Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 7, v. 7. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
ches auch seinen guten Grund im Gesetze der Na-tur hat: wie er es denn auch v. 9. Gebots-weise wiederholet. 4. Die Vergünstigung, oder die gesagte Meynung, gehet demnach nur auf das nechst- vorhergehende, nemlich auf eine mit beyder Ehe- leute Bewilligung auf eine Zeitlang zu beschlies- sende Enthaltung. Diese rathet der Apostel an, als eine Sache, welche den Zweck einer auf mehrere Tage anzustellenden und wo nicht mit gäntzlichen, doch mit einigem Fasten zu ver- knüpfenden Gebets_- und Andachts-Ubung we- niger verhindere und mehr befordere. Er will sie doch aber nicht gebieten, als wenn es eben nothwendig geschehen und beyderseits Ehe-Leute sich zu der Einwilligung und Zusammenstim- mung entschliessen müsten. Denn es könte sich bey einigen, gewisser Umstände wegen, eine solche Schwachheit finden, bey welcher die Ent- haltung die Ubung des Gebets und der Auf- opferung gegen GOtt mehr verhinderte, als beförderte. Dannenhero läßt er die Sache nach der Christlichen Freyheit der Selbst-Prü- fung über. 5. Es erhellet demnach hieraus, daß man im Gebrauche ehelicher Beywohnung und in Beantwortung der Frage: Ob die Beywoh- uung auch noch nach der vermutheten oder ge- wissen Empfängniß mit gutem Gewissen gesche- hen könne, das extremum vom Verbot zu ver- meiden, habe. Denn wo die Leistung ehelicher Schuldigkeit alsdenn nicht mehr statt fünde, wie hätte denn Paulus sagen können: Das Weib ist ihres Leibes nicht mächtig, sondern der Mann etc. Es entziehe sich eines nicht dem andern, es sey denn aus beyder Be- willigung eine Zeitlang, und kommet wie- derum zusammen. Und wie könte auch bey solcher Enthaltung der Ehestand ein Mittel wi- der die verunruhigende Brunst seyn? sintemal diese bey derselben durch den so genauen Umgang mit dem andern Ehegatten noch eher würde vermehret, als verwehret werden. 6. Finden nun Christliche Ehegatten diese Schwachheit der Natur, so haben sie dabey Ur- sache, sich zuvorderst vor GOtt zu demüthigen, und den grossen Verfall des menschlichen Ge- schlechts insonderheit an sich zu erkennen, sich aber auch mit vereinigtem Gemüthe der Heili- gung und dabey der Maßigung ihrer Freyheit also zu bestreben, daß sie dabey weder an der Seele in der Liebe zu GOtt, noch am Leibe durch Schwächung ihrer Kräfte Abbruch leiden. Es ist bekant, daß die Trunckenheit nicht al- lein mit fremden, sondern auch mit eigenem Weine begangen wird. Welches sich alhier auf gewisse Art appliciren läßt. 7. Sonderlich haben Christliche Ehemän- ner dahin zu sehen, daß sie ihrer Weiber auf eine gute Zeit nach der Geburt, und auch nach ihren sechs Wochen, so lange es ihnen durch die Gna- de GOttes immer möglich ist, schonen; zumal, wenn es mit ihrer guten Bewilligung geschehen kan. Denn es wird durch ein fast jährliches Schwangergehen und Gebähren nicht allein die Natur der Ehegattin zu sehr entkräftet, daß sie [Spaltenumbruch] vor der Zeit darunter erlieget, und ihre Kinder nicht kan helfen erziehen; sondern auch die Kin- der-Zucht selbst leidet darunter nach Leib und Seele gemeiniglich vielen Nachtheil. Doch heißt es alhier auch: Das sage ich aus Ver- gunst und nicht aus Gebot. Wie sehr aber die Polygamie der Kinder-Zucht schaden würde, ist leichtlich zu erachten. 