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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 12, v. 9. 10.
[Spaltenumbruch] hier so viel als die Glaubens-Lehre, das Ge-
heimniß der von GOtt geoffenbahreten Wahr-
heiten, welche uns zum Glauben vorgeleget sind,
und mit dem Glauben müssen angenommen
werden. Und also wird dieses Wort auch ge-
nommen Act. 13, 8. Coll. v. 7. 10. 12. Gal. 1, 23.
3, 2. 5. 23. 1 Tim. 3, 9. Jud. v. 3. 20.
7. Das Wort [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]nalogia, analogia, Aehn-
lichkeit,
bedeutet eine gewisse proportion oder
Verhältniß eines Dinges gegen das andere.
Und ist die Aehnlichkeit des Glaubens, analogia
fidei,
derjenige Zusammenhang, welchen alle
zum Grunde und zur Ordnung des Heils gehö-
rige Lehren in genauester Verbindung unter und
mit einander haben, also, daß sich immer eine
auf die andere beziehet, eine aus der andern fol-
get, und eine ohne die andere, auch ohne die
übrigen nicht seyn kan: wie man denn siehet,
daß an einer Kette alle Glieder, am Leibe alle
Gliedmassen, am Gebäude alle Theile desselben
aufs genaueste aneinander hangen, und eben da-
mit ihre Bevestigung untereinander haben.
8. Und also heißt nach der Aehnlichkeit des
Glaubens weissagen, oder die Schriften der
Propheten auslegen, so viel, als einen jeden
Ort also erklären, wie es die Kette der Heils-
Lehren erfordert oder doch zuläßt. Daher denn
leichtlich zu erachten ist, daß die Erkäntniß alles
dessen, was zu solcher Kette gehöret, bey einem
Ausleger der H. Schrift, was zumal dunckele
Oerter betrifft, zum Grunde liege[n] müsse, und
daß dieselbe durch die Salbung des Heiligen Gei-
stes aus so vielen andern klaren Stellen gar wohl
erlanget werden könne.
9. Nachdem der Apostel erstlich insgemein
von der nach der Aehnlichkeit des Glaubens ein-
zurichtenden Weissagung oder Erklärung der
H. Schrift geredet hatte, so gedencket er dar-
auf insonderheit theils des Lehrens, theils
des Ermahnens, weil einige dazu eine besonde-
re Gabe hatten, daß sie den Schriftmäßigen
Vortrag zum deutlichen, gründlichen und or-
dentlichen Unterricht in der Lehre thaten, auch
andere in der analogia fidei, oder von dem, was
zum Grunde und zur Ordnung des Heils gehö-
ret, unterwiesen. Gleichwie noch andere zwar
diese Gabe in solchem Grad nicht hatten; aber
hingegen an die Mitglieder der ersten Christli-
chen Gemeinen eine gar bewegliche und erbauli-
che Ermahnungs-Aufmunterungs- und Trost-
Rede halten konten. Da denn der Apostel er-
fodert, daß ein jeder, was er thut, recht thue,
und seine Gabe mit einfältigem und niedrigen
Hertzen wohl anlege.
10. Mit dem Worte diakonia, Amt,
siehet der Apostel überhaupt auf die damaligen
Kirchen-Aemter, und gedencket darauf insonder-
heit dreyerley Arten, oder Verrichtungen.
Erstlich derer, die da geben, oder austheilen,
das ist der Armen-Pfleger: hernach der Re-
gierer
oder Vorsteher, die solche waren, in
Ansehung theils des göttlichen Worts, theils
auch der äusserlichen Kirchen-Disciplin und gu-
ten Ordnung (siehe 1 Tim. 5, 17.) und drittens
auch derer, welche Barmhertzigkeit auszuü-
ben hatten,
das ist, derer, welche zur Pflege
[Spaltenumbruch] der Krancken, Exulanten und anderer bedreng-
ten Personen bestellet waren.
