Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 15, v. 8-10. [Spaltenumbruch]
15, 40. welcher ein Schwester Sohn der Jung-frauen Marien war, und daher ein Bruder des HErrn genennet wird. Gal. 1, 10. Die- ser stunde sonderlich der Kirche zu Jerusalem vor Apost. Gesch. 12, 17. 15, 13. 21, 18. u. f. Gal. 1, 19. 2, 9. Und dieser ist es, von dem wir die Epistel haben. 2. Welchem aber von den beyden die Er- scheinung Christi, welche die neunte in der Ordnung gewesen, besonders wiederfahren, das läßt sich nicht sagen: sintemal die Evange- listen derselben nicht gedencken; damals muß es aus der glaubwürdigen Erzehlung Jacobi be- kannt genug gewesen seyn. Jsts der erste, so mag ihm unser Heiland vielleicht seinen vor an- dern zuerst bevorstehenden Tod mit einer Auf- munterung angekündiget haben. Jst es aber der letzte, so kan es seyn, daß er ihm die Aufsicht über die Jerusalemsche Kirche besonders aufge- tragen, und daneben geoffenbaret hat, wie es daselbst mit der Jüdischen Kirche bald nach sei- nem Tode, als der zur Zeit des Landpflegers Albini kurtz vor der Verstörung, nach Josephi und Eusebii Zeugniß, erfolget ist, für ein er- schreckliches Ende nehmen würde. 3. Die zehnte und letzte Erscheinung ist denn endlich diese, welcher Paulus alhier geden- cket, und davon auch zeuget Marcus c. 16, 14. sqq. da denn gar wohl seyn kan, daß der HErr, nach dem Zeugnisse Marci, erst zu Jerusalem mit seinen Jüngern zu Tische gesessen, und die schon in Galiläa gegebene Instruction: gehet hin etc. wiederholet hat: darauf er sie denn mit der Gabe Wunder zu thun aufs neue ausgerüstet, sie hinaus nach Bethanien geführet, ihnen die Verheissung gegeben von der nechst zu empfan- genden Wunder-vollen Salbung des H. Gei- stes, ihnen auch mit Auflegung der Hände den hohenpriesterlichen Segen ertheilet, und vor ih- ren Augen sichtbar gen Himmel gefahren. Luc. 24, 49. sqq. Act. 1, 4. V. 8. Am letzten nach allen ist er auch von Anmerckungen. 1. An einer unzeitigen Geburt findet 2. Gleichwie nun dieses der Apostel zu sei- V. 9. Denn ich bin (in Ansehung dessen, daß ich Anmerckungen. 1. Die vor der Bekehrung begangene 2. Man hat sich demnach vor solchen Ver- V. 10. Aber von GOttes Gnaden bin ich, viel-
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 15, v. 8-10. [Spaltenumbruch]
15, 40. welcher ein Schweſter Sohn der Jung-frauen Marien war, und daher ein Bruder des HErrn genennet wird. Gal. 1, 10. Die- ſer ſtunde ſonderlich der Kirche zu Jeruſalem vor Apoſt. Geſch. 12, 17. 15, 13. 21, 18. u. f. Gal. 1, 19. 2, 9. Und dieſer iſt es, von dem wir die Epiſtel haben. 2. Welchem aber von den beyden die Er- ſcheinung Chriſti, welche die neunte in der Ordnung geweſen, beſonders wiederfahren, das laͤßt ſich nicht ſagen: ſintemal die Evange- liſten derſelben nicht gedencken; damals muß es aus der glaubwuͤrdigen Erzehlung Jacobi be- kannt genug geweſen ſeyn. Jſts der erſte, ſo mag ihm unſer Heiland vielleicht ſeinen vor an- dern zuerſt bevorſtehenden Tod mit einer Auf- munterung angekuͤndiget haben. Jſt es aber der letzte, ſo kan es ſeyn, daß er ihm die Aufſicht uͤber die Jeruſalemſche Kirche beſonders aufge- tragen, und daneben geoffenbaret hat, wie es daſelbſt mit der Juͤdiſchen Kirche bald nach ſei- nem Tode, als der zur Zeit des Landpflegers Albini kurtz vor der Verſtoͤrung, nach Joſephi und Euſebii Zeugniß, erfolget iſt, fuͤr ein er- ſchreckliches