8. Sind hingegen einige beyderseits starck, oder von solcher Leibes-Constitution, daß sie sich gar wohl auf eine längere Zeit ent- halten können und wollen, so gebrauchen sie sich auch billig ihrer Freyheit und ihrer Gabe. 9. Derjenige schon verstorbene Autor aber, der von mehrern Jahren her in seinen also ge- nannten Theosophischen Send-Schreiben ein solches Melchisedekisches Priesterthum vorgegeben, welches in Versöhnung der Men- schen bestehen, und eines theils in eine bestän- dige Enthaltung vom und in dem Ehestande, und, wo der andere Ehegatte dazu nicht einwil- liget, eine vorsetzliche Verlassung mit sich füh- ren soll; andern theils aber bey Vermeidung aller Arbeit auf eine vorsetzliche Armuth gehet, und den Unterhalt nur bloß von Allmosen, oder fremden Beytrag suchet; der Autor, sage ich, hat sich sehr vergangen. Denn er hat an statt der H. Schrift, und der Regierung des Heili- gen Geistes, auch der gesunden Vernunft, sei- ner verführischen imagination blindlings und in sehr grosser Eigenliebe gefolget, und die Verlei- tungen der Schlangen, die sich bey ihm in einen Engel des Lichts verstellet hat, für die heilige Eingebungen GOttes gehalten. Welches al- les, da so viele sonst unschuldige und gute See- len dadurch verleitet worden, ich ausführlich entdecket und vorgestellet habe in dem weitläuf- tigen Anhange meines Buchs, genannt: Die richtige Mittel-Strasse zwischen den Ab- wegen. V. 7. Jch wolte aber wohl, alle Menschen Anmerckungen. 1. Obgleich Paulus auf die Zeit seines gantzen Lebens im ledigen Stande verblieben; wie ich vermeine ziemlich deutlich erwiesen zu haben in der Commentatione de vita & epistolis Pauli Part. I. Sect. I. c. 1. §. XVI-XX. p. 12. sqq. so gehet doch sein Wunsch dahin nicht, daß auch alle Menschen unverehelichet bleiben möchten; sintemal eine solche Auslegung dieser seiner Worte dem gantzen Context entgegen stehet, auch mit dem zur Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts intendirten Zweck GOttes streiten würde: Er verstehet demnach die Gabe der Enthaltung, daß sie, wie sie bey ihm zum ledigen Stande statt finde, also auch auf gewisse und zu- Gg
Cap. 7, v. 7. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
ches auch ſeinen guten Grund im Geſetze der Na-tur hat: wie er es denn auch v. 9. Gebots-weiſe wiederholet. 4. Die Verguͤnſtigung, oder die geſagte Meynung, gehet demnach nur auf das nechſt- vorhergehende, nemlich auf eine mit beyder Ehe- leute Bewilligung auf eine Zeitlang zu beſchlieſ- ſende Enthaltung. Dieſe rathet der Apoſtel an, als eine Sache, welche den Zweck einer auf mehrere Tage anzuſtellenden und wo nicht mit gaͤntzlichen, doch mit einigem Faſten zu ver- knuͤpfenden Gebets_- und Andachts-Ubung we- niger verhindere und mehr befordere. Er will ſie doch aber nicht gebieten, als wenn es eben nothwendig geſchehen und beyderſeits Ehe-Leute ſich zu der Einwilligung und Zuſammenſtim- mung entſchlieſſen muͤſten. Denn es koͤnte ſich bey einigen, gewiſſer Umſtaͤnde wegen, eine ſolche Schwachheit finden, bey welcher die Ent- haltung die Ubung des Gebets und der Auf- opferung gegen GOtt mehr verhinderte, als befoͤrderte. Dannenhero laͤßt er die Sache nach der Chriſtlichen Freyheit der Selbſt-Pruͤ- fung uͤber. 5. Es erhellet demnach hieraus, daß man im Gebrauche ehelicher Beywohnung und in Beantwortung der Frage: Ob die Beywoh- uung auch noch nach der vermutheten oder ge- wiſſen Empfaͤngniß mit gutem Gewiſſen geſche- hen koͤnne, das extremum vom Verbot zu ver- meiden, habe. Denn wo die Leiſtung ehelicher Schuldigkeit alsdenn nicht mehr ſtatt fuͤnde, wie haͤtte denn Paulus ſagen koͤnnen: Das Weib iſt ihres Leibes nicht maͤchtig, ſondern der Mann ꝛc. Es entziehe ſich eines nicht dem andern, es ſey denn aus beyder Be- willigung eine Zeitlang, und kommet wie- derum zuſammen. Und wie koͤnte auch bey ſolcher Enthaltung der Eheſtand ein Mittel wi- der die verunruhigende Brunſt ſeyn? ſintemal dieſe bey derſelben durch den ſo genauen Umgang mit dem andern Ehegatten noch eher wuͤrde vermehret, als verwehret werden. 