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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 10, v. 24. 25.
[Spaltenumbruch] che erlaubet waren, jedoch aber leichtlich an-
dern zum Anstoß werden konten. Darum er
den Gebrauch der Freyheit nach der Liebe will
eingeschrencket wissen.
2. Wahrheit und Liebe sind zwey
Haupt-Stücke oder Haupt-Regeln unsers gan-
tzen Wandels. Denn es ist nicht genug,
Wahrheit, und nach derselben Recht, und
nach dem Recht Freyheit vor sich haben: son-
dern es muß dabey auch nach den Regeln der
Christlichen Klugheit und Mäßigung, zum
Zweck der Erbauung, die Liebe, als die rechte
Meisterin, statt finden; die denn zwar oft von
ihrem Rechte, aber doch niemal vom guten
Gewissen
weichet.
3. Wenn der Apostel das frommen oder
nutzen durch bessern, oder erbauen, erkläret,
so schneidet er damit von dem Zweck unserer
Handlungen ab allen eignen Nutzen, eigne Ehre
und eigne Lust, so wie dieses alles in der Eitel-
keit des Sinnes sonst gesuchet wird; und richtet
alles zum lautern Zweck der Erbauung.
V. 24.

Niemand suche, was sein ist (mit Hind-
ansetzung des Nechsten) sondern ein jeglicher
(suche und befordere nach aller Gelegenheit und
nach allem Vermögen) was des andern ist.

Anmerckungen.
1. Den eigentlichen sensum von dem, was
unser ist,
oder wie dis verstanden werde, kan
man aus dem Verbot des Suchens erkennen:
nemlich es ist eigne Ehre, eigne Lust und ei-
gener Nutze,
und zwar, wie alles dieses in der
Eitelkeit und Unordnung lieget. Denn wo die-
ses gesuchet wird, da wird des Nechsten Wohl-
fahrt und Erbauung aus den Augen gesetzet.
2. Und wenn auch der Mensch in dem, was
er, als das seinige, oder ihm nöthige und nützli-
che, zu suchen hat, nicht irret, sondern solches
zum rechten Zweck vor sich hat, so kan es doch
leichtlich geschehen, daß er in der Art des Su-
chens
verfehlet: wie unter den Corinthiern ge-
schahe, da man bey dem Gebrauche der Christli-
chen Freyheit nur allein auf sein Recht ging, und
dabey die Liebe gegen den schwachen Nechsten
aus den Augen setzte.
3. Da uns die Liebe des Nechsten nicht an-
ders befohlen ist, als in der Ordnung einer recht-
mäßigen Liebe gegen uns selbst, so ist leicht zu er-
achten, daß man nach dieser auch das Seinige
zu suchen habe. Alsdenn aber suchet man es,
wenn man das, was unordentlicher Weise nach
der Welt für das unserige gehalten und gesuchet
wird, recht verleugnet.
4. Jm übrigen sehe man hiebey die Oerter
Röm 13, 10. 15, 1. 2. 1 Cor. 10, 33. c. 13, 5.
Die Liebe suchet nicht das ihrige. Phil. 2,
4. Ein jeglicher sehe nicht auf das seinige,
sondern auf das, was des andern ist.

Hingegen heißt es v. 21. von denen, welche ein
Schalcks-Auge hatten: Sie suchen alle das
ihre, nicht das Christi JEsu ist.
[Spaltenumbruch]
V. 25.

Alles, was feil ist auf dem Fleisch-
Marckt, das
(kauffet ohne Unterscheid, und) es-
set, und forschet nichts
(ob es bey den Hei-
den einige Gemeinschaft habe mit dem Götzen-
Opfer, oder nicht) auf daß ihr des Gewis-
sens verschonet
(so wol euer selbst, damit ihr,
da ihr nach demselben die Freyheit habt, allerley zu
essen, euch nicht selbst dagegen erst einen Scrupel
erreget; als auch anderer; damit ihr, wenn ihr
gefraget werdet, sagen könnet, ihr wisset es
nicht; da ihr hingegen, wenn ihr nach der Er-
kundigung erfahret, es habe nach der Meinung
der Heiden einige Gemeinschaft mit dem Götzen-
wercke, und solches auf Befragen den Schwa-
chen saget, damit bey ihnen einen grossen Anstoß
erregen würdet.)

