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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 12, v. 14-20. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] wunderung einen vollkommnen Spiegel der
grössesten Weisheit GOttes finden. Nur ei-
nes zu gedencken, siehe deine Hand an, und be-
trachte, daß sie dir, unter vielen andern ihren
Verrichtungen, dienen müsse, etwas anzugrei-
fen und veste zu halten, also, daß es von beyden
Seiten umfasset wird. Hättest du nun acht
Finger, also daß an statt des Daumens dir vier
andere Finger gegeben wären, um den vier gegen
über stehenden im Ergreiffen und Halten es
gleich zu thun: was würde das nicht für eine
unförmliche Sache seyn an der Hand, und wie
viele Hinderungen würden diese vier gegen den
Leib zu stehende Finger bey unzählichen andern
Verrichtungen nicht geben? Wäre aber auch
der Daum nur wie ein gemeiner Finger von den
vier übrigen, wie würde er ein den Vieren glei-
ches Gegenwicht halten können? Dannenhero
erkenne daraus die Weisheit GOttes, daß er
dem Daumen, um mehrer Behändigkeit willen,
zwar eine wenigere Länge, aber dagegen eine
mehrere Dicke und Stärcke, ja gleichsam eine
rechte Löwen-Kraft, gegeben: sintemal er im
Ergreiffen und Vestehalten für sich allein so viel
vermag, als die übrige alle zusammen.
6. An diesem am menschlichen Leibe ge-
zeigeten Spiegel der Güte, Allmacht und Weis-
heit GOttes leuchtet nun auch sonderlich die
Freyheit des göttlichen Willens heraus.
Denn gleichwie keine Nothwendigkeit war, daß
der Mensch muste erschaffen werden; sintemal
GOtt, als das höchste und vollkommenste We-
sen aller Geschöpffe entbehren konte; so war
noch vielweniger eine Nothwendigkeit, daß der
menschliche Leib eben auf diese Art, die er ietzo an
sich hat, erschaffen werden muste: sintemal er
gar wohl, ohne alle Contradiction und Unmög-
lichkeit, anders eingerichtet seyn könte, wofern
GOtt beliebet hätte, desselben so vielfachen
Zweck auf gantz andere Arten der Verrichtun-
gen einzurichten: wie denn kein Mensch zwei-
feln kan, daß nicht noch viel mehrere Arten wä-
ren möglich gewesen. Da nun aber diese, die
wir haben, von GOtt beliebet worden, so ist es
nicht weniger ein Werck seiner unumschrenck-
ten Freyheit, als unendlichen Weisheit, nach
welcher er alles aus freyer Allmacht aufs beste
dargestellet hat.
7. Da es nun eine solche Beschaffenheit
mit dem menschlichen Leibe hat, so sehen wir zu-
vorderst, wie er uns zur natürlichen Erkäntniß
GOttes führet, und uns insonderheit dessen
Haupt-Eigenschaften der Weisheit, Güte,
Allmacht, und Freyheit GOttes aufs klärste an-
weiset. Man kan nicht weniger auch die Exi-
sten
tz GOttes, oder daß ein GOtt ist, gegen
die Atheisten aus dem menschlichen Leibe gar
deutlich erweisen. Denn da alle menschliche
Leiber aus der Fortpflantzung entstehen, die
Fortpflantzung aber zuerst von zweyen fortpflan-
tzenden Leibern beyderley Geschlechts ihren An-
fang muß genommen haben; gleichwie sie ietzo
daher entstehet: so muß ich sagen, daß solche
zwey erste Leiber von sich selbst entstanden sind,
oder daß sie von einem höchsten Wesen erschaffen
worden. Nun aber kan jenes unmöglich seyn;
so wenig wir sehen, daß ietzo zwey Leiber
[Spaltenumbruch] von sich selbst entstehen, und so wenig et-
was, das noch hinfällig, vergänglich und
unvollkommen ist, die höchste Vollkommen-
heit des von sich selbst seyns an sich haben kan.
Dannenhero sind die ersten Leiber, folglich auch
ihre unsterbliche Seelen, von einem höchsten
Wesen erschaffen: und also muß ein solches
höchstes vollkommnes Wesen seyn, davon sie
herrühren: welches unter andern Vollkommen-
heiten insonderheit die höchste Weisheit, Güte
und Allmacht besitzet, und diese Eigenschaften in
der höchsten Freyheit erweiset. Welches We-
sen wir GOtt nennen.
