Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, v. 11. 12. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
Rom. 8, 37. in dem allen upernikomen, über-winden wir weit, so ist es nach Erforderung der Sache selbst so viel, als hätte er gesaget: Wir haben weit überwunden, überwinden noch, und werden auch hinfort weit über- winden. Und eben dieses gilt auch bey solchen Stellen, da einer Sachen als schon geschehen gedacht wird, mit dem auf die gegenwärtige und künftige Continuation gerichteten Verstan- de, z. E. Gal. 5, 24. Welche CHristum an- gehören, estaurosan, die haben gecreutziget, creutzigen noch, und werden creutzigen, ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden. Wie denn auch Lutherus daher das verbum im praesenti vertiret hat. Also auch 1 Joh. 5, 4. Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, noch überwindet, und überwinden wird. Welches denn auch also bey vielen Stellen, die von der künftigen Zeit handeln, angehet, daß es nemlich auch von der gegenwärtigen und vergangenen zu verstehen ist; wenn es die Sache selbst also erfodert. V. 11. Durch Hülfe eurer Fürbitte für uns, Anmerckungen. 1. Es kan zwar einer für die einem andern wiederfahrne Gnade und Hülfe GOTT danck- sagen, wenn er auch schon GOTT vorher dar- um nicht angerufen hat; zumal wenn ihm die Noth vorher gar nicht, oder doch nicht eigentlich, bekannt gewesen, sondern er erst nach erhaltener Hülfe und Errettung davon höret, und sie so dann nach der gliederlichen Gemeinschaft, ansie- het, als wäre sie ihm selbst geschehen. Allein wer um die Gefahr und Noth eines andern weiß, und sie mitfühlet, daher auch GOTT um die Hülfe inbrünstig anrufet, der dancket dafür hernach so viel hertzlicher, so viel mehr er im Glauben dafür hält, daß GOTT unter andern auch seine Für- bitte um CHristi willen zur Erhörung gnädiglich angesehen habe. Da hingegen der, welchen des andern Noth ist bekannt gewesen, er aber sich zur Fürbitte nicht hat bewegen lassen, GOtt hernach für die Errettung gemeiniglich auch schlechten Danck abstatten wird. 2. Hieraus kan man nun erkennen, warum Paulus den Corinthiern von seinem sehr bedräng- ten Zustande Nachricht ertheilet; damit sie nemlich dadurch sich so viel mehr zur Fürbitte möchten er- wecken lassen, nach erlangter Hülfe aber so viel bereitwilliger seyn zur demüthigen Dancksagung gegen GOTT. 3. Es ist aber eine sonderliche Sache um die göttliche Hülfe, daß GOTT dieselbe in die Ord- nung des Gebets und der Fürbitte für andere ge- setzet hat. Denn ob GOTT gleich ohne unser Gebet, und ohne anderer ihre Fürbitte uns helfen kan, auch wol in manchen Stücken, da wir oft nicht wissen, was und wie wir beten sollen, würck- [Spaltenumbruch] lich hilft: so hat er doch das Gebet und die Für- bitte befohlen, theils um uns dadurch desto mehr zur Erkäntniß unsers Unvermögens und der Nothwendigkeit von seiner Hülfe zu bringen; theils auch um uns dadurch so viel mehr im Glau- ben und in Ansehung anderer, in der Liebe zu üben, und dadurch zugleich mit zu überzeugen, daß die Hülfe nicht von sich selbst und von ohngefähr komme, sondern von ihm herrühre; und folglich auch um uns so viel mehr zu der demüthigen Dancksagung, und überhaupt zu seinem Dienste zu verbinden und zu erwecken. 