Ende nehmen wuͤrde. 3. Die zehnte und letzte Erſcheinung iſt denn endlich dieſe, welcher Paulus alhier geden- cket, und davon auch zeuget Marcus c. 16, 14. ſqq. da denn gar wohl ſeyn kan, daß der HErr, nach dem Zeugniſſe Marci, erſt zu Jeruſalem mit ſeinen Juͤngern zu Tiſche geſeſſen, und die ſchon in Galilaͤa gegebene Inſtruction: gehet hin ꝛc. wiederholet hat: darauf er ſie denn mit der Gabe Wunder zu thun aufs neue ausgeruͤſtet, ſie hinaus nach Bethanien gefuͤhret, ihnen die Verheiſſung gegeben von der nechſt zu empfan- genden Wunder-vollen Salbung des H. Gei- ſtes, ihnen auch mit Auflegung der Haͤnde den hohenprieſterlichen Segen ertheilet, und vor ih- ren Augen ſichtbar gen Himmel gefahren. Luc. 24, 49. ſqq. Act. 1, 4. V. 8. Am letzten nach allen iſt er auch von Anmerckungen. 1. An einer unzeitigen Geburt findet 2. Gleichwie nun dieſes der Apoſtel zu ſei- V. 9. Denn ich bin (in Anſehung deſſen, daß ich Anmerckungen. 1. Die vor der Bekehrung begangene 2. Man hat ſich demnach vor ſolchen Ver- V. 10. Aber von GOttes Gnaden bin ich, viel-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0348" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli <hi rendition="#et">Cap. 15, v. 8-10.</hi></hi></fw><lb/><cb/> 15, 40. welcher ein Schweſter Sohn der Jung-<lb/> frauen Marien war, und daher ein <hi rendition="#fr">Bruder<lb/> des HErrn</hi> genennet wird. Gal. 1, 10. Die-<lb/> ſer ſtunde ſonderlich der Kirche zu Jeruſalem vor<lb/> Apoſt. Geſch. 12, 17. 15, 13. 21, 18. u. f. Gal.<lb/> 1, 19. 2, 9. Und dieſer iſt es, von dem wir die<lb/> Epiſtel haben.</item><lb/> <item>2. Welchem aber von den beyden die Er-<lb/> ſcheinung Chriſti, welche die <hi rendition="#fr">neunte</hi> in der<lb/> Ordnung geweſen, beſonders wiederfahren,<lb/> das laͤßt ſich nicht ſagen: ſintemal die Evange-<lb/> liſten derſelben nicht gedencken; damals muß es<lb/> aus der glaubwuͤrdigen Erzehlung Jacobi be-<lb/> kannt genug geweſen ſeyn. Jſts der erſte, ſo<lb/> mag ihm unſer Heiland vielleicht ſeinen vor an-<lb/> dern zuerſt bevorſtehenden Tod mit einer Auf-<lb/> munterung angekuͤndiget haben. Jſt es aber<lb/> der letzte, ſo kan es ſeyn, daß er ihm die Aufſicht<lb/> uͤber die Jeruſalemſche Kirche beſonders aufge-<lb/> tragen, und daneben geoffenbaret hat, wie es<lb/> daſelbſt mit der Juͤdiſchen Kirche bald nach ſei-<lb/> nem Tode, als der zur Zeit des Landpflegers<lb/> Albini kurtz vor der Verſtoͤrung, nach Joſephi<lb/> und Euſebii Zeugniß, erfolget iſt, fuͤr ein er-<lb/> ſchreckliches Ende nehmen wuͤrde.</item><lb/> <item>3. Die <hi rendition="#fr">zehnte</hi> und letzte Erſcheinung iſt<lb/> denn endlich dieſe, welcher Paulus alhier geden-<lb/> cket, und davon auch zeuget Marcus c. 16, 14.<lb/><hi rendition="#aq">ſqq.</hi> da denn gar wohl ſeyn kan, daß der HErr,<lb/> nach dem Zeugniſſe Marci, erſt zu Jeruſalem mit<lb/> ſeinen Juͤngern zu Tiſche geſeſſen, und die ſchon<lb/> in Galilaͤa gegebene <hi rendition="#aq">Inſtruction:</hi> <hi rendition="#fr">gehet hin ꝛc.</hi><lb/> wiederholet hat: darauf er ſie denn mit der<lb/> Gabe Wunder zu thun aufs neue ausgeruͤſtet,<lb/> ſie hinaus nach Bethanien gefuͤhret, ihnen die<lb/> Verheiſſung gegeben von der nechſt zu empfan-<lb/> genden Wunder-vollen Salbung des H. Gei-<lb/> ſtes, ihnen auch mit Auflegung der Haͤnde den<lb/> hohenprieſterlichen Segen ertheilet, und vor ih-<lb/> ren Augen ſichtbar gen Himmel gefahren. Luc. 24,<lb/> 49. <hi rendition="#aq">ſqq. Act.