Anmerckungen.
1. Es ist bey den Heiden die Gewohnheit
gewesen, daß auch wol die Fleisch-Händler zuwei-
len von dem, was sie auf dem Fleisch-Marckt
öffentlich verkauffet, etwas den Götzen auf dem
Altar geopfert haben, in der Meinung, daß sie
ihnen dadurch einen Dienst thäten, auch das
übrige Fleisch dadurch von ihnen eine gewisse
Heiligkeit an sich nähme: wodurch sie auch wol
manche Käuffer mögen an sich gelocket haben.
So haben auch ohne Zweifel die Götzen-Pfaffen,
nebst den übrigen opfernden Heiden ihre
bey den Opfer-Handlungen ihnen zukommende
Opfer-Stücke guten Theils an die Fleischer
verkauft; und diese daher wohl gewust, was sol-
cher gestalt einiger massen Opfer-Fleisch war,
oder nicht. Ob nun gleich nach der Meynung
der Heiden dieses Fleisch noch mit für Opfer-
Fleisch gehalten wurde; so war es doch dadurch,
daß es an die Fleischer verkauft war, ausser der
vorigen und eigentlichen Gemeinschaft des Gö-
tzen-Wesens gesetzet worden, und konte also oh-
ne Anstoß des eignen Gewissens genossen wor-
den. Noch mehr dasjenige, so da noch nie
zum Götzen-Tempel war gebracht worden, son-
dern nur von der Beschaffenheit war, daß die
Fleischer davon eine gewisse Portion, um alles
übrige, ihrer Meynung nach, damit auch zu
consecriren, zum Altar des Götzen gegeben hat-
ten.
2. Da nun dieses Fleisch auf dem Marckte
sehr unterschieden war von dem, was im Götzen-
Tempel den Götzen zu Ehren von den Heiden
verzehret wurde; so rathet der Apostel man solle,
um weder sich selbst, noch andern einen Scrupel
im Gewissen zu erregen, mit einfältigen Hertzen,
was feil sey, kauffen, und nicht erst fürwitzig,
oder ängstiglich nachfragen, wie es darum
stehe.
3. Und also sehen wir, daß man mit der
Zeit im Gebrauche der Christlichen Freyheit
weiter gegangen, als vor dem denen aus den Ju-
den bekehrten schwächern Seelen zu Jerusalem,
in dem Apostolischen Schlusse eingeräumet wor-
den, nemlich daß man sich vom Götzen-Opfer
enthalten solte v. 29. wie denn hiedurch damal
(so
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 10, v. 24. 25.
[Spaltenumbruch] che erlaubet waren, jedoch aber leichtlich an-
dern zum Anſtoß werden konten. Darum er
den Gebrauch der Freyheit nach der Liebe will
eingeſchrencket wiſſen.
2. Wahrheit und Liebe ſind zwey
Haupt-Stuͤcke oder Haupt-Regeln unſers gan-
tzen Wandels. Denn es iſt nicht genug,
Wahrheit, und nach derſelben Recht, und
nach dem Recht Freyheit vor ſich haben: ſon-
dern es muß dabey auch nach den Regeln der
Chriſtlichen Klugheit und Maͤßigung, zum
Zweck der Erbauung, die Liebe, als die rechte
Meiſterin, ſtatt finden; die denn zwar oft von
ihrem Rechte, aber doch niemal vom guten
Gewiſſen
weichet.
3. Wenn der Apoſtel das frommen oder
nutzen durch beſſern, oder erbauen, erklaͤret,
ſo ſchneidet er damit von dem Zweck unſerer
Handlungen ab allen eignen Nutzen, eigne Ehre
und eigne Luſt, ſo wie dieſes alles in der Eitel-
keit des Sinnes ſonſt geſuchet wird; und richtet
alles zum lautern Zweck der Erbauung.
V. 24.

Niemand ſuche, was ſein iſt (mit Hind-
anſetzung des Nechſten) ſondern ein jeglicher
(ſuche und befordere nach aller Gelegenheit und
nach allem Vermoͤgen) was des andern iſt.