4. Demnach, geliebter Leser, wenn du in Noth bist, so magst du sie andern Seelen, von welchen du dich versichert hälst, daß sie ein Christ- liches Mitleiden haben, auch in der Gemeinschaft mit GOTT stehen, wohl entdecken, um sie da- durch zur Christlichen Fürbitte zu erwecken. Gleichwie die, so sie wissen, oder erfahren, schuldig sind, GOTT um gnädige Hülfe anzuflehen, und an dieser auch durch hertzliche Dancksagung Theil zu nehmen. Man conferire hiebey unter andern Rom. 15, 30. 31. 2 Cor. 4, 15. Phil. 1, 19. Phi- lem. v. 22. V. 12. Denn unser Ruhm (Freudigkeit) ist der, Anmerckungen. 1. Es ist unter den Leiden, zumal wenn sie von mehrern Seiten auf einen los stossen, (wie denn auch selten ein Leiden und Anliegen allein ist) nichts tröstlicher und zu unserer Beruhigung kräftiger, als ein gutes Gewissen, daß man sich die Leiden nicht selbst zugezogen habe. Denn bey einem guten Gewissen befindet sich auch der Ge- schmack göttlicher Gnade, ohne welche zur Ertra- gung der Leiden jenes allein nicht hinlänglich wäre. Und wenn man denn auch sich dieses und jenes menschlichen Fehlers bey der an sich gerech- ten und guten Sache erinnert, so unterstützet ei- nen doch die Gnade GOttes, und hält man sich versichert, daß man nicht um seines Fehlers, oder Unvollkommenheit willen leidet, sondern um Chri- sti willen. 2. Einfalt und Lauterkeit sind zwo Haupt-Tugenden, worauf es bey einem guten Gewissen sonderlich ankömmt: ja sie sind solche Tugenden, die noch viel mehrere in sich halten, und wodurch alle Tugend-Handlungen gleich- sam recht geadelt werden müssen, nicht weniger als durch den Glauben: wie sie denn auch die besten Eigenschaften des Glaubens sind. Denn die Christliche Einfalt ist eine solche Gemüths- Beschaf-
Cap. 1, v. 11. 12. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
Rom. 8, 37. in dem allen ὑπερνικῶμεν, uͤber-winden wir weit, ſo iſt es nach Erforderung der Sache ſelbſt ſo viel, als haͤtte er geſaget: Wir haben weit uͤberwunden, uͤberwinden noch, und werden auch hinfort weit uͤber- winden. Und eben dieſes gilt auch bey ſolchen Stellen, da einer Sachen als ſchon geſchehen gedacht wird, mit dem auf die gegenwaͤrtige und kuͤnftige Continuation gerichteten Verſtan- de, z. E. Gal. 5, 24. Welche CHriſtum an- gehoͤren, ἐϛαύρωσαν, die haben gecreutziget, creutzigen noch, und werden creutzigen, ihr Fleiſch ſamt den Luͤſten und Begierden. Wie denn auch Lutherus daher das verbum im præſenti vertiret hat. Alſo auch 1 Joh. 5, 4. Unſer Glaube iſt der Sieg, der die Welt uͤberwunden hat, noch uͤberwindet, und uͤberwinden wird. Welches denn auch alſo bey vielen Stellen, die von der kuͤnftigen Zeit handeln, angehet, daß es nemlich auch von der gegenwaͤrtigen und vergangenen zu verſtehen iſt; wenn es die Sache ſelbſt alſo erfodert. V. 11. Durch Huͤlfe eurer Fuͤrbitte fuͤr uns, Anmerckungen. 1. Es kan zwar einer fuͤr die einem andern wiederfahrne Gnade und Huͤlfe GOTT danck- ſagen, wenn er auch ſchon GOTT vorher dar- um nicht angerufen hat; zumal wenn ihm die Noth vorher gar nicht, oder doch nicht eigentlich, bekannt geweſen, ſondern er erſt nach erhaltener Huͤlfe und Errettung davon hoͤret, und ſie ſo dann nach der gliederlichen Gemeinſchaft, anſie- het, als waͤre ſie ihm ſelbſt geſchehen. Allein wer um die Gefahr und Noth eines andern weiß, und ſie mitfuͤhlet, daher auch GOTT um die Huͤlfe inbruͤnſtig anrufet, der dancket dafuͤr hernach ſo viel hertzlicher, ſo viel mehr er im Glauben dafuͤr haͤlt, daß