11. Und aus dieser Beschaffenheit der Aem-
ter und Verrichtungen kan man nun leichtlich
den eigentlichen Sinn und Nachdruck der beyge-
setzten Worte erkennen: nemlich die Armen-
Pfleger sollen ihr Amt verrichten in der Ein-
falt,
oder einfältig, das ist, mit einem lautern
Auge des Hertzens, ohne Ansehen der Person,
ohne Gunst oder Mißgunst, oder bey den Armen
auf nichts anders, als nur auf ihre Armuth se-
hen; und also weder dem einen zu viel, noch dem
andern zu wenig geben. Die Regierer sollen
sorgfältig und fleißig seyn, als welche auf die
gantze Gemeinde Achtung zu geben und nach ei-
nes jeden Leben und Wandel sich zu erkundigen
hatten. Die Krancken-Pfleger werden er-
mahnet das ihrige mit Lust oder frölichem Ge-
müthe ohne Murren und Widerwillen zu thun,
weil ihnen bey den Krancken, Exulanten, Ange-
fochtenen und allerley bedrängten Personen bey
manchen schweren Umständen leichtlich eine Un-
lust aufsteigen und dadurch eine Nachläßigkeit
verursachet werden konte.
12. Weil sich alle Gattungen der Verrich-
tungen, nemlich das Lehren, das Ermahnen,
das Allmosen-Geben, das Regieren, das
Barmhertzigkeit üben, gar füglich von dem
vorhergehenden gemeinen Worte, Amt, sagen
lassen, und die Lehrer darunter zuerst stehen, und
sich diese fünffache Verrichtung gar wol von
dem, was ordentlich geschehen muste, verstehen
läßt; so kan man die Weissagung von einem
solchen Vortrag annehmen, der ausserordent-
lich war als eine besondere Gnaden-Gabe, die
Prophetischen Schriften zu erklären. Welches
wegen der ersten Anmerckung zu beobachten ist.
V. 9.

Die Liebe (als der kurtze Begriff aller
übrigen Tugenden und Pflichten Rom. 13, 8. 9.
10. 1 Cor. 13, 2. sqq. 1 Tim. 1, 5.) sey nicht
falsch
(heuchlerisch, so allein in Worten und
Geberden bestehet, sondern erweise sich in der
That und Wahrheit 1 Pet. 1, 22. 4, 8. Jac. 2,
15. 16. 1 Joh. 3, 18.) Hasset das Arge (fliehet
und meidet es, als den Teufel selbst) hanget
dem Guten an
(kollomenoi, so veste, als Din-
ge, die zusammen geleimet sind; also, daß ihr
euch nicht wieder davon abziehen lasset. 1 Cor. 6,
16. 17. Siehe von diesen zweyen Stücken, von
Unterlassung des Bösen und Ausübung
des Guten
Psalm 34, 15. 97, 10. Jes. 1, 16.
Amos 5, 14. 15. 1 Pet. 3, 11.

V. 10.

Die brüderliche Liebe unter einander
sey hertzlich
(storge heißt eine natürliche Liebe,
der nach dem Fleische mit einander Verwand-
ten, sonderlich der Eltern gegen die Kinder;
davon auch der Storch seinen Namen hat, als
dessen Liebe und Vorsorge für seine Jungen sehr
groß ist. Und also sind philostorgoi te philadel-
phia diejenige, welche, vermöge der übernatür-
lichen Verwandschaft, die sie mit einander in
und aus GOtt haben, gegen einander in einer

zar-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 12, v. 9. 10.
[Spaltenumbruch] hier ſo viel als die Glaubens-Lehre, das Ge-
heimniß der von GOtt geoffenbahreten Wahr-
heiten, welche uns zum Glauben vorgeleget ſind,
und mit dem Glauben muͤſſen angenommen
werden. Und alſo wird dieſes Wort auch ge-
nommen Act. 13, 8. Coll. v. 7. 10. 12. Gal. 1, 23.
