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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 5-7.
[Spaltenumbruch] 1, 22. Dazu die folgenden Stellen auch gehö-
ren Rom. 8, 16. 23. Eph. 1, 13. 4, 30.)

V. 6.

Wir sind aber (vermöge solches herrli-
chen Unterpfands, oder schon empfundenen
Vorschmacks, dadurch die Verheissungen in
uns so viel kräftiger werden,) getrost, (und
im Glauben gutes Muths,) allezeit, und
wissen
(aus eigner und lebendiger Erfahrung)
daß dieweil wir im Leibe wohnen, so wal-
len wir dem HERRN,
(ekdemou~men apo
tou~ kuriou, (wir sind noch Fremdlinge und noch
nicht bey GOTT im himmlischen Vaterlande,
ob wir gleich sonst durch den Glauben in der
wircklichen Vereinigung und Gemeinschaft mit
GOTT stehen.)

Anmerckungen.

1. Man sehe von dieser Pilgrimschaft der
Gläubigen folgende Stellen: 1 Chron. 30, 16. in
dem Danck-Gebete Davids: Wir sind
Fremdlinge und Gäste vor dir, wie unse-
re Väter alle. Unser Leben auf Erden
ist wie ein Schatten, und ist kein aufhal-
ten.
Siehe auch Psalm. 39, 13. 14. und Ps.
119, 19. Jch bin ein Gast auf Erden. Heb.
11, 13. 14. Diese alle (die Alt-Väter) sind
gestorben im Glauben - - und haben be-
kannt, daß sie Gäste und Fremdlinge auf
Erden sind - - die ein Vaterland suchen
etc.
Jmgleichen Phil. 3, 20. Unser Wandel
(politeuma, jura civitatis, das Bürger- oder
Stadt-Recht der beständigen Einwohnung) ist
im Himmel, von dannen wir auch war-
ten des Heilandes JESU CHristi des
HErrn
etc.

2. Der beste Erweis, daß man sich alhier
nur für einen Gast halte, und das himmlische
Vaterland mit Ernst suche, ist, wenn man die
Dinge dieser Welt verleugnet, und trachtet
nach dem, was droben ist. Col. 3, 1. 2. Auf
welche Pflicht die Ermahnung Petri gehet, wenn
er Epist. 1. c. 1, v. 11. saget: Lieben Brüder,
ich ermahne euch, als die Fremdlingen
und Pilgrimmen, enthaltet euch von den
fleischlichen Lüsten, welche wider die See-
le streiten.

V. 7.

Denn wir wandeln im Glauben, nicht
im Schauen.

