Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 9, v. 20. 21. an die Römer. [Spaltenumbruch]
Sendung seines Sohnes in die Welt zur Er-lösung der Menschen, u. s. w. Und obwol auch bey einigen dieser Wercke von denen, welche sich dieselben recht zu Nutze machen wollen, diß und das erfodert wird: so ist doch die Ausführung derselben an keine solche Ordnung gebunden; oder mit keiner solchen Bedingung umschren- cket, ohne welche sie nicht hätten sollen und kön- nen ins Werck gerichtet werden. Denn GOtt liesse sich an der Ausführung des Jüdischen Volcks nichts hindern, sondern machte sich, da es Pharao verhindern wolte, durch grosse Straf- Gerichte und Wunder eine offene Bahn dazu. Und eben also ging es bey der Einführung in Ca- naan. Und daß er die Sendung seines Soh- nes nicht an der Jüden Glauben und Gehorsam gebunden, sondern sie, da die dazu bestimmete Zeit erfüllet war, ohne denselben geschehen, ist bekant. Mit welchen Wercken des absoluten Willens und der unbeschrenckten Allmacht GOtt seine Souverainität erweiset. 3. Allein in den gemeinen Wegen, nach welchen GOtt mit dem Menschen im Reiche der Natur und der Gnade handelt, gehet GOtt or- dentlicher Weise nicht nach dem absoluten Rath- schluß seines Willens und nach seiner absoluten Allmacht; sondern er hat eine gewisse Ord- nung gesetzet, nach welcher er mit dem Men- schen handeln will, dem Menschen auch die Frey- heit gelassen, sich derselben zu bedienen, oder nicht. Und dieses erfodert die von GOtt selbst weislich eingerichtete Natur des Menschen; als welche mit der Freyheit des Willens begabet ist, daß, obgleich der Mersch nach dem Fall im geist- lichen sich selbst nicht helfen kan, er sich doch kan helfen lassen, oder widerstehen: Und in solcher Freyheit des Willens, nach welcher der Mensch am meisten von den Machinen unterschieden ist, bestehet der Adel der menschlichen Seelen: der auch, in so fern er zum Wesen der Seele gehöret, noch nach dem Sünden-Fall übrig, obgleich seines Kleinods an geistlichen Kräften, berau- bet ist. 4. Daß nun GOtt mit dem Menschen im Wercke ihrer Seligkeit und Verdammniß nicht nach seinem absoluten Rathschlusse verfahre, ist ausser dem, was von der Natur des Menschen itzo vorgestellet ist, auch aus der gantzen Heils-Ord- nung und aus denen zur Seligkeit verordneten Heils-Mitteln, wie auch aus den Bündnissen, die GOtt mit den Menschen gemachet hat, offen- bar. Und wie könte doch, wo alles auf GOttes absoluten Willen ankäme, unser Heiland immer mehr zu dem Jüdischen Volcke, und unter ihnen insonderheit zu denen, die verlohren gingen, ge- saget haben: Jch habe gewolt; ihr aber habt nicht gewolt. Matth. 23, 37. V. 20. 21. Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, Anmerckungen. 1. Man siehet sowol aus dem Einwurf selbst, als aus dieser Antwort Pauli, daß jener, als von einem irreligieusen Gemüthe gemachet, vor- getragen worden. Und weil Paulus es darin- nen nun mit einem solchen Menschen zu thun hat; so antwortet er ihm nicht gleich directe, ge- rade zu, also, daß er den gemachten Knoten auf- löset; sondern er verfähret gegen ihn zuvorderst indirecte, und kat' anthropon, also, daß er sich wider so einen frechen Disputatorem des von ihm gemachten unrichtigen Schlusses selbst bedienet, ihm damit das Maul stopft, und ihn also mit seinem eignen Schwerdte schläget: als wolte er sagen: Höre du frecher Mensch, der du aus der richtigen Deduction, daß GOtt im Wercke der Seligkeit einen freyen Willen haben will, da- bey auch eine gewisse Ordnung gemachet hat, nach welcher er die Menschen will selig machen, oder verdammen, und sich von den widerspensti- gen und lohnsüchtigen Juden keine andere Ord- nung will vorschreiben lassen, noch seinen so ge- rechten weisen und unpartheyischen Willen nach