Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, 12-14. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
het, der verdunckelt bey sich und andern dieKlarheit des holden Angesichts CHristi im Ev- angelio nicht weniger, ja noch vielmehr, als der Mond bey dem neuen Lichte dem grössesten Theile nach verdunckelt bleibet. V. 13. Und thun nicht, wie Moses, der die Anmerckungen. 1. Bey der Decke Mosis, davon zuvor schon v. 7. gehandelt, haben wir auf zweyer- ley zu sehen; erstlich auf das, was damit dem äusserlichen Gebrauche nach vorgegangen; und denn auf das, welches dadurch ist vorgebil- det und angedeutet worden. 2. Dem äusserlichen Gebrauche nach dienete die Decke dazu, daß Moses vor die Kin- der Jsrael treten, und mit ihnen reden konte; da sonst sein unverdecktes Angesicht ihnen der grossen Klarheit wegen unerträglich war. 3. Der Vorbildung nach ist durch die Decke angezeiget die Beschaffenheit der dama- ligen Oeconomie. Denn ob gleich die Glau- bigen unter den Juden allerdinge zur seligma- chenden Erkäntniß des Meßiä und seines Reichs gelangen konten, und der Rath GOttes von dem Grunde und von der Ordnung unserer Se- lichkeit in so weit nicht verdecket, sondern deut- lich genug vorgestellet war: so war doch noch in Vergleichung derjenigen Aufdeckung und Aufklärung, welche in Christo zur Zeit der Ev- angelischen Oeconomie geschehen ist, gleichsam eine grosse Decke davor gezogen, sonderlich in dem vielen Schatten-Wercke und Vorbil- dern. 4. Und auf diesen geheimen Verstand sie- het Paulus, wenn er von dem Ende redet deß, das da aufhöret, welches die Kinder Jsrael nicht recht an- und einsehen, und noch vielweniger durchschauen können; wie hinge- gen uns Christen es gegeben ist Jac. 1, 25. und wenn er dabey bezeuget, daß er nicht, wie Moses, eine Decke vorlege. 5. To katargou'menon, das da aufhöret, oder abgethan werden solte, und würcklich ab- gethan ist, das ist die alte Oeconomie, welche unter Mose aufgerichtet worden. To telos, das Ende, der Haupt-Jnnhalt, und der Zweck derselben war CHristus; als dessen Nothwen- digkeit das Gesetz mit seiner gestrengen Forde- rung, und dessen vortrefliche Nutzbarkeit das Levitische Schatten-Werck mit seinen Vorbil- dern anzeigen solte. Wie denn auch CHristus daher heißt telos ou`~ nomou, das Ende des Gesetzes, zur Gerechtigkeit einem ieden Gläubigen Rom. 10, 4. Das Ende, das Ziel, über welches das Gesetz nicht gehet, da es in ihm seinen Zweck, Erfüllung und Endschaft erreichet; und zwar das Moral-Gesetze, da uns CHristus durch seine Erfüllung von dem Fluche und Zwange desselben dergestalt erlöset hat, daß er uns neue Kräfte mittheilet, und durch die- [Spaltenumbruch] selben es gleichsam in unser Hertz schreibet, daß wir, ob zwar noch in vieler Unvollkommenheit, doch aller Willigkeit, Treue nnd Aufrichtig- keit nach demselben einher gehen. Auch das Ceremonial Gesetze hat seine Endschaft in CHri- sto damit erreichet, daß er alles solches Schat- ten-Werck der Realität nach in und an sich selbst dargestellet, und damit abgethan, auch damit diejenige Decke hinweggenommen von der Erkäntniß seiner Person und seines Amts, auch gedoppelten Standes und Reichs, welche den Jüden, auch den Gläubigen selbst, noch vor den Augen hing. Siehe auch Gal. 4, 23. 24. 6. Wenn nun Paulus saget, er bediene sich nicht der Mosaischen Decke, so ist es so viel, als sagte er: ich führe mit meinem Amte weder also auf das Moral-Gesetze, daß man durch eigne Gerechtigkeit nach demselben seine Seligkeit su- chen solle; noch auf das Ceremonial-Gesetze also, daß man daran noch gebunden sey; son- dern ich trage ein solches Evangelium vor, wor- innen mit klarer Erkäntniß des Meßiä bey des sei- ne Endschaft auf gedachte Art erhält. V. 14. Sondern ihre Sinne sind verstocket. Anmerckungen. 