Anmerckungen.
1. Die Connexion dieses Verses mit dem
vorhergehenden ist diese: Der Apostel hatte ge-
saget, daß er bey dem Leben in diesem Leibe
noch nicht daheim sey bey GOTT, sondern
noch ein Fremdling, der noch erst auf der Wan-
derschaft dahin begriffen sey. Dieses erweiset
und erläutert er nun damit, daß er das Leben
des Schauens von dem ietzigen Leben des Glau-
bensunterscheidet.
2. Jm Glauben wandeln heißt im Ge-
gensatz auf den Wandel im Schauen, so viel, als
nur noch die Erstlinge und den Vorschmack der
[Spaltenumbruch] Seligkeit haben, von dem völligen Genuß aber
sich durch den Glauben versichert halten, und
indessen, bis man dazu gelange, an der Ver-
heissung GOttes veste bleiben. Davon Pau-
lus sagt Rom. 8, 24. Wir sind wohl selig;
doch in der Hoffnung,
nemlich der völligen
Offenbarung, da das Schauen seyn wird.
3. Ob nun gleich dem Glauben das
Schauen entgegen stehet; so ist der Glaube des-
wegen doch ein göttliches Licht in der Seele,
welchem das sehen zukömmt, so viel die ietzige
Schwachheit in der Dunckelheit fassen kan.
Daß der Glaube ein göttliches Licht in der See-
le ist, davon sehe man unter andern den Ort
Joh. 6, 40. da unser Heyland spricht: Das ist
der Wille deß, der mich gesandt hat, daß
wer den Sohn siehet und glaubet an ihn, ha-
be das ewige Leben; und ich werde ihn
auferwecken am jüngsten Tage.
Siehe
auch c. 8, 56. und 1 Joh. 3, 6. Wer da (muth-
willig) sündiget, der hat GOTT nicht ge-
sehen, noch erkannt.
4. Jm Glauben, oder durch den Glau-
ben wandeln,
hat, ausser dem angezeigten
Gegensatz vom Schauen, vieles in sich und auf
sich. Denn es wird dabey zum Grunde gese-
tzet, daß man in der Ordnung wahrer Bekeh-
rung den Glauben überkommen habe. Und
gehöret so denn zum Leben im Glauben ein sol-
ches inniges und vertrauliches Anhangen an
GOTT, dadurch man zu allem guten kräftig-
lich gestärcket, oder dazu nicht weniger tüchtig
gemachet wird, als eine Rebe durch das an-
hangen und bleiben am Weinstocke. Joh. 15, 1.
seqq. Auf welche Art denn der Glaube gleich-
sam die rechte Mutter wird aller innerlichen und
äusserlichen guten Wercke, als Früchten des
Geistes. Ja niemand kan uns besser sagen,
was da heisse im Glauben leben, als Paulus
mit seinem Exempel, wenn er spricht Gal. 2,
20. Jch bin mit Christo gecreutziget. Jch
lebe aber; doch nun nicht ich, sondern
Christus lebet in mir. Denn was ich ietzt
lebe im Fleische, das lebe ich im Glauben
des Sohnes GOttes
etc. Ein mehrers von
solchem Leben werden wir hernach sehen im 15ten
Vers dieses gegenwärtigen Capitels.
5. Jm Leben des Schauens wird unser
vornehmstes Object seyn der Sohn GOttes in
seiner verklärten menschlichen Natur. Und
gleichwie wir darinnen die Majestät seiner ewi-
gen Gottheit zugleich mit beschauen werden; so
werden wir in ihm auch den mit derselben in der
Einigkeit des Wesens stehenden Vater und
Heiligen Geist sehen, und also GOtt schauen
von Angesicht zu Angesicht, wie er ist: 1 Cor.
13, 12. 1 Joh. 3, 2. Apoc. 22, 4. Da wird es
denn erst recht heissen: Wer mich siehet, der
siehet den Vater.
Joh. 14, 9.
6. Es reden zwar die Mystischen Scri-
benten vieles von dem beschaulichen Leben, vita
contemplativa,
und ist auch, in so fern sie es
recht verstehen, wohl gethan: allein unser hie-
siges Schauen ist doch nichts anders als ein Le-
ben des dunckeln Glaubens. Welches uns
auch genug seyn kan, da wir wissen, daß GOtt
im

Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 5-7.
[Spaltenumbruch] 1, 22. Dazu die folgenden Stellen auch gehoͤ-
ren Rom. 8, 16. 23. Eph. 1, 13. 4, 30.)

V. 6.

Wir ſind aber (vermoͤge ſolches herrli-
chen Unterpfands, oder ſchon empfundenen
Vorſchmacks, dadurch die Verheiſſungen in
uns ſo viel kraͤftiger werden,) getroſt, (und
im Glauben gutes Muths,) allezeit, und
wiſſen
(aus eigner und lebendiger Erfahrung)
daß dieweil wir im Leibe wohnen, ſo wal-
len wir dem HERRN,
(ἐκδημου῀μεν ἀπὸ
του῀ κυρίου, (wir ſind noch Fremdlinge und noch
nicht bey GOTT im himmliſchen Vaterlande,
ob wir gleich ſonſt durch den Glauben in der
wircklichen Vereinigung und Gemeinſchaft mit
GOTT ſtehen.)

Anmerckungen.

1. Man ſehe von dieſer Pilgrimſchaft der
Glaͤubigen folgende Stellen: 1 Chron. 30, 16. in
dem Danck-Gebete Davids: Wir ſind
Fremdlinge und Gaͤſte vor dir, wie unſe-
re Vaͤter alle. Unſer Leben auf Erden
iſt wie ein Schatten, und iſt kein aufhal-
ten.
Siehe auch Pſalm. 39, 13. 14. und Pſ.
119, 19. Jch bin ein Gaſt auf Erden. Heb.
11, 13. 14. Dieſe alle (die Alt-Vaͤter) ſind
geſtorben im Glauben ‒ ‒ und haben be-
kannt, daß ſie Gaͤſte und Fremdlinge auf
Erden ſind ‒ ‒ die ein Vaterland ſuchen
ꝛc.
Jmgleichen Phil. 3, 20. Unſer Wandel
(πολίτευμα, jura civitatis, das Buͤrger- oder
Stadt-Recht der beſtaͤndigen Einwohnung) iſt
im Himmel, von dannen wir auch war-
ten des Heilandes JESU CHriſti des
HErrn
ꝛc.

2. Der beſte Erweis, daß man ſich alhier
nur fuͤr einen Gaſt halte, und das himmliſche
Vaterland mit Ernſt ſuche, iſt, wenn man die
Dinge dieſer Welt verleugnet, und trachtet
nach dem, was droben iſt. Col. 3, 1. 2. Auf
welche Pflicht die Ermahnung Petri gehet, wenn
er Epiſt. 1. c. 1, v. 11. ſaget: Lieben Bruͤder,
ich ermahne euch, als die Fremdlingen
und Pilgrimmen, enthaltet euch von den
fleiſchlichen Luͤſten, welche wider die See-
le ſtreiten.

V. 7.

Denn wir wandeln im Glauben, nicht
im Schauen.

Anmerckungen.
1. Die Connexion dieſes Verſes mit dem
vorhergehenden iſt dieſe: Der Apoſtel hatte ge-
ſaget, daß er bey dem Leben in dieſem Leibe
noch nicht daheim ſey bey GOTT, ſondern
noch ein Fremdling, der noch erſt auf der Wan-
derſchaft dahin begriffen ſey. Dieſes erweiſet
und erlaͤutert er nun damit, daß er das Leben
des Schauens von dem ietzigen Leben des Glau-
bensunterſcheidet.
2. Jm Glauben wandeln heißt im Ge-
genſatz auf den Wandel im Schauen, ſo viel, als
nur noch die Erſtlinge und den Vorſchmack der
[Spaltenumbruch] Seligkeit haben, von dem voͤlligen Genuß aber
ſich durch den Glauben verſichert halten, und
indeſſen, bis man dazu gelange, an der Ver-
heiſſung GOttes veſte bleiben. Davon Pau-
lus ſagt Rom. 8, 24. Wir ſind wohl ſelig;
doch in der Hoffnung,
nemlich der voͤlligen
Offenbarung, da das Schauen ſeyn wird.
3. Ob nun gleich dem Glauben das
Schauen entgegen ſtehet; ſo iſt der Glaube des-
wegen doch ein goͤttliches Licht in der Seele,
welchem das ſehen zukoͤmmt, ſo viel die ietzige
Schwachheit in der Dunckelheit faſſen kan.
Daß der Glaube ein goͤttliches Licht in der See-
le iſt, davon ſehe man unter andern den Ort
Joh. 6, 40. da unſer Heyland ſpricht: Das iſt
der Wille deß, der mich geſandt hat, daß
wer den Sohn ſiehet und glaubet an ihn, ha-
be das ewige Leben; und ich werde ihn
auferwecken am juͤngſten Tage.
Siehe
auch c. 8, 56. und 1 Joh. 3, 6. Wer da (muth-
willig) ſuͤndiget, der hat GOTT nicht ge-
ſehen, noch erkannt.
4. Jm Glauben, oder durch den Glau-
ben wandeln,
hat, auſſer dem angezeigten
Gegenſatz vom Schauen, vieles in ſich und auf
ſich. Denn es wird dabey zum Grunde geſe-
tzet, daß man in der Ordnung wahrer Bekeh-
rung den Glauben uͤberkommen habe. Und
gehoͤret ſo denn zum Leben im Glauben ein ſol-
ches inniges und vertrauliches Anhangen an
GOTT, dadurch man zu allem guten kraͤftig-
lich geſtaͤrcket, oder dazu nicht weniger tuͤchtig
gemachet wird, als eine Rebe durch das an-
hangen und bleiben am Weinſtocke. Joh. 15, 1.
ſeqq. Auf welche Art denn der Glaube gleich-
ſam die rechte Mutter wird aller innerlichen und
aͤuſſerlichen guten Wercke, als Fruͤchten des
Geiſtes. Ja niemand kan uns beſſer ſagen,
was da heiſſe im Glauben leben, als Paulus
mit ſeinem Exempel, wenn er ſpricht Gal. 2,
20. Jch bin mit Chriſto gecreutziget. Jch
lebe aber; doch nun nicht ich, ſondern
Chriſtus lebet in mir. Denn was ich ietzt
lebe im Fleiſche, das lebe ich im Glauben
des Sohnes GOttes
ꝛc. Ein mehrers von
ſolchem Leben werden wir hernach ſehen im 15ten
Vers dieſes gegenwaͤrtigen Capitels.
5. Jm Leben des Schauens wird unſer
vornehmſtes Object ſeyn der Sohn GOttes in
ſeiner verklaͤrten menſchlichen Natur. Und
gleichwie wir darinnen die Majeſtaͤt ſeiner ewi-
gen Gottheit zugleich mit beſchauen werden; ſo
werden wir in ihm auch den mit derſelben in der
Einigkeit des Weſens ſtehenden Vater und
Heiligen Geiſt ſehen, und alſo GOtt ſchauen
von Angeſicht zu Angeſicht, wie er iſt: 1 Cor.
13, 12. 1 Joh. 3, 2. Apoc. 22, 4. Da wird es
denn erſt recht heiſſen: Wer mich ſiehet, der
ſiehet den Vater.
Joh. 14, 9.
6. Es reden zwar die Myſtiſchen Scri-
benten vieles von dem beſchaulichen Leben, vita
contemplativa,
und iſt auch, in ſo fern ſie es
recht verſtehen, wohl gethan: allein unſer hie-
ſiges Schauen iſt doch nichts anders als ein Le-
ben des dunckeln Glaubens. Welches uns
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[384/0412] Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 5-7. 1, 22. Dazu die folgenden Stellen auch gehoͤ- ren Rom. 8, 16. 23. Eph. 1, 13. 4, 30.) V. 6. Wir ſind aber (vermoͤge ſolches herrli- chen Unterpfands, oder ſchon empfundenen Vorſchmacks, dadurch die Verheiſſungen in uns ſo viel kraͤftiger werden,) getroſt, (und im Glauben gutes Muths,) allezeit, und wiſſen (aus eigner und lebendiger Erfahrung) daß dieweil wir im Leibe wohnen, ſo wal- len wir dem HERRN, (ἐκδημου῀μεν ἀπὸ του῀ κυρίου, (wir ſind noch Fremdlinge und noch nicht bey GOTT im himmliſchen Vaterlande, ob wir gleich ſonſt durch den Glauben in der wircklichen Vereinigung und Gemeinſchaft mit GOTT ſtehen.) Anmerckungen. 1. Man ſehe von dieſer Pilgrimſchaft der Glaͤubigen folgende Stellen: 1 Chron. 30, 16. in dem Danck-Gebete Davids: Wir ſind Fremdlinge und Gaͤſte vor dir, wie unſe- re Vaͤter alle. Unſer Leben auf Erden iſt wie ein Schatten, und iſt kein aufhal- ten. Siehe auch Pſalm. 39, 13. 14. und Pſ. 119, 19. Jch bin ein Gaſt auf Erden. Heb. 11, 13. 14. Dieſe alle (die Alt-Vaͤter) ſind geſtorben im Glauben ‒ ‒ und haben be- kannt, daß ſie Gaͤſte und Fremdlinge auf Erden ſind ‒ ‒ die ein Vaterland ſuchen ꝛc. Jmgleichen Phil. 3, 20. Unſer Wandel (πολίτευμα, jura civitatis, das Buͤrger- oder Stadt-Recht der beſtaͤndigen Einwohnung) iſt im Himmel, von dannen wir auch war- ten des Heilandes JESU CHriſti des HErrn ꝛc. 2. Der beſte Erweis, daß man ſich alhier nur fuͤr einen Gaſt halte, und das himmliſche Vaterland mit Ernſt ſuche, iſt, wenn man die Dinge dieſer Welt verleugnet, und trachtet nach dem, was droben iſt. Col. 3, 1. 2. Auf welche Pflicht die Ermahnung Petri gehet, wenn er Epiſt. 1. c. 1, v. 11. ſaget: Lieben Bruͤder, ich ermahne euch, als die Fremdlingen und Pilgrimmen, enthaltet euch von den fleiſchlichen Luͤſten, welche wider die See- le ſtreiten. V. 7. Denn wir wandeln im Glauben, nicht im Schauen. Anmerckungen. 1. Die Connexion dieſes Verſes mit dem vorhergehenden iſt dieſe: Der Apoſtel hatte ge- ſaget, daß er bey dem Leben in dieſem Leibe noch nicht daheim ſey bey GOTT, ſondern noch ein Fremdling, der noch erſt auf der Wan- derſchaft dahin begriffen ſey. Dieſes erweiſet und erlaͤutert er nun damit, daß er das Leben des Schauens von dem ietzigen Leben des Glau- bensunterſcheidet. 2. Jm Glauben wandeln heißt im Ge- genſatz auf den Wandel im Schauen, ſo viel, als nur noch die Erſtlinge und den Vorſchmack der Seligkeit haben, von dem voͤlligen Genuß aber ſich durch den Glauben verſichert halten, und indeſſen, bis man dazu gelange, an der Ver- heiſſung GOttes veſte bleiben. Davon Pau- lus ſagt Rom. 8, 24. Wir ſind wohl ſelig; doch in der Hoffnung, nemlich der voͤlligen Offenbarung, da das Schauen ſeyn wird. 3. Ob nun gleich dem Glauben das Schauen entgegen ſtehet; ſo iſt der Glaube des- wegen doch ein goͤttliches Licht in der Seele, welchem das ſehen zukoͤmmt, ſo viel die ietzige Schwachheit in der Dunckelheit faſſen kan. Daß der Glaube ein goͤttliches Licht in der See- le iſt, davon ſehe man unter andern den Ort Joh. 6, 40. da unſer Heyland ſpricht: Das iſt der Wille deß, der mich geſandt hat, daß wer den Sohn ſiehet und glaubet an ihn, ha- be das ewige Leben; und ich werde ihn auferwecken am juͤngſten Tage. Siehe auch c. 8, 56. und 1 Joh. 3, 6. Wer da (muth- willig) ſuͤndiget, der hat GOTT nicht ge- ſehen, noch erkannt. 4. Jm Glauben, oder durch den Glau- ben wandeln, hat, auſſer dem angezeigten Gegenſatz vom Schauen, vieles in ſich und auf ſich. Denn es wird dabey zum Grunde geſe- tzet, daß man in der Ordnung wahrer Bekeh- rung den Glauben uͤberkommen habe. Und gehoͤret ſo denn zum Leben im Glauben ein ſol- ches inniges und vertrauliches Anhangen an GOTT, dadurch man zu allem guten kraͤftig- lich geſtaͤrcket, oder dazu nicht weniger tuͤchtig gemachet wird, als eine Rebe durch das an- hangen und bleiben am Weinſtocke. Joh. 15, 1. ſeqq. Auf welche Art denn der Glaube gleich- ſam die rechte Mutter wird aller innerlichen und aͤuſſerlichen guten Wercke, als Fruͤchten des Geiſtes. Ja niemand kan uns beſſer ſagen, was da heiſſe im Glauben leben, als Paulus mit ſeinem Exempel, wenn er ſpricht Gal. 2, 20. Jch bin mit Chriſto gecreutziget. Jch lebe aber; doch nun nicht ich, ſondern Chriſtus lebet in mir. Denn was ich ietzt lebe im Fleiſche, das lebe ich im Glauben des Sohnes GOttes ꝛc. Ein mehrers von ſolchem Leben werden wir hernach ſehen im 15ten Vers dieſes gegenwaͤrtigen Capitels. 5. Jm Leben des Schauens wird unſer vornehmſtes Object ſeyn der Sohn GOttes in ſeiner verklaͤrten menſchlichen Natur. Und gleichwie wir darinnen die Majeſtaͤt ſeiner ewi- gen Gottheit zugleich mit beſchauen werden; ſo werden wir in ihm auch den mit derſelben in der Einigkeit des Weſens ſtehenden Vater und Heiligen Geiſt ſehen, und alſo GOtt ſchauen von Angeſicht zu Angeſicht, wie er iſt: 1 Cor. 13, 12. 1 Joh. 3, 2. Apoc. 22, 4. Da wird es denn erſt recht heiſſen: Wer mich ſiehet, der ſiehet den Vater. Joh. 14, 9. 6. Es reden zwar die Myſtiſchen Scri- benten vieles von dem beſchaulichen Leben, vita contemplativa, und iſt auch, in ſo fern ſie es recht verſtehen, wohl gethan: allein unſer hie- ſiges Schauen iſt doch nichts anders als ein Le- ben des dunckeln Glaubens. Welches uns auch genug ſeyn kan, da wir wiſſen, daß GOtt im

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/412>, abgerufen am 24.11.2024.