ihrem Eigenwillen reguliren; der du, sage ich, aus dieser richtigen Deduction den unrichtigen Schluß machest, als wenn GOtt im Wercke der Seligkeit nur nach seinem absoluten Willen handelte: Höre und mercke, was du thust: handelst du nicht wider deinen eignen Schluß und Satz? denn, wo dem also ist, daß, was GOtt nur in gewissen und sonderbaren Wercken thut, er allemal thue, oder nach seinem absolu- ten und unwandelbaren Willen verfahre; wie wilst du denn vor ihm mit deinem frechen Einwurf bestehen? denn hat er Macht also zu handeln, so hast du ja als sein Geschöpf nicht die freye Macht, ihme ohne Sünde also zu oblo- quiren, mit ihm zu rechten, und dich wider ihn zu rechtfertigen? Müste denn nicht ein Mensch, der sich solche unrichtige Meinung von GOTT machet, es sich ohne Widerrede gefallen lassen, GOtt handele mit ihm, wie er wolle? Siehe auch Jes. 45, 9. Und von dem, daß man nicht mit GOtt rechten soll, um wider ihn Recht zu haben, siehe Job. 9, 2. 12. seqq. Dan. 4, 32. Matth. 20, 14. 15. Habe ich nicht Macht zu thun, was ich will, mit dem Mei- nen? etc. 2. Man hat demnach in GOTT wohl zu unterscheiden potestatem in humanum genus ab- solutam ab exercitio huius potestatis, das abso- lute Recht mit der absoluten Macht von dem Gebrauch desselben. Das Recht und die Macht hat GOtt, wie über alle übrige Ge- schöpffe, also auch über die Menschen. Und ob er sich gleich in gewissen ausserordentlichen Fäl- len desselben auch bey den Menschen gebrauchet, so gebrauchet er es doch nicht ordentlicher Weise also bey den Menschen, wie bey andern Geschö- pfen. Die Ursache des unterschiedenen Ge- brauchs lieget in dem grossen Unterscheide der Natur bey den Menschen und bey den übrigen Geschöpfen. Denn der Mensch ist mit einem freyen Willen erschaffen, daher ist ihm eine gewisse Ordnung vorgeschrieben, und behält er die Q 3
Cap. 9, v. 20. 21. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
Sendung ſeines Sohnes in die Welt zur Er-loͤſung der Menſchen, u. ſ. w. Und obwol auch bey einigen dieſer Wercke von denen, welche ſich dieſelben recht zu Nutze machen wollen, diß und das erfodert wird: ſo iſt doch die Ausfuͤhrung derſelben an keine ſolche Ordnung gebunden; oder mit keiner ſolchen Bedingung umſchren- cket, ohne welche ſie nicht haͤtten ſollen und koͤn- nen ins Werck gerichtet werden. Denn GOtt lieſſe ſich an der Ausfuͤhrung des Juͤdiſchen Volcks nichts hindern, ſondern machte ſich, da es Pharao verhindern wolte, durch groſſe Straf- Gerichte und Wunder eine offene Bahn dazu. Und eben alſo ging es bey der Einfuͤhrung in Ca- naan. Und daß er die Sendung ſeines Soh- nes nicht an der Juͤden Glauben und Gehorſam gebunden, ſondern ſie, da die dazu beſtimmete Zeit erfuͤllet war, ohne denſelben geſchehen, iſt bekant. Mit welchen Wercken des abſoluten Willens und der unbeſchrenckten Allmacht GOtt ſeine Souverainitaͤt erweiſet. 3. Allein in den gemeinen Wegen, nach welchen GOtt mit dem Menſchen im Reiche der Natur und der Gnade handelt, gehet GOtt or- dentlicher Weiſe nicht nach dem abſoluten Rath- ſchluß ſeines Willens und nach ſeiner abſoluten Allmacht; ſondern er hat eine gewiſſe Ord- nung geſetzet, nach welcher er mit dem Men- ſchen handeln will, dem Menſchen auch die Frey- heit gelaſſen, ſich derſelben zu bedienen, oder nicht. Und dieſes erfodert die von GOtt ſelbſt weislich eingerichtete Natur des Menſchen; als welche mit der Freyheit des Willens begabet iſt, daß, obgleich der Merſch nach dem Fall im geiſt- lichen ſich ſelbſt nicht helfen kan, er ſich doch kan helfen laſſen, oder widerſtehen: Und in ſolcher Freyheit des Willens, nach welcher der Menſch am meiſten von den Machinen unterſchieden iſt, beſtehet der Adel der menſchlichen Seelen: der auch, in ſo fern er zum Weſen der Seele gehoͤret, noch