Anmerckungen.
1. Den eigentlichen ſenſum von dem, was
unſer iſt,
oder wie dis verſtanden werde, kan
man aus dem Verbot des Suchens erkennen:
nemlich es iſt eigne Ehre, eigne Luſt und ei-
gener Nutze,
und zwar, wie alles dieſes in der
Eitelkeit und Unordnung lieget. Denn wo die-
ſes geſuchet wird, da wird des Nechſten Wohl-
fahrt und Erbauung aus den Augen geſetzet.
2. Und wenn auch der Menſch in dem, was
er, als das ſeinige, oder ihm noͤthige und nuͤtzli-
che, zu ſuchen hat, nicht irret, ſondern ſolches
zum rechten Zweck vor ſich hat, ſo kan es doch
leichtlich geſchehen, daß er in der Art des Su-
chens
verfehlet: wie unter den Corinthiern ge-
ſchahe, da man bey dem Gebrauche der Chriſtli-
chen Freyheit nur allein auf ſein Recht ging, und
dabey die Liebe gegen den ſchwachen Nechſten
aus den Augen ſetzte.
3. Da uns die Liebe des Nechſten nicht an-
ders befohlen iſt, als in der Ordnung einer recht-
maͤßigen Liebe gegen uns ſelbſt, ſo iſt leicht zu er-
achten, daß man nach dieſer auch das Seinige
zu ſuchen habe. Alsdenn aber ſuchet man es,
wenn man das, was unordentlicher Weiſe nach
der Welt fuͤr das unſerige gehalten und geſuchet
wird, recht verleugnet.
4. Jm uͤbrigen ſehe man hiebey die Oerter
Roͤm 13, 10. 15, 1. 2. 1 Cor. 10, 33. c. 13, 5.
Die Liebe ſuchet nicht das ihrige. Phil. 2,
4. Ein jeglicher ſehe nicht auf das ſeinige,
ſondern auf das, was des andern iſt.

Hingegen heißt es v. 21. von denen, welche ein
Schalcks-Auge hatten: Sie ſuchen alle das
ihre, nicht das Chriſti JEſu iſt.
[Spaltenumbruch]
V. 25.

