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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 13, v. 12. 13. c. 14, 1. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch]
5. Das Wort, erkennet bin, nimmt
man alhier billig nach der Hebräischen Conju-
gatione passiva Hophal
also, daß es heißt: Jch
bin zur Erkäntniß gebracht, ich bin er-
leuchtet worden:
in welchem Verstande wir
diß Wort auch oben Cap. 8, 3. und Gal. 4, 19.
lesen. Und also soll es so viel seyn, als: gleich-
wie ich werde zum völligen Lichte gebracht seyn;
so werde ich in demselben auch GOtt und gött-
liche Dinge völlig erkennen.
V. 13.

Nun aber (in diesem gegenwärtigen Le-
ben,) bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe,
diese drey
(Haupt-Stücke der Heiligungs-
Gaben, da hingegen die ausserordentlichen Ga-
ben weder allen Gliedern gegeben werden, noch
bey allen beständig sind, noch auch immer in
der Kirche auf Erden bleiben werden,) aber
die Liebe ist die grösseste unter ihnen.

Anmerckungen.
1. Die Liebe ist die grösseste, theils in
Ansehung der Ausbreitung und der Pflich-
ten,
da es der Glaube und die damit verknüpf-
te und aufs ewige als unsichtbare gerichtete
Hoffnung, eigentlich nur mit GOtt zu thun
hat, so hat es die Liebe mit GOTT, mit uns
selbst und mit dem Nächsten zu thun, und hält
alle Tugenden in sich, also daß die Liebe von den-
selben nur unterschiedliche Namen überkömmt:
theils auch in Ansehung der Daurung. Denn
wenn Glaube und Hoffnung mit diesem Leben
[Spaltenumbruch] aufhören; sintemal, was man am ewigen Le-
ben schon hat, man nicht mehr glauben und
hoffen darf; so bleibet doch die Liebe ewiglich,
und wird im Reiche der Herrlichkeit erst zu ih-
rer völligen Lauterkeit und Kraft gelangen.
2. Der Glaube aber und die Hoffnung
verlieren sich nicht so wol an sich selbst, in An-
sehung der geglaubten und gehoffeten Sache,
als nur ihrem Namen und ietzigen Beschaffen-
heit nach: gleichwie zwey grosse Flüsse, wenn
sie sich ins Meer ergiessen, ihrem vorigen Gan-
ge und Namen nach aufhören, sich aber doch
im Meer nicht verlieren, sondern nur davon ver-
schlungen werden.
3. Da der Unterscheid der Liebe und des
Glaubens bekannt ist, so ist auch zu mercken,
wie die Hoffnung vom Glauben unterschie-
den
ist:
a. Der Glaube ist gleichsam die Mutter
der Hoffnung, von welcher die Hoffnung
gebohren wird.
b. Der Glaube ergreift die Verheissungen
vom künftigen Heil. Und die Hoffnung
ist eine ausdaurende Erwartung von der
Erfüllung derselben.
c. Der Glaube gehet auch aufs gegenwär-
tige,
z. e. auf die Zueignung der Versöh-
nung CHristi, der Rechtfertigung, der
Kindschaft GOttes, daß man solche Gü-
ter schon ietzo wircklich besitze. Die Hoff-
nung
aber hat es eigentlich mit dem künf-
tigen Heil
zu thun.
Das vierzehnte Capitel/
Darinnen der Apostel die schon vorher tractirte Materie
vom würdigen und allein in der Liebe auf die Erbauung zu richtenden
Gebrauch der geistlichen Gaben fortsetzet/ und vor andern das Weis-
sagen/ oder die Verkündigung des göttlichen Worts/ bey den
fremden Sprachen aber das Auslegen sonderlich
recommendiret.
V. 1.
[Spaltenumbruch]

STrebet nach der Liebe, fleis-
siget euch der geistlichen Ga-
ben; am meisten aber, daß
ihr weissagen möget.
Sie-
auch v. 12.