6. Finden nun Chriſtliche Ehegatten dieſe Schwachheit der Natur, ſo haben ſie dabey Ur- ſache, ſich zuvorderſt vor GOtt zu demuͤthigen, und den groſſen Verfall des menſchlichen Ge- ſchlechts inſonderheit an ſich zu erkennen, ſich aber auch mit vereinigtem Gemuͤthe der Heili- gung und dabey der Maßigung ihrer Freyheit alſo zu beſtreben, daß ſie dabey weder an der Seele in der Liebe zu GOtt, noch am Leibe durch Schwaͤchung ihrer Kraͤfte Abbruch leiden. Es iſt bekant, daß die Trunckenheit nicht al- lein mit fremden, ſondern auch mit eigenem Weine begangen wird. Welches ſich alhier auf gewiſſe Art appliciren laͤßt. 7. Sonderlich haben Chriſtliche Ehemaͤn- ner dahin zu ſehen, daß ſie ihrer Weiber auf eine gute Zeit nach der Geburt, und auch nach ihren ſechs Wochen, ſo lange es ihnen durch die Gna- de GOttes immer moͤglich iſt, ſchonen; zumal, wenn es mit ihrer guten Bewilligung geſchehen kan. Denn es wird durch ein faſt jaͤhrliches Schwangergehen und Gebaͤhren nicht allein die Natur der Ehegattin zu ſehr entkraͤftet, daß ſie [Spaltenumbruch] vor der Zeit darunter erlieget, und ihre Kinder nicht kan helfen erziehen; ſondern auch die Kin- der-Zucht ſelbſt leidet darunter nach Leib und Seele gemeiniglich vielen Nachtheil. Doch heißt es alhier auch: Das ſage ich aus Ver- gunſt und nicht aus Gebot. Wie ſehr aber die Polygamie der Kinder-Zucht ſchaden wuͤrde, iſt leichtlich zu erachten. 8. Sind hingegen einige beyderſeits ſtarck, oder von ſolcher Leibes-Conſtitution, daß ſie ſich gar wohl auf eine laͤngere Zeit ent- halten koͤnnen und wollen, ſo gebrauchen ſie ſich auch billig ihrer Freyheit und ihrer Gabe. 9. Derjenige ſchon verſtorbene Autor aber, der von mehrern Jahren her in ſeinen alſo ge- nannten Theoſophiſchen Send-Schreiben ein ſolches Melchiſedekiſches Prieſterthum vorgegeben, welches in Verſoͤhnung der Men- ſchen beſtehen, und eines theils in eine beſtaͤn- dige Enthaltung vom und in dem Eheſtande, und, wo der andere Ehegatte dazu nicht einwil- liget, eine vorſetzliche Verlaſſung mit ſich fuͤh- ren ſoll; andern theils aber bey Vermeidung aller Arbeit auf eine vorſetzliche Armuth gehet, und den Unterhalt nur bloß von Allmoſen, oder fremden Beytrag ſuchet; der Autor, ſage ich, hat ſich ſehr vergangen. Denn er hat an ſtatt der H. Schrift, und der Regierung des Heili- gen Geiſtes, auch der geſunden Vernunft, ſei- ner verfuͤhriſchen imagination blindlings und in ſehr groſſer Eigenliebe gefolget, und die Verlei- tungen der Schlangen, die ſich bey ihm in einen Engel des Lichts verſtellet hat, fuͤr die heilige Eingebungen GOttes gehalten. Welches al- les, da ſo viele ſonſt unſchuldige und gute See- len dadurch verleitet worden, ich ausfuͤhrlich entdecket und vorgeſtellet habe in dem weitlaͤuf- tigen Anhange meines Buchs, genannt: Die richtige Mittel-Straſſe zwiſchen den Ab- wegen. V. 7. Jch wolte aber wohl, alle Menſchen Anmerckungen. 1. Obgleich Paulus auf die Zeit ſeines gantzen Lebens im ledigen Stande verblieben; wie ich vermeine ziemlich deutlich erwieſen zu haben in der Commentatione de vita & epiſtolis Pauli Part. I. Sect. I. c. 1. §. XVI-XX. p. 12. ſqq. ſo gehet doch ſein Wunſch dahin nicht, daß auch alle Menſchen unverehelichet bleiben moͤchten; ſintemal eine ſolche Auslegung dieſer ſeiner Worte dem gantzen Context entgegen ſtehet, auch mit dem zur Fortpflantzung des menſchlichen Geſchlechts intendirten Zweck GOttes ſtreiten wuͤrde: Er verſtehet demnach die Gabe der Enthaltung, daß ſie, wie ſie bey ihm zum ledigen Stande ſtatt finde, alſo auch auf gewiſſe und zu- Gg
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Cap. 7, v. 7. an die Corinthier.
