schehen, nun solle es schon geschehen seyn etc. aushelfen.
§. 150. Die Abtheilung der Zeitwörter in die thä- tige und leidende Gattung ist nicht so genau getrof- fen, und auch nicht allgemein. Sie bezieht sich auf den Unterschied, ob man von dem rede, der etwas thut, oder von dem, so gethan wird, und daher betrifft sie auch nur die Zeitwörter, die eine Veränderung anzei- gen, welche sich sowohl von der Ursache als von der ver- änderten Sache benennen läßt. Dieses wird auch nicht immer so genau genommen, weil man öfters die ent- fernten Ursachen mit den unmittelbaren vermengt, oder eine Handlung demjenigen zuschreibt, der sie nur veran- laßt, oder endlich die leidende Sache selbst als thätig ansieht. Z. E. das Zimmer, das Essen, das Bett wärmen, sieht man als eine Handlung dessen an, der Feuer in den Ofen legt, das Essen auf das Feuer stellt, die Bettpfanne mit Glut oder warmem Wasser gefüllt in das Bett schiebt. Ein Stein fällt, nicht auf eine selbst thätige, sondern leidende Art. Man sieht leicht, daß in solchen Fällen die Sprache Anlaß zu Jrrthü- mern geben kann, nicht nur weil die Arten der Verän- derungen darinn nicht genugfam unterschieden werden, sondern weil man aus Mangel genauerer Kenntniß die Sache dem Schein nach benennt. Z. E. die Sonne geht auf, sie läuft vom Morgen gegen Abend; ein Pferd zieht den Wagen, die Sonne zieht Wasser, der Thau fällt, etc. Bey den Empfindungen verhal- ten wir uns öfters schlechthin leidend, und doch vermen- gen wir das Hören mit dem Zuhören, das Stehen mit Aufstehen, weil wir das Thätige und Leidende in den Worten nicht unterscheiden. Die Griechen haben außer dem Actiuo und Passiuo noch das Verbum me- dium, und können sich damit einigermaßen aushelfen, weil es in der That Fälle giebt, wo man die Wirkung
ohne
IV. Hauptſtuͤck.
ſchehen, nun ſolle es ſchon geſchehen ſeyn ꝛc. aushelfen.
§. 150. Die Abtheilung der Zeitwoͤrter in die thaͤ- tige und leidende Gattung iſt nicht ſo genau getrof- fen, und auch nicht allgemein. Sie bezieht ſich auf den Unterſchied, ob man von dem rede, der etwas thut, oder von dem, ſo gethan wird, und daher betrifft ſie auch nur die Zeitwoͤrter, die eine Veraͤnderung anzei- gen, welche ſich ſowohl von der Urſache als von der ver- aͤnderten Sache benennen laͤßt. Dieſes wird auch nicht immer ſo genau genommen, weil man oͤfters die ent- fernten Urſachen mit den unmittelbaren vermengt, oder eine Handlung demjenigen zuſchreibt, der ſie nur veran- laßt, oder endlich die leidende Sache ſelbſt als thaͤtig anſieht. Z. E. das Zimmer, das Eſſen, das Bett waͤrmen, ſieht man als eine Handlung deſſen an, der Feuer in den Ofen legt, das Eſſen auf das Feuer ſtellt, die Bettpfanne mit Glut oder warmem Waſſer gefuͤllt in das Bett ſchiebt. Ein Stein faͤllt, nicht auf eine ſelbſt thaͤtige, ſondern leidende Art. Man ſieht leicht, daß in ſolchen Faͤllen die Sprache Anlaß zu Jrrthuͤ- mern geben kann, nicht nur weil die Arten der Veraͤn- derungen darinn nicht genugfam unterſchieden werden, ſondern weil man aus Mangel genauerer Kenntniß die Sache dem Schein nach benennt. Z. E. die Sonne geht auf, ſie laͤuft vom Morgen gegen Abend; ein Pferd zieht den Wagen, die Sonne zieht Waſſer, der Thau faͤllt, ꝛc. Bey den Empfindungen verhal- ten wir uns oͤfters ſchlechthin leidend, und doch vermen- gen wir das Hoͤren mit dem Zuhoͤren, das Stehen mit Aufſtehen, weil wir das Thaͤtige und Leidende in den Worten nicht unterſcheiden. Die Griechen haben außer dem Actiuo und Paſſiuo noch das Verbum me- dium, und koͤnnen ſich damit einigermaßen aushelfen, weil es in der That Faͤlle giebt, wo man die Wirkung
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IV. Hauptſtuͤck.
ſchehen, nun ſolle es ſchon geſchehen ſeyn ꝛc.
aushelfen.
§. 150. Die Abtheilung der Zeitwoͤrter in die thaͤ-
tige und leidende Gattung iſt nicht ſo genau getrof-
fen, und auch nicht allgemein. Sie bezieht ſich auf den
Unterſchied, ob man von dem rede, der etwas thut,
oder von dem, ſo gethan wird, und daher betrifft ſie
auch nur die Zeitwoͤrter, die eine Veraͤnderung anzei-
gen, welche ſich ſowohl von der Urſache als von der ver-
aͤnderten Sache benennen laͤßt. Dieſes wird auch nicht
immer ſo genau genommen, weil man oͤfters die ent-
fernten Urſachen mit den unmittelbaren vermengt, oder
eine Handlung demjenigen zuſchreibt, der ſie nur veran-
laßt, oder endlich die leidende Sache ſelbſt als thaͤtig
anſieht. Z. E. das Zimmer, das Eſſen, das Bett
waͤrmen, ſieht man als eine Handlung deſſen an, der
Feuer in den Ofen legt, das Eſſen auf das Feuer ſtellt,
die Bettpfanne mit Glut oder warmem Waſſer gefuͤllt
in das Bett ſchiebt. Ein Stein faͤllt, nicht auf eine
ſelbſt thaͤtige, ſondern leidende Art. Man ſieht leicht,
daß in ſolchen Faͤllen die Sprache Anlaß zu Jrrthuͤ-
mern geben kann, nicht nur weil die Arten der Veraͤn-
derungen darinn nicht genugfam unterſchieden werden,
ſondern weil man aus Mangel genauerer Kenntniß die
Sache dem Schein nach benennt. Z. E. die Sonne
geht auf, ſie laͤuft vom Morgen gegen Abend; ein
Pferd zieht den Wagen, die Sonne zieht Waſſer,
der Thau faͤllt, ꝛc. Bey den Empfindungen verhal-
ten wir uns oͤfters ſchlechthin leidend, und doch vermen-
gen wir das Hoͤren mit dem Zuhoͤren, das Stehen
mit Aufſtehen, weil wir das Thaͤtige und Leidende in
den Worten nicht unterſcheiden. Die Griechen haben
außer dem Actiuo und Paſſiuo noch das Verbum me-
dium, und koͤnnen ſich damit einigermaßen aushelfen,
weil es in der That Faͤlle giebt, wo man die Wirkung
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/94>, abgerufen am 27.11.2024.
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