3, 2. 5. 23. 1 Tim. 3, 9. Jud. v. 3. 20.
7. Das Wort [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]ναλογία, analogia, Aehn-
lichkeit,
bedeutet eine gewiſſe proportion oder
Verhaͤltniß eines Dinges gegen das andere.
Und iſt die Aehnlichkeit des Glaubens, analogia
fidei,
derjenige Zuſammenhang, welchen alle
zum Grunde und zur Ordnung des Heils gehoͤ-
rige Lehren in genaueſter Verbindung unter und
mit einander haben, alſo, daß ſich immer eine
auf die andere beziehet, eine aus der andern fol-
get, und eine ohne die andere, auch ohne die
uͤbrigen nicht ſeyn kan: wie man denn ſiehet,
daß an einer Kette alle Glieder, am Leibe alle
Gliedmaſſen, am Gebaͤude alle Theile deſſelben
aufs genaueſte aneinander hangen, und eben da-
mit ihre Beveſtigung untereinander haben.
8. Und alſo heißt nach der Aehnlichkeit des
Glaubens weiſſagen, oder die Schriften der
Propheten auslegen, ſo viel, als einen jeden
Ort alſo erklaͤren, wie es die Kette der Heils-
Lehren erfordert oder doch zulaͤßt. Daher denn
leichtlich zu erachten iſt, daß die Erkaͤntniß alles
deſſen, was zu ſolcher Kette gehoͤret, bey einem
Ausleger der H. Schrift, was zumal dunckele
Oerter betrifft, zum Grunde liege[n] muͤſſe, und
daß dieſelbe durch die Salbung des Heiligen Gei-
ſtes aus ſo vielen andern klaren Stellen gar wohl
erlanget werden koͤnne.
9. Nachdem der Apoſtel erſtlich insgemein
von der nach der Aehnlichkeit des Glaubens ein-
zurichtenden Weiſſagung oder Erklaͤrung der
H. Schrift geredet hatte, ſo gedencket er dar-
auf inſonderheit theils des Lehrens, theils
des Ermahnens, weil einige dazu eine beſonde-
re Gabe hatten, daß ſie den Schriftmaͤßigen
Vortrag zum deutlichen, gruͤndlichen und or-
dentlichen Unterricht in der Lehre thaten, auch
andere in der analogia fidei, oder von dem, was
zum Grunde und zur Ordnung des Heils gehoͤ-
ret, unterwieſen. Gleichwie noch andere zwar
dieſe Gabe in ſolchem Grad nicht hatten; aber
hingegen an die Mitglieder der erſten Chriſtli-
chen Gemeinen eine gar bewegliche und erbauli-
che Ermahnungs-Aufmunterungs- und Troſt-
Rede halten konten. Da denn der Apoſtel er-
fodert, daß ein jeder, was er thut, recht thue,
und ſeine Gabe mit einfaͤltigem und niedrigen
Hertzen wohl anlege.
10. Mit dem Worte διακονία, Amt,
ſiehet der Apoſtel uͤberhaupt auf die damaligen
Kirchen-Aemter, und gedencket darauf inſonder-
heit dreyerley Arten, oder Verrichtungen.
Erſtlich derer, die da geben, oder austheilen,
das iſt der Armen-Pfleger: hernach der Re-
gierer
oder Vorſteher, die ſolche waren, in
Anſehung theils des goͤttlichen Worts, theils
auch der aͤuſſerlichen Kirchen-Diſciplin und gu-
ten Ordnung (ſiehe 1 Tim. 5, 17.) und drittens
auch derer, welche Barmhertzigkeit auszuuͤ-
ben hatten,
das iſt, derer, welche zur Pflege
[Spaltenumbruch] der Krancken, Exulanten und anderer bedreng-
ten Perſonen beſtellet waren.