Anmerckungen.
1. Mit den ersten Worten beschliesset der
Apostel die vorhergehende Materie von der den
Corinthiern nach ihrer Vortreflichkeit, vielen
Eigenschaften und ewigen Beständigkeit ange-
priesenen Liebe. Und mit dem verbo diokein,
streben, nachjagen, erfodert er in der Ubung
der Liebe allen gehörigen Ernst.
2. Damit aber auch die geistlichen Gna-
den-Gaben gegen die Liebe, mit einer Undanck-
[Spaltenumbruch] barkeit gegen GOtt nicht gar zu gering geachtet
werden möchten, so thut er die Erinnerung hin-
zu: Befleißiget euch aber der geistlichen
Gaben.
3. Daß aber die Gläubigen sich nach den
geistlichen Gaben bestreben sollen, daraus sie-
het man, daß, ob sie gleich ausserordentliche
Gnaden-Geschencke gewesen, welche niemand
durch seinen eignen Fleiß erlangen können, den-
noch ein Bestreben darnach hat statt gefunden,
nemlich im Gebet zu GOTT. Denn ob wir
gleich heute zu Tage darum nicht zu beten ha-
ben; sintemal sie uns GOTT nicht also ver-
heissen hat, wie die Heiligungs-Gaben, sie
auch der Kirche ietzo so nöthig nicht sind, als
dazumal: so konte und solte es doch in der er-
sten
Q q 3
Cap. 13, v. 12. 13. c. 14, 1. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch]
5. Das Wort, erkennet bin, nimmt
man alhier billig nach der Hebraͤiſchen Conju-
gatione paſſiva Hophal
alſo, daß es heißt: Jch
bin zur Erkaͤntniß gebracht, ich bin er-
leuchtet worden:
in welchem Verſtande wir
diß Wort auch oben Cap. 8, 3. und Gal. 4, 19.
leſen. Und alſo ſoll es ſo viel ſeyn, als: gleich-
wie ich werde zum voͤlligen Lichte gebracht ſeyn;
ſo werde ich in demſelben auch GOtt und goͤtt-
liche Dinge voͤllig erkennen.
V. 13.

Nun aber (in dieſem gegenwaͤrtigen Le-
ben,) bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe,
dieſe drey
(Haupt-Stuͤcke der Heiligungs-
Gaben, da hingegen die auſſerordentlichen Ga-
ben weder allen Gliedern gegeben werden, noch
bey allen beſtaͤndig ſind, noch auch immer in
der Kirche auf Erden bleiben werden,) aber
die Liebe iſt die groͤſſeſte unter ihnen.

Anmerckungen.
1. Die Liebe iſt die groͤſſeſte, theils in
Anſehung der Ausbreitung und der Pflich-
ten,
da es der Glaube und die damit verknuͤpf-
te und aufs ewige als unſichtbare gerichtete
Hoffnung, eigentlich nur mit GOtt zu thun
hat, ſo hat es die Liebe mit GOTT, mit uns
ſelbſt und mit dem Naͤchſten zu thun, und haͤlt
alle Tugenden in ſich, alſo daß die Liebe von den-
ſelben nur unterſchiedliche Namen uͤberkoͤmmt:
theils auch in Anſehung der Daurung. Denn
wenn Glaube und Hoffnung mit dieſem Leben
[Spaltenumbruch] aufhoͤren; ſintemal, was man am ewigen Le-
ben ſchon hat, man nicht mehr glauben und
hoffen darf; ſo bleibet doch die Liebe ewiglich,
und wird im Reiche der Herrlichkeit erſt zu ih-
rer voͤlligen Lauterkeit und Kraft gelangen.
2. Der Glaube aber und die Hoffnung
verlieren ſich nicht ſo wol an ſich ſelbſt, in An-
ſehung der geglaubten und gehoffeten Sache,
als nur ihrem Namen und ietzigen Beſchaffen-
heit nach: gleichwie zwey groſſe Fluͤſſe, wenn
ſie ſich ins Meer ergieſſen, ihrem vorigen Gan-
ge und Namen nach aufhoͤren, ſich aber doch
im Meer nicht verlieren, ſondern nur davon ver-
ſchlungen werden.
3. Da der Unterſcheid der Liebe und des
Glaubens bekannt iſt, ſo iſt auch zu mercken,
wie die Hoffnung vom Glauben unterſchie-
den
iſt:
a. Der Glaube iſt gleichſam die Mutter
der Hoffnung, von welcher die Hoffnung
gebohren wird.
b. Der Glaube ergreift die Verheiſſungen
vom kuͤnftigen Heil. Und die Hoffnung
iſt eine ausdaurende Erwartung von der
Erfuͤllung derſelben.
c. Der Glaube gehet auch aufs gegenwaͤr-
tige,
z. e. auf die Zueignung der Verſoͤh-
nung CHriſti, der Rechtfertigung, der
Kindſchaft GOttes, daß man ſolche Guͤ-
ter ſchon ietzo wircklich beſitze. Die Hoff-
nung
aber hat es eigentlich mit dem kuͤnf-
tigen Heil
zu thun.
Das vierzehnte Capitel/
Darinnen der Apoſtel die ſchon vorher tractirte Materie
vom wuͤrdigen und allein in der Liebe auf die Erbauung zu richtenden
Gebrauch der geiſtlichen Gaben fortſetzet/ und vor andern das Weiſ-
ſagen/ oder die Verkuͤndigung des goͤttlichen Worts/ bey den
fremden Sprachen aber das Auslegen ſonderlich
recommendiret.
V. 1.
[Spaltenumbruch]