GOTT unter andern auch ſeine Fuͤr- bitte um CHriſti willen zur Erhoͤrung gnaͤdiglich angeſehen habe. Da hingegen der, welchen des andern Noth iſt bekannt geweſen, er aber ſich zur Fuͤrbitte nicht hat bewegen laſſen, GOtt hernach fuͤr die Errettung gemeiniglich auch ſchlechten Danck abſtatten wird. 2. Hieraus kan man nun erkennen, warum Paulus den Corinthiern von ſeinem ſehr bedraͤng- ten Zuſtande Nachricht ertheilet; damit ſie nemlich dadurch ſich ſo viel mehr zur Fuͤrbitte moͤchten er- wecken laſſen, nach erlangter Huͤlfe aber ſo viel bereitwilliger ſeyn zur demuͤthigen Danckſagung gegen GOTT. 3. Es iſt aber eine ſonderliche Sache um die goͤttliche Huͤlfe, daß GOTT dieſelbe in die Ord- nung des Gebets und der Fuͤrbitte fuͤr andere ge- ſetzet hat. Denn ob GOTT gleich ohne unſer Gebet, und ohne anderer ihre Fuͤrbitte uns helfen kan, auch wol in manchen Stuͤcken, da wir oft nicht wiſſen, was und wie wir beten ſollen, wuͤrck- [Spaltenumbruch] lich hilft: ſo hat er doch das Gebet und die Fuͤr- bitte befohlen, theils um uns dadurch deſto mehr zur Erkaͤntniß unſers Unvermoͤgens und der Nothwendigkeit von ſeiner Huͤlfe zu bringen; theils auch um uns dadurch ſo viel mehr im Glau- ben und in Anſehung anderer, in der Liebe zu uͤben, und dadurch zugleich mit zu uͤberzeugen, daß die Huͤlfe nicht von ſich ſelbſt und von ohngefaͤhr komme, ſondern von ihm herruͤhre; und folglich auch um uns ſo viel mehr zu der demuͤthigen Danckſagung, und uͤberhaupt zu ſeinem Dienſte zu verbinden und zu erwecken. 4. Demnach, geliebter Leſer, wenn du in Noth biſt, ſo magſt du ſie andern Seelen, von welchen du dich verſichert haͤlſt, daß ſie ein Chriſt- liches Mitleiden haben, auch in der Gemeinſchaft mit GOTT ſtehen, wohl entdecken, um ſie da- durch zur Chriſtlichen Fuͤrbitte zu erwecken. Gleichwie die, ſo ſie wiſſen, oder erfahren, ſchuldig ſind, GOTT um gnaͤdige Huͤlfe anzuflehen, und an dieſer auch durch hertzliche Danckſagung Theil zu nehmen. Man conferire hiebey unter andern Rom. 15, 30. 31. 2 Cor. 4, 15. Phil. 1, 19. Phi- lem. v. 22. V. 12. Denn unſer Ruhm (Freudigkeit) iſt der, Anmerckungen. 1. Es iſt unter den Leiden, zumal wenn ſie von mehrern Seiten auf einen los ſtoſſen, (wie denn auch ſelten ein Leiden und Anliegen allein iſt) nichts troͤſtlicher und zu unſerer Beruhigung kraͤftiger, als ein gutes Gewiſſen, daß man ſich die Leiden nicht ſelbſt zugezogen habe. Denn bey einem guten Gewiſſen befindet ſich auch der Ge- ſchmack goͤttlicher Gnade, ohne welche zur Ertra- gung der Leiden jenes allein nicht hinlaͤnglich waͤre. Und wenn man denn auch ſich dieſes und jenes menſchlichen Fehlers bey der an ſich gerech- ten und guten Sache erinnert, ſo unterſtuͤtzet ei- nen doch die Gnade GOttes, und haͤlt man ſich verſichert, daß man nicht um ſeines Fehlers, oder Unvollkom̃enheit willen leidet, ſondern um Chri- ſti willen. 2. Einfalt und Lauterkeit ſind zwo Haupt-Tugenden, worauf es bey einem guten Gewiſſen ſonderlich ankoͤmmt: ja ſie ſind ſolche Tugenden, die noch viel mehrere in ſich halten, und wodurch alle Tugend-Handlungen gleich- ſam recht geadelt werden muͤſſen, nicht weniger als durch den Glauben: wie ſie denn auch die beſten Eigenſchaften des Glaubens ſind. Denn die Chriſtliche Einfalt iſt eine ſolche Gemuͤths- Beſchaf-
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Cap. 1, v. 11. 12. an die Corinthier.
