Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap 9, 15. 16. [Spaltenumbruch]
bey sich leide: nach Röm. 11, 6. Jsts ausGnaden, so ists nicht aus Verdienst der Wercke; sonst würde Gnade nicht Gna- de seyn etc: theils aber zeiget es auch an die Freyheit, Gewißheit und Unbeweglichkeit dieses Fürsatzes die Menschen ohne eigne Ver- dienste allein aus lauter in Christo gegründeten Gnade selig zu machen, und sich davon nicht ab- bringen, oder sich von den werckheiligen und lohnsüchtigen, aber dabey so unglaubigen, ja wiederspenstigen, Jüden den Weg, die Men- schen ihrer äusserlichen Vorrechte und vermein- ten Verdienste wegen selig zu machen, vorschrei- ben zu lassen. Welche Freyheit und Vestigkeit des Willens durch eine solche Verdoppelung, oder Wiederhohlung der Worte pfleget ange- zeiget zu werden: wie wir an Pilato sehen, da er auf der Juden Anforderung, daß er die Uber- schrift des Creutzes Christi nicht nach seinem, sondern nach ihrem Willen einrichten möchte, antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Joh. 19, 22. 4. Es ist demnach ein sehr grosser Unter- scheid unter einem freyen Willen, der sich von der Klügeley der thörichten, eigenliebigen und lohnsüchtigen Menschen im Wercke der Selig- keit nichts vorschreiben läßt, als welches GOtt höchst unanständig wäre; und unter einem ab- soluten oder unbedingten Willen. Denn da jener nur auf die Freyheit der weisesten und gerechtesten Handlungen GOttes gehet, und nur der Menschen Vorschrift, eigne Würdig- keit und Verdienst zur schuldigen Wiederver- geltung entgegen stehet: so schliesset dieser, der absolute, auch alle Absicht auf die Heils-Ord- nung aus; auf welche sich doch der freye und gnädige Wille GOttes gründet; also daß die Gnade zwar in aller Freyheit und umsonst ohne alles Verdienst ertheilet werden solle; aber kei- nen andern, als welche sich, nach dem Exem- pel der bußfertigen, und zur Einführung ins ge- lobte Land, um das Geleit des Meßiä anhal- tenden Jsraeliten, durch die Gnade GOttes in der Erkäntniß ihrer Unwürdigkeit zur glaubigen Annehmung des Mittles JEsu Christ, um durch ihn ins himmlische Canaan geleitet zu werden, würden bringen lassen. 5. Nun ist noch übrig, daß auch gezeiget werde, in was für einer Verbindung dieser bis- her erläuterte 18te Vers mit den vorhergehen- den, sonderlich den beyden letztern stehe. Der Einwurf war: Ob denn GOtt daher als ein Ungerechter könne angesehen werden, daß er zwar Jacob geliebet, hingegen doch aber den Esau gehasset habe? Der Apostel saget nein dazu: und zum Beweise, daß bey GOtt kein eigentlicher Haß gegen einen eintzi- gen Menschen, vermöge dessen er ihn schlechter- dings für verwerflich halte, und ihm die Se- ligkeit abspreche, statt finde, führet er diesen Ausspruch des himmlischen Vaters an, wel- chen er in Ansehung seines Sohnes gethan; nemlich daß er um Christi willen sich gegen uns Menschen gnädig und barmhertzig erweisen wolle, und also an statt des eigentlichen Hasses lauter Gedancken der Liebe und des Friedens ge- [Spaltenumbruch] gen uns trage, und davon einen freyen und un- beweglichen Fürsatz seines Willens, oder Schluß, gemachet habe. Und also ist die Connexion richtig, und der Beweis dessen, daß GOtt nie- mand ohne Ursach hasse, und also auch die Jü- den nicht im Hasse, ohne Ursache, verwerfe, als darauf alles gehet, bündig. 6. Es stehen uns auch keines weges die Worte im Wege: Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig: und wes ich mich erbarme, deß erbarme ich mich: als wenn dieselbe ein auf die ewige Seligmachung gerichtetes absolutum decretum anzeigeten. Denn da wir bisher in dem gantzen Contexte noch nicht die allergeringste Spur von einem sol- chen Decret gehabt haben; so können wir auch nicht sagen, daß diese Worte darauf gehen; zumal da es offenbar ist, daß die des zuvor an- gezeigten Nachdrucks wegen geschehene Ver- doppelung eine solche Structur der Worte erfo- dert. Welcher sich aber GOtt in Gnaden er- barmen wolle, das ist nicht allein aus dem Mo- saischen Contexte, der unter andern auch die Jsraeliten in ihrer Bußfertigkeit vorstellet, klar, sondern auch aus dem Zusammenhange dieses gantzen Briefs, sonderlich aus dem dritten, vierten und fünften Capitel offenbar: es folget auch noch zum Theil in diesem neunten und nechsten Capiteln, so vieler andern Schrift- Stellen nicht zu gedencken, nemlich GOtt wol- le sich aller Menschen erbarmen, ohne Unter- scheid, so viel sich ihrer durch die berufende Gna- de GOttes würden in die Heils-Ordnung brin- gen lassen. V. 16. So lieget es nun nicht an iemandes Anmerckungen. 1. Daß alhie von der Ordnung des Heils sind
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap 9, 15. 16. [Spaltenumbruch]
bey ſich leide: nach Roͤm. 11, 6. Jſts ausGnaden, ſo iſts nicht aus Verdienſt der Wercke; ſonſt wuͤrde Gnade nicht Gna- de ſeyn ꝛc: theils aber zeiget es auch an die Freyheit, Gewißheit und Unbeweglichkeit dieſes Fuͤrſatzes die Menſchen ohne eigne Ver- dienſte allein aus lauter in Chriſto gegruͤndeten Gnade ſelig zu machen, und ſich davon nicht ab- bringen, oder ſich von den werckheiligen und lohnſuͤchtigen, aber dabey ſo unglaubigen, ja wiederſpenſtigen, Juͤden den Weg, die Men- ſchen ihrer aͤuſſerlichen Vorrechte und vermein- ten Verdienſte wegen ſelig zu machen, vorſchrei- ben zu laſſen. Welche Freyheit und Veſtigkeit des Willens durch eine ſolche Verdoppelung, oder Wiederhohlung der Worte pfleget ange- zeiget zu werden: wie wir an Pilato ſehen, da er auf der Juden Anforderung, daß er die Uber- ſchrift des Creutzes Chriſti nicht nach ſeinem, ſondern nach ihrem Willen einrichten moͤchte, antwortete: Was ich geſchrieben habe, das habe ich geſchrieben. Joh. 19, 22. 4. Es iſt demnach ein ſehr groſſer Unter- ſcheid unter einem freyen Willen, der ſich von der Kluͤgeley der thoͤrichten, eigenliebigen und lohnſuͤchtigen Menſchen im Wercke der Selig- keit nichts vorſchreiben laͤßt, als welches GOtt hoͤchſt unanſtaͤndig waͤre; und unter einem ab- ſoluten oder unbedingten Willen. Denn da jener nur auf die Freyheit der weiſeſten und gerechteſten Handlungen GOttes gehet, und nur der Menſchen Vorſchrift, eigne Wuͤrdig- keit und Verdienſt zur ſchuldigen Wiederver- geltung entgegen ſtehet: ſo ſchlieſſet dieſer, der abſolute, auch alle Abſicht auf die Heils-Ord- nung aus; auf welche ſich doch der freye und gnaͤdige Wille GOttes gruͤndet; alſo daß die Gnade zwar in aller Freyheit und umſonſt ohne alles Verdienſt ertheilet werden ſolle; aber kei- nen andern, als welche ſich, nach dem Exem- pel der bußfertigen, und zur Einfuͤhrung ins ge- lobte Land, um das Geleit des Meßiaͤ anhal- tenden Jſraeliten, durch die Gnade GOttes in der Erkaͤntniß ihrer Unwuͤrdigkeit zur glaubigen Annehmung des Mittles JEſu Chriſt, um durch ihn ins himmliſche Canaan geleitet zu werden, wuͤrden bringen laſſen. 5. Nun iſt noch uͤbrig, daß auch gezeiget werde, in was fuͤr einer Verbindung dieſer bis- her erlaͤuterte 18te Vers mit den vorhergehen- den, ſonderlich den beyden letztern ſtehe. Der Einwurf war: Ob denn GOtt daher als ein Ungerechter koͤnne angeſehen werden, daß er zwar Jacob geliebet, hingegen doch aber den Eſau gehaſſet habe? Der Apoſtel ſaget nein dazu: und zum Beweiſe, daß bey GOtt kein eigentlicher Haß gegen einen eintzi- gen Menſchen, vermoͤge deſſen er ihn ſchlechter- dings fuͤr verwerflich halte, und ihm die Se- ligkeit abſpreche, ſtatt finde, fuͤhret er dieſen Ausſpruch des himmliſchen Vaters an, wel- chen er in Anſehung ſeines Sohnes gethan; nemlich daß er um Chriſti willen ſich gegen uns Menſchen gnaͤdig und barmhertzig erweiſen wolle, und alſo an ſtatt des eigentlichen Haſſes lauter Gedancken der Liebe und des Friedens ge- [Spaltenumbruch] gen uns trage, und davon einen freyen und un- beweglichen Fuͤrſatz ſeines Willens, oder Schluß, gemachet habe. Und alſo iſt die Connexion richtig, und der Beweis deſſen, daß GOtt nie- mand ohne Urſach haſſe, und alſo auch die Juͤ- den nicht im Haſſe, ohne Urſache, verwerfe, als darauf alles gehet, buͤndig. 6. Es ſtehen uns auch keines weges die Worte im Wege: Welchem ich gnaͤdig bin, dem bin ich gnaͤdig: und wes ich mich erbarme, deß erbarme ich mich: als wenn dieſelbe ein auf die ewige Seligmachung gerichtetes abſolutum decretum anzeigeten. Denn da wir bisher in dem gantzen Contexte noch nicht die allergeringſte Spur von einem ſol- chen Decret gehabt haben; ſo koͤnnen wir auch nicht ſagen, daß dieſe Worte darauf gehen; zumal da es offenbar iſt, daß die des zuvor an- gezeigten Nachdrucks wegen geſchehene Ver- doppelung eine ſolche Structur der Worte erfo- dert. Welcher ſich aber GOtt in Gnaden er- barmen wolle, das iſt nicht allein aus dem Mo- ſaiſchen Contexte, der unter andern auch die Jſraeliten in ihrer Bußfertigkeit vorſtellet, klar, ſondern auch aus dem Zuſammenhange dieſes gantzen Briefs, ſonderlich aus dem dritten, vierten und fuͤnften Capitel offenbar: es folget auch noch zum Theil in dieſem neunten und nechſten Capiteln, ſo vieler andern Schrift- Stellen nicht zu gedencken, nemlich GOtt wol- le ſich aller Menſchen erbarmen, ohne Unter- ſcheid, ſo viel ſich ihrer durch die berufende Gna- de GOttes wuͤrden in die Heils-Ordnung brin- gen laſſen. V. 16. So lieget es nun nicht an iemandes Anmerckungen. 1. Daß alhie von der Ordnung des Heils ſind
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap 9, 15. 16.
bey ſich leide: nach Roͤm. 11, 6. Jſts aus
Gnaden, ſo iſts nicht aus Verdienſt der
Wercke; ſonſt wuͤrde Gnade nicht Gna-
de ſeyn ꝛc: theils aber zeiget es auch an die
Freyheit, Gewißheit und Unbeweglichkeit
dieſes Fuͤrſatzes die Menſchen ohne eigne Ver-
dienſte allein aus lauter in Chriſto gegruͤndeten
Gnade ſelig zu machen, und ſich davon nicht ab-
bringen, oder ſich von den werckheiligen und
lohnſuͤchtigen, aber dabey ſo unglaubigen, ja
wiederſpenſtigen, Juͤden den Weg, die Men-
ſchen ihrer aͤuſſerlichen Vorrechte und vermein-
ten Verdienſte wegen ſelig zu machen, vorſchrei-
ben zu laſſen. Welche Freyheit und Veſtigkeit
des Willens durch eine ſolche Verdoppelung,
oder Wiederhohlung der Worte pfleget ange-
zeiget zu werden: wie wir an Pilato ſehen, da
er auf der Juden Anforderung, daß er die Uber-
ſchrift des Creutzes Chriſti nicht nach ſeinem,
ſondern nach ihrem Willen einrichten moͤchte,
antwortete: Was ich geſchrieben habe, das
habe ich geſchrieben. Joh. 19, 22.
4. Es iſt demnach ein ſehr groſſer Unter-
ſcheid unter einem freyen Willen, der ſich von
der Kluͤgeley der thoͤrichten, eigenliebigen und
lohnſuͤchtigen Menſchen im Wercke der Selig-
keit nichts vorſchreiben laͤßt, als welches GOtt
hoͤchſt unanſtaͤndig waͤre; und unter einem ab-
ſoluten oder unbedingten Willen. Denn da
jener nur auf die Freyheit der weiſeſten und
gerechteſten Handlungen GOttes gehet, und
nur der Menſchen Vorſchrift, eigne Wuͤrdig-
keit und Verdienſt zur ſchuldigen Wiederver-
geltung entgegen ſtehet: ſo ſchlieſſet dieſer, der
abſolute, auch alle Abſicht auf die Heils-Ord-
nung aus; auf welche ſich doch der freye und
gnaͤdige Wille GOttes gruͤndet; alſo daß die
Gnade zwar in aller Freyheit und umſonſt ohne
alles Verdienſt ertheilet werden ſolle; aber kei-
nen andern, als welche ſich, nach dem Exem-
pel der bußfertigen, und zur Einfuͤhrung ins ge-
lobte Land, um das Geleit des Meßiaͤ anhal-
tenden Jſraeliten, durch die Gnade GOttes in
der Erkaͤntniß ihrer Unwuͤrdigkeit zur glaubigen
Annehmung des Mittles JEſu Chriſt, um durch
ihn ins himmliſche Canaan geleitet zu werden,
wuͤrden bringen laſſen.
5. Nun iſt noch uͤbrig, daß auch gezeiget
werde, in was fuͤr einer Verbindung dieſer bis-
her erlaͤuterte 18te Vers mit den vorhergehen-
den, ſonderlich den beyden letztern ſtehe. Der
Einwurf war: Ob denn GOtt daher als
ein Ungerechter koͤnne angeſehen werden,
daß er zwar Jacob geliebet, hingegen doch
aber den Eſau gehaſſet habe? Der Apoſtel
ſaget nein dazu: und zum Beweiſe, daß bey
GOtt kein eigentlicher Haß gegen einen eintzi-
gen Menſchen, vermoͤge deſſen er ihn ſchlechter-
dings fuͤr verwerflich halte, und ihm die Se-
ligkeit abſpreche, ſtatt finde, fuͤhret er dieſen
Ausſpruch des himmliſchen Vaters an, wel-
chen er in Anſehung ſeines Sohnes gethan;
nemlich daß er um Chriſti willen ſich gegen uns
Menſchen gnaͤdig und barmhertzig erweiſen
wolle, und alſo an ſtatt des eigentlichen Haſſes
lauter Gedancken der Liebe und des Friedens ge-
gen uns trage, und davon einen freyen und un-
beweglichen Fuͤrſatz ſeines Willens, oder Schluß,
gemachet habe. Und alſo iſt die Connexion
richtig, und der Beweis deſſen, daß GOtt nie-
mand ohne Urſach haſſe, und alſo auch die Juͤ-
den nicht im Haſſe, ohne Urſache, verwerfe, als
darauf alles gehet, buͤndig.
6. Es ſtehen uns auch keines weges die
Worte im Wege: Welchem ich gnaͤdig
bin, dem bin ich gnaͤdig: und wes ich
mich erbarme, deß erbarme ich mich: als
wenn dieſelbe ein auf die ewige Seligmachung
gerichtetes abſolutum decretum anzeigeten.
Denn da wir bisher in dem gantzen Contexte
noch nicht die allergeringſte Spur von einem ſol-
chen Decret gehabt haben; ſo koͤnnen wir auch
nicht ſagen, daß dieſe Worte darauf gehen;
zumal da es offenbar iſt, daß die des zuvor an-
gezeigten Nachdrucks wegen geſchehene Ver-
doppelung eine ſolche Structur der Worte erfo-
dert. Welcher ſich aber GOtt in Gnaden er-
barmen wolle, das iſt nicht allein aus dem Mo-
ſaiſchen Contexte, der unter andern auch die
Jſraeliten in ihrer Bußfertigkeit vorſtellet, klar,
ſondern auch aus dem Zuſammenhange dieſes
gantzen Briefs, ſonderlich aus dem dritten,
vierten und fuͤnften Capitel offenbar: es folget
auch noch zum Theil in dieſem neunten und
nechſten Capiteln, ſo vieler andern Schrift-
Stellen nicht zu gedencken, nemlich GOtt wol-
le ſich aller Menſchen erbarmen, ohne Unter-
ſcheid, ſo viel ſich ihrer durch die berufende Gna-
de GOttes wuͤrden in die Heils-Ordnung brin-
gen laſſen.
V. 16.
So lieget es nun nicht an iemandes
(eigenwilliges) wollen oder (verdienſtliches)
laufen, ſondern an GOttes Erbarmen.
Anmerckungen.
1. Daß alhie von der Ordnung des Heils
das wollen und laufen nicht an ſich ſelbſt und
in allem Verſtande, ſondern nur in dem Ver-
ſtande der verdienſtlichen Werckheiligkeit, aus-
geſchloſſen werde, iſt offenbar, wie aus dem
Context, alſo auch aus ſo vielen andern Stel-
len der heiligen Schrift. Erſtlich aus dem Con-
text: als darinn das eigenwillige und verdienſt-
liche wollen und laufen, oder Bemuͤhen der Juͤ-
den, ſo ſie nebſt ihren aͤuſſerlichen Vorrechten,
in aͤuſſerlichen Wercken nach dem Moral und
Ceremonial Geſetze, ohne den Glauben an den
Meßiam, ſetzten, verworfen wird. Man ſehe
ſonderlich unten v. 31. 32. Jſrael hat dem
Geſetze der Gerechtigkeit (der geſetzlichen ei-
genen Gerechtigkeit) nachgeſtanden, und hat
das Geſetz der Gerechtigkeit (die Glaubens-
Gerechtigkeit) nicht uͤberkommen. War-
um das? Darum, weil ſie es nicht aus
dem Glauben, ſondern als aus den Wer-
cken des Geſetzes ſuchen. ꝛc. Alſo auch c. 10,
2. 3. Sie eifern um GOtt mit Unverſtan-
de, denn ſie erkennen die Gerechtigkeit
nicht, die vor GOtt gilt, und trachten
ihre eigne Gerechtigkeit aufzurichten, und
ſind
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