8. Nun haben wir auch zu erwegen, was
die Betrachtung des Leibes mit seinen Gliedern
in der Application auf die Christliche Kirche, und
auf eine jede Gemeine insonderheit, uns für
Anmerckungen an die Hand gebe. Nemlich
folgende vor andern:
a. der geistliche Leib Christi wird gezeuget und
erbauet aus dem lebendigen Samen seines
Worts,
sonderlich des Evangelii. 1 Petr. 1,
23. Jac. 1, 18.
b. Es ist nur ein eintziges Haupt der Kirche,
als des geistlichen Leibes, welches ist allein
CHristus, der Grund und zugleich der Re-
gente seiner Kirche.
c. Es ist nur eine einige wahre Kirche, als
der geistliche Leib Christi, welcher bestehet aus
allen denen Gliedern, welche durch den Glau-
ben in der Liebe also an Christo ihrem Hau-
pte hangen, wie die Reben am Weinstocke.
Joh. 15, 1. sq. Eph. 4, 3. sqq.
d. Die Glieder dieses geistlichen Leibes haben
unter einander etwas gemein, und etwas
von einander besonders: wie man auch am
natürlichen Leibe siehet.
e. Gemein haben sie dieses miteinander:
a. daß sie von einem Haupte dependiren
und regieret werden, auch im gleichen An-
theil am Haupte stehen: wie sie denn auch
von einem Geiste Christi, ihres Haupts,
sich beleben und regieren lassen.
g daß sie mit einander in genauer Verbin-
dung
stehen vermöge des einen Glaubens,
und des einen Geistes, der sie alle in der
Liebe belebet.
g. daß sie in solcher genauen Verbindung ein-
ander geistliche Handreichung thun und
einander dienen.
d. daß, wie sie active einander dienen, sie
also auch passive unter einander in gleicher
Empfindung
stehen, so wol der Freude
als des Leidens; nemlich also, daß, was
dem einem Gliede gutes und böses wieder-
fähret, das andere Glied, so fern es davon
Kundschaft hat, es mit empfindet. Wie
diese Eigenschaften angezeiget gefunden
werden in diesem Context und Röm. 12,
4. sqq. 13, 15. Eph. 1, 23. 4, 12. 15. 16. etc.
f. Besonders haben sie vor einander die gar
unterschiedliche Gaben: welche aber sind
a die ordentliche, Glaube, Liebe, Hoff-
nung, Erkäntniß, Weisheit, Stärcke
und Kraft, Demuth, Sanftmuth, Keusch-
heit, Geduld, Gelassenheit, Freundlich-
keit,
Cap. 12, v. 14-20. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] wunderung einen vollkommnen Spiegel der
groͤſſeſten Weisheit GOttes finden. Nur ei-
nes zu gedencken, ſiehe deine Hand an, und be-
trachte, daß ſie dir, unter vielen andern ihren
Verrichtungen, dienen muͤſſe, etwas anzugrei-
fen und veſte zu halten, alſo, daß es von beyden
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Finger, alſo daß an ſtatt des Daumens dir vier
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uͤber ſtehenden im Ergreiffen und Halten es
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unfoͤrmliche Sache ſeyn an der Hand, und wie
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Leib zu ſtehende Finger bey unzaͤhlichen andern
Verrichtungen nicht geben? Waͤre aber auch
der Daum nur wie ein gemeiner Finger von den
vier uͤbrigen, wie wuͤrde er ein den Vieren glei-
ches Gegenwicht halten koͤnnen? Dannenhero
erkenne daraus die Weisheit GOttes, daß er
dem Daumen, um mehrer Behaͤndigkeit willen,
zwar eine wenigere Laͤnge, aber dagegen eine
mehrere Dicke und Staͤrcke, ja gleichſam eine
rechte Loͤwen-Kraft, gegeben: ſintemal er im
Ergreiffen und Veſtehalten fuͤr ſich allein ſo viel
vermag, als die uͤbrige alle zuſammen.
6. An dieſem am menſchlichen Leibe ge-
zeigeten Spiegel der Guͤte, Allmacht und Weis-
heit GOttes leuchtet nun auch ſonderlich die
Freyheit des goͤttlichen Willens heraus.
Denn gleichwie keine Nothwendigkeit war, daß
der Menſch muſte erſchaffen werden; ſintemal
GOtt, als das hoͤchſte und vollkommenſte We-
ſen aller Geſchoͤpffe entbehren konte; ſo war
noch vielweniger eine Nothwendigkeit, daß der
menſchliche Leib eben auf dieſe Art, die er ietzo an
ſich hat, erſchaffen werden muſte: ſintemal er
gar wohl, ohne alle Contradiction und Unmoͤg-
lichkeit, anders eingerichtet ſeyn koͤnte, wofern
GOtt beliebet haͤtte, deſſelben ſo vielfachen
Zweck auf gantz andere Arten der Verrichtun-
gen einzurichten: wie denn kein Menſch zwei-
feln kan, daß nicht noch viel mehrere Arten waͤ-
ren moͤglich geweſen. Da nun aber dieſe, die
wir haben, von GOtt beliebet worden, ſo iſt es
nicht weniger ein Werck ſeiner unumſchrenck-
ten Freyheit, als unendlichen Weisheit, nach
welcher er alles aus freyer Allmacht aufs beſte
dargeſtellet hat.
7. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit
mit dem menſchlichen Leibe hat, ſo ſehen wir zu-
vorderſt, wie er uns zur natuͤrlichen Erkaͤntniß
GOttes fuͤhret, und uns inſonderheit deſſen
Haupt-Eigenſchaften der Weisheit, Guͤte,
Allmacht, und Freyheit GOttes aufs klaͤrſte an-
weiſet. Man kan nicht weniger auch die Exi-
ſten
tz GOttes, oder daß ein GOtt iſt, gegen
die Atheiſten aus dem menſchlichen Leibe gar
deutlich erweiſen. Denn da alle menſchliche
Leiber aus der Fortpflantzung entſtehen, die
Fortpflantzung aber zuerſt von zweyen fortpflan-
tzenden Leibern beyderley Geſchlechts ihren An-
fang muß genommen haben; gleichwie ſie ietzo
daher entſtehet: ſo muß ich ſagen, daß ſolche
zwey erſte Leiber von ſich ſelbſt entſtanden ſind,
oder daß ſie von einem hoͤchſten Weſen erſchaffen
worden. Nun aber kan jenes unmoͤglich ſeyn;
ſo wenig wir ſehen, daß ietzo zwey Leiber
[Spaltenumbruch] von ſich ſelbſt entſtehen, und ſo wenig et-
was, das noch hinfaͤllig, vergaͤnglich und
unvollkommen iſt, die hoͤchſte Vollkommen-
heit des von ſich ſelbſt ſeyns an ſich haben kan.
Dannenhero ſind die erſten Leiber, folglich auch
ihre unſterbliche Seelen, von einem hoͤchſten
Weſen erſchaffen: und alſo muß ein ſolches
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heiten inſonderheit die hoͤchſte Weisheit, Guͤte
und Allmacht beſitzet, und dieſe Eigenſchaften in
der hoͤchſten Freyheit erweiſet. Welches We-
ſen wir GOtt nennen.
8. Nun haben wir auch zu erwegen, was
die Betrachtung des Leibes mit ſeinen Gliedern
in der Application auf die Chriſtliche Kirche, und
auf eine jede Gemeine inſonderheit, uns fuͤr
Anmerckungen an die Hand gebe. Nemlich
folgende vor andern:
a. der geiſtliche Leib Chriſti wird gezeuget und
erbauet aus dem lebendigen Samen ſeines
Worts,
ſonderlich des Evangelii. 1 Petr. 1,
23. Jac. 1, 18.
b. Es iſt nur ein eintziges Haupt der Kirche,
als des geiſtlichen Leibes, welches iſt allein
CHriſtus, der Grund und zugleich der Re-
gente ſeiner Kirche.
c. Es iſt nur eine einige wahre Kirche, als
der geiſtliche Leib Chriſti, welcher beſtehet aus
allen denen Gliedern, welche durch den Glau-
ben in der Liebe alſo an Chriſto ihrem Hau-
pte hangen, wie die Reben am Weinſtocke.
Joh. 15, 1. ſq. Eph. 4, 3. ſqq.
d. Die Glieder dieſes geiſtlichen Leibes haben
unter einander etwas gemein, und etwas
von einander beſonders: wie man auch am
natuͤrlichen Leibe ſiehet.
e. Gemein haben ſie dieſes miteinander:
α. daß ſie von einem Haupte dependiren
und regieret werden, auch im gleichen An-
theil am Haupte ſtehen: wie ſie denn auch
von einem Geiſte Chriſti, ihres Haupts,
ſich beleben und regieren laſſen.
γ daß ſie mit einander in genauer Verbin-
dung
ſtehen vermoͤge des einen Glaubens,
und des einen Geiſtes, der ſie alle in der
Liebe belebet.
γ. daß ſie in ſolcher genauen Verbindung ein-
ander geiſtliche Handreichung thun und
einander dienen.
δ. daß, wie ſie active einander dienen, ſie
alſo auch paſſive unter einander in gleicher
Empfindung
ſtehen, ſo wol der Freude
als des Leidens; nemlich alſo, daß, was
dem einem Gliede gutes und boͤſes wieder-
faͤhret, das andere Glied, ſo fern es davon
Kundſchaft hat, es mit empfindet. Wie
dieſe Eigenſchaften angezeiget gefunden
werden in dieſem Context und Roͤm. 12,
4. ſqq. 13, 15. Eph. 1, 23. 4, 12. 15. 16. ꝛc.
f. Beſonders haben ſie vor einander die gar
unterſchiedliche Gaben: welche aber ſind
α die ordentliche, Glaube, Liebe, Hoff-
nung, Erkaͤntniß, Weisheit, Staͤrcke
und Kraft, Demuth, Sanftmuth, Keuſch-
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[303/0331] Cap. 12, v. 14-20. an die Corinthier. wunderung einen vollkommnen Spiegel der groͤſſeſten Weisheit GOttes finden. Nur ei- nes zu gedencken, ſiehe deine Hand an, und be- trachte, daß ſie dir, unter vielen andern ihren Verrichtungen, dienen muͤſſe, etwas anzugrei- fen und veſte zu halten, alſo, daß es von beyden Seiten umfaſſet wird. Haͤtteſt du nun acht Finger, alſo daß an ſtatt des Daumens dir vier andere Finger gegeben waͤren, um den vier gegen uͤber ſtehenden im Ergreiffen und Halten es gleich zu thun: was wuͤrde das nicht fuͤr eine unfoͤrmliche Sache ſeyn an der Hand, und wie viele Hinderungen wuͤrden dieſe vier gegen den Leib zu ſtehende Finger bey unzaͤhlichen andern Verrichtungen nicht geben? Waͤre aber auch der Daum nur wie ein gemeiner Finger von den vier uͤbrigen, wie wuͤrde er ein den Vieren glei- ches Gegenwicht halten koͤnnen? Dannenhero erkenne daraus die Weisheit GOttes, daß er dem Daumen, um mehrer Behaͤndigkeit willen, zwar eine wenigere Laͤnge, aber dagegen eine mehrere Dicke und Staͤrcke, ja gleichſam eine rechte Loͤwen-Kraft, gegeben: ſintemal er im Ergreiffen und Veſtehalten fuͤr ſich allein ſo viel vermag, als die uͤbrige alle zuſammen. 6. An dieſem am menſchlichen Leibe ge- zeigeten Spiegel der Guͤte, Allmacht und Weis- heit GOttes leuchtet nun auch ſonderlich die Freyheit des goͤttlichen Willens heraus. Denn gleichwie keine Nothwendigkeit war, daß der Menſch muſte erſchaffen werden; ſintemal GOtt, als das hoͤchſte und vollkommenſte We- ſen aller Geſchoͤpffe entbehren konte; ſo war noch vielweniger eine Nothwendigkeit, daß der menſchliche Leib eben auf dieſe Art, die er ietzo an ſich hat, erſchaffen werden muſte: ſintemal er gar wohl, ohne alle Contradiction und Unmoͤg- lichkeit, anders eingerichtet ſeyn koͤnte, wofern GOtt beliebet haͤtte, deſſelben ſo vielfachen Zweck auf gantz andere Arten der Verrichtun- gen einzurichten: wie denn kein Menſch zwei- feln kan, daß nicht noch viel mehrere Arten waͤ- ren moͤglich geweſen. Da nun aber dieſe, die wir haben, von GOtt beliebet worden, ſo iſt es nicht weniger ein Werck ſeiner unumſchrenck- ten Freyheit, als unendlichen Weisheit, nach welcher er alles aus freyer Allmacht aufs beſte dargeſtellet hat. 7. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit mit dem menſchlichen Leibe hat, ſo ſehen wir zu- vorderſt, wie er uns zur natuͤrlichen Erkaͤntniß GOttes fuͤhret, und uns inſonderheit deſſen Haupt-Eigenſchaften der Weisheit, Guͤte, Allmacht, und Freyheit GOttes aufs klaͤrſte an- weiſet. Man kan nicht weniger auch die Exi- ſtentz GOttes, oder daß ein GOtt iſt, gegen die Atheiſten aus dem menſchlichen Leibe gar deutlich erweiſen. Denn da alle menſchliche Leiber aus der Fortpflantzung entſtehen, die Fortpflantzung aber zuerſt von zweyen fortpflan- tzenden Leibern beyderley Geſchlechts ihren An- fang muß genommen haben; gleichwie ſie ietzo daher entſtehet: ſo muß ich ſagen, daß ſolche zwey erſte Leiber von ſich ſelbſt entſtanden ſind, oder daß ſie von einem hoͤchſten Weſen erſchaffen worden. Nun aber kan jenes unmoͤglich ſeyn; ſo wenig wir ſehen, daß ietzo zwey Leiber von ſich ſelbſt entſtehen, und ſo wenig et- was, das noch hinfaͤllig, vergaͤnglich und unvollkommen iſt, die hoͤchſte Vollkommen- heit des von ſich ſelbſt ſeyns an ſich haben kan. Dannenhero ſind die erſten Leiber, folglich auch ihre unſterbliche Seelen, von einem hoͤchſten Weſen erſchaffen: und alſo muß ein ſolches hoͤchſtes vollkommnes Weſen ſeyn, davon ſie herruͤhren: welches unter andern Vollkommen- heiten inſonderheit die hoͤchſte Weisheit, Guͤte und Allmacht beſitzet, und dieſe Eigenſchaften in der hoͤchſten Freyheit erweiſet. Welches We- ſen wir GOtt nennen. 8. Nun haben wir auch zu erwegen, was die Betrachtung des Leibes mit ſeinen Gliedern in der Application auf die Chriſtliche Kirche, und auf eine jede Gemeine inſonderheit, uns fuͤr Anmerckungen an die Hand gebe. Nemlich folgende vor andern: a. der geiſtliche Leib Chriſti wird gezeuget und erbauet aus dem lebendigen Samen ſeines Worts, ſonderlich des Evangelii. 1 Petr. 1, 23. Jac. 1, 18. b. Es iſt nur ein eintziges Haupt der Kirche, als des geiſtlichen Leibes, welches iſt allein CHriſtus, der Grund und zugleich der Re- gente ſeiner Kirche. c. Es iſt nur eine einige wahre Kirche, als der geiſtliche Leib Chriſti, welcher beſtehet aus allen denen Gliedern, welche durch den Glau- ben in der Liebe alſo an Chriſto ihrem Hau- pte hangen, wie die Reben am Weinſtocke. Joh. 15, 1. ſq. Eph. 4, 3. ſqq. d. Die Glieder dieſes geiſtlichen Leibes haben unter einander etwas gemein, und etwas von einander beſonders: wie man auch am natuͤrlichen Leibe ſiehet. e. Gemein haben ſie dieſes miteinander: α. daß ſie von einem Haupte dependiren und regieret werden, auch im gleichen An- theil am Haupte ſtehen: wie ſie denn auch von einem Geiſte Chriſti, ihres Haupts, ſich beleben und regieren laſſen. γ daß ſie mit einander in genauer Verbin- dung ſtehen vermoͤge des einen Glaubens, und des einen Geiſtes, der ſie alle in der Liebe belebet. γ. daß ſie in ſolcher genauen Verbindung ein- ander geiſtliche Handreichung thun und einander dienen. δ. daß, wie ſie active einander dienen, ſie alſo auch paſſive unter einander in gleicher Empfindung ſtehen, ſo wol der Freude als des Leidens; nemlich alſo, daß, was dem einem Gliede gutes und boͤſes wieder- faͤhret, das andere Glied, ſo fern es davon Kundſchaft hat, es mit empfindet. Wie dieſe Eigenſchaften angezeiget gefunden werden in dieſem Context und Roͤm. 12, 4. ſqq. 13, 15. Eph. 1, 23. 4, 12. 15. 16. ꝛc. f. Beſonders haben ſie vor einander die gar unterſchiedliche Gaben: welche aber ſind α die ordentliche, Glaube, Liebe, Hoff- nung, Erkaͤntniß, Weisheit, Staͤrcke und Kraft, Demuth, Sanftmuth, Keuſch- heit, Geduld, Gelaſſenheit, Freundlich- keit,

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/331>, abgerufen am 26.11.2024.