nach dem Suͤnden-Fall uͤbrig, obgleich ſeines Kleinods an geiſtlichen Kraͤften, berau- bet iſt. 4. Daß nun GOtt mit dem Menſchen im Wercke ihrer Seligkeit und Verdammniß nicht nach ſeinem abſoluten Rathſchluſſe verfahre, iſt auſſer dem, was von der Natur des Menſchen itzo vorgeſtellet iſt, auch aus der gantzen Heils-Ord- nung und aus denen zur Seligkeit verordneten Heils-Mitteln, wie auch aus den Buͤndniſſen, die GOtt mit den Menſchen gemachet hat, offen- bar. Und wie koͤnte doch, wo alles auf GOttes abſoluten Willen ankaͤme, unſer Heiland immer mehr zu dem Juͤdiſchen Volcke, und unter ihnen inſonderheit zu denen, die verlohren gingen, ge- ſaget haben: Jch habe gewolt; ihr aber habt nicht gewolt. Matth. 23, 37. V. 20. 21. Ja, lieber Menſch, wer biſt du denn, Anmerckungen. 1. Man ſiehet ſowol aus dem Einwurf ſelbſt, als aus dieſer Antwort Pauli, daß jener, als von einem irreligieuſen Gemuͤthe gemachet, vor- getragen worden. Und weil Paulus es darin- nen nun mit einem ſolchen Menſchen zu thun hat; ſo antwortet er ihm nicht gleich directe, ge- rade zu, alſo, daß er den gemachten Knoten auf- loͤſet; ſondern er verfaͤhret gegen ihn zuvorderſt indirecte, und κατ᾽ ἄνϑρωπον, alſo, daß er ſich wider ſo einen frechen Diſputatorem des von ihm gemachten unrichtigen Schluſſes ſelbſt bedienet, ihm damit das Maul ſtopft, und ihn alſo mit ſeinem eignen Schwerdte ſchlaͤget: als wolte er ſagen: Hoͤre du frecher Menſch, der du aus der richtigen Deduction, daß GOtt im Wercke der Seligkeit einen freyen Willen haben will, da- bey auch eine gewiſſe Ordnung gemachet hat, nach welcher er die Menſchen will ſelig machen, oder verdammen, und ſich von den widerſpenſti- gen und lohnſuͤchtigen Juden keine andere Ord- nung will vorſchreiben laſſen, noch ſeinen ſo ge- rechten weiſen und unpartheyiſchen Willen nach ihrem Eigenwillen reguliren; der du, ſage ich, aus dieſer richtigen Deduction den unrichtigen Schluß macheſt, als wenn GOtt im Wercke der Seligkeit nur nach ſeinem abſoluten Willen handelte: Hoͤre und mercke, was du thuſt: handelſt du nicht wider deinen eignen Schluß und Satz? denn, wo dem alſo iſt, daß, was GOtt nur in gewiſſen und ſonderbaren Wercken thut, er allemal thue, oder nach ſeinem abſolu- ten und unwandelbaren Willen verfahre; wie wilſt du denn vor ihm mit deinem frechen Einwurf beſtehen? denn hat er Macht alſo zu handeln, ſo haſt du ja als ſein Geſchoͤpf nicht die freye Macht, ihme ohne Suͤnde alſo zu oblo- quiren, mit ihm zu rechten, und dich wider ihn zu rechtfertigen? Muͤſte denn nicht ein Menſch, der ſich ſolche unrichtige Meinung von GOTT machet, es ſich ohne Widerrede gefallen laſſen, GOtt handele mit ihm, wie er wolle? Siehe auch Jeſ. 45, 9. Und von dem, daß man nicht mit GOtt rechten ſoll, um wider ihn Recht zu haben, ſiehe Job. 9, 2. 12. ſeqq. Dan. 4, 32. Matth. 20, 14. 15. Habe ich nicht Macht zu thun, was ich will, mit dem Mei- nen? ꝛc. 2. Man hat demnach in GOTT wohl zu unterſcheiden poteſtatem in humanum genus ab- ſolutam ab exercitio huius poteſtatis, das abſo- lute Recht mit der abſoluten Macht von dem Gebrauch deſſelben. Das Recht und die Macht hat GOtt, wie uͤber alle uͤbrige Ge- ſchoͤpffe, alſo auch uͤber die Menſchen. Und ob er ſich gleich in gewiſſen auſſerordentlichen Faͤl- len deſſelben auch bey den Menſchen gebrauchet, ſo gebrauchet er es doch nicht ordentlicher Weiſe alſo bey den Menſchen, wie bey andern Geſchoͤ- pfen. Die Urſache des unterſchiedenen Ge- brauchs lieget in dem groſſen Unterſcheide der Natur bey den Menſchen und bey den uͤbrigen Geſchoͤpfen. Denn der Menſch iſt mit einem freyen Willen erſchaffen, daher iſt ihm eine gewiſſe Ordnung vorgeſchrieben, und behaͤlt er die Q 3
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Cap. 9, v. 20. 21. an die Roͤmer.