Alles, was feil iſt auf dem Fleiſch-
Marckt, das
(kauffet ohne Unterſcheid, und) eſ-
ſet, und forſchet nichts
(ob es bey den Hei-
den einige Gemeinſchaft habe mit dem Goͤtzen-
Opfer, oder nicht) auf daß ihr des Gewiſ-
ſens verſchonet
(ſo wol euer ſelbſt, damit ihr,
da ihr nach demſelben die Freyheit habt, allerley zu
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kundigung erfahret, es habe nach der Meinung
der Heiden einige Gemeinſchaft mit dem Goͤtzen-
wercke, und ſolches auf Befragen den Schwa-
chen ſaget, damit bey ihnen einen groſſen Anſtoß
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Anmerckungen.
1. Es iſt bey den Heiden die Gewohnheit
geweſen, daß auch wol die Fleiſch-Haͤndler zuwei-
len von dem, was ſie auf dem Fleiſch-Marckt
oͤffentlich verkauffet, etwas den Goͤtzen auf dem
Altar geopfert haben, in der Meinung, daß ſie
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So haben auch ohne Zweifel die Goͤtzen-Pfaffen,
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bey den Opfer-Handlungen ihnen zukommende
Opfer-Stuͤcke guten Theils an die Fleiſcher
verkauft; und dieſe daher wohl gewuſt, was ſol-
cher geſtalt einiger maſſen Opfer-Fleiſch war,
oder nicht. Ob nun gleich nach der Meynung
der Heiden dieſes Fleiſch noch mit fuͤr Opfer-
Fleiſch gehalten wurde; ſo war es doch dadurch,
daß es an die Fleiſcher verkauft war, auſſer der
vorigen und eigentlichen Gemeinſchaft des Goͤ-
tzen-Weſens geſetzet worden, und konte alſo oh-
ne Anſtoß des eignen Gewiſſens genoſſen wor-
den. Noch mehr dasjenige, ſo da noch nie
zum Goͤtzen-Tempel war gebracht worden, ſon-
dern nur von der Beſchaffenheit war, daß die
Fleiſcher davon eine gewiſſe Portion, um alles
uͤbrige, ihrer Meynung nach, damit auch zu
conſecriren, zum Altar des Goͤtzen gegeben hat-
ten.
2. Da nun dieſes Fleiſch auf dem Marckte
ſehr unterſchieden war von dem, was im Goͤtzen-
Tempel den Goͤtzen zu Ehren von den Heiden
verzehret wurde; ſo rathet der Apoſtel man ſolle,
um weder ſich ſelbſt, noch andern einen Scrupel
im Gewiſſen zu erregen, mit einfaͤltigen Hertzen,
was feil ſey, kauffen, und nicht erſt fuͤrwitzig,
oder aͤngſtiglich nachfragen, wie es darum
ſtehe.
3. Und alſo ſehen wir, daß man mit der
Zeit im Gebrauche der Chriſtlichen Freyheit
weiter gegangen, als vor dem denen aus den Ju-
den bekehrten ſchwaͤchern Seelen zu Jeruſalem,
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den, nemlich daß man ſich vom Goͤtzen-Opfer
enthalten ſolte v. 29. wie denn hiedurch damal
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[284/0312] Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 10, v. 24. 25. che erlaubet waren, jedoch aber leichtlich an- dern zum Anſtoß werden konten. Darum er den Gebrauch der Freyheit nach der Liebe will eingeſchrencket wiſſen. 2. Wahrheit und Liebe ſind zwey Haupt-Stuͤcke oder Haupt-Regeln unſers gan- tzen Wandels. Denn es iſt nicht genug, Wahrheit, und nach derſelben Recht, und nach dem Recht Freyheit vor ſich haben: ſon- dern es muß dabey auch nach den Regeln der Chriſtlichen Klugheit und Maͤßigung, zum Zweck der Erbauung, die Liebe, als die rechte Meiſterin, ſtatt finden; die denn zwar oft von ihrem Rechte, aber doch niemal vom guten Gewiſſen weichet. 3. Wenn der Apoſtel das frommen oder nutzen durch beſſern, oder erbauen, erklaͤret, ſo ſchneidet er damit von dem Zweck unſerer Handlungen ab allen eignen Nutzen, eigne Ehre und eigne Luſt, ſo wie dieſes alles in der Eitel- keit des Sinnes ſonſt geſuchet wird; und richtet alles zum lautern Zweck der Erbauung. V. 24. Niemand ſuche, was ſein iſt (mit Hind- anſetzung des Nechſten) ſondern ein jeglicher (ſuche und befordere nach aller Gelegenheit und nach allem Vermoͤgen) was des andern iſt. Anmerckungen. 1. Den eigentlichen ſenſum von dem, was unſer iſt, oder wie dis verſtanden werde, kan man aus dem Verbot des Suchens erkennen: nemlich es iſt eigne Ehre, eigne Luſt und ei- gener Nutze, und zwar, wie alles dieſes in der Eitelkeit und Unordnung lieget. Denn wo die- ſes geſuchet wird, da wird des Nechſten Wohl- fahrt und Erbauung aus den Augen geſetzet. 