11. Und aus dieſer Beſchaffenheit der Aem-
ter und Verrichtungen kan man nun leichtlich
den eigentlichen Sinn und Nachdruck der beyge-
ſetzten Worte erkennen: nemlich die Armen-
Pfleger ſollen ihr Amt verrichten in der Ein-
falt,
oder einfaͤltig, das iſt, mit einem lautern
Auge des Hertzens, ohne Anſehen der Perſon,
ohne Gunſt oder Mißgunſt, oder bey den Armen
auf nichts anders, als nur auf ihre Armuth ſe-
hen; und alſo weder dem einen zu viel, noch dem
andern zu wenig geben. Die Regierer ſollen
ſorgfaͤltig und fleißig ſeyn, als welche auf die
gantze Gemeinde Achtung zu geben und nach ei-
nes jeden Leben und Wandel ſich zu erkundigen
hatten. Die Krancken-Pfleger werden er-
mahnet das ihrige mit Luſt oder froͤlichem Ge-
muͤthe ohne Murren und Widerwillen zu thun,
weil ihnen bey den Krancken, Exulanten, Ange-
fochtenen und allerley bedraͤngten Perſonen bey
manchen ſchweren Umſtaͤnden leichtlich eine Un-
luſt aufſteigen und dadurch eine Nachlaͤßigkeit
verurſachet werden konte.
12. Weil ſich alle Gattungen der Verrich-
tungen, nemlich das Lehren, das Ermahnen,
das Allmoſen-Geben, das Regieren, das
Barmhertzigkeit uͤben, gar fuͤglich von dem
vorhergehenden gemeinen Worte, Amt, ſagen
laſſen, und die Lehrer darunter zuerſt ſtehen, und
ſich dieſe fuͤnffache Verrichtung gar wol von
dem, was ordentlich geſchehen muſte, verſtehen
laͤßt; ſo kan man die Weiſſagung von einem
ſolchen Vortrag annehmen, der auſſerordent-
lich war als eine beſondere Gnaden-Gabe, die
Prophetiſchen Schriften zu erklaͤren. Welches
wegen der erſten Anmerckung zu beobachten iſt.
V. 9.

Die Liebe (als der kurtze Begriff aller
uͤbrigen Tugenden und Pflichten Rom. 13, 8. 9.
10. 1 Cor. 13, 2. ſqq. 1 Tim. 1, 5.) ſey nicht
falſch
(heuchleriſch, ſo allein in Worten und
Geberden beſtehet, ſondern erweiſe ſich in der
That und Wahrheit 1 Pet. 1, 22. 4, 8. Jac. 2,
15. 16. 1 Joh. 3, 18.) Haſſet das Arge (fliehet
und meidet es, als den Teufel ſelbſt) hanget
dem Guten an
(κολλώμενοι, ſo veſte, als Din-
ge, die zuſammen geleimet ſind; alſo, daß ihr
euch nicht wieder davon abziehen laſſet. 1 Cor. 6,
16. 17. Siehe von dieſen zweyen Stuͤcken, von
Unterlaſſung des Boͤſen und Ausuͤbung
des Guten
Pſalm 34, 15. 97, 10. Jeſ. 1, 16.
Amos 5, 14. 15. 1 Pet. 3, 11.