STrebet nach der Liebe, fleiſ-
ſiget euch der geiſtlichen Ga-
ben; am meiſten aber, daß
ihr weiſſagen moͤget.
Sie-
auch v. 12.

Anmerckungen.
1. Mit den erſten Worten beſchlieſſet der
Apoſtel die vorhergehende Materie von der den
Corinthiern nach ihrer Vortreflichkeit, vielen
Eigenſchaften und ewigen Beſtaͤndigkeit ange-
prieſenen Liebe. Und mit dem verbo διώκειν,
ſtreben, nachjagen, erfodert er in der Ubung
der Liebe allen gehoͤrigen Ernſt.
2. Damit aber auch die geiſtlichen Gna-
den-Gaben gegen die Liebe, mit einer Undanck-
[Spaltenumbruch] barkeit gegen GOtt nicht gar zu gering geachtet
werden moͤchten, ſo thut er die Erinnerung hin-
zu: Befleißiget euch aber der geiſtlichen
Gaben.
3. Daß aber die Glaͤubigen ſich nach den
geiſtlichen Gaben beſtreben ſollen, daraus ſie-
het man, daß, ob ſie gleich auſſerordentliche
Gnaden-Geſchencke geweſen, welche niemand
durch ſeinen eignen Fleiß erlangen koͤnnen, den-
noch ein Beſtreben darnach hat ſtatt gefunden,
nemlich im Gebet zu GOTT. Denn ob wir
gleich heute zu Tage darum nicht zu beten ha-
ben; ſintemal ſie uns GOTT nicht alſo ver-
heiſſen hat, wie die Heiligungs-Gaben, ſie
auch der Kirche ietzo ſo noͤthig nicht ſind, als
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[309/0337] Cap. 13, v. 12. 13. c. 14, 1. an die Corinthier. 5. Das Wort, erkennet bin, nimmt man alhier billig nach der Hebraͤiſchen Conju- gatione paſſiva Hophal alſo, daß es heißt: Jch bin zur Erkaͤntniß gebracht, ich bin er- leuchtet worden: in welchem Verſtande wir diß Wort auch oben Cap. 8, 3. und Gal. 4, 19. leſen. Und alſo ſoll es ſo viel ſeyn, als: gleich- wie ich werde zum voͤlligen Lichte gebracht ſeyn; ſo werde ich in demſelben auch GOtt und goͤtt- liche Dinge voͤllig erkennen. V. 13. Nun aber (in dieſem gegenwaͤrtigen Le- ben,) bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, dieſe drey (Haupt-Stuͤcke der Heiligungs- Gaben, da hingegen die auſſerordentlichen Ga- ben weder allen Gliedern gegeben werden, noch bey allen beſtaͤndig ſind, noch auch immer in der Kirche auf Erden bleiben werden,) aber die Liebe iſt die groͤſſeſte unter ihnen. Anmerckungen. 1. Die Liebe iſt die groͤſſeſte, theils in Anſehung der Ausbreitung und der Pflich- ten, da es der Glaube und die damit verknuͤpf- te und aufs ewige als unſichtbare gerichtete Hoffnung, eigentlich nur mit GOtt zu thun hat, ſo hat es die Liebe mit GOTT, mit uns ſelbſt und mit dem Naͤchſten zu thun, und haͤlt alle Tugenden in ſich, alſo daß die Liebe von den- ſelben nur unterſchiedliche Namen uͤberkoͤmmt: theils auch in Anſehung der Daurung. Denn wenn Glaube und Hoffnung mit dieſem Leben aufhoͤren; ſintemal, was man am ewigen Le- ben ſchon hat, man nicht mehr glauben und hoffen darf; ſo bleibet doch die Liebe ewiglich, und wird im Reiche der Herrlichkeit erſt zu ih- rer voͤlligen Lauterkeit und Kraft gelangen. 