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Lange, Helene: Die Frauen und das politische Leben. Berlin, 1909.

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Die Frauen und das politische Leben.

Wir Deutsche sind ein theoretisches Volk. Auch den
drängenden Fragen des praktischen Lebens gegenüber
greifen wir gern zunächst zu begrifflichen Auseinandersetzungen
und meinen, sie um so besser lösen zu können, je klarer und
abgründiger unsere logische Beweisführung vorgeht. Und so
hätte ich auch das Thema "die Frau und das politische Leben"
vor etwa zwei Jahrzehnten durch eine rein begriffliche Abhandlung
erledigen können. Jch hätte die beiden Worte des Titels, der
natürlich eine Forderung umhüllt, die Begriffe "politisches Leben"
und "Frau", auf ihren logischen Gehalt untersucht und ihre
Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit dargelegt, in der Art, wie
man etwa in früheren Zeiten über die Frage verhandelte, ob
die Frau eine Seele habe oder ob sie keine habe.

Ja, ich hätte das sogar tun müssen. Denn damals,
als man sich nach Hermann Grimms Ausspruch die Frauenfrage
noch mit einem kräftigen Achselzucken vom Halse halten konnte,
war das Thema "die Frau und die Politik" ausschließlich
ein ethisch-staatsrechtliches, dem man in der Tat nur mit
doktrinären Gründen und Gegengründen bekommen konnte und
das man auch, wie die ganze ältere Literatur zur Frauenfrage
zeigt, wirklich nur mit solchen theoretischen Begriffen wie den
Menschenrechten u. dgl. zu behandeln versucht hat. Jch bin
weit davon entfernt, das Gewicht und die Bedeutung dieser
rein ethisch-staatsrechtlichen Gründe zu unterschätzen. Gerade
sie, gerade die Jdee der sittlichen Gleichberechtigung der Frau,
die auch in ihrem Verhältnis zum Staat zum Ausdruck kommen
müsse, sind mit dem Herzblut einer großen Zeit durchtränkt und

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Die Frauen und das politische Leben.

Wir Deutsche sind ein theoretisches Volk. Auch den
drängenden Fragen des praktischen Lebens gegenüber
greifen wir gern zunächst zu begrifflichen Auseinandersetzungen
und meinen, sie um so besser lösen zu können, je klarer und
abgründiger unsere logische Beweisführung vorgeht. Und so
hätte ich auch das Thema „die Frau und das politische Leben“
vor etwa zwei Jahrzehnten durch eine rein begriffliche Abhandlung
erledigen können. Jch hätte die beiden Worte des Titels, der
natürlich eine Forderung umhüllt, die Begriffe „politisches Leben“
und „Frau“, auf ihren logischen Gehalt untersucht und ihre
Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit dargelegt, in der Art, wie
man etwa in früheren Zeiten über die Frage verhandelte, ob
die Frau eine Seele habe oder ob sie keine habe.

Ja, ich hätte das sogar tun müssen. Denn damals,
als man sich nach Hermann Grimms Ausspruch die Frauenfrage
noch mit einem kräftigen Achselzucken vom Halse halten konnte,
war das Thema „die Frau und die Politik“ ausschließlich
ein ethisch-staatsrechtliches, dem man in der Tat nur mit
doktrinären Gründen und Gegengründen bekommen konnte und
das man auch, wie die ganze ältere Literatur zur Frauenfrage
zeigt, wirklich nur mit solchen theoretischen Begriffen wie den
Menschenrechten u. dgl. zu behandeln versucht hat. Jch bin
weit davon entfernt, das Gewicht und die Bedeutung dieser
rein ethisch-staatsrechtlichen Gründe zu unterschätzen. Gerade
sie, gerade die Jdee der sittlichen Gleichberechtigung der Frau,
die auch in ihrem Verhältnis zum Staat zum Ausdruck kommen
müsse, sind mit dem Herzblut einer großen Zeit durchtränkt und

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[1/0007] Die Frauen und das politische Leben. Wir Deutsche sind ein theoretisches Volk. Auch den drängenden Fragen des praktischen Lebens gegenüber greifen wir gern zunächst zu begrifflichen Auseinandersetzungen und meinen, sie um so besser lösen zu können, je klarer und abgründiger unsere logische Beweisführung vorgeht. Und so hätte ich auch das Thema „die Frau und das politische Leben“ vor etwa zwei Jahrzehnten durch eine rein begriffliche Abhandlung erledigen können. Jch hätte die beiden Worte des Titels, der natürlich eine Forderung umhüllt, die Begriffe „politisches Leben“ und „Frau“, auf ihren logischen Gehalt untersucht und ihre Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit dargelegt, in der Art, wie man etwa in früheren Zeiten über die Frage verhandelte, ob die Frau eine Seele habe oder ob sie keine habe. Ja, ich hätte das sogar tun müssen. Denn damals, als man sich nach Hermann Grimms Ausspruch die Frauenfrage noch mit einem kräftigen Achselzucken vom Halse halten konnte, war das Thema „die Frau und die Politik“ ausschließlich ein ethisch-staatsrechtliches, dem man in der Tat nur mit doktrinären Gründen und Gegengründen bekommen konnte und das man auch, wie die ganze ältere Literatur zur Frauenfrage zeigt, wirklich nur mit solchen theoretischen Begriffen wie den Menschenrechten u. dgl. zu behandeln versucht hat. Jch bin weit davon entfernt, das Gewicht und die Bedeutung dieser rein ethisch-staatsrechtlichen Gründe zu unterschätzen. Gerade sie, gerade die Jdee der sittlichen Gleichberechtigung der Frau, die auch in ihrem Verhältnis zum Staat zum Ausdruck kommen müsse, sind mit dem Herzblut einer großen Zeit durchtränkt und 1

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die Frauen und das politische Leben. Berlin, 1909, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_frauen_1909/7>, abgerufen am 25.11.2024.