Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, v. 17. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
6. Der Tempel der Jüdischen Kirche war ein Fürbild, und stellete das Reich des Meßiä vor, in welchem alle Gläubige einen geistli- chen Tempel GOttes ausmachen. 7. Der rechte wahre Gottes-Dienst, nach der Beschaffenheit des Neuen Testamentes, muß mit dem Geist und innerlich geleistet werden, so daß er der Eigenschaft des geistlichen Tem- pels gemäß sey: der aber doch zugleich die äusserliche, so wol öffentliche, als geheime, Ubungen der Gottseligkeit nicht nur zulässet, sondern auch erfodert; wie dieses der Zustand der Corinthischen Gemeine zeiget. 8. Der Gottes-Dienst im Neuen Testament ist nicht an gewisse Zeit, oder an gewisse Stunden, genau gebunden, sondern er muß ohn Unterlaß geleistet werden; weil die Chri- sten ein Tempel des Heiligen Geistes sind, welchen er nicht so besuchet, daß er ihn nach der Besuchung, als ein Gast, wieder verläßt, sondern, als ein Eigenthums-HErr, bestän- dig bewohnet. 9. Ein Tempel GOttes seyn, und von dem Heiligen Geist bewohnet werden, ist der Chri- sten höchste Würde, welche alle und iede gleich oder gemein haben, und wodurch sie aufs höchste geadelt werden. 10. Das Priesterthum in der Oeconomie des neuen Bundes ist geistlich; wie es desselben geistlicher Tempel erfodert; Und also ist es auch von dem öffentlichen Lehr-Amte unter- schieden; sintemal dieses zur Aufrichtung des geistlichen Tempels dienet, und das geistli- che Priesterthum befordert. 11. Das geistliche Priesterthum der Christen ist königlich: wie Petrus dieses in seiner 1. Epistel Cap. 2, v. 9. mit deutlichen Worten ausdrucket, weil die Glaubigen von GOtt, als ihrem Könige, bewohnet, und also durch diese Einwohnung zur königlichen Wür- de erhaben werden. 12. Dieser Spruch Pauli erweiset an der Christlichen Religion einen gedoppelten göttlichen Character, erstlich in der gött- lichen Wirckung, wodurch die Corinthier aus Werckstäten und Werckzeugen des Sa- tans heilige Tempel GOTTes geworden waren: hernach in derjenigen Seligkeit der Christen, die fürnemlich in der Gemeinschaft mit GOTT, welche seine selige Einwohnung mit sich bringet, bestehet. Lebens-Schlüsse. 1. Damit unsere Erkäntniß in beständiger U- bung und getreuer Zueignung seyn und blei- ben möge, so sind wir theils unserer eigenen, theils einer fremden Aufmunterung benöthi- get, wodurch der Ausspruch Pauli: Wis- set ihr nicht? allezeit in unseren Ohren und Gemüth erschallen möge. Denn wir wissen wohl, daß ein Knecht, der seines HErrn Willen weiß, und doch selbigen nicht gethan, wird gedoppelte Streiche leiden müssen. 2. Es erfodert aber die würdige Aufmunterung unserer selbst eine ungeheuchelte Untersu- [Spaltenumbruch] chung, ob wir auch Tempel GOTTes sind, oder nicht? 