</hi> 1, 4.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 8.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Am letzten nach allen iſt er auch von<lb/> mir, als einer unzeitigen Geburt, geſehen<lb/> worden.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. An einer <hi rendition="#fr">unzeitigen Geburt</hi> findet<lb/> man dieſe Eigenſchaften, daß ſie gantz auſſeror-<lb/> dentlich, fruͤh, unvermuthet, und als unreif,<lb/> gemeiniglich auch todt, ans Licht kommt. Und<lb/> damit vergleichet ſich der Apoſtel in Anſehung<lb/> deſſen, daß er nicht vorher, ehe er zum Apoſtel-<lb/> Amt beſtellet worden, wie die andern Apoſtel<lb/> dazu erſt in der Schul und <hi rendition="#aq">Diſciplin</hi> Chriſti zu-<lb/> bereitet worden; als welche erſtlich nur zu Juͤn-<lb/> gern, und aus Juͤngern, derer der HErr 70<lb/> hatte, zu Apoſteln berufen ſind. Er hingegen<lb/> kam dazu gantz unvermuthet, als eine von der<lb/> Juͤdiſchen Chriſtum verfolgenden Synagoge<lb/> gekommene noch ungeſtalte und todte Frucht.<lb/> Wie ihn denn der HErr auf dem Wege nach<lb/><hi rendition="#aq">Damaſcus,</hi> als er ihn gantz auſſerordentlicher<lb/> Weiſe von ſeiner Juͤdiſchen Mutter, oder Kir-<lb/> che, brachte, als einen geiſtlich Todten, und<lb/><cb/> dazu bisher gleichſam recht grimmigen Baͤren<lb/> und Loͤwen fand.</p><lb/> <p>2. Gleichwie nun dieſes der Apoſtel zu ſei-<lb/> ner Demuͤthigung ſelbſt anfuͤhret: alſo geden-<lb/> cket er doch dabey auch nicht weniger der groſſen<lb/> und auſſerordentlichen Gnade, welche ihm zur<lb/> Bekehrung und Berufung wiederfahren war.<lb/> Denn da es die Eigenſchaft eines Apoſtels war,<lb/> von Chriſto ſelbſt <hi rendition="#fr">unmittelbar berufen zu<lb/> ſeyn,</hi> ſo konte er dieſes auch mit aller Wahrheit<lb/> von ſich ſagen, daß auch ihm der HErr erſchie-<lb/> nen, zwar dazumal noch als einem geiſtlich<lb/> todten, aber doch mit ſolcher Gnaden-Kraft,<lb/> daß er ihn zum geiſtlichen Leben gebracht, und<lb/> nach ſeinem Sinne gebildet, und auf einmal,<lb/> wie zu ſeinem Schafe, alſo auch zugleich zum<lb/> Hirten der Schafe, ja zum Aufſeher der Hirten<lb/> gemachet habe.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 9.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Denn ich bin</hi> (in Anſehung deſſen, daß ich<lb/> ſo ſpaͤt, ſo unbereitet und bey meinem ſo feindſe-<lb/> ligen Sinne, unwuͤrdig dazu gekommen) <hi rendition="#fr">der<lb/> geringſte unter den Apoſteln, als der ich<lb/> nicht werth bin, daß ich ein Apoſtel heiſſe,<lb/> darum, daß ich die Gemeine GOttes ver-<lb/> folget habe.</hi> (Welches Lucas erzehlet Apoſt.<lb/> Geſch. 8, 3. 9, 1. <hi rendition="#aq">ſqq.</hi> und Paulus ſelbſt mit<lb/> ſonderlicher Wehmuth mehrmal anfuͤhret; als<lb/> Ap. Geſch. 22, 4. <hi rendition="#aq">ſqq.</hi> 26, 9. <hi rendition="#aq">ſq.</hi> Gal. 1, 13.<lb/> 1 Tim. 1, 13. dahin auch gehoͤret, wenn er Eph.<lb/> 3, 8. ſpricht: <hi rendition="#fr">Mir, dem allergeringſten un-<lb/> ter allen Heiligen iſt gegeben dieſe Gnade,<lb/> unter die Heiden zu verkuͤndigen den un-<lb/> ausforſchlichen Reichthum Chriſti</hi> ꝛc.