Sendung ſeines Sohnes in die Welt zur Er-
loͤſung der Menſchen, u. ſ. w. Und obwol auch
bey einigen dieſer Wercke von denen, welche ſich
dieſelben recht zu Nutze machen wollen, diß und
das erfodert wird: ſo iſt doch die Ausfuͤhrung
derſelben an keine ſolche Ordnung gebunden;
oder mit keiner ſolchen Bedingung umſchren-
cket, ohne welche ſie nicht haͤtten ſollen und koͤn-
nen ins Werck gerichtet werden. Denn GOtt
lieſſe ſich an der Ausfuͤhrung des Juͤdiſchen
Volcks nichts hindern, ſondern machte ſich, da
es Pharao verhindern wolte, durch groſſe Straf-
Gerichte und Wunder eine offene Bahn dazu.
Und eben alſo ging es bey der Einfuͤhrung in Ca-
naan. Und daß er die Sendung ſeines Soh-
nes nicht an der Juͤden Glauben und Gehorſam
gebunden, ſondern ſie, da die dazu beſtimmete
Zeit erfuͤllet war, ohne denſelben geſchehen, iſt
bekant. Mit welchen Wercken des abſoluten
Willens und der unbeſchrenckten Allmacht
GOtt ſeine Souverainitaͤt erweiſet.
3. Allein in den gemeinen Wegen, nach
welchen GOtt mit dem Menſchen im Reiche der
Natur und der Gnade handelt, gehet GOtt or-
dentlicher Weiſe nicht nach dem abſoluten Rath-
ſchluß ſeines Willens und nach ſeiner abſoluten
Allmacht; ſondern er hat eine gewiſſe Ord-
nung geſetzet, nach welcher er mit dem Men-
ſchen handeln will, dem Menſchen auch die Frey-
heit gelaſſen, ſich derſelben zu bedienen, oder
nicht. Und dieſes erfodert die von GOtt ſelbſt
weislich eingerichtete Natur des Menſchen; als
welche mit der Freyheit des Willens begabet iſt,
daß, obgleich der Merſch nach dem Fall im geiſt-
lichen ſich ſelbſt nicht helfen kan, er ſich doch kan
helfen laſſen, oder widerſtehen: Und in ſolcher
Freyheit des Willens, nach welcher der Menſch
am meiſten von den Machinen unterſchieden iſt,
beſtehet der Adel der menſchlichen Seelen: der
auch, in ſo fern er zum Weſen der Seele gehoͤret,
noch nach dem Suͤnden-Fall uͤbrig, obgleich
ſeines Kleinods an geiſtlichen Kraͤften, berau-
bet iſt.
4. Daß nun GOtt mit dem Menſchen im
Wercke ihrer Seligkeit und Verdammniß nicht
nach ſeinem abſoluten Rathſchluſſe verfahre, iſt
auſſer dem, was von der Natur des Menſchen itzo
vorgeſtellet iſt, auch aus der gantzen Heils-Ord-
nung und aus denen zur Seligkeit verordneten
Heils-Mitteln, wie auch aus den Buͤndniſſen,
die GOtt mit den Menſchen gemachet hat, offen-
bar. Und wie koͤnte doch, wo alles auf GOttes
abſoluten Willen ankaͤme, unſer Heiland immer
mehr zu dem Juͤdiſchen Volcke, und unter ihnen
inſonderheit zu denen, die verlohren gingen, ge-
ſaget haben: Jch habe gewolt; ihr aber
habt nicht gewolt. Matth. 23, 37.