3. Derjenige, welcher die einwohnende Gna- de des Heiligen Geistes von der beystehen- den so unterscheidet, daß er dafür hält, es stehe um diese gar wohl, und sey sie ohne je- ne zum Dienste des Geistes am Evangelio hin- länglich, ob er auch gleich jene durch Hals- starrigkeit hindan setzte und verwürfe, der ir- ret gar sehr. Denn wir finden von solcher bloß-beystehenden Gnade in der Corinthi- schen Kirche weder an ihren Zuhörern noch an ihren Lehrern die geringste Spur. 4. Wer nun wünschet ein tüchtiges Werck- zeug des Heiligen Geistes zu werden, der muß fürnemlich darauf bedacht seyn, daß er eine Werckstäte des Heiligen Geistes wer- de, welche er, als seinen Tempel, einneh- me und bewohne, so, daß der Heilige Geist nicht allein durch ihn, sondern auch zugleich in und aus ihm wircke. 5. Wer dieses Pfingst-Fest würdiglich feyern will, der bemühe sich, daß er ein Tempel des Heiligen Geistes werden möge, oder, so er dieses schon geworden, daß er auf den Heili- gen Geist, welcher in ihm wohnet, oder auf dessen innere Wirckungen, Zucht und Lei- tungen acht habe. 6. Die rechte Besuchung des äusserlichen Tempels, der zum öffentlichen Dienst Got- tes gewidmet, ist diese, welche von denen ge- schicht, die da lebendige Tempel GOttes sind, oder werden wollen. Denn wofern nicht auf diese Weise ein Tempel im Tem- pel ist, so ist der bloß äusserliche Dienst, wel- cher von dem innern nichts weiß, GOtt ein Greuel. 7. Die wahre Ubung der Gottseligkeit ist nicht unbeständig, sondern beständig, und kommt mit der beständigen Einwohnung des H. Geistes überein. Denn der Heilige Geist ist nicht etwa ein Gast auf einige Stunden oder Tage, sondern ein solcher Einwohner, der beständig bleibet. 8. Wer seine Ubung des Christenthums nicht aus der Gnade des Heiligen Geistes, so in ihm wohnet, herleitet, der ergreifet vom Christenthum, an statt des rechten Kerns, nur die blosse Schale der Pelagianer, welche in dem natürlichen Verderben stehen blei- bet. 9. Der Geist GOttes kan mit dem Geist der Welt in einem Menschen nicht beysammen stehen. Denn der Geist GOttes bewohnet den Menschen dergestalt, daß der Mensch sich ihm, als seinem GOtt, gantz und gar zu eigen ergiebet. 10. Wer von dieser, oder jener Sünde und bö- sen Gewohnheit, insonderheit in den dem Hei- ligen Geist gewidmeten Feyertagen, gereitzet und versuchet wird, der dencke, daß auch ihm der Ausspruch Pauli zugerufen werde: Weißt du nicht, daß du ein Tempel GOTTes bist, wenigstens daß du es doch seyn soltest, und von ihm selbst bewoh- net werden? 11. Wel- B b 3
Cap. 3, v. 17. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
6. Der Tempel der Juͤdiſchen Kirche war ein Fuͤrbild, und ſtellete das Reich des Meßiaͤ vor, in welchem alle Glaͤubige einen geiſtli- chen Tempel GOttes ausmachen. 7. Der rechte wahre Gottes-Dienſt, nach der Beſchaffenheit des Neuen Teſtamentes, muß mit dem Geiſt und innerlich geleiſtet werden, ſo daß er der Eigenſchaft des geiſtlichen Tem- pels gemaͤß ſey: der aber doch zugleich die aͤuſſerliche, ſo wol oͤffentliche, als geheime, Ubungen der Gottſeligkeit nicht nur zulaͤſſet, ſondern auch erfodert; wie dieſes der Zuſtand der Corinthiſchen Gemeine zeiget. 