Rom. 8, 37. in dem allen ὑπερνικῶμεν, uͤber-
winden wir weit, ſo iſt es nach Erforderung
der Sache ſelbſt ſo viel, als haͤtte er geſaget:
Wir haben weit uͤberwunden, uͤberwinden
noch, und werden auch hinfort weit uͤber-
winden. Und eben dieſes gilt auch bey ſolchen
Stellen, da einer Sachen als ſchon geſchehen
gedacht wird, mit dem auf die gegenwaͤrtige
und kuͤnftige Continuation gerichteten Verſtan-
de, z. E. Gal. 5, 24. Welche CHriſtum an-
gehoͤren, ἐϛαύρωσαν, die haben gecreutziget,
creutzigen noch, und werden creutzigen,
ihr Fleiſch ſamt den Luͤſten und Begierden.
Wie denn auch Lutherus daher das verbum im
præſenti vertiret hat. Alſo auch 1 Joh. 5, 4.
Unſer Glaube iſt der Sieg, der die Welt
uͤberwunden hat, noch uͤberwindet, und
uͤberwinden wird. Welches denn auch alſo
bey vielen Stellen, die von der kuͤnftigen Zeit
handeln, angehet, daß es nemlich auch von der
gegenwaͤrtigen und vergangenen zu verſtehen iſt;
wenn es die Sache ſelbſt alſo erfodert.
V. 11.
Durch Huͤlfe eurer Fuͤrbitte fuͤr uns,
auf daß uͤber uns, fuͤr die Gabe (der Erloͤ-
ſung, ſo uns widerfahren iſt, noch immer wider-
faͤhret, und auch kuͤnftig widerfahren wird) die
uns gegeben iſt durch viele Perſonen, viel
Dancks geſchehe.
Anmerckungen.
1. Es kan zwar einer fuͤr die einem andern
wiederfahrne Gnade und Huͤlfe GOTT danck-
ſagen, wenn er auch ſchon GOTT vorher dar-
um nicht angerufen hat; zumal wenn ihm die
Noth vorher gar nicht, oder doch nicht eigentlich,
bekannt geweſen, ſondern er erſt nach erhaltener
Huͤlfe und Errettung davon hoͤret, und ſie ſo
dann nach der gliederlichen Gemeinſchaft, anſie-
het, als waͤre ſie ihm ſelbſt geſchehen. Allein wer
um die Gefahr und Noth eines andern weiß, und
ſie mitfuͤhlet, daher auch GOTT um die Huͤlfe
inbruͤnſtig anrufet, der dancket dafuͤr hernach ſo
viel hertzlicher, ſo viel mehr er im Glauben dafuͤr
haͤlt, daß GOTT unter andern auch ſeine Fuͤr-
bitte um CHriſti willen zur Erhoͤrung gnaͤdiglich
angeſehen habe. Da hingegen der, welchen des
andern Noth iſt bekannt geweſen, er aber ſich zur
Fuͤrbitte nicht hat bewegen laſſen, GOtt hernach
fuͤr die Errettung gemeiniglich auch ſchlechten
Danck abſtatten wird.
2. Hieraus kan man nun erkennen, warum
Paulus den Corinthiern von ſeinem ſehr bedraͤng-
ten Zuſtande Nachricht ertheilet; damit ſie nemlich
dadurch ſich ſo viel mehr zur Fuͤrbitte moͤchten er-
wecken laſſen, nach erlangter Huͤlfe aber ſo viel
bereitwilliger ſeyn zur demuͤthigen Danckſagung
gegen GOTT.
3. Es iſt aber eine ſonderliche Sache um die
goͤttliche Huͤlfe, daß GOTT dieſelbe in die Ord-
nung des Gebets und der Fuͤrbitte fuͤr andere ge-
ſetzet hat. Denn ob GOTT gleich ohne unſer
Gebet, und ohne anderer ihre Fuͤrbitte uns helfen
kan, auch wol in manchen Stuͤcken, da wir oft
nicht wiſſen, was und wie wir beten ſollen, wuͤrck-
lich hilft: ſo hat er doch das Gebet und die Fuͤr-
bitte befohlen, theils um uns dadurch deſto mehr
zur Erkaͤntniß unſers Unvermoͤgens und der
Nothwendigkeit von ſeiner Huͤlfe zu bringen;
theils auch um uns dadurch ſo viel mehr im Glau-
ben und in Anſehung anderer, in der Liebe zu uͤben,
und dadurch zugleich mit zu uͤberzeugen, daß die
Huͤlfe nicht von ſich ſelbſt und von ohngefaͤhr
komme, ſondern von ihm herruͤhre; und folglich
auch um uns ſo viel mehr zu der demuͤthigen
Danckſagung, und uͤberhaupt zu ſeinem Dienſte
zu verbinden und zu erwecken.
4. Demnach, geliebter Leſer, wenn du in
Noth biſt, ſo magſt du ſie andern Seelen, von
welchen du dich verſichert haͤlſt, daß ſie ein Chriſt-
liches Mitleiden haben, auch in der Gemeinſchaft
mit GOTT ſtehen, wohl entdecken, um ſie da-
durch zur Chriſtlichen Fuͤrbitte zu erwecken.
Gleichwie die, ſo ſie wiſſen, oder erfahren, ſchuldig
ſind, GOTT um gnaͤdige Huͤlfe anzuflehen, und
an dieſer auch durch hertzliche Danckſagung Theil
zu nehmen. Man conferire hiebey unter andern
Rom. 15, 30. 31. 2 Cor. 4, 15. Phil. 1, 19. Phi-
lem. v. 22.
V. 12.
Denn unſer Ruhm (Freudigkeit) iſt der,
nemlich das Zeugniß unſers Gewiſſens, daß
wir in Einfaͤltigkeit und goͤttlicher Lauter-
keit, nicht in fleiſchlicher Weisheit (und in
den daher entſtehenden krummen Wegen) ſon-
dern in der Gnade GOttes (wie es dieſe, nicht
unſere verderbte Natur angewieſen,) auf der
Welt gewandelt haben, (ſeit dem wir zum
Glauben an CHriſtum gebracht worden ſind,)
allermeiſt aber bey euch (als bey welchen ich
nebſt Timotheo, auch mit Begebung der mir
zukommenden Freyheit, allen einerley worden
bin, nach 1 Cor. 9.)
Anmerckungen.
1. Es iſt unter den Leiden, zumal wenn
ſie von mehrern Seiten auf einen los ſtoſſen, (wie
denn auch ſelten ein Leiden und Anliegen allein
iſt) nichts troͤſtlicher und zu unſerer Beruhigung
kraͤftiger, als ein gutes Gewiſſen, daß man ſich
die Leiden nicht ſelbſt zugezogen habe. Denn bey
einem guten Gewiſſen befindet ſich auch der Ge-
ſchmack goͤttlicher Gnade, ohne welche zur Ertra-
gung der Leiden jenes allein nicht hinlaͤnglich
waͤre. Und wenn man denn auch ſich dieſes und
jenes menſchlichen Fehlers bey der an ſich gerech-
ten und guten Sache erinnert, ſo unterſtuͤtzet ei-
nen doch die Gnade GOttes, und haͤlt man ſich
verſichert, daß man nicht um ſeines Fehlers, oder
Unvollkom̃enheit willen leidet, ſondern um Chri-
ſti willen.
2. Einfalt und Lauterkeit ſind zwo
Haupt-Tugenden, worauf es bey einem guten
Gewiſſen ſonderlich ankoͤmmt: ja ſie ſind ſolche
Tugenden, die noch viel mehrere in ſich halten,
und wodurch alle Tugend-Handlungen gleich-
ſam recht geadelt werden muͤſſen, nicht weniger
als durch den Glauben: wie ſie denn auch die
beſten Eigenſchaften des Glaubens ſind. Denn
die Chriſtliche Einfalt iſt eine ſolche Gemuͤths-
Beſchaf-
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