V. 20. 21.
Ja, lieber Menſch, wer biſt du denn,
daß du mit GOtt rechten wilt? Spricht
auch ein Werck zu ſeinem Meiſter: war-
um machſt du mich alſo? Hat nicht ein
Toͤpffer Macht aus einem Klumpen zu
machen ein Vaß zu Ehren, und das andere
zu Unehren?
Anmerckungen.
1. Man ſiehet ſowol aus dem Einwurf ſelbſt,
als aus dieſer Antwort Pauli, daß jener, als
von einem irreligieuſen Gemuͤthe gemachet, vor-
getragen worden. Und weil Paulus es darin-
nen nun mit einem ſolchen Menſchen zu thun
hat; ſo antwortet er ihm nicht gleich directe, ge-
rade zu, alſo, daß er den gemachten Knoten auf-
loͤſet; ſondern er verfaͤhret gegen ihn zuvorderſt
indirecte, und κατ᾽ ἄνϑρωπον, alſo, daß er ſich
wider ſo einen frechen Diſputatorem des von ihm
gemachten unrichtigen Schluſſes ſelbſt bedienet,
ihm damit das Maul ſtopft, und ihn alſo mit
ſeinem eignen Schwerdte ſchlaͤget: als wolte er
ſagen: Hoͤre du frecher Menſch, der du aus der
richtigen Deduction, daß GOtt im Wercke der
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bey auch eine gewiſſe Ordnung gemachet hat,
nach welcher er die Menſchen will ſelig machen,
oder verdammen, und ſich von den widerſpenſti-
gen und lohnſuͤchtigen Juden keine andere Ord-
nung will vorſchreiben laſſen, noch ſeinen ſo ge-
rechten weiſen und unpartheyiſchen Willen nach
ihrem Eigenwillen reguliren; der du, ſage ich,
aus dieſer richtigen Deduction den unrichtigen
Schluß macheſt, als wenn GOtt im Wercke
der Seligkeit nur nach ſeinem abſoluten Willen
handelte: Hoͤre und mercke, was du thuſt:
handelſt du nicht wider deinen eignen Schluß
und Satz? denn, wo dem alſo iſt, daß, was
GOtt nur in gewiſſen und ſonderbaren Wercken
thut, er allemal thue, oder nach ſeinem abſolu-
ten und unwandelbaren Willen verfahre; wie
wilſt du denn vor ihm mit deinem frechen
Einwurf beſtehen? denn hat er Macht alſo zu
handeln, ſo haſt du ja als ſein Geſchoͤpf nicht
die freye Macht, ihme ohne Suͤnde alſo zu oblo-
quiren, mit ihm zu rechten, und dich wider ihn
zu rechtfertigen? Muͤſte denn nicht ein Menſch,
der ſich ſolche unrichtige Meinung von GOTT
machet, es ſich ohne Widerrede gefallen laſſen,
GOtt handele mit ihm, wie er wolle? Siehe
auch Jeſ. 45, 9. Und von dem, daß man nicht
mit GOtt rechten ſoll, um wider ihn Recht zu
haben, ſiehe Job. 9, 2. 12. ſeqq. Dan. 4, 32.
Matth. 20, 14. 15. Habe ich nicht Macht
zu thun, was ich will, mit dem Mei-
nen? ꝛc.
2. Man hat demnach in GOTT wohl zu
unterſcheiden poteſtatem in humanum genus ab-
ſolutam ab exercitio huius poteſtatis, das abſo-
lute Recht mit der abſoluten Macht von dem
Gebrauch deſſelben. Das Recht und die
Macht hat GOtt, wie uͤber alle uͤbrige Ge-
ſchoͤpffe, alſo auch uͤber die Menſchen. Und ob
er ſich gleich in gewiſſen auſſerordentlichen Faͤl-
len deſſelben auch bey den Menſchen gebrauchet,
ſo gebrauchet er es doch nicht ordentlicher Weiſe
alſo bey den Menſchen, wie bey andern Geſchoͤ-
pfen. Die Urſache des unterſchiedenen Ge-
brauchs lieget in dem groſſen Unterſcheide der
Natur bey den Menſchen und bey den uͤbrigen
Geſchoͤpfen. Denn der Menſch iſt mit einem
freyen Willen erſchaffen, daher iſt ihm eine
gewiſſe Ordnung vorgeſchrieben, und behaͤlt er
die
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