8. Der Gottes-Dienſt im Neuen Teſtament iſt nicht an gewiſſe Zeit, oder an gewiſſe Stunden, genau gebunden, ſondern er muß ohn Unterlaß geleiſtet werden; weil die Chri- ſten ein Tempel des Heiligen Geiſtes ſind, welchen er nicht ſo beſuchet, daß er ihn nach der Beſuchung, als ein Gaſt, wieder verlaͤßt, ſondern, als ein Eigenthums-HErr, beſtaͤn- dig bewohnet. 9. Ein Tempel GOttes ſeyn, und von dem Heiligen Geiſt bewohnet werden, iſt der Chri- ſten hoͤchſte Wuͤrde, welche alle und iede gleich oder gemein haben, und wodurch ſie aufs hoͤchſte geadelt werden. 10. Das Prieſterthum in der Oeconomie des neuen Bundes iſt geiſtlich; wie es deſſelben geiſtlicher Tempel erfodert; Und alſo iſt es auch von dem oͤffentlichen Lehr-Amte unter- ſchieden; ſintemal dieſes zur Aufrichtung des geiſtlichen Tempels dienet, und das geiſtli- che Prieſterthum befordert. 11. Das geiſtliche Prieſterthum der Chriſten iſt koͤniglich: wie Petrus dieſes in ſeiner 1. Epiſtel Cap. 2, v. 9. mit deutlichen Worten ausdrucket, weil die Glaubigen von GOtt, als ihrem Koͤnige, bewohnet, und alſo durch dieſe Einwohnung zur koͤniglichen Wuͤr- de erhaben werden. 12. Dieſer Spruch Pauli erweiſet an der Chriſtlichen Religion einen gedoppelten goͤttlichen Character, erſtlich in der goͤtt- lichen Wirckung, wodurch die Corinthier aus Werckſtaͤten und Werckzeugen des Sa- tans heilige Tempel GOTTes geworden waren: hernach in derjenigen Seligkeit der Chriſten, die fuͤrnemlich in der Gemeinſchaft mit GOTT, welche ſeine ſelige Einwohnung mit ſich bringet, beſtehet. Lebens-Schluͤſſe. 1. Damit unſere Erkaͤntniß in beſtaͤndiger U- bung und getreuer Zueignung ſeyn und blei- ben moͤge, ſo ſind wir theils unſerer eigenen, theils einer fremden Aufmunterung benoͤthi- get, wodurch der Ausſpruch Pauli: Wiſ- ſet ihr nicht? allezeit in unſeren Ohren und Gemuͤth erſchallen moͤge. Denn wir wiſſen wohl, daß ein Knecht, der ſeines HErrn Willen weiß, und doch ſelbigen nicht gethan, wird gedoppelte Streiche leiden muͤſſen. 2. Es erfodert aber die wuͤrdige Aufmunterung unſerer ſelbſt eine ungeheuchelte Unterſu- [Spaltenumbruch] chung, ob wir auch Tempel GOTTes ſind, oder nicht? 3. Derjenige, welcher die einwohnende Gna- de des Heiligen Geiſtes von der beyſtehen- den ſo unterſcheidet, daß er dafuͤr haͤlt, es ſtehe um dieſe gar wohl, und ſey ſie ohne je- ne zum Dienſte des Geiſtes am Evangelio hin- laͤnglich, ob er auch gleich jene durch Hals- ſtarrigkeit hindan ſetzte und verwuͤrfe, der ir- ret gar ſehr. Denn wir finden von ſolcher bloß-beyſtehenden Gnade in der Corinthi- ſchen Kirche weder an ihren Zuhoͤrern noch an ihren Lehrern die geringſte Spur. 4. Wer nun wuͤnſchet ein tuͤchtiges Werck- zeug des Heiligen Geiſtes zu werden, der muß fuͤrnemlich darauf bedacht ſeyn, daß er eine Werckſtaͤte des Heiligen Geiſtes wer- de, welche er, als ſeinen Tempel, einneh- me und bewohne, ſo, daß der Heilige Geiſt nicht allein durch ihn, ſondern auch zugleich in und aus ihm wircke. 