Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
perlichen entlehnt, z. E. verstehen, begreifen, fassen,
einsehen,
etc. und eine Menge anderer, die sowohl bey
der Körperwelt, als bey der Jntellectualwelt vorkom-
men. Dieses giebt den meisten Wörtern eine Vieldeu-
tigkeit und theils unbestimmten Umfang der Bedeutung,
und verursacht, daß mehrentheils aus dem Zusammen-
hang der Rede der Verstand der Wörter muß be-
stimmt werden.

§. 144. Ungeacht übrigens die Sprachen bey der
Benennung empfindbare Dinge anfangen, so benennt
man dabey eigentlich nicht so fast die Dinge selbst, als
den Eindruck, den sie in die Sinnen machen, und die
Dinge werden in dieser Absicht nur gebraucht, so fern
sie bey jedem diesen Eindruck machen, weil man durch
Vorzeigung derselben andern andeuten kann, was man
durch das Wort versteht. Da nun dieses mit Dingen,
so nicht unter die Sinnen fallen, nicht angeht, so wird
es nothwendig, dieselben nach der Aehnlichkeit des Ein-
druckes durch Metaphern anzuzeigen. Die Gewohn-
heit macht sodann, daß man das Bewußtseyn, daß es
Metaphern sind, nach und nach verliert, oder auf die
ursprüngliche Bedeutung gleichsam mit Vorsatze zurücke
sehen muß, um die Aehnlichkeit zu finden, welche die
Metapher veranlaßte.



Vier-
F 3

Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
perlichen entlehnt, z. E. verſtehen, begreifen, faſſen,
einſehen,
ꝛc. und eine Menge anderer, die ſowohl bey
der Koͤrperwelt, als bey der Jntellectualwelt vorkom-
men. Dieſes giebt den meiſten Woͤrtern eine Vieldeu-
tigkeit und theils unbeſtimmten Umfang der Bedeutung,
und verurſacht, daß mehrentheils aus dem Zuſammen-
hang der Rede der Verſtand der Woͤrter muß be-
ſtimmt werden.

§. 144. Ungeacht uͤbrigens die Sprachen bey der
Benennung empfindbare Dinge anfangen, ſo benennt
man dabey eigentlich nicht ſo faſt die Dinge ſelbſt, als
den Eindruck, den ſie in die Sinnen machen, und die
Dinge werden in dieſer Abſicht nur gebraucht, ſo fern
ſie bey jedem dieſen Eindruck machen, weil man durch
Vorzeigung derſelben andern andeuten kann, was man
durch das Wort verſteht. Da nun dieſes mit Dingen,
ſo nicht unter die Sinnen fallen, nicht angeht, ſo wird
es nothwendig, dieſelben nach der Aehnlichkeit des Ein-
druckes durch Metaphern anzuzeigen. Die Gewohn-
heit macht ſodann, daß man das Bewußtſeyn, daß es
Metaphern ſind, nach und nach verliert, oder auf die
urſpruͤngliche Bedeutung gleichſam mit Vorſatze zuruͤcke
ſehen muß, um die Aehnlichkeit zu finden, welche die
Metapher veranlaßte.



Vier-
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Sprache als Zeichen betrachtet.</hi></fw><lb/>
perlichen entlehnt, z. E. <hi rendition="#fr">ver&#x017F;tehen, begreifen, fa&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ein&#x017F;ehen,</hi> &#xA75B;c. und eine Menge anderer, die &#x017F;owohl bey<lb/>
der Ko&#x0364;rperwelt, als bey der Jntellectualwelt vorkom-<lb/>
men. Die&#x017F;es giebt den mei&#x017F;ten Wo&#x0364;rtern eine Vieldeu-<lb/>
tigkeit und theils unbe&#x017F;timmten Umfang der Bedeutung,<lb/>
und verur&#x017F;acht, daß mehrentheils aus dem Zu&#x017F;ammen-<lb/>
hang der Rede der Ver&#x017F;tand der Wo&#x0364;rter muß be-<lb/>
&#x017F;timmt werden.</p><lb/>
          <p>§. 144. Ungeacht u&#x0364;brigens die Sprachen bey der<lb/>
Benennung empfindbare Dinge anfangen, &#x017F;o benennt<lb/>
man dabey eigentlich nicht &#x017F;o fa&#x017F;t die Dinge &#x017F;elb&#x017F;t, als<lb/>
den Eindruck, den &#x017F;ie in die Sinnen machen, und die<lb/>
Dinge werden in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht nur gebraucht, &#x017F;o fern<lb/>
&#x017F;ie bey jedem die&#x017F;en Eindruck machen, weil man durch<lb/>
Vorzeigung der&#x017F;elben andern andeuten kann, was man<lb/>
durch das Wort ver&#x017F;teht. Da nun die&#x017F;es mit Dingen,<lb/>
&#x017F;o nicht unter die Sinnen fallen, nicht angeht, &#x017F;o wird<lb/>
es nothwendig, die&#x017F;elben nach der Aehnlichkeit des Ein-<lb/>
druckes durch Metaphern anzuzeigen. Die Gewohn-<lb/>
heit macht &#x017F;odann, daß man das Bewußt&#x017F;eyn, daß es<lb/>
Metaphern &#x017F;ind, nach und nach verliert, oder auf die<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Bedeutung gleich&#x017F;am mit Vor&#x017F;atze zuru&#x0364;cke<lb/>
&#x017F;ehen muß, um die Aehnlichkeit zu finden, welche die<lb/>
Metapher veranlaßte.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Vier-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] Von der Sprache als Zeichen betrachtet. perlichen entlehnt, z. E. verſtehen, begreifen, faſſen, einſehen, ꝛc. und eine Menge anderer, die ſowohl bey der Koͤrperwelt, als bey der Jntellectualwelt vorkom- men. Dieſes giebt den meiſten Woͤrtern eine Vieldeu- tigkeit und theils unbeſtimmten Umfang der Bedeutung, und verurſacht, daß mehrentheils aus dem Zuſammen- hang der Rede der Verſtand der Woͤrter muß be- ſtimmt werden. §. 144. Ungeacht uͤbrigens die Sprachen bey der Benennung empfindbare Dinge anfangen, ſo benennt man dabey eigentlich nicht ſo faſt die Dinge ſelbſt, als den Eindruck, den ſie in die Sinnen machen, und die Dinge werden in dieſer Abſicht nur gebraucht, ſo fern ſie bey jedem dieſen Eindruck machen, weil man durch Vorzeigung derſelben andern andeuten kann, was man durch das Wort verſteht. Da nun dieſes mit Dingen, ſo nicht unter die Sinnen fallen, nicht angeht, ſo wird es nothwendig, dieſelben nach der Aehnlichkeit des Ein- druckes durch Metaphern anzuzeigen. Die Gewohn- heit macht ſodann, daß man das Bewußtſeyn, daß es Metaphern ſind, nach und nach verliert, oder auf die urſpruͤngliche Bedeutung gleichſam mit Vorſatze zuruͤcke ſehen muß, um die Aehnlichkeit zu finden, welche die Metapher veranlaßte. Vier- F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/91
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/91>, abgerufen am 23.11.2024.