2. Der Glaube aber und die Hoffnung verlieren ſich nicht ſo wol an ſich ſelbſt, in An- ſehung der geglaubten und gehoffeten Sache, als nur ihrem Namen und ietzigen Beſchaffen- heit nach: gleichwie zwey groſſe Fluͤſſe, wenn ſie ſich ins Meer ergieſſen, ihrem vorigen Gan- ge und Namen nach aufhoͤren, ſich aber doch im Meer nicht verlieren, ſondern nur davon ver- ſchlungen werden. 3. Da der Unterſcheid der Liebe und des Glaubens bekannt iſt, ſo iſt auch zu mercken, wie die Hoffnung vom Glauben unterſchie- den iſt: a. Der Glaube iſt gleichſam die Mutter der Hoffnung, von welcher die Hoffnung gebohren wird. b. Der Glaube ergreift die Verheiſſungen vom kuͤnftigen Heil. Und die Hoffnung iſt eine ausdaurende Erwartung von der Erfuͤllung derſelben. c. Der Glaube gehet auch aufs gegenwaͤr- tige, z. e. auf die Zueignung der Verſoͤh- nung CHriſti, der Rechtfertigung, der Kindſchaft GOttes, daß man ſolche Guͤ- ter ſchon ietzo wircklich beſitze. Die Hoff- nung aber hat es eigentlich mit dem kuͤnf- tigen Heil zu thun. Das vierzehnte Capitel/ Darinnen der Apoſtel die ſchon vorher tractirte Materie vom wuͤrdigen und allein in der Liebe auf die Erbauung zu richtenden Gebrauch der geiſtlichen Gaben fortſetzet/ und vor andern das Weiſ- ſagen/ oder die Verkuͤndigung des goͤttlichen Worts/ bey den fremden Sprachen aber das Auslegen ſonderlich recommendiret. V. 1. STrebet nach der Liebe, fleiſ- ſiget euch der geiſtlichen Ga- ben; am meiſten aber, daß ihr weiſſagen moͤget. Sie- auch v. 12. Anmerckungen. 1. Mit den erſten Worten beſchlieſſet der Apoſtel die vorhergehende Materie von der den Corinthiern nach ihrer Vortreflichkeit, vielen Eigenſchaften und ewigen Beſtaͤndigkeit ange- prieſenen Liebe. Und mit dem verbo διώκειν, ſtreben, nachjagen, erfodert er in der Ubung der Liebe allen gehoͤrigen Ernſt. 2. Damit aber auch die geiſtlichen Gna- den-Gaben gegen die Liebe, mit einer Undanck- barkeit gegen GOtt nicht gar zu gering geachtet werden moͤchten, ſo thut er die Erinnerung hin- zu: Befleißiget euch aber der geiſtlichen Gaben. 3. Daß aber die Glaͤubigen ſich nach den geiſtlichen Gaben beſtreben ſollen, daraus ſie- het man, daß, ob ſie gleich auſſerordentliche Gnaden-Geſchencke geweſen, welche niemand durch ſeinen eignen Fleiß erlangen koͤnnen, den- noch ein Beſtreben darnach hat ſtatt gefunden, nemlich im Gebet zu GOTT. Denn ob wir gleich heute zu Tage darum nicht zu beten ha- ben; ſintemal ſie uns GOTT nicht alſo ver- heiſſen hat, wie die Heiligungs-Gaben, ſie auch der Kirche ietzo ſo noͤthig nicht ſind, als dazumal: ſo konte und ſolte es doch in der er- ſten Q q 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/337>, abgerufen am 25.11.2024.