1. Der Apostel kömmt von der alten Jü- dischen Nation auf das Volck, welches zu seinen Zeiten war, und gröstentheils sich dergestalt an CHristo ärgerte, daß es ihn gar verwarf. Was nun von jenem Volcke von einer äusserlichen Decke zu verstehen war, das appliciret er auf die innerliche und geistliche: da er denn von der Decke, die Moses vor seinem Angesicht ge- habt, kömmt auf diejenige, welche die ungläu- bigen Jsraeliten geistlicher Weise vor ihr Gesicht, oder Hertze hatten. 2. Die Verstockung der Sinne, ton noematon, der innern Sinne, oder Seelen- Kräfte, war eben die Decke der unglaubigen Juden zu CHristi und Pauli Zeiten; und be- stunde sie überhaubt im beharrlichen und muth- willigen Unglauben, und also nach dem Ver- stande in einer mit vielen Jrthümern verknüpften sehr grossen geistlichen Blindheit; nach dem Willen in einer grossen Härtigkeit, Abkehr und Widerstrebung gegen CHristum und sein Evangelium: und also lagen sie bey dem Unglau- ben in der Finsterniß und im geistlichen Tode; gleichwie der Glaube ein geistliches Licht und Le- ben in der Seele ist. 3. Da Paulus vorher v. 6. die gantze Mo- saische Einrichtung der Jüdischen Kirche das Amt des Buchstabens, und also auch vermö- ge des Gegensatzes vom neuen Testament das alte Testament genennet hatte, so nennet er alhie die Schriften Mosis und der Prophe- ten, A a a 2
Cap. 3, 12-14. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
het, der verdunckelt bey ſich und andern dieKlarheit des holden Angeſichts CHriſti im Ev- angelio nicht weniger, ja noch vielmehr, als der Mond bey dem neuen Lichte dem groͤſſeſten Theile nach verdunckelt bleibet. V. 13. Und thun nicht, wie Moſes, der die Anmerckungen. 1. Bey der Decke Moſis, davon zuvor ſchon v. 7. gehandelt, haben wir auf zweyer- ley zu ſehen; erſtlich auf das, was damit dem aͤuſſerlichen Gebrauche nach vorgegangen; und denn auf das, welches dadurch iſt vorgebil- det und angedeutet worden. 2. Dem aͤuſſerlichen Gebrauche nach dienete die Decke dazu, daß Moſes vor die Kin- der Jſrael treten, und mit ihnen reden konte; da ſonſt ſein unverdecktes Angeſicht ihnen der groſſen Klarheit wegen unertraͤglich war. 3. Der Vorbildung nach iſt durch die Decke angezeiget die Beſchaffenheit der dama- ligen Oeconomie. Denn ob gleich die Glau- bigen unter den Juden allerdinge zur ſeligma- chenden Erkaͤntniß des Meßiaͤ und ſeines Reichs gelangen konten, und der Rath GOttes von dem Grunde und von der Ordnung unſerer Se- lichkeit in ſo weit nicht verdecket, ſondern deut- lich genug vorgeſtellet war: ſo war doch noch in Vergleichung derjenigen Aufdeckung und Aufklaͤrung, welche in Chriſto zur Zeit der Ev- angeliſchen Oeconomie geſchehen iſt, gleichſam eine groſſe Decke davor gezogen, ſonderlich in dem vielen Schatten-Wercke und Vorbil- dern. 4. Und auf dieſen geheimen Verſtand ſie- het Paulus, wenn er von dem Ende redet deß, das da aufhoͤret, welches die Kinder Jſrael nicht recht an- und einſehen, und noch vielweniger durchſchauen koͤnnen; wie hinge- gen uns Chriſten es gegeben iſt Jac. 1, 25. und wenn er dabey bezeuget, daß er nicht, wie Moſes, eine Decke vorlege. 