2. Und wenn auch der Menſch in dem, was er, als das ſeinige, oder ihm noͤthige und nuͤtzli- che, zu ſuchen hat, nicht irret, ſondern ſolches zum rechten Zweck vor ſich hat, ſo kan es doch leichtlich geſchehen, daß er in der Art des Su- chens verfehlet: wie unter den Corinthiern ge- ſchahe, da man bey dem Gebrauche der Chriſtli- chen Freyheit nur allein auf ſein Recht ging, und dabey die Liebe gegen den ſchwachen Nechſten aus den Augen ſetzte. 3. Da uns die Liebe des Nechſten nicht an- ders befohlen iſt, als in der Ordnung einer recht- maͤßigen Liebe gegen uns ſelbſt, ſo iſt leicht zu er- achten, daß man nach dieſer auch das Seinige zu ſuchen habe. Alsdenn aber ſuchet man es, wenn man das, was unordentlicher Weiſe nach der Welt fuͤr das unſerige gehalten und geſuchet wird, recht verleugnet. 4. Jm uͤbrigen ſehe man hiebey die Oerter Roͤm 13, 10. 15, 1. 2. 1 Cor. 10, 33. c. 13, 5. Die Liebe ſuchet nicht das ihrige. Phil. 2, 4. Ein jeglicher ſehe nicht auf das ſeinige, ſondern auf das, was des andern iſt. Hingegen heißt es v. 21. von denen, welche ein Schalcks-Auge hatten: Sie ſuchen alle das ihre, nicht das Chriſti JEſu iſt. V. 25. Alles, was feil iſt auf dem Fleiſch- Marckt, das (kauffet ohne Unterſcheid, und) eſ- ſet, und forſchet nichts (ob es bey den Hei- den einige Gemeinſchaft habe mit dem Goͤtzen- Opfer, oder nicht) auf daß ihr des Gewiſ- ſens verſchonet (ſo wol euer ſelbſt, damit ihr, da ihr nach demſelben die Freyheit habt, allerley zu eſſen, euch nicht ſelbſt dagegen erſt einen Scrupel erreget; als auch anderer; damit ihr, wenn ihr gefraget werdet, ſagen koͤnnet, ihr wiſſet es nicht; da ihr hingegen, wenn ihr nach der Er- kundigung erfahret, es habe nach der Meinung der Heiden einige Gemeinſchaft mit dem Goͤtzen- wercke, und ſolches auf Befragen den Schwa- chen ſaget, damit bey ihnen einen groſſen Anſtoß erregen wuͤrdet.) Anmerckungen. 1. Es iſt bey den Heiden die Gewohnheit geweſen, daß auch wol die Fleiſch-Haͤndler zuwei- len von dem, was ſie auf dem Fleiſch-Marckt oͤffentlich verkauffet, etwas den Goͤtzen auf dem Altar geopfert haben, in der Meinung, daß ſie ihnen dadurch einen Dienſt thaͤten, auch das uͤbrige Fleiſch dadurch von ihnen eine gewiſſe Heiligkeit an ſich naͤhme: wodurch ſie auch wol manche Kaͤuffer moͤgen an ſich gelocket haben. So haben auch ohne Zweifel die Goͤtzen-Pfaffen, nebſt den uͤbrigen opfernden Heiden ihre bey den Opfer-Handlungen ihnen zukommende Opfer-Stuͤcke guten Theils an die Fleiſcher verkauft; und dieſe daher wohl gewuſt, was ſol- cher geſtalt einiger maſſen Opfer-Fleiſch war, oder nicht. Ob nun gleich nach der Meynung der Heiden dieſes Fleiſch noch mit fuͤr Opfer- Fleiſch gehalten wurde; ſo war es doch dadurch, daß es an die Fleiſcher verkauft war, auſſer der vorigen und eigentlichen Gemeinſchaft des Goͤ- tzen-Weſens geſetzet worden, und konte alſo oh- ne Anſtoß des eignen Gewiſſens genoſſen wor- den. Noch mehr dasjenige, ſo da noch nie zum Goͤtzen-Tempel war gebracht worden, ſon- dern nur von der Beſchaffenheit war, daß die Fleiſcher davon eine gewiſſe Portion, um alles uͤbrige, ihrer Meynung nach, damit auch zu conſecriren, zum Altar des Goͤtzen gegeben hat- ten. 2. Da nun dieſes Fleiſch auf dem Marckte ſehr unterſchieden war von dem, was im Goͤtzen- Tempel den Goͤtzen zu Ehren von den Heiden verzehret wurde; ſo rathet der Apoſtel man ſolle, um weder ſich ſelbſt, noch andern einen Scrupel im Gewiſſen zu erregen, mit einfaͤltigen Hertzen, was feil ſey, kauffen, und nicht erſt fuͤrwitzig, oder aͤngſtiglich nachfragen, wie es darum ſtehe. 3. Und alſo ſehen wir, daß man mit der Zeit im Gebrauche der Chriſtlichen Freyheit weiter gegangen, als vor dem denen aus den Ju- den bekehrten ſchwaͤchern Seelen zu Jeruſalem, in dem Apoſtoliſchen Schluſſe eingeraͤumet wor- den, nemlich daß man ſich vom Goͤtzen-Opfer enthalten ſolte v. 29. wie denn hiedurch damal (ſo

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/312>, abgerufen am 28.11.2024.