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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
wissenschaftlichen und durchaus regelmäßigen Sprache
sich schlechthin begnügen könnte, alle Aehnlichkeiten und
Verschiedenheiten der Körperwelt zu benennen, und die
Aehnlichkeit des Eindruckes sinnlicher und abstracter
Dinge, die wir in der Alethiologie (§. 46. seqq.) aus-
führlicher betrachtet haben, würde gebraucht werden
können, die Sprache auf jede abstracte und unempfind-
bare Begriffe auszudehnen, es sey, daß man sie meta-
phorisch machte, oder durch gewählte Ableitungstheil-
chen die Verwandlung in der Bedeutung anzeigte.

§. 138. Was wir hievon in den wirklichen Spra-
chen antreffen, kömmt darauf an, daß sie gewisse Haupt-
wörter (Substantiua) haben, welche zusammengenom-
men eine ganz besondere Classe von Wörtern und ab-
stracten Begriffen vorstellen, und zwar so, daß eine
Sprache nicht zur gelehrten Sprache werden kann, oh-
ne daß die Anzahl solcher Hauptwörter beträchtlich ver-
mehrt werde. Jm Deutschen unterscheiden sie sich durch
die Endungen: heit, keit, niß, sal, schaft, thum,
ung,
etc. wodurch sie häufig abgeleitet werden, z. E.
Schönheit, Möglichkeit, Hinderniß, Trübsal,
Eigenschaft, Eigenthum, Aenderung,
etc. und
zu diesen kommen noch unzählige, die von Zeitwörtern
hergenommen werden, z. E. das Schreiben, die
Schrift, die Lehre, das Vermögen, etc. Diese
Hauptwörter werden schlechthin Abstracta genennt, weil
sie in der That allgemeine und abgezogene Begriffe
vorstellen, ohne welche eine Sprache nothwendig unge-
lehrt bleibt.

§. 139. Man sieht auch aus den angeführten Bey-
spielen, daß diese Classe von Wörtern keine Substanzen
oder für sich bestehende, sondern solche Dinge vorstel-
len, die als für sich bestehend angesehen werden. Viele
dieser Begriffe werden daher auch als Personen gemalt,

z. E.
F 2

Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
wiſſenſchaftlichen und durchaus regelmaͤßigen Sprache
ſich ſchlechthin begnuͤgen koͤnnte, alle Aehnlichkeiten und
Verſchiedenheiten der Koͤrperwelt zu benennen, und die
Aehnlichkeit des Eindruckes ſinnlicher und abſtracter
Dinge, die wir in der Alethiologie (§. 46. ſeqq.) aus-
fuͤhrlicher betrachtet haben, wuͤrde gebraucht werden
koͤnnen, die Sprache auf jede abſtracte und unempfind-
bare Begriffe auszudehnen, es ſey, daß man ſie meta-
phoriſch machte, oder durch gewaͤhlte Ableitungstheil-
chen die Verwandlung in der Bedeutung anzeigte.

§. 138. Was wir hievon in den wirklichen Spra-
chen antreffen, koͤmmt darauf an, daß ſie gewiſſe Haupt-
woͤrter (Subſtantiua) haben, welche zuſammengenom-
men eine ganz beſondere Claſſe von Woͤrtern und ab-
ſtracten Begriffen vorſtellen, und zwar ſo, daß eine
Sprache nicht zur gelehrten Sprache werden kann, oh-
ne daß die Anzahl ſolcher Hauptwoͤrter betraͤchtlich ver-
mehrt werde. Jm Deutſchen unterſcheiden ſie ſich durch
die Endungen: heit, keit, niß, ſal, ſchaft, thum,
ung,
ꝛc. wodurch ſie haͤufig abgeleitet werden, z. E.
Schoͤnheit, Moͤglichkeit, Hinderniß, Truͤbſal,
Eigenſchaft, Eigenthum, Aenderung,
ꝛc. und
zu dieſen kommen noch unzaͤhlige, die von Zeitwoͤrtern
hergenommen werden, z. E. das Schreiben, die
Schrift, die Lehre, das Vermoͤgen, ꝛc. Dieſe
Hauptwoͤrter werden ſchlechthin Abſtracta genennt, weil
ſie in der That allgemeine und abgezogene Begriffe
vorſtellen, ohne welche eine Sprache nothwendig unge-
lehrt bleibt.

§. 139. Man ſieht auch aus den angefuͤhrten Bey-
ſpielen, daß dieſe Claſſe von Woͤrtern keine Subſtanzen
oder fuͤr ſich beſtehende, ſondern ſolche Dinge vorſtel-
len, die als fuͤr ſich beſtehend angeſehen werden. Viele
dieſer Begriffe werden daher auch als Perſonen gemalt,

z. E.
F 2
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[83/0089] Von der Sprache als Zeichen betrachtet. wiſſenſchaftlichen und durchaus regelmaͤßigen Sprache ſich ſchlechthin begnuͤgen koͤnnte, alle Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten der Koͤrperwelt zu benennen, und die Aehnlichkeit des Eindruckes ſinnlicher und abſtracter Dinge, die wir in der Alethiologie (§. 46. ſeqq.) aus- fuͤhrlicher betrachtet haben, wuͤrde gebraucht werden koͤnnen, die Sprache auf jede abſtracte und unempfind- bare Begriffe auszudehnen, es ſey, daß man ſie meta- phoriſch machte, oder durch gewaͤhlte Ableitungstheil- chen die Verwandlung in der Bedeutung anzeigte. §. 138. Was wir hievon in den wirklichen Spra- chen antreffen, koͤmmt darauf an, daß ſie gewiſſe Haupt- woͤrter (Subſtantiua) haben, welche zuſammengenom- men eine ganz beſondere Claſſe von Woͤrtern und ab- ſtracten Begriffen vorſtellen, und zwar ſo, daß eine Sprache nicht zur gelehrten Sprache werden kann, oh- ne daß die Anzahl ſolcher Hauptwoͤrter betraͤchtlich ver- mehrt werde. Jm Deutſchen unterſcheiden ſie ſich durch die Endungen: heit, keit, niß, ſal, ſchaft, thum, ung, ꝛc. wodurch ſie haͤufig abgeleitet werden, z. E. Schoͤnheit, Moͤglichkeit, Hinderniß, Truͤbſal, Eigenſchaft, Eigenthum, Aenderung, ꝛc. und zu dieſen kommen noch unzaͤhlige, die von Zeitwoͤrtern hergenommen werden, z. E. das Schreiben, die Schrift, die Lehre, das Vermoͤgen, ꝛc. Dieſe Hauptwoͤrter werden ſchlechthin Abſtracta genennt, weil ſie in der That allgemeine und abgezogene Begriffe vorſtellen, ohne welche eine Sprache nothwendig unge- lehrt bleibt. §. 139. Man ſieht auch aus den angefuͤhrten Bey- ſpielen, daß dieſe Claſſe von Woͤrtern keine Subſtanzen oder fuͤr ſich beſtehende, ſondern ſolche Dinge vorſtel- len, die als fuͤr ſich beſtehend angeſehen werden. Viele dieſer Begriffe werden daher auch als Perſonen gemalt, z. E. F 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/89>, abgerufen am 23.11.2024.