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Die vor der Bekehrung begangene<lb/> Suͤnden werden zwar vergeben, alſo, daß man<lb/> wegen der Gewißheit der geſchehenen Verge-<lb/> bung zur groſſen Glaubens-Freudigkeit mit<lb/> Paulo gelangen kan: allein ſie laſſen dabey<lb/> doch noch immer ein betruͤbtes Andencken zur<lb/> beſondern Demuͤthigung zuruͤck: wie wir an<lb/> Paulo ſehen: zumal wenn ſie von ſolcher Be-<lb/> ſchaffenheit geweſen, daß damit andere ſehr ge-<lb/> aͤrgert worden ſind.</p><lb/> <p>2. Man hat ſich demnach vor ſolchen Ver-<lb/> gehungen auch im Stande der Suͤnde zu huͤten:<lb/> und wo man ſich derſelben ſchuldig weiß, die Be-<lb/> kehrung ſo viel weniger aufzuſchieben, und nach<lb/> Pauli Exempel die gegebene Aergerniſſe mit ei-<lb/> nem deſto erbaulichern Exempel deſto mehr wie-<lb/> der abzuthun.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 10.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Aber von GOttes Gnaden bin ich,<lb/> das ich bin,</hi> (aus einem reiſſenden Wolfe<lb/> nicht allein ein Schaf, ſondern auch ein Hirte<lb/> der Schafe, und dazu ein ſolcher, der hie und da<lb/> die Heerden anleget, und die Hirten darinnen<lb/> ſetzet) <hi rendition="#fr">und ſeine Gnade</hi> (die Gnade der Be-<lb/> rufung, Bekehrung, Gerechtmachung und Hei-<lb/> ligung ſamt den vielen zum Amte geſchenckten<lb/> Gnaden-Gaben) <hi rendition="#fr">an mir iſt nicht vergeblich</hi><lb/> (ohne Frucht) <hi rendition="#fr">geweſen; ſondern ich habe</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">viel-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0348]
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 15, v. 8-10.
15, 40. welcher ein Schweſter Sohn der Jung-
frauen Marien war, und daher ein Bruder
des HErrn genennet wird. Gal. 1, 10. Die-
ſer ſtunde ſonderlich der Kirche zu Jeruſalem vor
Apoſt. Geſch. 12, 17. 15, 13. 21, 18. u. f. Gal.
1, 19. 2, 9. Und dieſer iſt es, von dem wir die
Epiſtel haben.
2. Welchem aber von den beyden die Er-
ſcheinung Chriſti, welche die neunte in der
Ordnung geweſen, beſonders wiederfahren,
das laͤßt ſich nicht ſagen: ſintemal die Evange-
liſten derſelben nicht gedencken; damals muß es
aus der glaubwuͤrdigen Erzehlung Jacobi be-
kannt genug geweſen ſeyn. Jſts der erſte, ſo
mag ihm unſer Heiland vielleicht ſeinen vor an-
dern zuerſt bevorſtehenden Tod mit einer Auf-
munterung angekuͤndiget haben. Jſt es aber
der letzte, ſo kan es ſeyn, daß er ihm die Aufſicht
uͤber die Jeruſalemſche Kirche beſonders aufge-
tragen, und daneben geoffenbaret hat, wie es
daſelbſt mit der Juͤdiſchen Kirche bald nach ſei-
nem Tode, als der zur Zeit des Landpflegers
Albini kurtz vor der Verſtoͤrung, nach Joſephi
und Euſebii Zeugniß, erfolget iſt, fuͤr ein er-
ſchreckliches Ende nehmen wuͤrde.
3. Die zehnte und letzte Erſcheinung iſt
denn endlich dieſe, welcher Paulus alhier geden-
cket, und davon auch zeuget Marcus c. 16, 14.
ſqq. da denn gar wohl ſeyn kan, daß der HErr,
nach dem Zeugniſſe Marci, erſt zu Jeruſalem mit
ſeinen Juͤngern zu Tiſche geſeſſen, und die ſchon
in Galilaͤa gegebene Inſtruction: gehet hin ꝛc.
wiederholet hat: darauf er ſie denn mit der
Gabe Wunder zu thun aufs neue ausgeruͤſtet,
ſie hinaus nach Bethanien gefuͤhret, ihnen die
Verheiſſung gegeben von der nechſt zu empfan-
genden Wunder-vollen Salbung des H. Gei-
ſtes, ihnen auch mit Auflegung der Haͤnde den
hohenprieſterlichen Segen ertheilet, und vor ih-
ren Augen ſichtbar gen Himmel gefahren. Luc. 24,
49. ſqq. Act. 1, 4.
V. 8.
Am letzten nach allen iſt er auch von
mir, als einer unzeitigen Geburt, geſehen
worden.
Anmerckungen.