5. Wer dieſes Pfingſt-Feſt wuͤrdiglich feyern will, der bemuͤhe ſich, daß er ein Tempel des Heiligen Geiſtes werden moͤge, oder, ſo er dieſes ſchon geworden, daß er auf den Heili- gen Geiſt, welcher in ihm wohnet, oder auf deſſen innere Wirckungen, Zucht und Lei- tungen acht habe. 6. Die rechte Beſuchung des aͤuſſerlichen Tempels, der zum oͤffentlichen Dienſt Got- tes gewidmet, iſt dieſe, welche von denen ge- ſchicht, die da lebendige Tempel GOttes ſind, oder werden wollen. Denn wofern nicht auf dieſe Weiſe ein Tempel im Tem- pel iſt, ſo iſt der bloß aͤuſſerliche Dienſt, wel- cher von dem innern nichts weiß, GOtt ein Greuel. 7. Die wahre Ubung der Gottſeligkeit iſt nicht unbeſtaͤndig, ſondern beſtaͤndig, und kommt mit der beſtaͤndigen Einwohnung des H. Geiſtes uͤberein. Denn der Heilige Geiſt iſt nicht etwa ein Gaſt auf einige Stunden oder Tage, ſondern ein ſolcher Einwohner, der beſtaͤndig bleibet. 8. Wer ſeine Ubung des Chriſtenthums nicht aus der Gnade des Heiligen Geiſtes, ſo in ihm wohnet, herleitet, der ergreifet vom Chriſtenthum, an ſtatt des rechten Kerns, nur die bloſſe Schale der Pelagianer, welche in dem natuͤrlichen Verderben ſtehen blei- bet. 9. Der Geiſt GOttes kan mit dem Geiſt der Welt in einem Menſchen nicht beyſammen ſtehen. Denn der Geiſt GOttes bewohnet den Menſchen dergeſtalt, daß der Menſch ſich ihm, als ſeinem GOtt, gantz und gar zu eigen ergiebet. 10. Wer von dieſer, oder jener Suͤnde und boͤ- ſen Gewohnheit, inſonderheit in den dem Hei- ligen Geiſt gewidmeten Feyertagen, gereitzet und verſuchet wird, der dencke, daß auch ihm der Ausſpruch Pauli zugerufen werde: Weißt du nicht, daß du ein Tempel GOTTes biſt, wenigſtens daß du es doch ſeyn ſolteſt, und von ihm ſelbſt bewoh- net werden? 11. Wel- B b 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0225" n="197"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Cap. 3, v. 17. an die Corinthier.</hi> </fw><lb/> <cb/> <list> <item>6. Der <hi rendition="#fr">Tempel</hi> der Juͤdiſchen Kirche war ein<lb/><hi rendition="#fr">Fuͤrbild,</hi> und ſtellete das Reich des Meßiaͤ<lb/> vor, in welchem alle Glaͤubige einen <hi rendition="#fr">geiſtli-<lb/> chen Tempel GOttes</hi> ausmachen.</item><lb/> <item>7. Der rechte wahre <hi rendition="#fr">Gottes-Dienſt,</hi> nach der<lb/> Beſchaffenheit des Neuen Teſtamentes, muß<lb/> mit dem Geiſt und innerlich geleiſtet werden,<lb/> ſo daß er der Eigenſchaft des geiſtlichen Tem-<lb/> pels gemaͤß ſey: der aber doch zugleich die<lb/> aͤuſſerliche, ſo wol oͤffentliche, als geheime,<lb/> Ubungen der Gottſeligkeit nicht nur zulaͤſſet,<lb/> ſondern auch erfodert; wie dieſes der Zuſtand<lb/> der Corinthiſchen Gemeine zeiget.</item><lb/> <item>8. Der <hi rendition="#fr">Gottes-Dienſt</hi> im Neuen Teſtament<lb/> iſt nicht an <hi rendition="#fr">gewiſſe Zeit,</hi> oder an gewiſſe<lb/> Stunden, genau gebunden, ſondern er muß<lb/> ohn Unterlaß geleiſtet werden; weil die Chri-<lb/> ſten ein Tempel des Heiligen Geiſtes ſind,<lb/> welchen er nicht ſo <hi rendition="#fr">beſuchet,</hi> daß er ihn nach<lb/> der Beſuchung, als ein Gaſt, wieder verlaͤßt,<lb/> ſondern, als ein Eigenthums-HErr, beſtaͤn-<lb/> dig <hi rendition="#fr">bewohnet.</hi></item><lb/> <item>9. Ein Tempel GOttes ſeyn, und von dem<lb/> Heiligen Geiſt bewohnet werden, iſt der Chri-<lb/> ſten <hi rendition="#fr">hoͤchſte Wuͤrde,</hi> welche alle und iede<lb/> gleich oder gemein haben, und wodurch ſie<lb/> aufs hoͤchſte geadelt werden.</item><lb/> <item>10. Das <hi rendition="#fr">Prieſterthum</hi> in der <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e des<lb/> neuen Bundes iſt geiſtlich; wie es deſſelben<lb/> geiſtlicher Tempel erfodert; Und alſo iſt es<lb/> auch von dem oͤffentlichen Lehr-Amte unter-<lb/> ſchieden; ſintemal dieſes zur Aufrichtung des<lb/> geiſtlichen Tempels dienet, und das geiſtli-<lb/> che Prieſterthum befordert.</item><lb/> <item>11. Das <hi rendition="#fr">geiſtliche Prieſterthum</hi> der Chriſten<lb/> iſt <hi rendition="#fr">koͤniglich:</hi> wie Petrus dieſes in ſeiner 1.<lb/> Epiſtel Cap. 2, v. 9. mit deutlichen Worten<lb/> ausdrucket, weil die Glaubigen von GOtt,<lb/> als ihrem <hi rendition="#fr">Koͤnige,</hi> bewohnet, und alſo<lb/> durch dieſe Einwohnung zur koͤniglichen Wuͤr-<lb/> de erhaben werden.</item><lb/> <item>12. Dieſer Spruch Pauli erweiſet an der<lb/><hi rendition="#fr">Chriſtlichen Religion</hi> einen gedoppelten<lb/><hi rendition="#fr">goͤttlichen Character,</hi> erſtlich in der <hi rendition="#fr">goͤtt-<lb/> lichen Wirckung,</hi> wodurch die Corinthier<lb/> aus Werckſtaͤten und Werckzeugen des Sa-<lb/> tans <hi rendition="#fr">heilige Tempel GOTTes</hi> geworden<lb/> waren: hernach in derjenigen Seligkeit der<lb/> Chriſten, die fuͤrnemlich in der Gemeinſchaft<lb/> mit GOTT, welche ſeine ſelige Einwohnung<lb/> mit ſich bringet, beſtehet.</item> </list> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Lebens-Schluͤſſe.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Damit unſere <hi rendition="#fr">Erkaͤntniß</hi> in beſtaͤndiger <hi rendition="#fr">U-<lb/> bung</hi> und getreuer <hi rendition="#fr">Zueignung</hi> ſeyn und blei-<lb/> ben moͤge, ſo ſind wir theils unſerer eigenen,<lb/> theils einer fremden Aufmunterung benoͤthi-<lb/> get, wodurch der Ausſpruch Pauli: <hi rendition="#fr">Wiſ-<lb/> ſet ihr nicht?</hi> allezeit in unſeren Ohren und<lb/> Gemuͤth erſchallen moͤge. Denn wir wiſſen<lb/> wohl, daß ein Knecht, der ſeines HErrn<lb/> Willen weiß, und doch ſelbigen nicht gethan,<lb/> wird gedoppelte Streiche leiden muͤſſen.</item><lb/> <item>2. Es erfodert aber die wuͤrdige Aufmunterung<lb/> unſerer ſelbſt eine ungeheuchelte <hi rendition="#fr">Unterſu-<lb/><cb/> chung, ob wir auch Tempel GOTTes<lb/> ſind, oder nicht?</hi></item><lb/> <item>3. Derjenige, welcher die <hi rendition="#fr">einwohnende</hi> Gna-<lb/> de des Heiligen Geiſtes von der <hi rendition="#fr">beyſtehen-<lb/> den</hi> ſo unterſcheidet, daß er dafuͤr haͤlt, es<lb/> ſtehe um dieſe gar wohl, und ſey ſie ohne je-<lb/> ne zum Dienſte des Geiſtes am Evangelio hin-<lb/> laͤnglich, ob er auch gleich jene durch Hals-<lb/> ſtarrigkeit hindan ſetzte und verwuͤrfe, der ir-<lb/> ret gar ſehr. Denn wir finden von ſolcher<lb/> bloß-beyſtehenden Gnade in der Corinthi-<lb/> ſchen Kirche weder an ihren Zuhoͤrern noch an<lb/> ihren Lehrern die geringſte Spur.</item><lb/> <item>4. Wer nun wuͤnſchet ein tuͤchtiges <hi rendition="#fr">Werck-<lb/> zeug</hi> des Heiligen Geiſtes zu werden, der<lb/> muß fuͤrnemlich darauf bedacht ſeyn, daß er<lb/> eine <hi rendition="#fr">Werckſtaͤte</hi> des Heiligen Geiſtes wer-<lb/> de, welche er, als ſeinen Tempel, einneh-<lb/> me und bewohne, ſo, daß der Heilige Geiſt<lb/> nicht allein durch ihn, ſondern auch zugleich<lb/> in und aus ihm wircke.</item><lb/> <item>5. Wer dieſes Pfingſt-Feſt wuͤrdiglich feyern<lb/> will, der bemuͤhe ſich, daß er ein Tempel des<lb/> Heiligen Geiſtes werden moͤge, oder, ſo er<lb/> dieſes ſchon geworden, daß er auf den Heili-<lb/> gen Geiſt, welcher in ihm wohnet, oder auf<lb/> deſſen innere <hi rendition="#fr">Wirckungen, Zucht und Lei-<lb/> tungen</hi> acht habe.</item><lb/> <item>6. Die rechte <hi rendition="#fr">Beſuchung</hi> des <hi rendition="#fr">aͤuſſerlichen<lb/> Tempels,</hi> der zum oͤffentlichen Dienſt Got-<lb/> tes gewidmet, iſt dieſe, welche von denen ge-<lb/> ſchicht, die da <hi rendition="#fr">lebendige Tempel</hi> GOttes<lb/> ſind, oder werden wollen. Denn wofern<lb/> nicht auf dieſe Weiſe <hi rendition="#fr">ein Tempel im Tem-<lb/> pel</hi> iſt, ſo iſt der bloß aͤuſſerliche Dienſt, wel-<lb/> cher von dem innern nichts weiß, GOtt ein<lb/> Greuel.</item><lb/> <item>7. Die wahre <hi rendition="#fr">Ubung</hi> der Gottſeligkeit iſt nicht<lb/> unbeſtaͤndig, ſondern <hi rendition="#fr">beſtaͤndig,</hi> und kommt<lb/> mit der <hi rendition="#fr">beſtaͤndigen Einwohnung</hi> des H.<lb/> Geiſtes uͤberein. Denn der Heilige Geiſt<lb/> iſt nicht etwa ein <hi rendition="#fr">Gaſt</hi> auf einige Stunden<lb/> oder Tage, ſondern ein ſolcher <hi rendition="#fr">Einwohner,</hi><lb/> der beſtaͤndig bleibet.</item><lb/> <item>8. Wer ſeine Ubung des Chriſtenthums nicht<lb/> aus <hi rendition="#fr">der Gnade des Heiligen Geiſtes,</hi> ſo<lb/> in ihm wohnet, herleitet, der ergreifet vom<lb/> Chriſtenthum, an ſtatt des rechten Kerns,<lb/> nur die bloſſe Schale der Pelagianer, welche<lb/> in dem natuͤrlichen Verderben ſtehen blei-<lb/> bet.</item><lb/> <item>9. Der <hi rendition="#fr">Geiſt GOttes</hi> kan mit dem <hi rendition="#fr">Geiſt der<lb/> Welt</hi> in einem Menſchen nicht beyſammen<lb/> ſtehen. Denn der Geiſt GOttes bewohnet<lb/> den Menſchen dergeſtalt, daß der Menſch<lb/> ſich ihm, als ſeinem GOtt, gantz und gar zu<lb/> eigen ergiebet.</item><lb/> <item>10. Wer von dieſer, oder jener Suͤnde und boͤ-<lb/> ſen Gewohnheit, inſonderheit in den dem Hei-<lb/> ligen Geiſt gewidmeten Feyertagen, gereitzet<lb/> und verſuchet wird, der dencke, daß auch<lb/> ihm der Ausſpruch Pauli zugerufen werde:<lb/><hi rendition="#fr">Weißt du nicht, daß du ein Tempel<lb/> GOTTes biſt, wenigſtens daß du es<lb/> doch ſeyn ſolteſt,</hi> und von ihm ſelbſt bewoh-<lb/> net werden?</item> </list><lb/> <fw place="bottom" type="sig">B b 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">11. Wel-</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0225]
Cap. 3, v. 17. an die Corinthier.
6. Der Tempel der Juͤdiſchen Kirche war ein
Fuͤrbild, und ſtellete das Reich des Meßiaͤ
vor, in welchem alle Glaͤubige einen geiſtli-
chen Tempel GOttes ausmachen.
7. Der rechte wahre Gottes-Dienſt, nach der
Beſchaffenheit des Neuen Teſtamentes, muß
mit dem Geiſt und innerlich geleiſtet werden,
ſo daß er der Eigenſchaft des geiſtlichen Tem-
pels gemaͤß ſey: der aber doch zugleich die
aͤuſſerliche, ſo wol oͤffentliche, als geheime,
Ubungen der Gottſeligkeit nicht nur zulaͤſſet,
ſondern auch erfodert; wie dieſes der Zuſtand
der Corinthiſchen Gemeine zeiget.
8. Der Gottes-Dienſt im Neuen Teſtament
iſt nicht an gewiſſe Zeit, oder an gewiſſe
Stunden, genau gebunden, ſondern er muß
ohn Unterlaß geleiſtet werden; weil die Chri-
ſten ein Tempel des Heiligen Geiſtes ſind,
welchen er nicht ſo beſuchet, daß er ihn nach
der Beſuchung, als ein Gaſt, wieder verlaͤßt,
ſondern, als ein Eigenthums-HErr, beſtaͤn-
dig bewohnet.
9. Ein Tempel GOttes ſeyn, und von dem
Heiligen Geiſt bewohnet werden, iſt der Chri-
ſten hoͤchſte Wuͤrde, welche alle und iede
gleich oder gemein haben, und wodurch ſie
aufs hoͤchſte geadelt werden.
10. Das Prieſterthum in der Oeconomie des
neuen Bundes iſt geiſtlich; wie es deſſelben
geiſtlicher Tempel erfodert; Und alſo iſt es
auch von dem oͤffentlichen Lehr-Amte unter-
ſchieden; ſintemal dieſes zur Aufrichtung des
geiſtlichen Tempels dienet, und das geiſtli-
che Prieſterthum befordert.
11. Das geiſtliche Prieſterthum der Chriſten
iſt koͤniglich: wie Petrus dieſes in ſeiner 1.
Epiſtel Cap. 2, v. 9. mit deutlichen Worten
ausdrucket, weil die Glaubigen von GOtt,
als ihrem Koͤnige, bewohnet, und alſo
durch dieſe Einwohnung zur koͤniglichen Wuͤr-
de erhaben werden.
12. Dieſer Spruch Pauli erweiſet an der
Chriſtlichen Religion einen gedoppelten
goͤttlichen Character, erſtlich in der goͤtt-
lichen Wirckung, wodurch die Corinthier
aus Werckſtaͤten und Werckzeugen des Sa-
tans heilige Tempel GOTTes geworden
waren: hernach in derjenigen Seligkeit der
Chriſten, die fuͤrnemlich in der Gemeinſchaft
mit GOTT, welche ſeine ſelige Einwohnung
mit ſich bringet, beſtehet.
Lebens-Schluͤſſe.
1. Damit unſere Erkaͤntniß in beſtaͤndiger U-
bung und getreuer Zueignung ſeyn und blei-
ben moͤge, ſo ſind wir theils unſerer eigenen,
theils einer fremden Aufmunterung benoͤthi-
get, wodurch der Ausſpruch Pauli: Wiſ-
ſet ihr nicht? allezeit in unſeren Ohren und
Gemuͤth erſchallen moͤge. Denn wir wiſſen
wohl, daß ein Knecht, der ſeines HErrn
Willen weiß, und doch ſelbigen nicht gethan,
wird gedoppelte Streiche leiden muͤſſen.