ches auch ſeinen guten Grund im Geſetze der Na-
tur hat: wie er es denn auch v. 9. Gebots-weiſe
wiederholet.
4. Die Verguͤnſtigung, oder die geſagte
Meynung, gehet demnach nur auf das nechſt-
vorhergehende, nemlich auf eine mit beyder Ehe-
leute Bewilligung auf eine Zeitlang zu beſchlieſ-
ſende Enthaltung. Dieſe rathet der Apoſtel
an, als eine Sache, welche den Zweck einer auf
mehrere Tage anzuſtellenden und wo nicht mit
gaͤntzlichen, doch mit einigem Faſten zu ver-
knuͤpfenden Gebets_- und Andachts-Ubung we-
niger verhindere und mehr befordere. Er will
ſie doch aber nicht gebieten, als wenn es eben
nothwendig geſchehen und beyderſeits Ehe-Leute
ſich zu der Einwilligung und Zuſammenſtim-
mung entſchlieſſen muͤſten. Denn es koͤnte ſich
bey einigen, gewiſſer Umſtaͤnde wegen, eine
ſolche Schwachheit finden, bey welcher die Ent-
haltung die Ubung des Gebets und der Auf-
opferung gegen GOtt mehr verhinderte, als
befoͤrderte. Dannenhero laͤßt er die Sache
nach der Chriſtlichen Freyheit der Selbſt-Pruͤ-
fung uͤber.
5. Es erhellet demnach hieraus, daß man
im Gebrauche ehelicher Beywohnung und in
Beantwortung der Frage: Ob die Beywoh-
uung auch noch nach der vermutheten oder ge-
wiſſen Empfaͤngniß mit gutem Gewiſſen geſche-
hen koͤnne, das extremum vom Verbot zu ver-
meiden, habe. Denn wo die Leiſtung ehelicher
Schuldigkeit alsdenn nicht mehr ſtatt fuͤnde, wie
haͤtte denn Paulus ſagen koͤnnen: Das Weib
iſt ihres Leibes nicht maͤchtig, ſondern der
Mann ꝛc. Es entziehe ſich eines nicht
dem andern, es ſey denn aus beyder Be-
willigung eine Zeitlang, und kommet wie-
derum zuſammen. Und wie koͤnte auch bey
ſolcher Enthaltung der Eheſtand ein Mittel wi-
der die verunruhigende Brunſt ſeyn? ſintemal
dieſe bey derſelben durch den ſo genauen Umgang
mit dem andern Ehegatten noch eher wuͤrde
vermehret, als verwehret werden.
6. Finden nun Chriſtliche Ehegatten dieſe
Schwachheit der Natur, ſo haben ſie dabey Ur-
ſache, ſich zuvorderſt vor GOtt zu demuͤthigen,
und den groſſen Verfall des menſchlichen Ge-
ſchlechts inſonderheit an ſich zu erkennen, ſich
aber auch mit vereinigtem Gemuͤthe der Heili-
gung und dabey der Maßigung ihrer Freyheit
alſo zu beſtreben, daß ſie dabey weder an der
Seele in der Liebe zu GOtt, noch am Leibe
durch Schwaͤchung ihrer Kraͤfte Abbruch leiden.
Es iſt bekant, daß die Trunckenheit nicht al-
lein mit fremden, ſondern auch mit eigenem
Weine begangen wird. Welches ſich alhier
auf gewiſſe Art appliciren laͤßt.
7. Sonderlich haben Chriſtliche Ehemaͤn-
ner dahin zu ſehen, daß ſie ihrer Weiber auf eine
gute Zeit nach der Geburt, und auch nach ihren
ſechs Wochen, ſo lange es ihnen durch die Gna-
de GOttes immer moͤglich iſt, ſchonen; zumal,
wenn es mit ihrer guten Bewilligung geſchehen
kan. Denn es wird durch ein faſt jaͤhrliches
Schwangergehen und Gebaͤhren nicht allein die
Natur der Ehegattin zu ſehr entkraͤftet, daß ſie
vor der Zeit darunter erlieget, und ihre Kinder
nicht kan helfen erziehen; ſondern auch die Kin-
der-Zucht ſelbſt leidet darunter nach Leib und
Seele gemeiniglich vielen Nachtheil. Doch
heißt es alhier auch: Das ſage ich aus Ver-
gunſt und nicht aus Gebot. Wie ſehr aber
die Polygamie der Kinder-Zucht ſchaden wuͤrde,
iſt leichtlich zu erachten.
8. Sind hingegen einige beyderſeits
ſtarck, oder von ſolcher Leibes-Conſtitution,
daß ſie ſich gar wohl auf eine laͤngere Zeit ent-
halten koͤnnen und wollen, ſo gebrauchen ſie ſich
auch billig ihrer Freyheit und ihrer Gabe.
9. Derjenige ſchon verſtorbene Autor aber,
der von mehrern Jahren her in ſeinen alſo ge-
nannten Theoſophiſchen Send-Schreiben ein
ſolches Melchiſedekiſches Prieſterthum
vorgegeben, welches in Verſoͤhnung der Men-
ſchen beſtehen, und eines theils in eine beſtaͤn-
dige Enthaltung vom und in dem Eheſtande,
und, wo der andere Ehegatte dazu nicht einwil-
liget, eine vorſetzliche Verlaſſung mit ſich fuͤh-
ren ſoll; andern theils aber bey Vermeidung
aller Arbeit auf eine vorſetzliche Armuth gehet,
und den Unterhalt nur bloß von Allmoſen, oder
fremden Beytrag ſuchet; der Autor, ſage ich,
hat ſich ſehr vergangen. Denn er hat an ſtatt
der H. Schrift, und der Regierung des Heili-
gen Geiſtes, auch der geſunden Vernunft, ſei-
ner verfuͤhriſchen imagination blindlings und in
ſehr groſſer Eigenliebe gefolget, und die Verlei-
tungen der Schlangen, die ſich bey ihm in einen
Engel des Lichts verſtellet hat, fuͤr die heilige
Eingebungen GOttes gehalten. Welches al-
les, da ſo viele ſonſt unſchuldige und gute See-
len dadurch verleitet worden, ich ausfuͤhrlich
entdecket und vorgeſtellet habe in dem weitlaͤuf-
tigen Anhange meines Buchs, genannt: Die
richtige Mittel-Straſſe zwiſchen den Ab-
wegen.
V. 7.
Jch wolte aber wohl, alle Menſchen
waͤren wie ich bin (daß ſie die Gabe der Ent-
haltung haͤtten, obgleich nicht zum ledigen Leben,
doch zur mehrern continenz) doch ein jegli-
cher hat ſeine eigene Gabe von GOtt, ei-
ner ſonſt, der andere ſo (wie in uͤbrigen Din-
gen, alſo auch in dem, was den ledigen und ehe-
lichen Stand betrifft.)
Anmerckungen.
1. Obgleich Paulus auf die Zeit ſeines
gantzen Lebens im ledigen Stande verblieben;
wie ich vermeine ziemlich deutlich erwieſen zu
haben in der Commentatione de vita & epiſtolis
Pauli Part. I. Sect. I. c. 1. §. XVI-XX. p. 12. ſqq.
ſo gehet doch ſein Wunſch dahin nicht, daß auch
alle Menſchen unverehelichet bleiben moͤchten;
ſintemal eine ſolche Auslegung dieſer ſeiner
Worte dem gantzen Context entgegen ſtehet,
auch mit dem zur Fortpflantzung des menſchlichen
Geſchlechts intendirten Zweck GOttes ſtreiten
wuͤrde: Er verſtehet demnach die Gabe der
Enthaltung, daß ſie, wie ſie bey ihm zum ledigen
Stande ſtatt finde, alſo auch auf gewiſſe und
zu-
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