Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 2, 1. [Spaltenumbruch]
mit machet man sich dazu, wenn man ihnen die-ses und jenes, als einen zur Seligkeit nöthigen Glaubens-Articul aufdringen will. Und ge- setzt auch, er sey an sich selbst so nöthig, so muß er doch niemanden aufgedrungen, sondern nur zur Uberzeugung vorgestellet werden. Findet sich nun das Gewissen davon nicht überzeuget, so hat man in Liebe Geduld zu haben, bis die Uberzeugung erfolge. Und solte auch gleich ein grosser Eigensinn dazu kommen, daß man sich nicht wolle überzeugen lassen, oder der empfan- genen Uberzeugung wiederstrebe; so stehet ein solcher Mensch mit seinem Gewissen allein vor GOtt, dem HErrn seines Glaubens. Und wie solte ein Mensch den andern in Glaubens-Sa- chen zwingen, da GOtt selbst, ob er gleich der HErr aller Gewissen ist, niemand zwinget, sondern in der Freyheit von einer mit einem frey- en Willen begabten Creatur bedienet seyn will: ob er wol den Mißbrauch der Freyheit, als ein gerechter Richter, endlich bestrafet. Sind nun die Lehren, die man einem aufzudringen su- chet, noch dazu Jrthümer, und diejenigen Lehr- Sätze, die man einem als grosse Jrthümer auf- rücket, und deren Absagung man verlanget, theure Wahrheiten; so ist das Antichristische Wesen bey solchem Verfahren desto offenbarer und desto greulicher: zumal wenn der innere Gewissens-Zwang durch äusserliche Verfolgung getrieben wird. 2. Wahre Christen haben allerdings auch schon in dieser Welt eine Freude, ja eine rech- te wahre und reine Hertzens-Freude in GOTT über das Pfand ihres Erbes, damit sie versie- gelt sind: und zu solcher Freude sind alle treue Knechte des Evangelii Gehülfen; wie ehemals Paulus bey den Corinthiern war. Es ist aber [Spaltenumbruch] diese Freude keinesweges von der Welt, oder eine meist nur sinnliche und unreine, auch sehr veränderliche und vergängliche Welt-Freude: zu welcher hingegen die Bauch-Diener, Miet- linge und Menschen-Knechte solche Gehülfen sind, daß sie den von aller solchen Eitelkeit erlö- seten Seelen solche Welt-Freude, unter dem schönen Namen der christlichen Freyheit als erlaubet anpreisen. 3. Das Stehen im Glauben ist dem Weichen und Fallen entgegen gesetzet, und mit einem hurtigen und muntern Fortgehen ver- knüpfet; also daß einer so viel getreuer fortge- het, so viel vester er im Glauben stehet. 4. Das rechte Stehen im Glauben thut sich auch in einem tapfern Widerstehen hervor, nach der Ermahnung Petri Ep. 1, c. 5, 8. 9. Eu- er Widersacher, der Teufel, gehet um- her - - dem widerstehet veste im Glau- ben. 5. Dieses im Glauben stehen nennet Paulus Rom. 5, 2. in der Gnade stehen. Denn was auf Seiten unserer der Glaube ist, das ist auf Seiten GOttes lauter Gnade, woran sich der Glaube hält, worauf er fusset und sich gründet. 6. Wer aber stehet im Glauben, und son- derlich wer sich ein mehrers davon düncken lässet, als sich in der That befindet, der mag wol zuse- hen, daß er nicht falle. 1 Cor. 10, 12. Und also mag ein ieder Glaubiger auf sich appliciren, was Paulus Rom. 11, 20. sagt: Du stehest durch den Glauben: sey nicht stoltz, son- dern fürchte dich. Jmgleichen 1 Cor. 16, 13. Wachet, stehet im Glauben, seyd männ- lich und seyd starck. Das andere Capitel/ Darinnen der Apostel noch etwas von seiner nicht geschehenen Wiederkunft berühret/ und dabey seines an statt jener geschriebnen Briefes gedencket/ und den Corinthiern die liebreiche Aufnahme des darin bestrafeten und nunmehro bußfertigen Sünders recommendiret/ mit hinzugethaner Meldung des Sieges/ welchen ihm GOtt bey dem lautern Vortage des Worts gegeben habe. V. 1. [Spaltenumbruch]
JCh dachte aber solches bey mir Anmerckung. Man siehet aus dem gantzen Contexte so wäre
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 2, 1. [Spaltenumbruch]
mit machet man ſich dazu, wenn man ihnen die-ſes und jenes, als einen zur Seligkeit noͤthigen Glaubens-Articul aufdringen will. Und ge- ſetzt auch, er ſey an ſich ſelbſt ſo noͤthig, ſo muß er doch niemanden aufgedrungen, ſondern nur zur Uberzeugung vorgeſtellet werden. Findet ſich nun das Gewiſſen davon nicht uͤberzeuget, ſo hat man in Liebe Geduld zu haben, bis die Uberzeugung erfolge. Und ſolte auch gleich ein groſſer Eigenſinn dazu kommen, daß man ſich nicht wolle uͤberzeugen laſſen, oder der empfan- genen Uberzeugung wiederſtrebe; ſo ſtehet ein ſolcher Menſch mit ſeinem Gewiſſen allein vor GOtt, dem HErrn ſeines Glaubens. Und wie ſolte ein Menſch den andern in Glaubens-Sa- chen zwingen, da GOtt ſelbſt, ob er gleich der HErr aller Gewiſſen iſt, niemand zwinget, ſondern in der Freyheit von einer mit einem frey- en Willen begabten Creatur bedienet ſeyn will: ob er wol den Mißbrauch der Freyheit, als ein gerechter Richter, endlich beſtrafet. Sind nun die Lehren, die man einem aufzudringen ſu- chet, noch dazu Jrthuͤmer, und diejenigen Lehr- Saͤtze, die man einem als groſſe Jrthuͤmer auf- ruͤcket, und deren Abſagung man verlanget, theure Wahrheiten; ſo iſt das Antichriſtiſche Weſen bey ſolchem Verfahren deſto offenbarer und deſto greulicher: zumal wenn der innere Gewiſſens-Zwang durch aͤuſſerliche Verfolgung getrieben wird. 2. Wahre Chriſten haben allerdings auch ſchon in dieſer Welt eine Freude, ja eine rech- te wahre und reine Hertzens-Freude in GOTT uͤber das Pfand ihres Erbes, damit ſie verſie- gelt ſind: und zu ſolcher Freude ſind alle treue Knechte des Evangelii Gehuͤlfen; wie ehemals Paulus bey den Corinthiern war. Es iſt aber [Spaltenumbruch] dieſe Freude keinesweges von der Welt, oder eine meiſt nur ſinnliche und unreine, auch ſehr veraͤnderliche und vergaͤngliche Welt-Freude: zu welcher hingegen die Bauch-Diener, Miet- linge und Menſchen-Knechte ſolche Gehuͤlfen ſind, daß ſie den von aller ſolchen Eitelkeit erloͤ- ſeten Seelen ſolche Welt-Freude, unter dem ſchoͤnen Namen der chriſtlichen Freyheit als erlaubet anpreiſen. 3. Das Stehen im Glauben iſt dem Weichen und Fallen entgegen geſetzet, und mit einem hurtigen und muntern Fortgehen ver- knuͤpfet; alſo daß einer ſo viel getreuer fortge- het, ſo viel veſter er im Glauben ſtehet. 4. Das rechte Stehen im Glauben thut ſich auch in einem tapfern Widerſtehen hervor, nach der Ermahnung Petri Ep. 1, c. 5, 8. 9. Eu- er Widerſacher, der Teufel, gehet um- her ‒ ‒ dem widerſtehet veſte im Glau- ben. 5. Dieſes im Glauben ſtehen nennet Paulus Rom. 5, 2. in der Gnade ſtehen. Denn was auf Seiten unſerer der Glaube iſt, das iſt auf Seiten GOttes lauter Gnade, woran ſich der Glaube haͤlt, worauf er fuſſet und ſich gruͤndet. 6. Wer aber ſtehet im Glauben, und ſon- derlich wer ſich ein mehrers davon duͤncken laͤſſet, als ſich in der That befindet, der mag wol zuſe- hen, daß er nicht falle. 1 Cor. 10, 12. Und alſo mag ein ieder Glaubiger auf ſich appliciren, was Paulus Rom. 11, 20. ſagt: Du ſteheſt durch den Glauben: ſey nicht ſtoltz, ſon- dern fuͤrchte dich. Jmgleichen 1 Cor. 16, 13. Wachet, ſtehet im Glauben, ſeyd maͤnn- lich und ſeyd ſtarck. Das andere Capitel/ Darinnen der Apoſtel noch etwas von ſeiner nicht geſchehenen Wiederkunft beruͤhret/ und dabey ſeines an ſtatt jener geſchriebnen Briefes gedencket/ und den Corinthiern die liebreiche Aufnahme des darin beſtrafeten und nunmehro bußfertigen Suͤnders recommendiret/ mit hinzugethaner Meldung des Sieges/ welchen ihm GOtt bey dem lautern Vortage des Worts gegeben habe. V. 1. [Spaltenumbruch]
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 2, 1.
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ſes und jenes, als einen zur Seligkeit noͤthigen
Glaubens-Articul aufdringen will. Und ge-
ſetzt auch, er ſey an ſich ſelbſt ſo noͤthig, ſo muß
er doch niemanden aufgedrungen, ſondern nur
zur Uberzeugung vorgeſtellet werden. Findet
ſich nun das Gewiſſen davon nicht uͤberzeuget,
ſo hat man in Liebe Geduld zu haben, bis die
Uberzeugung erfolge. Und ſolte auch gleich ein
groſſer Eigenſinn dazu kommen, daß man ſich
nicht wolle uͤberzeugen laſſen, oder der empfan-
genen Uberzeugung wiederſtrebe; ſo ſtehet ein
ſolcher Menſch mit ſeinem Gewiſſen allein vor
GOtt, dem HErrn ſeines Glaubens. Und wie
ſolte ein Menſch den andern in Glaubens-Sa-
chen zwingen, da GOtt ſelbſt, ob er gleich der
HErr aller Gewiſſen iſt, niemand zwinget,
ſondern in der Freyheit von einer mit einem frey-
en Willen begabten Creatur bedienet ſeyn will:
ob er wol den Mißbrauch der Freyheit, als ein
gerechter Richter, endlich beſtrafet. Sind
nun die Lehren, die man einem aufzudringen ſu-
chet, noch dazu Jrthuͤmer, und diejenigen Lehr-
Saͤtze, die man einem als groſſe Jrthuͤmer auf-
ruͤcket, und deren Abſagung man verlanget,
theure Wahrheiten; ſo iſt das Antichriſtiſche
Weſen bey ſolchem Verfahren deſto offenbarer
und deſto greulicher: zumal wenn der innere
Gewiſſens-Zwang durch aͤuſſerliche Verfolgung
getrieben wird.
2. Wahre Chriſten haben allerdings auch
ſchon in dieſer Welt eine Freude, ja eine rech-
te wahre und reine Hertzens-Freude in GOTT
uͤber das Pfand ihres Erbes, damit ſie verſie-
gelt ſind: und zu ſolcher Freude ſind alle treue
Knechte des Evangelii Gehuͤlfen; wie ehemals
Paulus bey den Corinthiern war. Es iſt aber
dieſe Freude keinesweges von der Welt, oder
eine meiſt nur ſinnliche und unreine, auch ſehr
veraͤnderliche und vergaͤngliche Welt-Freude:
zu welcher hingegen die Bauch-Diener, Miet-
linge und Menſchen-Knechte ſolche Gehuͤlfen
ſind, daß ſie den von aller ſolchen Eitelkeit erloͤ-
ſeten Seelen ſolche Welt-Freude, unter dem
ſchoͤnen Namen der chriſtlichen Freyheit als
erlaubet anpreiſen.
3. Das Stehen im Glauben iſt dem
Weichen und Fallen entgegen geſetzet, und mit
einem hurtigen und muntern Fortgehen ver-
knuͤpfet; alſo daß einer ſo viel getreuer fortge-
het, ſo viel veſter er im Glauben ſtehet.
4. Das rechte Stehen im Glauben thut
ſich auch in einem tapfern Widerſtehen hervor,
nach der Ermahnung Petri Ep. 1, c. 5, 8. 9. Eu-
er Widerſacher, der Teufel, gehet um-
her ‒ ‒ dem widerſtehet veſte im Glau-
ben.
5. Dieſes im Glauben ſtehen nennet
Paulus Rom. 5, 2. in der Gnade ſtehen.
Denn was auf Seiten unſerer der Glaube iſt,
das iſt auf Seiten GOttes lauter Gnade,
woran ſich der Glaube haͤlt, worauf er fuſſet und
ſich gruͤndet.
6. Wer aber ſtehet im Glauben, und ſon-
derlich wer ſich ein mehrers davon duͤncken laͤſſet,
als ſich in der That befindet, der mag wol zuſe-
hen, daß er nicht falle. 1 Cor. 10, 12. Und
alſo mag ein ieder Glaubiger auf ſich appliciren,
was Paulus Rom. 11, 20. ſagt: Du ſteheſt
durch den Glauben: ſey nicht ſtoltz, ſon-
dern fuͤrchte dich. Jmgleichen 1 Cor. 16, 13.
Wachet, ſtehet im Glauben, ſeyd maͤnn-
lich und ſeyd ſtarck.
Das andere Capitel/
Darinnen der Apoſtel noch etwas von ſeiner nicht geſchehenen
Wiederkunft beruͤhret/ und dabey ſeines an ſtatt jener geſchriebnen
Briefes gedencket/ und den Corinthiern die liebreiche Aufnahme des
darin beſtrafeten und nunmehro bußfertigen Suͤnders recommendiret/
mit hinzugethaner Meldung des Sieges/ welchen ihm GOtt
bey dem lautern Vortage des Worts
gegeben habe.
V. 1.
JCh dachte aber ſolches bey mir
(Gr. hatte ſolches, nemlich daß
ich nicht ſofort von Epheſus aus zu
euch kommen wolte, bey mir be-
ſchloſſen) daß ich nicht abermal
(das iſt perſoͤnlich) in Traurigkeit zu euch kaͤ-
me, (und daß es bey der Traurigkeit, die ich
uͤber den Zuſtand eurer Gemeine abweſend be-
kommen hatte, bleiben moͤchte. Und alſo gehet
das πάλιν, abermal, nicht ſo wol auf das Wort
ἐλϑεῖν, kommen, als auf das Wort Traurig-
keit, und iſt der Verſtand: daß ich nicht in mei-
ner fruͤhzeitigen Zukunft eine abermalige und
noch mehrere Traurigkeit uͤberkommen moͤchte:
welches gewiß geſchehen ſeyn wuͤrde.
Anmerckung.
Man ſiehet aus dem gantzen Contexte ſo
viel, daß Pauli Widerſacher, einige unter den
Corinthiern ſich erhebende falſche Apoſtel, Pau-
lo nicht allein die Aenderung ſeines Vorſatzes
von der Verſprechung baldiger Wiederkunft,
ſondern auch ſeine im erſten Briefe bewieſene
Schaͤrfe, aufs aͤrgſte gemißdeutet haben, als
waͤre
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