V. 10.

Die bruͤderliche Liebe unter einander
ſey hertzlich
(στοργή heißt eine natuͤrliche Liebe,
der nach dem Fleiſche mit einander Verwand-
ten, ſonderlich der Eltern gegen die Kinder;
davon auch der Storch ſeinen Namen hat, als
deſſen Liebe und Vorſorge fuͤr ſeine Jungen ſehr
groß iſt. Und alſo ſind φιλόστοργοι τῇ φιλαδελ-
φίᾳ diejenige, welche, vermoͤge der uͤbernatuͤr-
lichen Verwandſchaft, die ſie mit einander in
und aus GOtt haben, gegen einander in einer

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[150/0178] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 12, v. 9. 10. hier ſo viel als die Glaubens-Lehre, das Ge- heimniß der von GOtt geoffenbahreten Wahr- heiten, welche uns zum Glauben vorgeleget ſind, und mit dem Glauben muͤſſen angenommen werden. Und alſo wird dieſes Wort auch ge- nommen Act. 13, 8. Coll. v. 7. 10. 12. Gal. 1, 23. 3, 2. 5. 23. 1 Tim. 3, 9. Jud. v. 3. 20. 7. Das Wort _ ναλογία, analogia, Aehn- lichkeit, bedeutet eine gewiſſe proportion oder Verhaͤltniß eines Dinges gegen das andere. Und iſt die Aehnlichkeit des Glaubens, analogia fidei, derjenige Zuſammenhang, welchen alle zum Grunde und zur Ordnung des Heils gehoͤ- rige Lehren in genaueſter Verbindung unter und mit einander haben, alſo, daß ſich immer eine auf die andere beziehet, eine aus der andern fol- get, und eine ohne die andere, auch ohne die uͤbrigen nicht ſeyn kan: wie man denn ſiehet, daß an einer Kette alle Glieder, am Leibe alle Gliedmaſſen, am Gebaͤude alle Theile deſſelben aufs genaueſte aneinander hangen, und eben da- mit ihre Beveſtigung untereinander haben. 8. Und alſo heißt nach der Aehnlichkeit des Glaubens weiſſagen, oder die Schriften der Propheten auslegen, ſo viel, als einen jeden Ort alſo erklaͤren, wie es die Kette der Heils- Lehren erfordert oder doch zulaͤßt. Daher denn leichtlich zu erachten iſt, daß die Erkaͤntniß alles deſſen, was zu ſolcher Kette gehoͤret, bey einem Ausleger der H. Schrift, was zumal dunckele Oerter betrifft, zum Grunde liegen muͤſſe, und daß dieſelbe durch die Salbung des Heiligen Gei- ſtes aus ſo vielen andern klaren Stellen gar wohl erlanget werden koͤnne. 9. Nachdem der Apoſtel erſtlich insgemein von der nach der Aehnlichkeit des Glaubens ein- zurichtenden Weiſſagung oder Erklaͤrung der H. Schrift geredet hatte, ſo gedencket er dar- auf inſonderheit theils des Lehrens, theils des Ermahnens, weil einige dazu eine beſonde- re Gabe hatten, daß ſie den Schriftmaͤßigen Vortrag zum deutlichen, gruͤndlichen und or- dentlichen Unterricht in der Lehre thaten, auch andere in der analogia fidei, oder von dem, was zum Grunde und zur Ordnung des Heils gehoͤ- ret, unterwieſen. Gleichwie noch andere zwar dieſe Gabe in ſolchem Grad nicht hatten; aber hingegen an die Mitglieder der erſten Chriſtli- chen Gemeinen eine gar bewegliche und erbauli- che Ermahnungs-Aufmunterungs- und Troſt- Rede halten konten. Da denn der Apoſtel er- fodert, daß ein jeder, was er thut, recht thue, und ſeine Gabe mit einfaͤltigem und niedrigen Hertzen wohl anlege. 10. Mit dem Worte διακονία, Amt, ſiehet der Apoſtel uͤberhaupt auf die damaligen Kirchen-Aemter, und gedencket darauf inſonder- heit dreyerley Arten, oder Verrichtungen. Erſtlich derer, die da geben, oder austheilen, das iſt der Armen-Pfleger: hernach der Re- gierer oder Vorſteher, die ſolche waren, in Anſehung theils des goͤttlichen Worts, theils auch der aͤuſſerlichen Kirchen-Diſciplin und gu- ten Ordnung (ſiehe 1 Tim. 5, 17.) und drittens auch derer, welche Barmhertzigkeit auszuuͤ- ben hatten, das iſt, derer, welche zur Pflege der Krancken, Exulanten und anderer bedreng- ten Perſonen beſtellet waren. 11. Und aus dieſer Beſchaffenheit der Aem- ter und Verrichtungen kan man nun leichtlich den eigentlichen Sinn und Nachdruck der beyge- ſetzten Worte erkennen: nemlich die Armen- Pfleger ſollen ihr Amt verrichten in der Ein- falt, oder einfaͤltig, das iſt, mit einem lautern Auge des Hertzens, ohne Anſehen der Perſon, ohne Gunſt oder Mißgunſt, oder bey den Armen auf nichts anders, als nur auf ihre Armuth ſe- hen; und alſo weder dem einen zu viel, noch dem andern zu wenig geben. Die Regierer ſollen ſorgfaͤltig und fleißig ſeyn, als welche auf die gantze Gemeinde Achtung zu geben und nach ei- nes jeden Leben und Wandel ſich zu erkundigen hatten. Die Krancken-Pfleger werden er- mahnet das ihrige mit Luſt oder froͤlichem Ge- muͤthe ohne Murren und Widerwillen zu thun, weil ihnen bey den Krancken, Exulanten, Ange- fochtenen und allerley bedraͤngten Perſonen bey manchen ſchweren Umſtaͤnden leichtlich eine Un- luſt aufſteigen und dadurch eine Nachlaͤßigkeit verurſachet werden konte. 12. Weil ſich alle Gattungen der Verrich- tungen, nemlich das Lehren, das Ermahnen, das Allmoſen-Geben, das Regieren, das Barmhertzigkeit uͤben, gar fuͤglich von dem vorhergehenden gemeinen Worte, Amt, ſagen laſſen, und die Lehrer darunter zuerſt ſtehen, und ſich dieſe fuͤnffache Verrichtung gar wol von dem, was ordentlich geſchehen muſte, verſtehen laͤßt; ſo kan man die Weiſſagung von einem ſolchen Vortrag annehmen, der auſſerordent- lich war als eine beſondere Gnaden-Gabe, die Prophetiſchen Schriften zu erklaͤren. Welches wegen der erſten Anmerckung zu beobachten iſt. V. 9. Die Liebe (als der kurtze Begriff aller uͤbrigen Tugenden und Pflichten Rom. 13, 8. 9. 10. 1 Cor. 13, 2. ſqq. 1 Tim. 1, 5.) ſey nicht falſch (heuchleriſch, ſo allein in Worten und Geberden beſtehet, ſondern erweiſe ſich in der That und Wahrheit 1 Pet. 1, 22. 4, 8. Jac. 2, 15. 16. 1 Joh. 3, 18.) Haſſet das Arge (fliehet und meidet es, als den Teufel ſelbſt) hanget dem Guten an (κολλώμενοι, ſo veſte, als Din- ge, die zuſammen geleimet ſind; alſo, daß ihr euch nicht wieder davon abziehen laſſet. 1 Cor. 6, 16. 17. Siehe von dieſen zweyen Stuͤcken, von Unterlaſſung des Boͤſen und Ausuͤbung des Guten Pſalm 34, 15. 97, 10. Jeſ. 1, 16. Amos 5, 14. 15. 1 Pet. 3, 11. V. 10. Die bruͤderliche Liebe unter einander ſey hertzlich (στοργή heißt eine natuͤrliche Liebe, der nach dem Fleiſche mit einander Verwand- ten, ſonderlich der Eltern gegen die Kinder; davon auch der Storch ſeinen Namen hat, als deſſen Liebe und Vorſorge fuͤr ſeine Jungen ſehr groß iſt. Und alſo ſind φιλόστοργοι τῇ φιλαδελ- φίᾳ diejenige, welche, vermoͤge der uͤbernatuͤr- lichen Verwandſchaft, die ſie mit einander in und aus GOtt haben, gegen einander in einer zar-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/178>, abgerufen am 25.11.2024.