5. Τὸ καταργου᾽μενον, das da aufhoͤret, oder abgethan werden ſolte, und wuͤrcklich ab- gethan iſt, das iſt die alte Oeconomie, welche unter Moſe aufgerichtet worden. Τό τέλος, das Ende, der Haupt-Jnnhalt, und der Zweck derſelben war CHriſtus; als deſſen Nothwen- digkeit das Geſetz mit ſeiner geſtrengen Forde- rung, und deſſen vortrefliche Nutzbarkeit das Levitiſche Schatten-Werck mit ſeinen Vorbil- dern anzeigen ſolte. Wie denn auch CHriſtus daher heißt τέλος ου῟ νόμου, das Ende des Geſetzes, zur Gerechtigkeit einem ieden Glaͤubigen Rom. 10, 4. Das Ende, das Ziel, uͤber welches das Geſetz nicht gehet, da es in ihm ſeinen Zweck, Erfuͤllung und Endſchaft erreichet; und zwar das Moral-Geſetze, da uns CHriſtus durch ſeine Erfuͤllung von dem Fluche und Zwange deſſelben dergeſtalt erloͤſet hat, daß er uns neue Kraͤfte mittheilet, und durch die- [Spaltenumbruch] ſelben es gleichſam in unſer Hertz ſchreibet, daß wir, ob zwar noch in vieler Unvollkommenheit, doch aller Willigkeit, Treue nnd Aufrichtig- keit nach demſelben einher gehen. Auch das Ceremonial Geſetze hat ſeine Endſchaft in CHri- ſto damit erreichet, daß er alles ſolches Schat- ten-Werck der Realitaͤt nach in und an ſich ſelbſt dargeſtellet, und damit abgethan, auch damit diejenige Decke hinweggenommen von der Erkaͤntniß ſeiner Perſon und ſeines Amts, auch gedoppelten Standes und Reichs, welche den Juͤden, auch den Glaͤubigen ſelbſt, noch vor den Augen hing. Siehe auch Gal. 4, 23. 24. 6. Wenn nun Paulus ſaget, er bediene ſich nicht der Moſaiſchen Decke, ſo iſt es ſo viel, als ſagte er: ich fuͤhre mit meinem Amte weder alſo auf das Moral-Geſetze, daß man durch eigne Gerechtigkeit nach demſelben ſeine Seligkeit ſu- chen ſolle; noch auf das Ceremonial-Geſetze alſo, daß man daran noch gebunden ſey; ſon- dern ich trage ein ſolches Evangelium vor, wor- innen mit klarer Erkaͤntniß des Meßiaͤ bey des ſei- ne Endſchaft auf gedachte Art erhaͤlt. V. 14. Sondern ihre Sinne ſind verſtocket. Anmerckungen. 1. Der Apoſtel koͤmmt von der alten Juͤ- diſchen Nation auf das Volck, welches zu ſeinen Zeiten war, und groͤſtentheils ſich dergeſtalt an CHriſto aͤrgerte, daß es ihn gar verwarf. Was nun von jenem Volcke von einer aͤuſſerlichen Decke zu verſtehen war, das appliciret er auf die innerliche und geiſtliche: da er denn von der Decke, die Moſes vor ſeinem Angeſicht ge- habt, koͤmmt auf diejenige, welche die unglaͤu- bigen Jſraeliten geiſtlicher Weiſe vor ihr Geſicht, oder Hertze hatten. 2. Die Verſtockung der Sinne, τῶν νοημάτων, der innern Sinne, oder Seelen- Kraͤfte, war eben die Decke der unglaubigen Juden zu CHriſti und Pauli Zeiten; und be- ſtunde ſie uͤberhaubt im beharrlichen und muth- willigen Unglauben, und alſo nach dem Ver- ſtande in einer mit vielen Jrthuͤmern verknuͤpften ſehr groſſen geiſtlichen Blindheit; nach dem Willen in einer groſſen Haͤrtigkeit, Abkehr und Widerſtrebung gegen CHriſtum und ſein Evangelium: und alſo lagen ſie bey dem Unglau- ben in der Finſterniß und im geiſtlichen Tode; gleichwie der Glaube ein geiſtliches Licht und Le- ben in der Seele iſt. 3. Da Paulus vorher v. 6. die gantze Mo- ſaiſche Einrichtung der Juͤdiſchen Kirche das Amt des Buchſtabens, und alſo auch vermoͤ- ge des Gegenſatzes vom neuen Teſtament das alte Teſtament genennet hatte, ſo nennet er alhie die Schriften Moſis und der Prophe- ten, A a a 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0399" n="371"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3, 12-14. an die Corinthier.</hi></fw><lb/><cb/> het, der verdunckelt bey ſich und andern die<lb/> Klarheit des holden Angeſichts CHriſti im Ev-<lb/> angelio nicht weniger, ja noch vielmehr, als<lb/> der Mond bey dem neuen Lichte dem groͤſſeſten<lb/> Theile nach verdunckelt bleibet.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 13.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Und thun nicht, wie Moſes, der die<lb/> Decke vor ſein Angeſicht hing, daß die<lb/> Kinder Jſrael nicht anſehen konten, das<lb/> Ende des, der</hi> (oder das) <hi rendition="#fr">aufhoͤret.</hi></p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Bey der <hi rendition="#fr">Decke Moſis,</hi> davon zuvor<lb/> ſchon v. 7. gehandelt, haben wir auf <hi rendition="#fr">zweyer-<lb/> ley</hi> zu ſehen; erſtlich auf das, was damit dem<lb/> aͤuſſerlichen Gebrauche nach vorgegangen; und<lb/> denn auf das, welches dadurch iſt vorgebil-<lb/> det und angedeutet worden.</item><lb/> <item>2. Dem <hi rendition="#fr">aͤuſſerlichen Gebrauche</hi> nach<lb/> dienete die Decke dazu, daß Moſes vor die Kin-<lb/> der Jſrael treten, und mit ihnen reden konte;<lb/> da ſonſt ſein unverdecktes Angeſicht ihnen der<lb/> groſſen Klarheit wegen unertraͤglich war.</item><lb/> <item>3. Der <hi rendition="#fr">Vorbildung</hi> nach iſt durch die<lb/> Decke angezeiget die Beſchaffenheit der dama-<lb/> ligen <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e. Denn ob gleich die Glau-<lb/> bigen unter den Juden allerdinge zur ſeligma-<lb/> chenden Erkaͤntniß des Meßiaͤ und ſeines Reichs<lb/> gelangen konten, und der Rath GOttes von<lb/> dem Grunde und von der Ordnung unſerer Se-<lb/> lichkeit in ſo weit nicht verdecket, ſondern deut-<lb/> lich genug vorgeſtellet war: ſo war doch noch<lb/> in Vergleichung derjenigen Aufdeckung und<lb/> Aufklaͤrung, welche in Chriſto zur Zeit der Ev-<lb/> angeliſchen <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e geſchehen iſt, gleichſam<lb/> eine groſſe Decke davor gezogen, ſonderlich in<lb/> dem vielen Schatten-Wercke und Vorbil-<lb/> dern.</item><lb/> <item>4. Und auf dieſen geheimen Verſtand ſie-<lb/> het Paulus, wenn er <hi rendition="#fr">von dem Ende redet<lb/> deß, das da aufhoͤret,</hi> welches die Kinder<lb/> Jſrael nicht recht an- und einſehen, und noch<lb/> vielweniger durchſchauen koͤnnen; wie hinge-<lb/> gen uns Chriſten es gegeben iſt Jac. 1, 25. und<lb/> wenn er dabey bezeuget, daß er nicht, wie Moſes,<lb/> eine Decke vorlege.</item><lb/> <item>5. Τὸ καταργου᾽μενον, <hi rendition="#fr">das da aufhoͤret,</hi><lb/> oder abgethan werden ſolte, und wuͤrcklich ab-<lb/> gethan iſt, das iſt die <hi rendition="#fr">alte</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Oeconomi</hi></hi><hi rendition="#fr">e,</hi> welche<lb/> unter Moſe aufgerichtet worden. Τό τέλος,<lb/> das Ende, der Haupt-Jnnhalt, und der Zweck<lb/> derſelben war CHriſtus; als deſſen Nothwen-<lb/> digkeit das Geſetz mit ſeiner geſtrengen Forde-<lb/> rung, und deſſen vortrefliche Nutzbarkeit das<lb/> Levitiſche Schatten-Werck mit ſeinen Vorbil-<lb/> dern anzeigen ſolte. Wie denn auch CHriſtus<lb/> daher heißt τέλος ου῟ νόμου, <hi rendition="#fr">das Ende des<lb/> Geſetzes, zur Gerechtigkeit einem ieden<lb/> Glaͤubigen</hi> Rom. 10, 4. Das Ende, das<lb/> Ziel, uͤber welches das Geſetz nicht gehet, da es<lb/> in ihm ſeinen Zweck, Erfuͤllung und Endſchaft<lb/> erreichet; und zwar das Moral-Geſetze, da uns<lb/> CHriſtus durch ſeine Erfuͤllung von dem Fluche<lb/> und Zwange deſſelben dergeſtalt erloͤſet hat, daß<lb/> er uns neue Kraͤfte mittheilet, und durch die-<lb/><cb/> ſelben es gleichſam in unſer Hertz ſchreibet, daß<lb/> wir, ob zwar noch in vieler Unvollkommenheit,<lb/> doch aller Willigkeit, Treue nnd Aufrichtig-<lb/> keit nach demſelben einher gehen. Auch das<lb/><hi rendition="#aq">Ceremonial</hi> Geſetze hat ſeine Endſchaft in CHri-<lb/> ſto damit erreichet, daß er alles ſolches Schat-<lb/> ten-Werck der <hi rendition="#aq">Realit</hi>aͤt nach in und an ſich ſelbſt<lb/> dargeſtellet, und damit abgethan, auch damit<lb/> diejenige Decke hinweggenommen von der<lb/> Erkaͤntniß ſeiner Perſon und ſeines Amts, auch<lb/> gedoppelten Standes und Reichs, welche den<lb/> Juͤden, auch den Glaͤubigen ſelbſt, noch vor den<lb/> Augen hing. Siehe auch Gal. 4, 23. 