2. Es erfodert aber die wuͤrdige Aufmunterung
unſerer ſelbſt eine ungeheuchelte Unterſu-
chung, ob wir auch Tempel GOTTes
ſind, oder nicht?
3. Derjenige, welcher die einwohnende Gna-
de des Heiligen Geiſtes von der beyſtehen-
den ſo unterſcheidet, daß er dafuͤr haͤlt, es
ſtehe um dieſe gar wohl, und ſey ſie ohne je-
ne zum Dienſte des Geiſtes am Evangelio hin-
laͤnglich, ob er auch gleich jene durch Hals-
ſtarrigkeit hindan ſetzte und verwuͤrfe, der ir-
ret gar ſehr. Denn wir finden von ſolcher
bloß-beyſtehenden Gnade in der Corinthi-
ſchen Kirche weder an ihren Zuhoͤrern noch an
ihren Lehrern die geringſte Spur.
4. Wer nun wuͤnſchet ein tuͤchtiges Werck-
zeug des Heiligen Geiſtes zu werden, der
muß fuͤrnemlich darauf bedacht ſeyn, daß er
eine Werckſtaͤte des Heiligen Geiſtes wer-
de, welche er, als ſeinen Tempel, einneh-
me und bewohne, ſo, daß der Heilige Geiſt
nicht allein durch ihn, ſondern auch zugleich
in und aus ihm wircke.
5. Wer dieſes Pfingſt-Feſt wuͤrdiglich feyern
will, der bemuͤhe ſich, daß er ein Tempel des
Heiligen Geiſtes werden moͤge, oder, ſo er
dieſes ſchon geworden, daß er auf den Heili-
gen Geiſt, welcher in ihm wohnet, oder auf
deſſen innere Wirckungen, Zucht und Lei-
tungen acht habe.
6. Die rechte Beſuchung des aͤuſſerlichen
Tempels, der zum oͤffentlichen Dienſt Got-
tes gewidmet, iſt dieſe, welche von denen ge-
ſchicht, die da lebendige Tempel GOttes
ſind, oder werden wollen. Denn wofern
nicht auf dieſe Weiſe ein Tempel im Tem-
pel iſt, ſo iſt der bloß aͤuſſerliche Dienſt, wel-
cher von dem innern nichts weiß, GOtt ein
Greuel.
7. Die wahre Ubung der Gottſeligkeit iſt nicht
unbeſtaͤndig, ſondern beſtaͤndig, und kommt
mit der beſtaͤndigen Einwohnung des H.
Geiſtes uͤberein. Denn der Heilige Geiſt
iſt nicht etwa ein Gaſt auf einige Stunden
oder Tage, ſondern ein ſolcher Einwohner,
der beſtaͤndig bleibet.
8. Wer ſeine Ubung des Chriſtenthums nicht
aus der Gnade des Heiligen Geiſtes, ſo
in ihm wohnet, herleitet, der ergreifet vom
Chriſtenthum, an ſtatt des rechten Kerns,
nur die bloſſe Schale der Pelagianer, welche
in dem natuͤrlichen Verderben ſtehen blei-
bet.
9. Der Geiſt GOttes kan mit dem Geiſt der
Welt in einem Menſchen nicht beyſammen
ſtehen. Denn der Geiſt GOttes bewohnet
den Menſchen dergeſtalt, daß der Menſch
ſich ihm, als ſeinem GOtt, gantz und gar zu
eigen ergiebet.
10. Wer von dieſer, oder jener Suͤnde und boͤ-
ſen Gewohnheit, inſonderheit in den dem Hei-
ligen Geiſt gewidmeten Feyertagen, gereitzet
und verſuchet wird, der dencke, daß auch
ihm der Ausſpruch Pauli zugerufen werde:
Weißt du nicht, daß du ein Tempel
GOTTes biſt, wenigſtens daß du es
doch ſeyn ſolteſt, und von ihm ſelbſt bewoh-
net werden?
11. Wel-
B b 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |