andern Matth. 25.
in unterſchiedlichen Vorſtellungen angezeiget
wird.
5. Die Offenbarung vor dieſem Richter-
Stuhl hat die Auferweckung und Auferſtehung
der Todten, und die geſchehene Verwandelung
der lebendig erfundenen zum Grunde, und zeiget
an, nicht, als wenn CHriſto alsdenn erſt kund
werde, was eines ieden Beſchaffenheit iſt, ſon-
dern daß das Gericht werde oͤffentlich gehalten
werden vor allen Engeln und allen Menſchen;
wie es denn auch der menſchlichen Gerichte Ei-
genſchaft iſt, daß ſie oͤffentlich gehalten werden,
um damit zu bezeugen, wie gerecht man verfahre,
und keines Menſchen Urtheil dißfalls ſcheue.
Was wird das aber nicht fuͤr eine theils recht ent-
ſetzliche, theils recht erfreuliche Offenbarung, oder
offenbare Darſtellung aller Menſchen und aller
ihrer Wercke ſeyn, wenn da ans Licht geſtellet
ſeyn wird ſo wol das Gute, welches alhier mit ſo
manches Menſchen Unſchuld nicht bekannt, oder
erkannt, ſondern theils mit Fleiß von den Glaͤu-
bigen verborgen gehalten, theils aus Bosheit von
den Gottloſen mit ſo vielen falſchen Beſchuldi-
gungen und Laͤſterungen bedecket und unterdruͤ-
cket worden: als auch das Boͤſe, welches entwe-
der gar nicht, oder doch den allerwenigſten iſt
kund worden. O eine maͤchtige Offenbarung
der Unſchuld zur Herrlichkeit und ſo mancher
verdeckten Suͤnden-Schuld zur ewigen Schmach
und Schande! davon Paulus ſpricht 1 Cor. 4,
5. Richtet nicht vor der Zeit, bis der HErr
komme, welcher auch wird ans Licht brin-
gen, was im Finſtern verborgen iſt, und
den Rath der Hertzen offenbaren
ꝛc.
6. Der richterliche Ausſpruch gehet
nun auf eine ſolche Vergeltung, welche den
Wercken gemaͤß iſt. Da denn der groſſe Un-
terſcheid zu mercken iſt, zwiſchen den guten und
boͤſen Wercken, ſo wol der innerlichen, die mit
Gedancken, Begierden und Rathſchluͤſſen began-
gen werden, als der aͤuſſerlichen, ſo mit Worten,
Geberden und der uͤbrigen wuͤrcklichen That ge-
ſchehen. Denn die guten Wercke kommen nicht
aus unſern eignen Kraͤften her, ſondern GOTT
ſelbſt hat uns dazu tuͤchtig gemacht; dazu ſind
ſie uns, unſerer verpflichteſten Schuldigkeit nach,
anbefohlen, und dabey ſehr unvollkommen, und
haben gar keine proportion zum Verdienſte der
ewigen Herrlichkeit. Denn Wercke, welche diß
und das verdienen ſollen, die muͤſſen nicht allein
aus unſern eignen Kraͤften und von uns ſelbſt ge-
ſchehen, ſondern auch uns als keine ſchuldige
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[386/0414] Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 10. gnaͤdigen Ausſpruch unſers Heilandes zu uͤber- kommen ſuche, da er ſpricht: Ey du frommer und getreuer Knecht, du biſt uͤber weni- gem (ſo zwar an ſich ſelbſt viel, aber doch in An- ſehung der himmliſchen Gnaden-Belohnung we- nig iſt) getreu geweſen: ich will dich uͤber viel ſetzen: gehe ein zu deines HERRN Freude. Matth. 25, 21. 2. Wir haben bey dieſem wichtigen Spru- che folgende Stuͤcke beſonders wohl zu mercken: den Richter, ſeinen Richtſtuhl, die Offenba- rung aller Menſchen vor demſelben, und denn den richterlichen Ausſpruch zur Gnaden-Be- lohnung und zur gerechten Beſtrafung. 3. Der Richter iſt der Sohn GOttes, und zwar wie nach der von der goͤttlichen Natur ihm zuſtehenden allerhoͤchſten Auctoritaͤt, alſo nach der menſchlichen Natur, nach welcher er im Texte heißt CHriſtus, der Geſalbte. Denn was er nach der Gottheit hat, das iſt ihm nach der Menſchheit gegeben. Wie er ſelbſt ſaget: Mir iſt gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Matth. 28, 18. dazu denn ſonderlich gehoͤret die Macht und Gewalt das Gericht zu halten. Und bey dem Johanne c. 5, 27. Der Vater hat dem Sohn Macht ge- geben, auch das Gericht zu halten, darum daß er des Menſchen Sohn iſt: der nemlich, Vermoͤge ſeiner ob wol verklaͤrten, doch wahr- haftigen menſchlichen Natur, den zu richtenden ſichtbaren Menſchen ſichtbar erſcheinen kan. Er iſt demnach der Mann, durch welchen der Vater beſchloſſen hat, auf einen geſetzten Gerichts-Tag den Kreiß des Erdbodens mit Gerechtigkeit zu richten. Ap. Geſch. 17, 31. So wenig nun ſeine erſte Zukunft auf das Gerichte ging, und ſo ſehr es auf die Erloͤſung angeſehen war Joh. 3, 16. ſeqq. ſo eigentlich koͤmmt ihm bey der andern Zu- kunft das Gerichte zu. 4. Durch den Richter-Stuhl CHriſti wird mit einer von weltlichen hohen Gerich- ten hergenommenen Redens-Art, CHriſti rich- terliche Majeſtaͤt und Macht verſtanden. Und iſt demnach vor CHriſti Richter-Stuhl ge- ſtellet zu werden ſo viel, als vor CHiſto dem Rich- ter erſcheinen. Da denn ſein koͤniglicher Ge- richts-Thron gleichſam gebauet ſeyn wird aus der Allwiſſenheit und Gerechtigkeit. Aus der Allwiſſenheit, da er alles weiß, was alle und iede Menſchen zu allen und ieden Zeiten, an allen und ieden Orten, innerlich und aͤuſſerlich, heim- lich und offenbarlich mit Gedancken, Worten und Wercken gethan haben, alſo, daß es gar kei- ner Unterſuchung gebrauchen, einem ieden Men- ſchen es ſein Gewiſſen auch ſelbſt ſagen wird. Welche Allwiſſenheit GOttes unſers Heilandes gewiß ein ſolches recht erſtaunliches und unendli- ches Meer iſt, daran man ohne heilige Furcht und Ehrerbietung nicht gedencken kan. Die Gerech- tigkeit aber giebt denn einen ſolchen Ausſpruch, wodurch einem ieden das Seinige, nach propor- tion ſeines Verhaltens, ohne alles Anſehen der Perſon, zugeſprochen wird. Daß aber kein na- tuͤrlicher Tag zur Eroͤfnung und Haltung des Ge- richts gemeinet ſey, iſt leichtlich zu erachten, und auch aus der von menſchlichen Gerichts-Tagen hergenommenen Redens-Art zu erkennen: da bekant iſt; daß dadurch auch wol gantze Zeiten verſtanden werden. Denn ob gleich unſer Hei- land ſeiner Allmacht nach das Gericht wohl in einem Augenblick anfangen und zugleich vollen- den koͤnte; ſo wird er doch die Ubung ſolcher ſei- ner Allmacht der Weisheit nicht entgegen ſetzen, als nach welcher er der Offenbarung ſeiner Herr- lichkeit, auch der Beſchaffenheit der Menſchen, viel anſtaͤndiger und fuͤglicher finden wird, zu der gerichtlichen Handlung eine mehrere Zeit zu nehmen; wie auch unter andern Matth. 25. in unterſchiedlichen Vorſtellungen angezeiget wird. 5. Die Offenbarung vor dieſem Richter- Stuhl hat die Auferweckung und Auferſtehung der Todten, und die geſchehene Verwandelung der lebendig erfundenen zum Grunde, und zeiget an, nicht, als wenn CHriſto alsdenn erſt kund werde, was eines ieden Beſchaffenheit iſt, ſon- dern daß das Gericht werde oͤffentlich gehalten werden vor allen Engeln und allen Menſchen; wie es denn auch der menſchlichen Gerichte Ei- genſchaft iſt, daß ſie oͤffentlich gehalten werden, um damit zu bezeugen, wie gerecht man verfahre, und keines Menſchen Urtheil dißfalls ſcheue. Was wird das aber nicht fuͤr eine theils recht ent- ſetzliche, theils recht erfreuliche Offenbarung, oder offenbare Darſtellung aller Menſchen und aller ihrer Wercke ſeyn, wenn da ans Licht geſtellet ſeyn wird ſo wol das Gute, welches alhier mit ſo manches Menſchen Unſchuld nicht bekannt, oder erkannt, ſondern theils mit Fleiß von den Glaͤu- bigen verborgen gehalten, theils aus Bosheit von den Gottloſen mit ſo vielen falſchen Beſchuldi- gungen und Laͤſterungen bedecket und unterdruͤ- cket worden: als auch das Boͤſe, welches entwe- der gar nicht, oder doch den allerwenigſten iſt kund worden. O eine maͤchtige Offenbarung der Unſchuld zur Herrlichkeit und ſo mancher verdeckten Suͤnden-Schuld zur ewigen Schmach und Schande! davon Paulus ſpricht 1 Cor. 4, 5. Richtet nicht vor der Zeit, bis der HErr komme, welcher auch wird ans Licht brin- gen, was im Finſtern verborgen iſt, und den Rath der Hertzen offenbaren ꝛc. 6. Der richterliche Ausſpruch gehet nun auf eine ſolche Vergeltung, welche den Wercken gemaͤß iſt. Da denn der groſſe Un- terſcheid zu mercken iſt, zwiſchen den guten und boͤſen Wercken, ſo wol der innerlichen, die mit Gedancken, Begierden und Rathſchluͤſſen began- gen werden, als der aͤuſſerlichen, ſo mit Worten, Geberden und der uͤbrigen wuͤrcklichen That ge- ſchehen. Denn die guten Wercke kommen nicht aus unſern eignen Kraͤften her, ſondern GOTT ſelbſt hat uns dazu tuͤchtig gemacht; dazu ſind ſie uns, unſerer verpflichteſten Schuldigkeit nach, anbefohlen, und dabey ſehr unvollkommen, und haben gar keine proportion zum Verdienſte der ewigen Herrlichkeit. Denn Wercke, welche diß und das verdienen ſollen, die muͤſſen nicht allein aus unſern eignen Kraͤften und von uns ſelbſt ge- ſchehen, ſondern auch uns als keine ſchuldige Pflichten auferleget ſeyn, und dazu eine Propor- tion haben gegen die Belohnung: welche ſich alhier

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/414>, abgerufen am 24.11.2024.