1. An einer unzeitigen Geburt findet
man dieſe Eigenſchaften, daß ſie gantz auſſeror-
dentlich, fruͤh, unvermuthet, und als unreif,
gemeiniglich auch todt, ans Licht kommt. Und
damit vergleichet ſich der Apoſtel in Anſehung
deſſen, daß er nicht vorher, ehe er zum Apoſtel-
Amt beſtellet worden, wie die andern Apoſtel
dazu erſt in der Schul und Diſciplin Chriſti zu-
bereitet worden; als welche erſtlich nur zu Juͤn-
gern, und aus Juͤngern, derer der HErr 70
hatte, zu Apoſteln berufen ſind. Er hingegen
kam dazu gantz unvermuthet, als eine von der
Juͤdiſchen Chriſtum verfolgenden Synagoge
gekommene noch ungeſtalte und todte Frucht.
Wie ihn denn der HErr auf dem Wege nach
Damaſcus, als er ihn gantz auſſerordentlicher
Weiſe von ſeiner Juͤdiſchen Mutter, oder Kir-
che, brachte, als einen geiſtlich Todten, und
dazu bisher gleichſam recht grimmigen Baͤren
und Loͤwen fand.
2. Gleichwie nun dieſes der Apoſtel zu ſei-
ner Demuͤthigung ſelbſt anfuͤhret: alſo geden-
cket er doch dabey auch nicht weniger der groſſen
und auſſerordentlichen Gnade, welche ihm zur
Bekehrung und Berufung wiederfahren war.
Denn da es die Eigenſchaft eines Apoſtels war,
von Chriſto ſelbſt unmittelbar berufen zu
ſeyn, ſo konte er dieſes auch mit aller Wahrheit
von ſich ſagen, daß auch ihm der HErr erſchie-
nen, zwar dazumal noch als einem geiſtlich
todten, aber doch mit ſolcher Gnaden-Kraft,
daß er ihn zum geiſtlichen Leben gebracht, und
nach ſeinem Sinne gebildet, und auf einmal,
wie zu ſeinem Schafe, alſo auch zugleich zum
Hirten der Schafe, ja zum Aufſeher der Hirten
gemachet habe.
V. 9.
Denn ich bin (in Anſehung deſſen, daß ich
ſo ſpaͤt, ſo unbereitet und bey meinem ſo feindſe-
ligen Sinne, unwuͤrdig dazu gekommen) der
geringſte unter den Apoſteln, als der ich
nicht werth bin, daß ich ein Apoſtel heiſſe,
darum, daß ich die Gemeine GOttes ver-
folget habe. (Welches Lucas erzehlet Apoſt.
Geſch. 8, 3. 9, 1. ſqq. und Paulus ſelbſt mit
ſonderlicher Wehmuth mehrmal anfuͤhret; als
Ap. Geſch. 22, 4. ſqq. 26, 9. ſq. Gal. 1, 13.
1 Tim. 1, 13. dahin auch gehoͤret, wenn er Eph.
3, 8. ſpricht: Mir, dem allergeringſten un-
ter allen Heiligen iſt gegeben dieſe Gnade,
unter die Heiden zu verkuͤndigen den un-
ausforſchlichen Reichthum Chriſti ꝛc.)
Anmerckungen.
1. Die vor der Bekehrung begangene
Suͤnden werden zwar vergeben, alſo, daß man
wegen der Gewißheit der geſchehenen Verge-
bung zur groſſen Glaubens-Freudigkeit mit
Paulo gelangen kan: allein ſie laſſen dabey
doch noch immer ein betruͤbtes Andencken zur
beſondern Demuͤthigung zuruͤck: wie wir an
Paulo ſehen: zumal wenn ſie von ſolcher Be-
ſchaffenheit geweſen, daß damit andere ſehr ge-
aͤrgert worden ſind.
2. Man hat ſich demnach vor ſolchen Ver-
gehungen auch im Stande der Suͤnde zu huͤten:
und wo man ſich derſelben ſchuldig weiß, die Be-
kehrung ſo viel weniger aufzuſchieben, und nach
Pauli Exempel die gegebene Aergerniſſe mit ei-
nem deſto erbaulichern Exempel deſto mehr wie-
der abzuthun.
V. 10.
Aber von GOttes Gnaden bin ich,
das ich bin, (aus einem reiſſenden Wolfe
nicht allein ein Schaf, ſondern auch ein Hirte
der Schafe, und dazu ein ſolcher, der hie und da
die Heerden anleget, und die Hirten darinnen
ſetzet) und ſeine Gnade (die Gnade der Be-
rufung, Bekehrung, Gerechtmachung und Hei-
ligung ſamt den vielen zum Amte geſchenckten
Gnaden-Gaben) an mir iſt nicht vergeblich
(ohne Frucht) geweſen; ſondern ich habe
viel-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |