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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 6, v. 6. 7. an die Römer.
[Spaltenumbruch] gen Erbsünde in ihren Reitzungen) nicht die-
nen
(nicht folgen als leibeigne Sclaven.)

Anmerckungen.
1. Jn der Redens-Art: unser alter
Mensch,
unterscheidet der Apostel den alten
Menschen von den Personen, in welchen er sich
befindet: und verstehet also dadurch das gantze
sündliche Verderben, so von Natur in uns ist.
2. Dieses Verderben benennet er mit dem
Worte Mensch, nicht als wenn es eine beson-
dere Substantz wäre; wie er es denn von der Sub-
stan
tz, oder von der Person unterscheidet: son-
dern weil es den gantzen Menschen nach Leib
und Seele eingenommen hat, und ihn, wofern
er davon sich nicht befreyen läßt, mit Leib und
Seel ins ewige Verderben stürtzet; sintemal
der Mensch vor GOttes Gerichte nicht nach Leib
und Seele an sich, sondern nach diesem in ihm
befindlichen grossen Sünden-Ubel angesehen
wird.
3. Wenn dieser Mensch der alte genennet
wird, so wird damit gesehen auf das vorige und
schon vergangene; als welches man auch sonst
das alte zu nennen pfleget. Und gleichwie das
gegenwärtige in Ansehung des vergangenen,
und solcher gestalt alten, im Stande der Gnade
neue, aber dabey auch rein, schön und herrlich
ist, so ist denn daher das alte zugleich so viel,
als das unreine, heßliche und ungestalte.
4. Dieser alte Mensch ist mit CHristo ge-
ereutziget in dem Verstande, daß CHristus mit
seinem Creutzes-Tode desselben Abthuung, so
wol der Herrschaft, als der Schuld und Strafe
nach, zum Zweck gehabt hat. Da nun die, wel-
che auf CHristum getaufet sind, eben um des an
ihnen befindlichen alten Menschen wegen, da-
durch dergestalt in die Gemeinschaft seines To-
des gesetzet sind, daß er der Zurechnung nach ihr
eigen worden; so folget daher nothwendig, daß,
wofern sie ihrer Person nach mit dem Versöh-
nungs-Tode CHristi Gemeinschaft zur Seligkeit
haben u. behalten wollen, sie den Zweck des Todes
CHristi, wie zur Abthuung der Schuld, also auch
zur Hinwegnehmung der Herrschaft, an ihrem
alten Menschen lassen erhalten werden.
5. Und dieser alte Mensch heißt der Leib
der Sünden,
theils in Ansehung dessen, daß,
gleichwie der eigentliche Leib viele Glieder hat,
also auch das Sünden-Ubel in vielen besondern
Gattungen der Sünden, als gleichsam in so vie-
len Gliedern, sich hervor thut; wie denn daher
Paulus Col. 3, 5. saget: So tödtet nun eure
Glieder, die auf Erden sind, Hurerey, Un-
reinigkeit
u. s. w. Siehe auch Jes. 1, 6. theils
deswegen, weil damit auf die Creutzigung Chri-
sti, die dem Leibe nach geschehen, gesehen wird,
und also in der Conformität von dem sündlichen
Verderben auch eine solche Redens-Art gebrau-
chet ist; zumal da dieselbe vorher schon der alte
Mensch war genennet worden.
6. Mit dem Worte katargethe aufhöre,
wird gleichfals auf die Creutzigung gesehen.
Denn gleichwie ein Gecreutzigter zwar auf ein-
mal an das Creutz vest angeschlagen ward, aber
doch noch leben blieb, und nur nach und nach im-
[Spaltenumbruch] mer mehr entkräftet wurde, bis zum völligen To-
de: also verlieret der alte Mensch, so bald die
Person, an welcher er befindlich ist, in die Gemein-
schaft des Todes CHristi kömmt, nebst der hin-
wegfallenden Schuld und Strafe, auch zwar so
fort die Herrschaft über dieselbe, aber er bleibet
doch noch leben, und muß dannenhero immer
mehr enerviret werden, bis endlich die gäntzliche
Tödtung oder Ausrottung erfolget.
7. Und dieses beydes, daß nemlich der alte
Mensch nach der angefangenen Creutzigung noch
ein Leben behalte und übrig bleibe, und daß er im-
mer mehr enerviret werden müsse, ist damit er-
läutert, wenn dazu gesetzet wird: daß wir hin-
fort der
(noch übrigen) Sünde (der Erb-Sün-
de, als dem alten Menschen) nicht mehr die-
nen,
(oder ihr nicht mehr gehorsam seyn in ih-
ren reitzenden Lüsten v. 12. Siehe auch Gal. 2,
20. 5, 24. 6, 14.
V. 7.