24.</item><lb/> <item>6. Wenn nun Paulus ſaget, er bediene<lb/> ſich nicht der Moſaiſchen Decke, ſo iſt es ſo viel,<lb/> als ſagte er: ich fuͤhre mit meinem Amte weder<lb/> alſo auf das Moral-Geſetze, daß man durch eigne<lb/> Gerechtigkeit nach demſelben ſeine Seligkeit ſu-<lb/> chen ſolle; noch auf das <hi rendition="#aq">Ceremonial-</hi>Geſetze<lb/> alſo, daß man daran noch gebunden ſey; ſon-<lb/> dern ich trage ein ſolches Evangelium vor, wor-<lb/> innen mit klarer Erkaͤntniß des Meßiaͤ bey des ſei-<lb/> ne Endſchaft auf gedachte Art erhaͤlt.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 14.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Sondern ihre Sinne ſind verſtocket.<lb/> Denn bis auf den heutigen Tag bleibet die-<lb/> ſelbe Decke unaufgedecket uͤber dem alten<lb/> Teſtament</hi> (die Buͤcher Moſis und der Pro-<lb/> pheten) <hi rendition="#fr">wenn ſie es leſen</hi> (wie auf alle Sabba-<lb/> te in ihren Synagogen, alſo auch daheim in ih-<lb/> ren Haͤuſern) <hi rendition="#fr">welche in CHriſto aufhoͤret.</hi></p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Der Apoſtel koͤmmt von der alten Juͤ-<lb/> diſchen <hi rendition="#aq">Nation</hi> auf das Volck, welches zu ſeinen<lb/> Zeiten war, und groͤſtentheils ſich dergeſtalt an<lb/> CHriſto aͤrgerte, daß es ihn gar verwarf. Was<lb/> nun von jenem Volcke von einer <hi rendition="#fr">aͤuſſerlichen<lb/> Decke</hi> zu verſtehen war, das <hi rendition="#aq">applici</hi>ret er auf<lb/> die <hi rendition="#fr">innerliche</hi> und <hi rendition="#fr">geiſtliche:</hi> da er denn von<lb/> der Decke, die Moſes vor ſeinem Angeſicht ge-<lb/> habt, koͤmmt auf diejenige, welche die unglaͤu-<lb/> bigen Jſraeliten geiſtlicher Weiſe vor ihr Geſicht,<lb/> oder Hertze hatten.</item><lb/> <item>2. Die <hi rendition="#fr">Verſtockung der Sinne,</hi> τῶν<lb/> νοημάτων, der innern Sinne, oder Seelen-<lb/> Kraͤfte, war eben die Decke der unglaubigen<lb/> Juden zu CHriſti und Pauli Zeiten; und be-<lb/> ſtunde ſie uͤberhaubt im beharrlichen und muth-<lb/> willigen Unglauben, und alſo nach dem <hi rendition="#fr">Ver-<lb/> ſtande</hi> in einer mit vielen Jrthuͤmern verknuͤpften<lb/> ſehr groſſen geiſtlichen Blindheit; nach dem<lb/><hi rendition="#fr">Willen</hi> in einer groſſen Haͤrtigkeit, Abkehr<lb/> und Widerſtrebung gegen CHriſtum und ſein<lb/> Evangelium: und alſo lagen ſie bey dem Unglau-<lb/> ben in der Finſterniß und im geiſtlichen Tode;<lb/> gleichwie der Glaube ein geiſtliches Licht und Le-<lb/> ben in der Seele iſt.</item><lb/> <item>3. Da Paulus vorher v. 6. die gantze Mo-<lb/> ſaiſche Einrichtung der Juͤdiſchen Kirche das<lb/><hi rendition="#fr">Amt</hi> des <hi rendition="#fr">Buchſtabens,</hi> und alſo auch vermoͤ-<lb/> ge des Gegenſatzes vom neuen Teſtament das<lb/><hi rendition="#fr">alte Teſtament</hi> genennet hatte, ſo nennet er<lb/> alhie die <hi rendition="#fr">Schriften Moſis und der Prophe-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">A a a 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ten,</hi></fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [371/0399]
Cap. 3, 12-14. an die Corinthier.
het, der verdunckelt bey ſich und andern die
Klarheit des holden Angeſichts CHriſti im Ev-
angelio nicht weniger, ja noch vielmehr, als
der Mond bey dem neuen Lichte dem groͤſſeſten
Theile nach verdunckelt bleibet.
V. 13.
Und thun nicht, wie Moſes, der die
Decke vor ſein Angeſicht hing, daß die
Kinder Jſrael nicht anſehen konten, das
Ende des, der (oder das) aufhoͤret.
Anmerckungen.
1. Bey der Decke Moſis, davon zuvor
ſchon v. 7. gehandelt, haben wir auf zweyer-
ley zu ſehen; erſtlich auf das, was damit dem
aͤuſſerlichen Gebrauche nach vorgegangen; und
denn auf das, welches dadurch iſt vorgebil-
det und angedeutet worden.
2. Dem aͤuſſerlichen Gebrauche nach
dienete die Decke dazu, daß Moſes vor die Kin-
der Jſrael treten, und mit ihnen reden konte;
da ſonſt ſein unverdecktes Angeſicht ihnen der
groſſen Klarheit wegen unertraͤglich war.
3. Der Vorbildung nach iſt durch die
Decke angezeiget die Beſchaffenheit der dama-
ligen Oeconomie. Denn ob gleich die Glau-
bigen unter den Juden allerdinge zur ſeligma-
chenden Erkaͤntniß des Meßiaͤ und ſeines Reichs
gelangen konten, und der Rath GOttes von
dem Grunde und von der Ordnung unſerer Se-
lichkeit in ſo weit nicht verdecket, ſondern deut-
lich genug vorgeſtellet war: ſo war doch noch
in Vergleichung derjenigen Aufdeckung und
Aufklaͤrung, welche in Chriſto zur Zeit der Ev-
angeliſchen Oeconomie geſchehen iſt, gleichſam
eine groſſe Decke davor gezogen, ſonderlich in
dem vielen Schatten-Wercke und Vorbil-
dern.
4. Und auf dieſen geheimen Verſtand ſie-
het Paulus, wenn er von dem Ende redet
deß, das da aufhoͤret, welches die Kinder
Jſrael nicht recht an- und einſehen, und noch
vielweniger durchſchauen koͤnnen; wie hinge-
gen uns Chriſten es gegeben iſt Jac. 1, 25. und
wenn er dabey bezeuget, daß er nicht, wie Moſes,
eine Decke vorlege.
5. Τὸ καταργου᾽μενον, das da aufhoͤret,
oder abgethan werden ſolte, und wuͤrcklich ab-
gethan iſt, das iſt die alte Oeconomie, welche
unter Moſe aufgerichtet worden. Τό τέλος,
das Ende, der Haupt-Jnnhalt, und der Zweck
derſelben war CHriſtus; als deſſen Nothwen-
digkeit das Geſetz mit ſeiner geſtrengen Forde-
rung, und deſſen vortrefliche Nutzbarkeit das
Levitiſche Schatten-Werck mit ſeinen Vorbil-
dern anzeigen ſolte. Wie denn auch CHriſtus
daher heißt τέλος ου῟ νόμου, das Ende des
Geſetzes, zur Gerechtigkeit einem ieden
Glaͤubigen Rom. 10, 4. Das Ende, das
Ziel, uͤber welches das Geſetz nicht gehet, da es
in ihm ſeinen Zweck, Erfuͤllung und Endſchaft
erreichet; und zwar das Moral-Geſetze, da uns
CHriſtus durch ſeine Erfuͤllung von dem Fluche
und Zwange deſſelben dergeſtalt erloͤſet hat, daß
er uns neue Kraͤfte mittheilet, und durch die-
ſelben es gleichſam in unſer Hertz ſchreibet, daß
wir, ob zwar noch in vieler Unvollkommenheit,
doch aller Willigkeit, Treue nnd Aufrichtig-
keit nach demſelben einher gehen. Auch das
Ceremonial Geſetze hat ſeine Endſchaft in CHri-
ſto damit erreichet, daß er alles ſolches Schat-
ten-Werck der Realitaͤt nach in und an ſich ſelbſt
dargeſtellet, und damit abgethan, auch damit
diejenige Decke hinweggenommen von der
Erkaͤntniß ſeiner Perſon und ſeines Amts, auch
gedoppelten Standes und Reichs, welche den
Juͤden, auch den Glaͤubigen ſelbſt, noch vor den
Augen hing. Siehe auch Gal. 4, 23. 24.
6. Wenn nun Paulus ſaget, er bediene
ſich nicht der Moſaiſchen Decke, ſo iſt es ſo viel,
als ſagte er: ich fuͤhre mit meinem Amte weder
alſo auf das Moral-Geſetze, daß man durch eigne
Gerechtigkeit nach demſelben ſeine Seligkeit ſu-
chen ſolle; noch auf das Ceremonial-Geſetze
alſo, daß man daran noch gebunden ſey; ſon-
dern ich trage ein ſolches Evangelium vor, wor-
innen mit klarer Erkaͤntniß des Meßiaͤ bey des ſei-
ne Endſchaft auf gedachte Art erhaͤlt.
V. 14.
Sondern ihre Sinne ſind verſtocket.
Denn bis auf den heutigen Tag bleibet die-
ſelbe Decke unaufgedecket uͤber dem alten
Teſtament (die Buͤcher Moſis und der Pro-
pheten) wenn ſie es leſen (wie auf alle Sabba-
te in ihren Synagogen, alſo auch daheim in ih-
ren Haͤuſern) welche in CHriſto aufhoͤret.
Anmerckungen.
1. Der Apoſtel koͤmmt von der alten Juͤ-
diſchen Nation auf das Volck, welches zu ſeinen
Zeiten war, und groͤſtentheils ſich dergeſtalt an
CHriſto aͤrgerte, daß es ihn gar verwarf. Was
nun von jenem Volcke von einer aͤuſſerlichen
Decke zu verſtehen war, das appliciret er auf
die innerliche und geiſtliche: da er denn von
der Decke, die Moſes vor ſeinem Angeſicht ge-
habt, koͤmmt auf diejenige, welche die unglaͤu-
bigen Jſraeliten geiſtlicher Weiſe vor ihr Geſicht,
oder Hertze hatten.
2. Die Verſtockung der Sinne, τῶν
νοημάτων, der innern Sinne, oder Seelen-
Kraͤfte, war eben die Decke der unglaubigen
Juden zu CHriſti und Pauli Zeiten; und be-
ſtunde ſie uͤberhaubt im beharrlichen und muth-
willigen Unglauben, und alſo nach dem Ver-
ſtande in einer mit vielen Jrthuͤmern verknuͤpften
ſehr groſſen geiſtlichen Blindheit; nach dem
Willen in einer groſſen Haͤrtigkeit, Abkehr
und Widerſtrebung gegen CHriſtum und ſein
Evangelium: und alſo lagen ſie bey dem Unglau-
ben in der Finſterniß und im geiſtlichen Tode;
gleichwie der Glaube ein geiſtliches Licht und Le-
ben in der Seele iſt.
3. Da Paulus vorher v. 6. die gantze Mo-
ſaiſche Einrichtung der Juͤdiſchen Kirche das
Amt des Buchſtabens, und alſo auch vermoͤ-
ge des Gegenſatzes vom neuen Teſtament das
alte Teſtament genennet hatte, ſo nennet er
alhie die Schriften Moſis und der Prophe-
ten,
A a a 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |