Lange, Helene: Das Endziel der Frauenbewegung. Berlin, 1904.das moderne wirtschaftliche Leben die allgemeinen Prinzipien, die seit Es war gewiß nicht zu verwundern, daß der Mann gewöhnlichen Diese zuerst unüberwindliche Opposition im Zusammenhang mit Nicht minder scharfe Formen nahm der Kampf an, als er das moderne wirtschaftliche Leben die allgemeinen Prinzipien, die seit Es war gewiß nicht zu verwundern, daß der Mann gewöhnlichen Diese zuerst unüberwindliche Opposition im Zusammenhang mit Nicht minder scharfe Formen nahm der Kampf an, als er <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0010" n="10"/> das moderne wirtschaftliche Leben die allgemeinen Prinzipien, die seit<lb/> Olympe de Gouges und Mary Wolstonecraft aufgestellt waren, in<lb/> einzelne praktische Forderungen um, und teilte ihnen etwas von der<lb/> mechanischen Wucht realer wirtschaftlicher Notwendigkeiten mit.</p><lb/> <p>Es war gewiß nicht zu verwundern, daß der Mann gewöhnlichen<lb/> Schlages, der diesen Ansprüchen der Frauen aus seinem eigenen,<lb/> durch die Vorgänge im Wirtschaftsleben selbst arg bedrängten und<lb/> erschütterten Berufsgebiet begegnete, nur an die Wahrung seines<lb/> Besitzstandes dachte und sich zu allen Mitteln wirtschaftlicher Notwehr<lb/> berechtigt glaubte. Aber es mußte aufs tiefste erbittern, wenn die<lb/> Frauen auch da nur auf Geringschätzung und ironische Abwehr<lb/> stießen, wo ein objektives, über persönlichen Jnteressen stehendes<lb/> Verständnis für ihre Lage zu erwarten gewesen wäre. Auch die<lb/> Wissenschaft sprach von der „Weiberemanzipation“, die aus dem<lb/> „Schlamm der Überbildung“ ausgestiegen sei, und schlug mit dem<lb/> Hinweis auf den bekannten Fehlbestand von 8 Lot Hirngewicht vor<lb/> den Frauen die Tür zu.</p><lb/> <p>Diese zuerst unüberwindliche Opposition im Zusammenhang mit<lb/> den so schwierigen und vieldeutigen wirtschaftlichen Verhältnissen ließ<lb/> auch das eigentliche Wesen der Frauenbewegung nicht immer rein<lb/> hervortreten. Übersehen wir sie in ihren ersten Anfängen, so erscheint<lb/> sie uns selbst noch vielfach ihres Weges nicht sicher. Jhr Programm<lb/> entwickelt sich im Kampf, und es leidet an den Einseitigkeiten eines<lb/> Kampfprogramms. Man erfaßte wirtschaftlich mechanische Vorgänge,<lb/> wie sie z. B. die Regelung der Frauenlöhne bestimmten, als per-<lb/> sönliche Ungerechtigkeiten, man täuschte sich dilettantisch über das<lb/> Gewicht männlicher Kulturleistungen; man übersah, von einzelnen<lb/> starken Jndividualitäten auf die Allgemeinheit schließend, wie weit<lb/> der Frau in ihrer Bestimmtheit durch die Mutterschaft für die<lb/> Erfüllung voller männlicher Berufssphären Schranken gesetzt waren,<lb/> und hielt an dem Dogma der vollen Berufsfreiheit auch gegenüber<lb/> den dringendsten Forderungen des Arbeiterinnenschutzes fest. Man<lb/> setzte überhaupt die Männerleistung als absoluten Maßstab und über-<lb/> sah, daß das stärkste Argument für die Ansprüche der Frauen die<lb/><hi rendition="#g">Eigenart</hi> ihrer Leistungen ist.</p><lb/> <p>Nicht minder scharfe Formen nahm der Kampf an, als er<lb/> aus dem engeren Kreis der einzelnen Berufsgebiete auf den weiteren<lb/></p> </body> </text> </TEI> [10/0010]
das moderne wirtschaftliche Leben die allgemeinen Prinzipien, die seit
Olympe de Gouges und Mary Wolstonecraft aufgestellt waren, in
einzelne praktische Forderungen um, und teilte ihnen etwas von der
mechanischen Wucht realer wirtschaftlicher Notwendigkeiten mit.
Es war gewiß nicht zu verwundern, daß der Mann gewöhnlichen
Schlages, der diesen Ansprüchen der Frauen aus seinem eigenen,
durch die Vorgänge im Wirtschaftsleben selbst arg bedrängten und
erschütterten Berufsgebiet begegnete, nur an die Wahrung seines
Besitzstandes dachte und sich zu allen Mitteln wirtschaftlicher Notwehr
berechtigt glaubte. Aber es mußte aufs tiefste erbittern, wenn die
Frauen auch da nur auf Geringschätzung und ironische Abwehr
stießen, wo ein objektives, über persönlichen Jnteressen stehendes
Verständnis für ihre Lage zu erwarten gewesen wäre. Auch die
Wissenschaft sprach von der „Weiberemanzipation“, die aus dem
„Schlamm der Überbildung“ ausgestiegen sei, und schlug mit dem
Hinweis auf den bekannten Fehlbestand von 8 Lot Hirngewicht vor
den Frauen die Tür zu.
Diese zuerst unüberwindliche Opposition im Zusammenhang mit
den so schwierigen und vieldeutigen wirtschaftlichen Verhältnissen ließ
auch das eigentliche Wesen der Frauenbewegung nicht immer rein
hervortreten. Übersehen wir sie in ihren ersten Anfängen, so erscheint
sie uns selbst noch vielfach ihres Weges nicht sicher. Jhr Programm
entwickelt sich im Kampf, und es leidet an den Einseitigkeiten eines
Kampfprogramms. Man erfaßte wirtschaftlich mechanische Vorgänge,
wie sie z. B. die Regelung der Frauenlöhne bestimmten, als per-
sönliche Ungerechtigkeiten, man täuschte sich dilettantisch über das
Gewicht männlicher Kulturleistungen; man übersah, von einzelnen
starken Jndividualitäten auf die Allgemeinheit schließend, wie weit
der Frau in ihrer Bestimmtheit durch die Mutterschaft für die
Erfüllung voller männlicher Berufssphären Schranken gesetzt waren,
und hielt an dem Dogma der vollen Berufsfreiheit auch gegenüber
den dringendsten Forderungen des Arbeiterinnenschutzes fest. Man
setzte überhaupt die Männerleistung als absoluten Maßstab und über-
sah, daß das stärkste Argument für die Ansprüche der Frauen die
Eigenart ihrer Leistungen ist.
Nicht minder scharfe Formen nahm der Kampf an, als er
aus dem engeren Kreis der einzelnen Berufsgebiete auf den weiteren
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Zitationshilfe: | Lange, Helene: Das Endziel der Frauenbewegung. Berlin, 1904, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_endziel_1904/10>, abgerufen am 04.07.2024. |