Denn (um anzuzeigen, warum einer, der
des Versöhnungs-Todes CHristi theilhaftig
worden ist, nicht mehr der Sünden zu dienen ha-
be, so sage ich:) Wer gestorben ist (der Sün-
de zu dero Abthuung, nemlich satisfactorie, also
daß er, wo nicht mit seinem eignen, doch mit ei-
nes andern Tode, für die Schuld und Strafe
seiner Sünden der Gerechtigkeit genug gethan,)
der ist gerechtfertiget von der Sünde (von
der Sünden-Schuld und Strafe dergestalt ab-
solvir
et, daß er auch von derselben so beschwerli-
chem und unseligem Joche durch die Kraft Chri-
sti befreyet seyn und bleiben soll. Denn was
wäre es für eine Absolution von der Schuld,
wenn einer unter dem Joche bleiben solte?)

Anmerckungen.

1. Man stelle nur die Sache vor im Gleich-
nisse eines Menschen, der sich durch eigne und
participirte fremde Schuld in die äusserste Ar-
muth gestürtzet, oder um seine Gesundheit ge-
bracht hat, und Leid träget, theils über grossen
Schaden an zeitlichen Gütern, oder an der Ge-
sundheit des Leibes, theils über seine eigene und
participirte fremde Schulden, womit er sich den-
selben zugezogen hat. Was würde es diesem
für ein hülfreiches Evangelium im Leiblichen
seyn, wenn sich zwar ein Bürge fünde, der für ihn
genug thäte, aber nur dergestalt, daß dem Men-
schen allein seine Schuld solte erlassen, nicht
aber auch zugleich der Schade abgethan werden,
und er wenigstens zum nothdürftigen Unterhalt,
und zur vorigen Gesundheit gelangen, sondern
er solte in seiner äussersten Dürftigkeit und
schmertzlichen Kranckheit oder Leibes-Schaden,
der ihn zu allem unvermögend macht, und doch
aber curabel wäre, liegen bleiben? Gewiß die-
se Hülfe wäre nur halb und schlecht. Es würde
auch niemand dieselbe also halbiren. Noch viel
weniger aber ist es von GOTT zu gedencken.
Denn da der Mensch am Sünden-Ubel die
Schuld zur Strafe und auch den grossen Scha-
den träget und empfindet, und GOTT in CHri-
sto eine solche Hülfe leistet, die zur Abthuung der
Schuld und der Strafe hinlänglich, ja über-

flüßig

Cap. 6, v. 6. 7. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] gen Erbſuͤnde in ihren Reitzungen) nicht die-
nen
(nicht folgen als leibeigne Sclaven.)

Anmerckungen.
1. Jn der Redens-Art: unſer alter
Menſch,
unterſcheidet der Apoſtel den alten
Menſchen von den Perſonen, in welchen er ſich
befindet: und verſtehet alſo dadurch das gantze
ſuͤndliche Verderben, ſo von Natur in uns iſt.
2. Dieſes Verderben benennet er mit dem
Worte Menſch, nicht als wenn es eine beſon-
dere Subſtantz waͤre; wie er es denn von der Sub-
ſtan
tz, oder von der Perſon unterſcheidet: ſon-
dern weil es den gantzen Menſchen nach Leib
und Seele eingenommen hat, und ihn, wofern
er davon ſich nicht befreyen laͤßt, mit Leib und
Seel ins ewige Verderben ſtuͤrtzet; ſintemal
der Menſch vor GOttes Gerichte nicht nach Leib
und Seele an ſich, ſondern nach dieſem in ihm
befindlichen groſſen Suͤnden-Ubel angeſehen
wird.
3. Wenn dieſer Menſch der alte genennet
wird, ſo wird damit geſehen auf das vorige und
ſchon vergangene; als welches man auch ſonſt
das alte zu nennen pfleget. Und gleichwie das
gegenwaͤrtige in Anſehung des vergangenen,
und ſolcher geſtalt alten, im Stande der Gnade
neue, aber dabey auch rein, ſchoͤn und herrlich
iſt, ſo iſt denn daher das alte zugleich ſo viel,
als das unreine, heßliche und ungeſtalte.
4. Dieſer alte Menſch iſt mit CHriſto ge-
ereutziget in dem Verſtande, daß CHriſtus mit
ſeinem Creutzes-Tode deſſelben Abthuung, ſo
wol der Herrſchaft, als der Schuld und Strafe
nach, zum Zweck gehabt hat. Da nun die, wel-
che auf CHriſtum getaufet ſind, eben um des an
ihnen befindlichen alten Menſchen wegen, da-
durch dergeſtalt in die Gemeinſchaft ſeines To-
des geſetzet ſind, daß er der Zurechnung nach ihr
eigen worden; ſo folget daher nothwendig, daß,
wofern ſie ihrer Perſon nach mit dem Verſoͤh-
nungs-Tode CHriſti Gemeinſchaft zur Seligkeit
haben u. behalten wollen, ſie den Zweck des Todes
CHriſti, wie zur Abthuung der Schuld, alſo auch
zur Hinwegnehmung der Herrſchaft, an ihrem
alten Menſchen laſſen erhalten werden.
5. Und dieſer alte Menſch heißt der Leib
der Suͤnden,
theils in Anſehung deſſen, daß,
gleichwie der eigentliche Leib viele Glieder hat,
alſo auch das Suͤnden-Ubel in vielen beſondern
Gattungen der Suͤnden, als gleichſam in ſo vie-
len Gliedern, ſich hervor thut; wie denn daher
Paulus Col. 3, 5. ſaget: So toͤdtet nun eure
Glieder, die auf Erden ſind, Hurerey, Un-
reinigkeit
u. ſ. w. Siehe auch Jeſ. 1, 6. theils
deswegen, weil damit auf die Creutzigung Chri-
ſti, die dem Leibe nach geſchehen, geſehen wird,
und alſo in der Conformitaͤt von dem ſuͤndlichen
Verderben auch eine ſolche Redens-Art gebrau-
chet iſt; zumal da dieſelbe vorher ſchon der alte
Menſch war genennet worden.
6. Mit dem Worte καταργηϑῇ aufhoͤre,
wird gleichfals auf die Creutzigung geſehen.
Denn gleichwie ein Gecreutzigter zwar auf ein-
mal an das Creutz veſt angeſchlagen ward, aber
doch noch leben blieb, und nur nach und nach im-
[Spaltenumbruch] mer mehr entkraͤftet wurde, bis zum voͤlligen To-
de: alſo verlieret der alte Menſch, ſo bald die
Perſon, an welcher er befindlich iſt, in die Gemein-
ſchaft des Todes CHriſti koͤmmt, nebſt der hin-
wegfallenden Schuld und Strafe, auch zwar ſo
fort die Herrſchaft uͤber dieſelbe, aber er bleibet
doch noch leben, und muß dannenhero immer
mehr enerviret werden, bis endlich die gaͤntzliche
Toͤdtung oder Ausrottung erfolget.
7. Und dieſes beydes, daß nemlich der alte
Menſch nach der angefangenen Creutzigung noch
ein Leben behalte und uͤbrig bleibe, und daß er im-
mer mehr enerviret werden muͤſſe, iſt damit er-
laͤutert, wenn dazu geſetzet wird: daß wir hin-
fort der
(noch uͤbrigen) Suͤnde (der Erb-Suͤn-
de, als dem alten Menſchen) nicht mehr die-
nen,
(oder ihr nicht mehr gehorſam ſeyn in ih-
ren reitzenden Luͤſten v. 12. Siehe auch Gal. 2,
20. 5, 24. 6, 14.
V. 7.

Denn (um anzuzeigen, warum einer, der
des Verſoͤhnungs-Todes CHriſti theilhaftig
worden iſt, nicht mehr der Suͤnden zu dienen ha-
be, ſo ſage ich:) Wer geſtorben iſt (der Suͤn-
de zu dero Abthuung, nemlich ſatisfactorie, alſo
daß er, wo nicht mit ſeinem eignen, doch mit ei-
nes andern Tode, fuͤr die Schuld und Strafe
ſeiner Suͤnden der Gerechtigkeit genug gethan,)
der iſt gerechtfertiget von der Suͤnde (von
der Suͤnden-Schuld und Strafe dergeſtalt ab-
ſolvir
et, daß er auch von derſelben ſo beſchwerli-
chem und unſeligem Joche durch die Kraft Chri-
ſti befreyet ſeyn und bleiben ſoll. Denn was
waͤre es fuͤr eine Abſolution von der Schuld,
wenn einer unter dem Joche bleiben ſolte?)

Anmerckungen.

1. Man ſtelle nur die Sache vor im Gleich-
niſſe eines Menſchen, der ſich durch eigne und
participirte fremde Schuld in die aͤuſſerſte Ar-
muth geſtuͤrtzet, oder um ſeine Geſundheit ge-
bracht hat, und Leid traͤget, theils uͤber groſſen
Schaden an zeitlichen Guͤtern, oder an der Ge-
ſundheit des Leibes, theils uͤber ſeine eigene und
participirte fremde Schulden, womit er ſich den-
ſelben zugezogen hat. Was wuͤrde es dieſem
fuͤr ein huͤlfreiches Evangelium im Leiblichen
ſeyn, wenn ſich zwar ein Buͤrge fuͤnde, der fuͤr ihn
genug thaͤte, aber nur dergeſtalt, daß dem Men-
ſchen allein ſeine Schuld ſolte erlaſſen, nicht
aber auch zugleich der Schade abgethan werden,
und er wenigſtens zum nothduͤrftigen Unterhalt,
und zur vorigen Geſundheit gelangen, ſondern
er ſolte in ſeiner aͤuſſerſten Duͤrftigkeit und
ſchmertzlichen Kranckheit oder Leibes-Schaden,
der ihn zu allem unvermoͤgend macht, und doch
aber curabel waͤre, liegen bleiben? Gewiß die-
ſe Huͤlfe waͤre nur halb und ſchlecht. Es wuͤrde
auch niemand dieſelbe alſo halbiren. Noch viel
weniger aber iſt es von GOTT zu gedencken.
Denn da der Menſch am Suͤnden-Ubel die
Schuld zur Strafe und auch den groſſen Scha-
den traͤget und empfindet, und GOTT in CHri-
ſto eine ſolche Huͤlfe leiſtet, die zur Abthuung der
Schuld und der Strafe hinlaͤnglich, ja uͤber-

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[79/0107] Cap. 6, v. 6. 7. an die Roͤmer. gen Erbſuͤnde in ihren Reitzungen) nicht die- nen (nicht folgen als leibeigne Sclaven.) Anmerckungen. 1. Jn der Redens-Art: unſer alter Menſch, unterſcheidet der Apoſtel den alten Menſchen von den Perſonen, in welchen er ſich befindet: und verſtehet alſo dadurch das gantze ſuͤndliche Verderben, ſo von Natur in uns iſt. 2. Dieſes Verderben benennet er mit dem Worte Menſch, nicht als wenn es eine beſon- dere Subſtantz waͤre; wie er es denn von der Sub- ſtantz, oder von der Perſon unterſcheidet: ſon- dern weil es den gantzen Menſchen nach Leib und Seele eingenommen hat, und ihn, wofern er davon ſich nicht befreyen laͤßt, mit Leib und Seel ins ewige Verderben ſtuͤrtzet; ſintemal der Menſch vor GOttes Gerichte nicht nach Leib und Seele an ſich, ſondern nach dieſem in ihm befindlichen groſſen Suͤnden-Ubel angeſehen wird. 3. Wenn dieſer Menſch der alte genennet wird, ſo wird damit geſehen auf das vorige und ſchon vergangene; als welches man auch ſonſt das alte zu nennen pfleget. Und gleichwie das gegenwaͤrtige in Anſehung des vergangenen, und ſolcher geſtalt alten, im Stande der Gnade neue, aber dabey auch rein, ſchoͤn und herrlich iſt, ſo iſt denn daher das alte zugleich ſo viel, als das unreine, heßliche und ungeſtalte. 4. Dieſer alte Menſch iſt mit CHriſto ge- ereutziget in dem Verſtande, daß CHriſtus mit ſeinem Creutzes-Tode deſſelben Abthuung, ſo wol der Herrſchaft, als der Schuld und Strafe nach, zum Zweck gehabt hat. Da nun die, wel- che auf CHriſtum getaufet ſind, eben um des an ihnen befindlichen alten Menſchen wegen, da- durch dergeſtalt in die Gemeinſchaft ſeines To- des geſetzet ſind, daß er der Zurechnung nach ihr eigen worden; ſo folget daher nothwendig, daß, wofern ſie ihrer Perſon nach mit dem Verſoͤh- nungs-Tode CHriſti Gemeinſchaft zur Seligkeit haben u. behalten wollen, ſie den Zweck des Todes CHriſti, wie zur Abthuung der Schuld, alſo auch zur Hinwegnehmung der Herrſchaft, an ihrem alten Menſchen laſſen erhalten werden. 5. Und dieſer alte Menſch heißt der Leib der Suͤnden, theils in Anſehung deſſen, daß, gleichwie der eigentliche Leib viele Glieder hat, alſo auch das Suͤnden-Ubel in vielen beſondern Gattungen der Suͤnden, als gleichſam in ſo vie- len Gliedern, ſich hervor thut; wie denn daher Paulus Col. 3, 5. ſaget: So toͤdtet nun eure Glieder, die auf Erden ſind, Hurerey, Un- reinigkeit u. ſ. w. Siehe auch Jeſ. 1, 6. theils deswegen, weil damit auf die Creutzigung Chri- ſti, die dem Leibe nach geſchehen, geſehen wird, und alſo in der Conformitaͤt von dem ſuͤndlichen Verderben auch eine ſolche Redens-Art gebrau- chet iſt; zumal da dieſelbe vorher ſchon der alte Menſch war genennet worden. 6. Mit dem Worte καταργηϑῇ aufhoͤre, wird gleichfals auf die Creutzigung geſehen. Denn gleichwie ein Gecreutzigter zwar auf ein- mal an das Creutz veſt angeſchlagen ward, aber doch noch leben blieb, und nur nach und nach im- mer mehr entkraͤftet wurde, bis zum voͤlligen To- de: alſo verlieret der alte Menſch, ſo bald die Perſon, an welcher er befindlich iſt, in die Gemein- ſchaft des Todes CHriſti koͤmmt, nebſt der hin- wegfallenden Schuld und Strafe, auch zwar ſo fort die Herrſchaft uͤber dieſelbe, aber er bleibet doch noch leben, und muß dannenhero immer mehr enerviret werden, bis endlich die gaͤntzliche Toͤdtung oder Ausrottung erfolget. 7. Und dieſes beydes, daß nemlich der alte Menſch nach der angefangenen Creutzigung noch ein Leben behalte und uͤbrig bleibe, und daß er im- mer mehr enerviret werden muͤſſe, iſt damit er- laͤutert, wenn dazu geſetzet wird: daß wir hin- fort der (noch uͤbrigen) Suͤnde (der Erb-Suͤn- de, als dem alten Menſchen) nicht mehr die- nen, (oder ihr nicht mehr gehorſam ſeyn in ih- ren reitzenden Luͤſten v. 12. Siehe auch Gal. 2, 20. 5, 24. 6, 14. V. 7. Denn (um anzuzeigen, warum einer, der des Verſoͤhnungs-Todes CHriſti theilhaftig worden iſt, nicht mehr der Suͤnden zu dienen ha- be, ſo ſage ich:) Wer geſtorben iſt (der Suͤn- de zu dero Abthuung, nemlich ſatisfactorie, alſo daß er, wo nicht mit ſeinem eignen, doch mit ei- nes andern Tode, fuͤr die Schuld und Strafe ſeiner Suͤnden der Gerechtigkeit genug gethan,) der iſt gerechtfertiget von der Suͤnde (von der Suͤnden-Schuld und Strafe dergeſtalt ab- ſolviret, daß er auch von derſelben ſo beſchwerli- chem und unſeligem Joche durch die Kraft Chri- ſti befreyet ſeyn und bleiben ſoll. Denn was waͤre es fuͤr eine Abſolution von der Schuld, wenn einer unter dem Joche bleiben ſolte?) Anmerckungen. 1. Man ſtelle nur die Sache vor im Gleich- niſſe eines Menſchen, der ſich durch eigne und participirte fremde Schuld in die aͤuſſerſte Ar- muth geſtuͤrtzet, oder um ſeine Geſundheit ge- bracht hat, und Leid traͤget, theils uͤber groſſen Schaden an zeitlichen Guͤtern, oder an der Ge- ſundheit des Leibes, theils uͤber ſeine eigene und participirte fremde Schulden, womit er ſich den- ſelben zugezogen hat. Was wuͤrde es dieſem fuͤr ein huͤlfreiches Evangelium im Leiblichen ſeyn, wenn ſich zwar ein Buͤrge fuͤnde, der fuͤr ihn genug thaͤte, aber nur dergeſtalt, daß dem Men- ſchen allein ſeine Schuld ſolte erlaſſen, nicht aber auch zugleich der Schade abgethan werden, und er wenigſtens zum nothduͤrftigen Unterhalt, und zur vorigen Geſundheit gelangen, ſondern er ſolte in ſeiner aͤuſſerſten Duͤrftigkeit und ſchmertzlichen Kranckheit oder Leibes-Schaden, der ihn zu allem unvermoͤgend macht, und doch aber curabel waͤre, liegen bleiben? Gewiß die- ſe Huͤlfe waͤre nur halb und ſchlecht. Es wuͤrde auch niemand dieſelbe alſo halbiren. Noch viel weniger aber iſt es von GOTT zu gedencken. Denn da der Menſch am Suͤnden-Ubel die Schuld zur Strafe und auch den groſſen Scha- den traͤget und empfindet, und GOTT in CHri- ſto eine ſolche Huͤlfe leiſtet, die zur Abthuung der Schuld und der Strafe hinlaͤnglich, ja uͤber- fluͤßig

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/107>, abgerufen am 23.11.2024.